Rubinrote Asche - Erin J. Steen - E-Book

Rubinrote Asche E-Book

Erin J. Steen

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Beschreibung

»Hüte deine Geheimnisse, sonst werden sie dein Leben zum Einsturz bringen.« Die Fairfield Fashion Week beginnt und hält die Stadt und ihre Bewohner in Atem. Madison, Novalee, Yasmine und ihre Helfer richten unter Strom die einzelnen Events aus und auch Delias alte Clique trifft sich auf der Veranstaltung des Jahres. Nur Polizist Tyler bekommt davon nichts mit, weil ihn ein familiärer Notfall zurück in seine alte Heimat gezwungen hat. Olivia kommt endlich wieder zu Kräften und kann sich mit vollem Elan in ihre ganz private Recherche stürzen, denn sie will herausfinden, was es mit Delias geheimer Ablage auf sich hat. Doch trotz des ärztlichen Verbots kann sie die Fashion Week nicht unbesucht lassen.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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DAS BUCH

»Hüte deine Geheimnisse, sonst werden sie dein Leben zum Einsturz bringen.«

Die Fairfield Fashion Week beginnt und hält die Stadt und ihre Bewohner in Atem. Madison, Novalee, Yasmine und ihre Helfer richten unter Strom die einzelnen Events aus und auch Delias alte Clique trifft sich auf der Veranstaltung des Jahres. Nur Polizist Tyler bekommt davon nichts mit, weil ihn ein familiärer Notfall zurück in seine alte Heimat gezwungen hat.

Olivia kommt endlich wieder zu Kräften und kann sich mit vollem Elan in ihre ganz private Recherche stürzen, denn sie will herausfinden, was es mit Delias geheimer Ablage auf sich hat. Doch trotz des ärztlichen Verbots kann sie die Fashion Week nicht unbesucht lassen.

DIE AUTORIN

Erin J. Steen wurde im Herbst 1983 in Niedersachsen geboren. Dort lebt und arbeitet sie auch heute wieder, nachdem sie einige Jahre in verschiedenen Orten im In- und Ausland verbracht hat. Sie liebt große Städte, möchte aber nicht mehr längere Zeit in einer Großstadt leben. Das Haus teilt sie mit einem Mann, einer Tochter und zwei tierischen Gefährten.

Ihre Freizeit verbringt sie nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit Spaziergängen im Wald, der Familie und stetig wechselnden kreativen Hobbys. Sie fotografiert, näht und denkt hin und wieder daran, das Töpfern zu erlernen.

Ankündigungen neuer Projekte, exklusive Infos und aktuelle Termine gibt es im Newsletter. (Anmeldung über www.erinjsteen.com)

RUBINROTE ASCHE

BAD HABITS 6

ERIN J. STEEN

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

2. Auflage, 2023

© Erin J. Steen – alle Rechte vorbehalten.

Erin J. Steen

Zum Fuhrenkamp 12

38448 Wolfsburg

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, unterliegen der Zustimmung des Rechteinhabers.

Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

www.erinjsteen.com

KAPITELEINS

Samstag 9:50

TYLER

»Awwww«, grummelte Tyler genervt in sein Kissen, als das Dröhnen des Weckers die Wände seines Schädels vibrieren ließ. Blind tastete er nach dem Smartphone, das schellte, als stünde das Haus in Flammen. »Schnauze!«

Er orientierte sich blinzelnd im Raum und erinnerte sich bruchstückhaft daran, wo er war. Das Hotel Giardinos in Detroit. Das Krankenhaus. Die Nachrichten von dem Arzt. Der Überfall am Vorabend. All das kam ihm wieder ins Gedächtnis. Aber irgendwas fühlte sich dennoch seltsam an. Nicht nur der dröhnende Schädel, den er sich am Vorabend durch üppigen Alkoholkonsum redlich verdient hatte.

Nein, da war noch etwas anderes, das ihn irritierte. Neben ihm lag etwas. Es war warm und weich und vermutlich kein Etwas sondern ein Jemand. Verdammt, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er tastete an sich herunter. Kein einziger Fetzen Stoff bekleidete seine Lenden. Stattdessen stieß seine Hand bei ihrer Erkundungstour unter der Decke auf einen weichen runden Hintern, der sich an seinen Oberschenkel drückte.

»Tyler«, stöhnte der Jemand, bei dem es sich ganz eindeutig um eine Frau handelte. Das war schon einmal sehr gut. Keine Premiere mit einem Mann. Obwohl sich Simon darüber vermutlich sehr amüsiert hätte.

Das Stöhnen klang trotz der schläfrigen Stimme lustvoll. Scheiß drauf, dachte Tyler und begann, den Hintern der Unbekannten zu kneten. Es fühlte sich verlockend an, wie sie unter den kraftvollen Griffen seiner Finger stöhnte. Er wollte mehr davon.

»Baby? Du bist ja unersättlich. Hör nicht auf«, feuerte sie ihn an.

Seine Lenden reagierte auf die unerwartete Gegenwart einer willigen nackten Frau in seinem Bett. Eilig schob er die Decke beiseite und begann, ihren Po mit beiden Händen zu verwöhnen. Sie rollte sich bereitwillig auf den Bauch, spreizte die Beine und drückte ihm ihren Hintern entgegen. Er kniete sich zwischen die rundlichen Schenkel und packte kräftig zu. An dieser Frau war auf jeden Fall etwas dran. Wenn er es in der vergangenen Nacht bereits mit ihr getrieben hatte, sprach nichts dagegen, dass er sich zu dem schlechten Gewissen wenigstens noch ein paar schöne Erinnerungen an sie holte.

Zwischen den Pobacken glitzerte ihre feuchte Vagina wie ein Versprechen auf die Befriedigung seiner Lust. Er zog sie auf die Knie und biss ihr zart in die prallen Backen. Einmal links, einmal rechts, ehe er mit dem Daumen zwischen ihre Beine fuhr und kreisend über ihre Schamlippen rieb.

Ein erneutes Stöhnen entwich ihrem Mund, der sich in eins der Kopfkissen presste. Er blickte sich im Raum um, während seine Finger über die empfindlichen Stellen ihrer Mitte strichen. Sein Daumen glitt wie von selbst in sie und sie bäumte sich auf.

»Ahh«, entfuhr es ihr lustvoll. Das war zweifellos sein Hotelzimmer, doch an die Kondome auf dem Nachtschrank erinnerte er sich nicht. Egal, genau das brauchte er jetzt, um auf seine Kosten zu kommen. Wer diese Frau war und ob er sie jemals wiedersehen würde, zeigte sich noch früh genug. In diesem Augenblick brauchte er nur eine Sache wirklich.

»Darf ich?«, fragte er mit vom Schlaf belegter Stimme. Er wollte sich nicht vorkommen wie ein Arsch, deshalb holte er vorher ihre ausdrückliche Einwilligung ein. Wer sich nicht erinnerte, was in den letzten Stunden geschehen war, konnte leicht die falschen Schlüsse ziehen. Vielleicht waren sie nass geworden und hatten es für eine gute Idee gehalten, sich auszuziehen, ohne dass etwas zwischen ihnen gelaufen war. Vielleicht war er so betrunken gewesen, dass er daran überhaupt nicht mehr hatte denken können. Nein, ohne ihre Einwilligung würde er nicht einfach seine niederen Gelüste an ihr stillen.

»Ja, Baby, bitte nimm mich«, raunte sie die erhoffte Antwort.

Mehr brauchte er nicht. Er zog den Finger aus ihr und rollte ein Kondom über sein steifes Glied. Es plagte ihn gleichermaßen wie er es aufregend fand, dass er keine Ahnung hatte, in wen er es gleich stoßen würde. Dass es weder Irma noch Sophia waren, war ihm allzu bewusst. Doch in diesem Moment spielte das keine Rolle. Sein Kummer war bereits unendlich groß und er schuldete keiner von ihnen seine Treue. Diese Frau auf seiner Matratze wollte ihn und das war es, was er jetzt hören musste. Viel zu lange hatte er das nicht mehr gespürt.

Er kniete sich hinter sie und drängte sich langsam zwischen ihre Beine. Sie war so feucht, dass er kaum einen Widerstand spürte, doch eng genug, dass es ihm einen inneren Peitschenhieb versetzte, als er in sie glitt. Seine Hüfte stieß gegen ihre Rundung und er war so tief in ihr wie es in dieser Position ging. Sanft knetete er noch einmal ihre Pobacken, die sich einfach perfekt in seinen Händen anfühlten. Mit leichten Bewegungen rieb er sich in ihr und entlockte ihr ein leises Seufzen nach dem anderen.

»Baby, du machst das so gut«, feuerte sie ihn an. Mit beiden Händen strich er über ihren Rücken, schob die dünne Decke zur Seite und entblößte auch diesen Teil ihres Körpers. Sie hatte einladend breite Hüften und nur zu gerne wollte er ihre Brüste ertasten, um zu erfahren, ob sie genauso schwer und prall waren wie ihr Hintern. Ihr Po reckte sich ihm entgegen, als sie sich auf die Hände stemmte und ihren Oberkörper vom Laken erhob. Ihre Brüste landeten wie von selbst in seinen forschenden Händen. Sie fühlten sich super an, so super, dass er heftiger in sie stieß als beabsichtigt.

»Entschuldige«, flüsterte er und küsste ihr Schulterblatt zur Wiedergutmachung.

»Kein Grund dich zu entschuldigen. Letzte Nacht warst du auch nicht zimperlich.«

Sie drehte ihm ihr Profil zu und er erkannte, dass er es mit der namenlosen Italoamerikanerin vom Empfang trieb, die ihm erzählt hatte, wo er noch etwas trinken konnte. Irgendwie kam es ihm unwirklich vor, dass er sie davon hatte überzeugen können, mit ihm ins Bett zu steigen. Sie war heiß und die Art wie sie sprach weckte seine Lust.

Von ihrem Kommentar angestachelt, wurden seine Bewegungen in ihr ausladender und kraftvoller als zuvor. Vorbei war das sanfte Liebesspiel. Von jetzt auf gleich schaltete er um und ließ sie seine ungefilterten Gefühle spüren. Er war geil, verzweifelt und verdammt wütend auf die Welt. »Ja, so ist es richtig.«

Es irritierte ihn, dass sie mit einem Gast ins Bett ging und ihn anfeuerte als wäre er eine Art Superheld, doch er wollte all das nicht in Frage stellen. Nicht jetzt.

Stoß um Stoß geriet er in Ekstase. Sie stöhnte unter ihm, doch auch das kümmerte ihn nicht mehr. Er packte ihre Hüften und hielt sie in Position, um sich hart und tief in sie zu rammen. Wieder und wieder, bis er stöhnend in ihr kam. Sie ließ sich erschöpft wieder auf den Bauch gleiten und sein verschleierter Blick blieb an der Uhr auf dem Nachtschrank hängen.

»Scheiße«, fluchte er. Es war schon 10:20 Uhr und in zehn Minuten traf er sich mit dem Staatsanwalt im Foyer. Vorher musste er unbedingt duschen und diese Frau loswerden, die ihm noch Sekunden zuvor sehr viel Freude gemacht hatte. »Tut mir leid, ich habe gleich einen wichtigen Termin. Ich muss mich jetzt fertig machen.«

»Kein Problem, ich muss jetzt sowieso zum Dienst. Du bringst mir das Geld dann nachher an die Rezeption wie vereinbart?«

Welches Geld? Verdammt. Tyler, du bist so erbärmlich. Natürlich will diese Frau dich nur für Geld. Das erklärte auch das ständige Gestöhne und ihr Betteln nach mehr. Welche Frau, die er nicht dafür bezahlte, hätte ihn so angemacht? Egal. Wenigstens brach er nicht ihr Herz, wenn er einfach wieder verschwand.

»Wie viel hatten wir noch gleich verabredet?«, erkundigte er sich vorsichtig, weil er sich nur an wenige Bruchstücke des Abends erinnern konnte.

»Vierhundert für die ganze Nacht, mein Süßer.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und sammelte ihre Kleider auf. Tyler hatte keine Zeit für Verhandlungen. Vierhundert erschien ihm zu viel für eine ungeplante Ausgabe dieser Art, aber er hatte zweifellos ihre Dienste in Anspruch genommen und wenn er sich auf dieses Geschäft eingelassen hatte, musste er auch zahlen. Nie wieder Alkohol!

Oder zumindest weniger davon.

Er sprang unter die Dusche. Der kostspielige Sex hatte wenigstens seine Kopfschmerzen vertrieben und die Summe hätte er ohnehin zahlen müssen - selbst wenn er sich an nichts erinnert hätte. In seinem Magen blieb dennoch ein flaues Gefühl von der Nacht zurück.

Ekel.

Wie hatte er sich selbst so geringschätzen können, dass er auf dieses Angebot eingegangen war? Zuhause gab es eine wunderschöne Frau, die mit ihm ausgehen wollte, und er bezahlte einen dicken Batzen Geld für eine Nacht, in der er seinen Sorgen entfliehen konnte. Andererseits war es bequem, dass mit diesem Abenteuer keine Verpflichtungen verbunden waren - außer der Bezahlung.

Das Wasser lief ihm über die Stirn. Er wollte es genießen, doch die Uhr drängte ihn zur Eile. Er durfte den Staatsanwalt nicht warten lassen. Was sollte er ihm an diesem Morgen erzählen? Sollte er den Überfall am gestrigen Abend erwähnen? Alles war so verworren und undurchsichtig.

Eigentlich hatte nur der Staatsanwalt und seine Sekretärin sowie die Mitarbeiter des Krankenhauses gewusst, dass er sich in der Stadt aufhielt. Einer von diesen Menschen musste ihn an die Verfolger verraten haben. Wie er nur zu gut wusste, reichten die langen Arme im Fall Martini überall hin. Vielleicht sogar bis in dieses Hotel. Konnte er dem Anwalt trauen?

Der Staatsanwalt und sein Büro waren eigentlich die beste Quelle für diese Leute. Ob es Rutherford dem Richter selbst erzählt hatte oder das Leck in seinem Büro lag? Hastig rubbelte er sich mit dem Handtuch ab und zog wahllos ein paar Klamotten aus der Tasche, in die er schlüpfen konnte. Er ließ einen Kontrollblick durch den Raum schweifen und stellte fest, dass die Frau verschwunden war. Dann eilte er aus dem Zimmer und sprintete die Treppen hinab ins Foyer.

Gerade noch rechtzeitig, wie ein Blick auf die große Uhr an der Rezeption verriet. Ein breitschultriger Mann im abgetragenen Mantel trat ins Hotelfoyer. Eine schicke Blondine lief an seiner Seite. Dass diese zwei Menschen weder Vater und Tochter noch Mann und Frau waren, konnte jeder auf den ersten Blick sehen. Das musste Rutherford sein.

»Wer ist Ducharme?«, polterte er sogleich mitten im Foyer los, als sei es selbstverständlich, dass Tyler hier bereits auf ihn wartete. Nicht auszudenken, wie dieser Termin ausgegangen wäre, hätte er ihn warten lassen.

Dezent nickte Tyler ihm zu. »Das wäre dann ich. Sie müssen Mr. Rutherford sein.«

»Der bin ich.« Seine tiefe Stimme klang genauso unausgeschlafen wie vor einigen Wochen am Telefon. Die Blondine trug ihm die Tasche hinterher und schwieg.

»Wenn wir uns ins Restaurant setzen könnten, wäre das ganz in meinem Sinne. Ich könnte ein paar Kaffee vertragen, denn die vergangenen Stunden sind nicht gerade in meinem Sinne verlaufen, woran auch unser Termin nicht ganz unschuldig ist«, deutete Tyler an, um den Anwalt neugierig zu machen und sich selbst eine Chance auf den Rest des Frühstücksbuffets zu verschaffen.

»Aha«, brummte Rutherford. »Dann erzählen Sie mal.«

Er setzte sich in Bewegung und sie steuerten gemeinsam einen freien Tisch in dem kleinen Restaurant an. Rutherford ließ sich auf der Bank nieder und überließ der Blondine und ihm nur die unbequemeren Stühle.

»Gleich, ich hole mir kurz einen Kaffee.« Der Anwalt hatte angebissen und schien gar nicht so ein Miesepeter zu sein wie in dem ersten Telefonat. Er hatte ein wenig Respekt davor gehabt, diesen Mann zu treffen, der ihn im ersten Gespräch bereits dafür gerügt hatte, dass er so schwer zu finden gewesen war.

»Bringen Sie mir einen Espresso mit«, wies der Anwalt die Blondine an.

Sie folgte Tyler, der nun bewusst langsamer wurde, um sie zu sich aufschließen zu lassen.

»Und Sie sind?«

»Oh, Entschuldigung, ich bin Laine Hanks. Ich mache gerade ein Praktikum bei Mr. Rutherford.« Ihre Stimme klang weich, aber vollkommen anders als die der Sekretärin, mit der er zuvor mehrfach telefoniert hatte. An ihren Namen konnte er sich jedoch nicht erinnern.

»Oh, das ist sicher spannend. Dann studieren Sie Jura?«

»Ja, genau.« Sie nickte begeistert. Tyler erreichte das Buffet und nahm sich einen Teller, um sich von den kläglichen Resten noch etwas zu sichern, das ihn mindestens bis zu einem späten Mittagessen tragen würde. Vor ihm lagen genauso schwere Aufgaben wie am Vortag. Er würde wieder ins Krankenhaus gehen müssen und seine Mutter besuchen. Sich vergewissern, dass die Dinge wirklich waren, wie er sie im Kopf abgespeichert hatte. Oder besser noch: Herausfinden, dass es nicht so war.

Mit seinem Kaffee und dem vollen Teller kehrte er zum gemeinsamen Tisch zurück, an dem Laine und der Anwalt auf ihn warteten. Rutherfords Espresso war bereits leer, doch Laine nippte noch an einem Latte Macchiato.

»Wenn Sie nun die Güte hätten, mir zu berichten, was vorgefallen ist«, forderte Rutherford ihn auf und ignorierte seine Praktikantin geflissentlich.

»Gerne. Ich hatte gestern Abend unerwartete Gesellschaft, die mich auf offener Straße abfing und in einen Transporter zerrte, um mir dann in einem entlegenen Lagerhaus zu erklären, dass ich nichts über den Richter sagen sollte, weil man sonst meiner Familie etwas antun würde.«

Laine legte erschrocken die Hand vor den Mund und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.

»Und das nehmen Sie so hin?« Sie schüttelte entgeistert den Kopf. Rutherford warf ihr einen Blick zu, der jedem hätte signalisieren müssen, dass Schweigen die bessere Wahl war.

Ein freudloses Lachen erklang aus Tylers Mund. »Meine einzige Familie liegt im Sterben, wie ich gestern erfahren habe. Was soll also passieren? Ich habe nichts mehr zu verlieren.«

Er zuckte die Achseln und fühlte nichts außer der gleichen gähnenden Leere wie in der Nacht zuvor.

»Was können Sie mir denn über den Richter sagen?«, wollte Rutherford mit professionellem Interesse wissen.

Tyler holte tief Luft und begann zu erzählen, was er über den Fall wusste, das es aus politischen Gründen nicht in die offiziellen Akten geschafft hatte und weshalb er letztendlich das Revier verlassen hatte. Zwar hatte man ihn auch heftig gemobbt und ihm gezeigt, dass man ihn nicht mehr haben wollte, doch gegangen war er, weil er seine Arbeit nicht nach seinen eigenen Moralvorstellungen hatte verrichten können.

KAPITELZWEI

Samstag 10:42

OLIVIA

Sie hatte sich auch aufgrund von Finchs Verdacht und Ambers großer Sorge nach dem Picknick im Park noch einmal ins Krankenhaus begeben und ließ ihre Ärztin sämtliche Untersuchungen durchführen, die im Bereich dessen lagen, was die Krankenversicherung bezahlte. Ihre Vermutung, Robert könnte sie mit irgendetwas vergiftet haben, dass es sie auch zwei Wochen nach ihrem Zusammenbruch noch derart beeinträchtigte, ließ ihr einen eisigen Schauer die Wirbelsäule entlanglaufen.

Die Ärztin hatte nun einen Stapel Papiere in der Hand und blätterte darin, als Olivia erneut in den Behandlungsraum trat. Ihre Stirn lag in so nachdenklichen Falten, dass sie sich nicht traute, sie anzusprechen. Falls das ihre Unterlagen waren, schien die Lektüre ihr einiges Material zum Grübeln zu geben. Wie gerne hätte Olivia es stattdessen einfach gehabt. Sie setzte sich auf die Liege und ließ die Beine baumeln.

»Also Miss Bishop«, begann Dr. Rains das Gespräch. »Ich kann es noch immer nicht mit Bestimmtheit sagen. Der Vorfall ist wahrscheinlich schon zu lange her, aber die Sauerstoffsättigung in Ihrem Blut und Ihre Leistungsfähigkeit passen nicht zusammen. Das Bild erinnert mich an etwas, das ich schon einmal gesehen habe. Daher schlage ich vor, dass wir Sie auf Verdacht mit einer gezielten Ausleitung behandeln.«

Erleichtert, dass endlich irgendetwas getan wurde, damit sie sich wieder besser fühlte, seufzte Olivia auf. Sie war der Ärztin unendlich dankbar, dass sie sich ihre unbelegten Behauptungen überhaupt angehört hatte, egal wie verrückt sie in den Ohren einer Unbeteiligten sicher geklungen hatten.

»Haben Sie denn eine Ahnung, wie Sie sich vergiftet haben könnten?«, wollte die Medizinerin wissen. Sie klappte die Akte zu und blickte Olivia direkt in die Augen.

»Vielleicht habe ich da einen Verdacht, aber ich möchte niemanden zu Unrecht belasten, verstehen Sie? Es könnte sein, dass ich irgendwas über einen Tee aufgenommen habe, der recht bitter geschmeckt hat.« Vor ihrem inneren Auge erschien wieder die Szene im Coffeeshop. Umringt von Polizisten und anderen Gästen musste Robert ihr etwas in den Earl Grey gekippt haben. Wie kühn von ihm, es dort vor aller Augen zu tun, aber sie konnte es sich nicht anders erklären. Sie trank ihren Tee ohne Milch und Zucker, was den bitteren Geschmack vermutlich abgemildert hätte. »Ich habe ihn nicht ganz ausgetrunken. Meinen Sie, wenn da etwas drin war, dass derjenige mich töten wollte?«

An diese Absicht hatte sie nicht glauben wollen. Weshalb sie sie weder Amber gegenüber ausgesprochen hatte, noch sich selbst erlaubt, diesen Gedanken vollständig zu denken. Doch nun purzelten die Worte über ihre Lippen. Der Blick der Ärztin wurde ernst und jegliches freudvolle Glitzern verschwand aus ihren Augen.

»Sie sagen ja selbst, dass sie niemanden beschuldigen wollen. Vielleicht hat es sich auch anders zugetragen. Falls es wirklich Blausäure ist, kommt diese viel häufiger in Gasform daher.« Dr. Rains begann vor der Untersuchungsliege auf und ab zu laufen. »Ein Blausäureprodukt, das in Flüssigkeiten löslich ist, ist mir bislang nicht untergekommen. Sollte es sich wirklich so zugetragen haben, hat sich der Angreifer eine sehr unkonventionelle Methode genutzt, um sie zu vergiften. Sicher hat derjenige geglaubt, dass niemand darauf kommen würde. Wenn es denn so war und sie nicht irgendwo zufällig mit dem Gas in Kontakt gekommen sind.«

»Passiert sowas denn?«, wollte Olivia von der Ärztin wissen. »Dass jemand zufällig irgendwo mit Blausäuregas in Kontakt kommt.«

»Nein, sowas passiert eigentlich nicht«, gab diese zu. »Der Anwendungsbereich wird in der Regel sauber isoliert und falls es irgendwo einen Unfall gegeben hätte, wären wahrscheinlich mehrere Patienten mit ähnlichem Symptomen hier gelandet.«

»Könnte es denn auch eine andere Ursache haben, dass es mir noch immer so schlecht geht?«

»Sicher, aber die gängigen Untersuchungen haben wir durchgeführt und nichts gefunden.« Sie schüttelte den Kopf und öffnete die Tür zum Flur. »Ich bespreche jetzt mit den Schwestern Ihre Medikation und ob wir Sie dafür noch einmal stationär aufnehmen oder nach Hause schicken können. Solche Fälle kommen hier nicht so oft vor, da möchte ich mich erstmal rückversichern.«

Sie eilte aus dem Raum und ließ Olivia mit ihren Sorgen und Befürchtungen allein im Behandlungszimmer zurück. Die Zettel mit den Blutergebnissen lagen noch auf dem Schreibtisch. Kurzentschlossen zückte Olivia ihr Smartphone und fotografierte die Ergebnisse ab.

---ENDE DER LESEPROBE---