Nichts bleibt ohne Folgen - Erin J. Steen - E-Book

Nichts bleibt ohne Folgen E-Book

Erin J. Steen

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Beschreibung

"Eine falsche Entscheidung kann alles gefährden, woran du glaubst." Das muss nicht nur Novalee feststellen, als sie einem Impuls nachgibt, der so gar nicht ihrem üblichen Verhaltensmuster entspricht. Auch Schmuckdesignerin Quinn denkt sich nichts Böses, als sie beschließt, ein Geheimnis zu bewahren. Aber selbst das harmloseste Geheimnis besitzt das Potenzial, sich gegen seinen Bewahrer zu wenden.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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DAS BUCH

»Eine falsche Entscheidung kann alles gefährden, woran du glaubst.«

Das muss nicht nur Novalee feststellen, als sie einem Impuls nachgibt, der so gar nicht ihrem üblichen Verhaltensmuster entspricht. Auch Schmuckdesignerin Quinn denkt sich nichts Böses, als sie beschließt, ein Geheimnis zu bewahren. Aber selbst das harmloseste Geheimnis besitzt das Potenzial, sich gegen seinen Träger zu wenden.

DIE AUTORIN

Erin J. Steen wurde im Herbst 1983 in Niedersachsen geboren. Dort lebt und arbeitet sie auch heute wieder, nachdem sie einige Jahre in verschiedenen Orten im In- und Ausland verbracht hat. Sie liebt große Städte, möchte aber nicht mehr längere Zeit in einer Großstadt leben. Das Haus teilt sie mit einem Mann, einer Tochter und zwei tierischen Gefährten.

Ihre Freizeit verbringt sie nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit Spaziergängen im Wald, der Familie und stetig wechselnden kreativen Hobbys. Sie fotografiert, näht und denkt hin und wieder daran, das Töpfern zu erlernen.

Ankündigungen neuer Projekte, exklusive Infos und aktuelle Termine gibt es im Newsletter. (Anmeldung über www.erinjsteen.com)

NICHTS BLEIBT OHNE FOLGEN

BAD HABITS 2

ERIN J. STEEN

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

2. Auflage, 2023

© Erin J. Steen – alle Rechte vorbehalten.

Erin J. Steen

Zum Fuhrenkamp 12

38448 Wolfsburg

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, unterliegen der Zustimmung des Rechteinhabers.

Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

www.erinjsteen.com

KAPITELEINS

NOVALEE

Im schummrigen Licht der winzigen Lampenschirme wirkte das Snake Bite in ihrem Glas wie ein Kürbisshake. Kein sonderlich schmackhafter Vergleich, aber dafür umso wahrer und um die Wahrheit ging es doch im Leben, oder?

Novalee hob den Blick und ließ ihn durch den Raum voller Menschen schweifen. Bis auf Hüfthöhe waren die Wände mit einem rötlichen Holz vertäfelt, das sich auch in Tischen, Stühlen und der Bar wiederfand, an der sie saß. Oberhalb der Vertäfelung erstrahlten die Wände in typisch britischem Grün. Gerahmte Bilder von Sportmannschaften wurden von kleinen Spots beleuchtet.

Sie kannte die Kneipe inzwischen fast so gut wie ihr Wohnzimmer, weil sie so oft hierher kam. Es gab ein Pubquiz, bei dem sie mit einem Team aus Menschen, die sie nur einmal pro Woche zu diesem Zweck traf, um Getränkegutscheine spielte. Diese drei Fremden waren ihr in manchen Wochen die engsten Freunde, obwohl sie fast nichts aus den Leben der jeweils anderen wussten. Aber manchmal war es genau das, was sie brauchte. Oft gab es an den Wochenenden im Hinterzimmer Konzerte unbekannterer Künstler. Heute erklang jedoch nur aufgezeichnete Musik einer willkürlichen Playlist aus den Lautsprechern in den Ecken.

Ihre Freundin Sienna war seit mindestens fünf Minuten auf der Toilette im Untergeschoss verschwunden und ließ sie warten. Wahrscheinlich geschah ihr das ganz recht. Sie war an diesem Abend keine besonders gute Gesellschaft. Sienna hatte ihr das in ihrer unnachahmlich charmanten Art bereits zweimal gesagt und sie gebeten, ihre Laune in den Griff zu bekommen, aber sie konnte sich einfach nicht beherrschen. Zu sehr gingen ihr die Ereignisse der letzten Woche an die Nieren.

Der drohende Jobverlust, weil es für die Agentur immer schlechter lief, ihr nerviger Kollege und dieses Gefühl, einfach nicht zu wissen, wo sie hingehörte – all das wurde langsam zu viel für ihre Seele. Mit dem Job stand und fiel ihre Existenz in der Stadt. Wenn sie scheiterte, musste sie wohl oder übel zu ihrer Familie zurückkehren, die sie zwar liebte, aber bei denen sie nicht mehr leben wollte. Sie mussten diesen Auftrag einfach behalten. Er konnte ihre Garantie für ein weiteres Jahr sein.

Mit FU.Ture hatte sie einen zahlungskräftigen Kunden angeworben, der außerdem spannende Aufgaben mitbrachte. Besser konnte es nicht laufen, allerdings hatte sie auch Jaspers Gesabber gesehen, als er glaubte, unbeobachtet die attraktive Kundin anstarren zu können. Ein Kollege wie er war wie eine von Gottes Prüfungen. Wenn er sein Ding nicht in der Hose behielt, war der Auftrag schneller wieder weg, als Novalee einen neuen besorgen konnte. Am liebsten hätte sie ihm seinen Reißverschluss zugetackert.

Zum ersten Mal, seit sie den Pub entdeckt hatte, saß sie an der Theke, weil nirgends mehr ein Platz an den Tischen frei gewesen war. Den Barkeeper hatte sie bei ihren früheren Besuchen noch nie wahrgenommen. Er sah auf eine düstere Weise interessant aus. Sein definierter Körper steckte in einer grünen Schürze mit dem Emblem des Pubs, die er über verwaschenen, dunkelgrauen Jeans und einem schwarzen T-Shirt trug. Das kurzgeschorene, dunkle Haar betonte seine dunklen Augen. Ein stoppeliger Bart unterstrich den Gesamteindruck des Geheimnisvollen.

Erneut sah sie sich nach Sienna um. Ihre Freundin hatte sie doch nicht etwa ohne ein Wort des Abschieds hier sitzengelassen?

»Na, hast du dich beruhigt?«, fragte sie plötzlich aus einer unerwarteten Richtung.

»Wo warst du?« Novalee seufzte erleichtert auf. Noch länger wollte sie den Fremden hinter der Bar wirklich nicht anstarren. Nachher dachte er noch, sie wäre auf eine verquere Art und Weise an ihm interessiert, was definitiv nicht der Fall war. Sie war nur fasziniert von seiner Erscheinung und gelangweilt. Ja, das traf es wohl ganz gut.

»Kurz draußen«, erklärte ihre Freundin mit einem lässigen Achselzucken.

»Was machst du denn draußen?«, hakte sie nach.

»Wenn du es unbedingt genau wissen willst: Ich habe unten einen alten Kumpel getroffen und wir haben draußen einen geraucht.« Novalee riss die Augen auf. Ehe sie aber ihr Entsetzen zum Ausdruck bringen konnte, startete Sienna den Gegenangriff. »Ach klar, jetzt kehrst du wieder Mutter Teresa raus? Ist doch meine Sache, stell dich nicht so an.«

Sienna stemmte die Hände in die schlanke Taille und warf in einer dramatischen Geste ihr mittelblondes Haar über die Schulter. Ihr Nasenpiercing fing das Licht der Deckenlampe und blitzte auf, als sie provokant das Kinn in die Höhe reckte.

»Du bist genau wie er«, warf sie ihr verärgert vor. Manchmal verstand sie nicht, warum sie und Sienna eigentlich befreundet waren. Von außen betrachtet hatten sie nichts gemeinsam und auch bei der Frage nach gemeinsamen Werten war die Liste kurz. Es gab Eigenschaften an Sienna, die sie liebte, aber mindestens ebenso viele, die sie zur Weißglut trieben.

»Wenn du damit meinst, dass ich nur tue, was mir Spaß macht, anstatt mir Abend für Abend moralphilosophische Fragen zu stellen, dann bin ich gerne wie er.« Siennas Sturheit war eine der Eigenschaften, die sie mit Novalee gemein hatte, aber das war nie förderlich, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren.

»Es ist verboten, falsch und verwerflich«, hielt Novalee ihr entgegen.

»Papperlapapp. Was auch immer in deinem Kopf heute für ein Film läuft, ich spiele nicht mehr mit. Vielleicht philosophierst du heute Abend mal über deine Gefühle für deinen Kollegen anstatt deinen Frust an anderen auszulassen.«

»Was für Gefühle? Ich habe keine Gefühle für ihn«, stritt sie ab und sprang von ihrem Hocker, um mit Sienna auf Augenhöhe zu streiten. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Immer wieder kam Sienna mit dieser wüsten Unterstellung daher. Für den selbstverliebten Jasper hatte sie gewiss keine Gefühle außer der Salzsäurelösung, die in ihrem Magen brodelte, wenn er sie nervte – und das tat er täglich. Mehrmals.

»Das kannst du deinem Priester vielleicht weismachen, aber mir nicht.« Erbarmungslos teilte Sienna Tiefschläge in alle Richtungen aus. Das war eine der Eigenschaften, die Novalee aufrichtig an ihrer besten Freundin bewunderte, aber zugleich fürchtete. Sie unterschied in ihrer Raserei nicht zwischen Freund und Feind – sie sagte einfach jedem schonungslos ihre Meinung. »Warum interessiert es dich denn so brennend, mit wem er in die Kiste steigt, wenn du keine Gefühle hast?«

Novalee musste schlucken. Vor ihrem inneren Auge flackerte eine ganze Reihe Bilder auf – von dem Stiletto-Püppchen, das aus der Modelagentur gestolpert kam, und der anmutigen Blondine mit dem Rehblick, die Jasper vor einigen Monaten mehrmals von der Arbeit abgeholt hatte, und schließlich von Madison Holland, ihrer neuen Klientin von FU.Ture. All diese wunderschönen Frauen standen auf Jaspers Kurzwahlliste, wenn er sich ein wenig austoben wollte. Er mochte zwar glauben, sie bekäme nicht mit, wie zwischen ihm und der neuen Kundin die Funken geflogen waren, aber sie war sicher nicht blind.

Noch eine Gemeinsamkeit verband die Frauen auf Jaspers Liste. Sie waren alle das komplette Gegenteil von ihr. Natürlich hatte sie keine Gefühle für ihn. Auch weil das vollkommen irrational wäre.

»Weil es uns den Job kosten könnte«, spie sie als einzig akzeptable Antwort aus.

»Er hat euch noch keinen einzigen Job gekostet«, verteidigte Sienna ihn vehement. »Jasper ist kein Idiot. Er lebt einfach nur, bevor er stirbt.«

Mit einem theatralischen Schnaufen leerte Sienna ihr Glas, ließ es auf die Theke krachen und wehte aus dem Raum wie der Ostwind, der die Plagen brachte. Getroffen sank Novalee auf ihren Hocker. Der letzte Hieb hatte gesessen.

Leben.

Leben hing für Sienna und Jasper fraglos mit einem möglichst aktiven Sexleben zusammen. Wie Sienna genau wusste, war das bei Novalee anders. Für sie gehörte Sex ausschließlich in eine stabile, monogame Beziehung. Natürlich durfte das jeder halten, wie er wollte, aber trotzdem hielt sie insgeheim ihre Einstellung für die einzig Richtige.

Sie stammte aus einer gläubigen Familie. Ihr Vater war ein Wanderprediger, der sich vor etwa zehn Jahren auf einem ausgedehnten Anwesen vor den Toren der Stadt niedergelassen hatte. Seine Gemeinde gläubiger Christen hatte er direkt mitgebracht und sie wuchs stetig weiter. Novalee liebte ihre Familie und sie hatte deren Grundsätze tief verinnerlicht. Dennoch hatte sie ihr berufliches Wohl außerhalb der Gemeinde gesucht, weil sie ihre Talente auf andere Weise nutzen wollte, als ihre Familie es für sie geplant hatte. Trotzdem hatte sie ihre moralischen Grundsätze nicht über Bord geworfen. Sex gehörte in eine Beziehung und sie hatte keine Beziehung. So einfach war das.

Aber hieß das nun, dass sie nicht lebte?

KAPITELZWEI

QUINN

Aus Jonahs Schreibtischstuhl starrte ihr Ethan schockiert entgegen. Es war klar wie Bergkristall, dass er nicht erwartet hatte, bei seinem Treiben erwischt zu werden. Zwar war ihr erster Eindruck von ihm nicht besonders positiv gewesen, doch in diesem Augenblick wirkte er so verwundbar. Sie musste nur laut rufen, und die ganze Gruppe aus der Küche käme hereingestürmt. Aber irgendetwas an dem hilflosen Ausdruck in seinem Gesicht hinderte sie daran, genau das zu tun, obwohl es in ihrem Kopf so richtig klang.

»Was machst du hier?«, fragte sie noch einmal für den Fall, dass er ihre Frage in seiner Schockstarre überhört hatte.

»Ich … ähm«, stammelte er. Sein Kopf begann sich minimal hin und her zu bewegen, als schüttelte er ihn allein mit der Kraft seines Unterbewusstseins. Quinn fühlte sich wie in einem Traumstrudel: Die Realität um sie herum erschien verzerrt. Es fehlte eigentlich nur noch, dass Ethan sich plötzlich in Jonah verwandelte und nicht sie ihn fragte, was er hier tat, sondern Jonah sie beschuldigte, unrechtmäßig in sein Zimmer eingedrungen zu sein.

Aber sie wusste, dass sie nicht träumte.

»Was?«, hakte sie nach, weil keine weiteren Worte über Ethans geöffnete Lippen kamen.

Er seufzte und ließ die Finger von der fremden Tastatur gleiten.

»Bitte verrate mich nicht. Ich muss das hier tun.«

»Was tun?«

Quinn verstand noch immer nicht, was überhaupt vor sich ging.

»Es geht um ein Foto, das Jonah gemacht hat. Ich habe ihn gebeten, es zu löschen, aber er bestand darauf, es ins Internet zu stellen. Das kann ich nicht zulassen.«

Ihr ganzer Körper ging in Abwehrstellung. Das klang nicht nach ihrem gutmütigen Mitbewohner. Jonah würde nicht versuchen, jemandem mit einem Foto zu erpressen. Vielleicht waren Ethan und er nicht die besten Freunde, aber sowas würde der friedfertige Putzbär, als den sie ihn kennengelernt hatte, niemals tun. Irgendetwas stimmte hier nicht.

»Wieso?«, versuchte sie, hinter die Unstimmigkeit zu kommen, doch Ethans fragender Blick war die einzige Antwort, die sie bekam. »Wieso macht er das?«

Er zuckte die Achseln und senkte den Blick.

»Ich bin der, der komisch ist. Jonah wollte mir nicht zuhören. Vielleicht hat er gedacht, ich mache einen Witz, aber ich darf einfach nicht im Internet zu finden sein«, erklärte er mit flehendem Blick. »Das muss ich verhindern. Es ist mir wirklich wichtig.«

Sein Betteln war absolut deplatziert. Es war zweifellos nicht in Ordnung, dass er sich in Jonahs Zimmer schlich, aber der durfte auch nicht gegen seinen Willen Fotos von ihm ins Netz stellen. Ethan hatte Rechte wie jeder andere Mensch auch und diese hatte Jonah zu respektieren. Sie verzog den Mund und bemühte sich, die Positionen der Jungs gegeneinander abzuwägen.

»Was willst du tun?«

»Ich muss nur das Foto löschen. Bitte halt mich nicht auf«, flehte er weiter. Körperlich hatte sie ihm wenig entgegenzusetzen, aber der Vorteil war durch die Nähe der anderen immer noch auf ihrer Seite. Aber er schien gar nicht zu beabsichtigen, sich den Weg freizukämpfen. Er saß vor ihr und bat sie um eine winzige Unterlassung. Nur eine Sekunde des Wegsehens. Wollte sie das für ihn tun?

»Meinst du nicht, dass es klüger wäre, noch einmal mit ihm zu reden?«, wandte Quinn nachdenklich ein.

Ihr Körper machte noch immer keine Anstalten, ihn an seinem Vorhaben zu hindern. Als Ethan das ebenfalls begriff, machte er sich wieder am Touchpad zu schaffen. Die Wahl seiner Mittel mochte falsch sein, aber sie verstand seinen Antrieb.

Ihre Loyalität sollte dem Mitbewohner gelten, der sie warmherzig empfangen hatte, sich um sie kümmerte und dank dem sie überhaupt freundliche Sozialkontakte in dieser Stadt gefunden hatte. Nicht diesem Fremden, der sich heimlich in sein Zimmer schlich, um irgendwelche Daten zu löschen. Das klang einfach falsch, aber trotzdem blieb da dieser Zweifel. Sie kannte Jonah kaum genug, um irgendetwas über ihn sagen zu können. Hatte sie nicht Sekunden zuvor noch in Erwägung gezogen, er könnte eine Sexsklavin an sein Bett gefesselt haben?

»Er hört nicht zu. Verstehst du? Wenn dieses Foto ins Netz kommt, wäre das eine Katastrophe für mich.« Ethan scrollte hastig durch Jonahs Datenablage.

Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass ihr Jonah eine so verdorbene Seele hatte und seinen Kollegen mit einem Foto erpresste. Ethans Verzweiflung schien substanziell. Als ginge es für ihn um Leben und Tod, aber das konnte nicht sein. Wie sollte ein Foto sein Leben so vollkommen ruinieren können?

»Was …«, begann sie, ihn danach zu fragen, doch sie brachte es nicht über sich. Es ging sie nichts an. Wenn es für ihn von so elementarer Bedeutung war, durfte sie als Fremde sich nicht in die Sache einmischen. Sie kannte gerade einmal seinen Vornamen und hatte ihn ein paar Mal gesehen. Diese Unterhaltung war das längste und tiefgreifendste Gespräch, das sie jemals mit ihm geführt hatte. Es stand ihr nicht zu, zu verlangen, dass er sie aufklärte.

»Ich hab‘s«, jubelte Ethan. »Alle Dokumente sind sauber nach Erstellungszeitpunkt abgelegt. Kein System, das ich einsetzen würde, aber immerhin ein System.«

Auf seinem gebräunten Gesicht zeichnete sich ein verstohlenes Lächeln ab. Er klickte ein paar Mal und wandte sich dann wieder ihr zu.

»Danke Quinn. Wenn du mich jetzt verraten willst, tu es, aber du hast mich gerettet. Das werde ich dir nicht vergessen.«

Der ernsthafte Klang seiner Stimme rührte sie. Wäre sie niemals hier reingeplatzt, hätte sie nicht gewusst, was er getan hatte. Dann könnte sie Jonah auch nichts erzählen. Sie wog den Joghurt in ihrer Hand gegen den Löffel in der anderen. Schließlich blinzelte sie ihre Zweifel fort.

»Ich war nie hier«, entschied sie und vollführte eine lautlose Drehung auf ihren Socken. Ohne einen Blick zurück verschwand sie ins Nachbarzimmer, schloss die Tür hinter sich und ließ sich wieder auf ihr Bett nieder. Es war alles nur ein irrer Traum, ja, so konnte sie ihr Verhalten vor sich selbst rechtfertigen. Es war ein Traum und sie war nie in Jonahs Zimmer gegangen, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen.

Erneut aktivierte sie den Videochat.

»Hey, hast du noch kurz etwas gekocht?«, fragte Kate belustigt.

»Nein.« Sie hob den Becher vor die Kameralinse. »Ich hatte einen kleinen Entscheidungskonflikt.«

»Dafür weiß ich jetzt, welchen Film wir gucken«, erklärte ihre Freundin, die wieder bestens gelaunt war.

KAPITELDREI

JASPER

Die Abendluft hatte sich abgekühlt und war herrlich erfrischend. Die heißen Tage würden bald vorbei sein, zumindest hoffte er das. Selbst die längste Hitzewelle hielt nicht ewig. Es hatte den ganzen Sommer in Fairfield kaum geregnet. Lediglich in den nahegelegenen Bergen war ausreichend Niederschlag verzeichnet worden, um der Stadt eine Wasserknappheit zu ersparen.

Er blickte den Partygängern hinterher, die in die eine oder andere Richtung strömten. Wenige Häuser tiefer in der Fußgängerzone befand sich das Lace. Das war sein Lieblingsort, wenn es darum ging, Frauen kennenzulernen. Irgendwie waren sie dort aufgeschlossener als an anderen Orten. Allerdings fürchtete Jasper, er könnte in diesem Club wieder auf Tiffany treffen, die ihm einen Hauch zu anhänglich geworden war. Anfangs schien mit ihr alles genau so locker, wie er es mochte. Aber noch während er mit ihr durch die Laken rollte, begann sie zu klammern.

Es war jedes Mal eine herbe Enttäuschung für ihn, wenn so etwas passierte. Schließlich gab er sich alle Mühe, die Fronten vorab zu klären. Er wollte keine Beziehung, aber deshalb konvertierte er nicht zu einem männlichen Nova-Verschnitt. Wollte er Tiffany aus dem Weg gehen, um sich eine Fortsetzung seiner Geschichte mit ihr als weiblicher Co-Star zu ersparen, machte er besser einen Bogen um den angesagten Kellerclub. Andererseits konnte sie sich genauso gut auch in jedem anderen Laden der Stadt herumtreiben.

Ganz neu war das Insomnia, weshalb es viele abenteuerlustige Clubber anlocken würde. Oft waren diese jedoch deutlich jünger als er. Jasper war inzwischen über dreißig und musste diesen Fakt zwangsläufig in seine Auswahl einbeziehen. Mit zwanzigjährigen Küken konnte er schon lange nichts mehr anfangen. Er brauchte eine Frau, die ihm gewachsen war und wusste, was sie wollte. Ein Mäuschen, das aus Ehrfurcht vor seinem Alter alles mitmachte, brachte ihm keinen Spaß. Viel eher bekam er da ein schlechtes Gewissen. Das Polygon war eine weitere relevante Option, die er in seine Überlegungen einbezog. Normalerweise spielten sie dort nicht ganz seine Musik, aber das war angesichts der deutlich günstigeren Getränkepreise zu verschmerzen.

Ja, damit war die Entscheidung für diesen Abend gefallen.

Bereits am Eingang des Houseclubs erspähte er seinen ganz persönlichen Lottogewinn. Das lange, erdbeerblonde Haar, die grazilen Beine, die in einen wohlgeformten Hintern mündeten. Anhand ihrer herausragenden optischen Merkmale erkannte er die liebreizende Miss Holland, die ihm vor zwei Tagen zum ersten Mal begegnet war, bereits von hinten aus der Ferne. Novalee würde fluchen und toben, wenn sie wüsste, dass er sie privat traf, aber sie musste schließlich nicht alles wissen.

Er reihte sich in die Schlange vor dem Eingang ein und übte sich in Geduld.

---ENDE DER LESEPROBE---