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Das Feuer ist gelöscht. Die Lichter sind erloschen. Nur das Blaulicht erhellt noch den Platz vor der Lagerhalle. Seid ihr bereit für Teil 7? Die Buchserie Bad Habits sollte in der Reihenfolge ihres Erscheinens gelesen werden. Aller Laster Anfang Nichts bleibt ohne Folgen Hinter den Masken Gold & Höhlenstaub Tanz mit dem Teufel Rubinrote Asche Ebenfalls als Sammelbände erhältlich: Wer einmal lügt, dem folgt man nicht (enthält Band 1-3) Biete Sünden, suche Gefälligkeiten (enthält Band 4-6)
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Veröffentlichungsjahr: 2023
BAD HABITS
BUCH 7
Über die Autorin
Zuletzt in Bad Habits
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Der Fall »Delia Gupta«
Personenverzeichnis
Erin J. Steen wurde im Herbst 1983 in Niedersachsen geboren. Dort lebt und arbeitet sie auch heute wieder, nachdem sie einige Jahre in verschiedenen Orten im In- und Ausland verbracht hat. Sie liebt große Städte, möchte aber nicht mehr längere Zeit in einer Großstadt leben. Das Haus teilt sie mit einem Mann, einer Tochter und zwei tierischen Gefährten.
Ihre Freizeit verbringt sie nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit Spaziergängen im Wald, der Familie und stetig wechselnden kreativen Hobbys. Sie fotografiert, näht und denkt hin und wieder daran, das Töpfern zu erlernen.
Ankündigungen neuer Projekte, exklusive Infos und aktuelle Termine gibt es im Newsletter. (Anmeldung über www.erinjsteen.com)
Rauchende Ruinen
Bad Habits 7
Von Erin J. Steen
1. Auflage, 2023
© Erin J. Steen – alle Rechte vorbehalten.
Erin J. Steen
Zum Fuhrenkamp 12
38448 Wolfsburg
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, unterliegen der Zustimmung des Rechteinhabers.
Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
www.erinjsteen.com
Polizist Tyler verarbeitet den Tod seiner Mutter, zu der er zuletzt eine schwierige Beziehung hatte. Das Geheimnis, das sie um seinen angeblich verstorbenen Vater gemacht hat, hat sie mit ins Grab genommen, doch er hat den Verdacht, dass sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hat. Der mysteriöse Besucher, der ihr ihre Lieblingsblumen ins Krankenhaus gebracht hat, geht ihm nicht aus dem Kopf.
Schmuckdesignerin Quinn hatte sich auf einen Abend mit einem großen persönlichen Höhepunkt gefreut. Kaum dass ihre Kollektion auf dem Laufsteg der großen Show ihres Arbeitgebers vorgeführt wird, erschüttert eine gewaltige Explosion die Halle. Durch Staub und Schutt kämpft sie sich zu ihrer Kollegin Teagan hindurch und hilft ihr, sich unter dem Schutt zu befreien.
Notfallsanitäter Simon ist nach dem tätlichen Angriff gegen ihn wieder im Dienst und erlebt den schlimmsten Einsatz seines Lebens, als er zu einer Explosion auf einer Veranstaltung der Fashion Week gerufen wird. Mehrere seiner Freundinnen befinden sich unter den Teilnehmern und er bangt um ihre Leben. Schwer verletzt kann er sowohl Teagan als auch Tiffany in die Obhut seiner Kollegen übergeben, während andere Opfer in der eingestürzten Halle zu Tode gekommen sind.
Grafikdesigner Jasper findet langsam wieder den Boden unter seinen Füßen. Im Kreis seiner wahren Freunde lässt er seine Dämonen hinter sich, bis ihn die Nachricht des Dschinns, dem er einen Gefallen schuldet, kalt erwischt.
Journalistin Olivia hat Glück im Unglück, weil ihr Gesundheitszustand ist noch immer nicht gut genug ist, dass sie bis zur Explosion auf der Fashion Show der Schmuckmanufaktur Brooks & Shore durchgehalten hat. Als die Explosion das Industriegebiet erschüttert, sitzt sie im Taxi nach Hause.
Sportredakteur Milo hat die faszinierende Sienna für immer verloren. Seit sie die Wahrheit kennt, dass er ein Reporter ist, und fälschlicherweise glaubt, er habe sie ausnutzen wollen, um über sie an Informationen über ihren Bruder zu kommen, will sie nichts mehr von ihm wissen. Wenn er es gewusst hätte, wäre ihr Vorwurf vielleicht sogar berechtigt. Er wäre skrupellos gewesen… hätte es sein wollen… hätte dabei total versagt.
Novalee braucht nach den intensiven Tagen an Madisons Seite erstmal Urlaub, doch statt einer Atempause darf sie ihre Auftraggeberin aus der Hölle schleifen, die nach der Explosion auf einer Veranstaltung mit hunderten Leuten Backstage losbricht. Beide schaffen es unverletzt aus der Halle.
IT-Studentin Rachel trifft auf der Abschlussfeier ihres Projekts auf den heißen Austauschprofessor, der ihr seit Wochen den Kopf verdreht. Statt oberflächlicher Floskeln steckt sie plötzlich knietief in einem Flirt mit ihm, als ihr Freund Jonah dringend ihre Hilfe braucht.
Samstag 1:26
»Nein, nein, nein«, fluchte sie, als sie auf der Männertoilette den Kopf ihres Kumpels Jonah hielt, weil er immer wieder drohte, in die vollgekotzte Toilettenschüssel abzurutschen.
Sie hatte alle Mühe damit, gleichzeitig zu überlegen, wie sie in dieser unwirklichen Situation souverän handeln sollte und für den Freund da zu sein, der sie dringend brauchte. Dass Ben wie zur Salzsäule erstarrt in der Tür stand, half ihr nicht gerade dabei, die Fassung zu wahren. Ihre Chance bei Professor Erikson, falls es sie jemals gegeben hatte, schien Millionen Lichtjahre entfernt. Als Jonah erneut erbärmlich würgte und das ekelerregende Geräusch aufsteigender Magensäfte sich mit dem Geruch saurer Galle mischte, reichte es ihr völlig. »Würdest du vielleicht mal einen Krankenwagen rufen?«
Ben, der mit tief in den Taschen seiner Hose vergrabenen Händen am Eingang der Kabine lehnte, sah sie teilnahmslos an. Sein Gesicht war schlaff und verschwitzt. »Meinst du echt? Er hat doch nur zu viel getrunken?«
»Wie meinst du denn, wie wir ihn nach Hause in sein Bett bekommen sollen? Werden Engelchens dir plötzlich zwanzig Kilo Muskeln wachsen, mit denen du ihn dir über die Schulter wirfst und ihn hier raus trägst?«
Rachel war mit einem Schlag ausgenüchtert, als sie den desolaten Zustand Jonahs bemerkt hatte, zu dem Ben sie in seiner Hilflosigkeit geführt hatte. Die Wut darüber, dass jemand sich erdreistete, ihren Flirt mit dem Wikingergott zu stören, war sofort verpufft. Jonah brauchte sie dringender als sie ein Liebesleben benötigte. Er ging jetzt vor. Wahrscheinlich war ihre Vernarrtheit in ihren Professor sowieso viel eher rufschädigend für sie beide als dass irgendwas daraus werden konnte.
»Mann, dann hol ihm ein Wasser. Kriegst du wenigstens das hin?«
Sie wollte Ben nicht anranzen, aber dass er so offensichtlich nichts tat, während Jonah litt, trieb sie zur Weißglut. Mit langsamen Schritten schlurfte er aus dem Männerklo des Clubs und ließ Rachel mit dem kaum ansprechbaren Jonah zurück.
Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihren Freund aus dem Laden und in sein Bett befördern sollten. Kein Krankenwagen – okay das sah sie irgendwie ein. Es war peinlich, mit Blaulicht aus einem Club geholt zu werden, nachdem man zu viel getrunken hatte. Dass Ben aber tatsächlich plötzlich Muskeln oder wahlweise Eier wuchsen, war auszuschließen. Er hatte dieser Situation absolut nichts entgegenzusetzen. Erikson zur Hilfe zu rufen, kam nicht in Frage, auch wenn er sicher in der Lage gewesen wäre, Jonah nach draußen zu befördern. Das hätte ein schlechtes Licht auf sie und ihre Begleiter geworfen. Sie zu einem Kind in seinen Augen degradiert. Genau wie Ben sich vor ihr disqualifiziert hatte, weil er mit dem Problem nicht fertig würde, würde Erikson sie in einem neuen Licht sehen…
»Jetzt bitte nicht einschlafen. Kriegst du das hin, Jonah?«, erkundigte sie sich bei ihm. Die Frage war nicht besonders ernst gemeint. Sie wollte ihn nur irgendwie daran hindern, tiefer in seine Hilflosigkeit zu sinken.
Er nickte zögerlich und ein erneuter Schwall sauerer Flüssigkeit ergoss sich aus seinem Mund in die stinkende Schüssel. Rachel betätigte die Spülung, doch der Geruch ließ trotzdem nicht nach. Der ganze Raum stank fürchterlich. Vor ihren Augen flirrte alles in dem gleißenden Licht umringt von den weißen von Dreck zahlloser Partynächte gesprenkelten Fließen an Boden und Wänden. Die vollgekritzelte Trennwand der Kabine war über und über mit Obszönitäten beschmiert. Der ganze Anblick war erbärmlich und sie wollte nichts lieber, als sofort von hier zu entkommen, aber Jonah sitzen zu lassen, war keine Option, die sie mit ihrem Verantwortungsbewusstsein vereinbaren konnte.
Nichts hiervon war mit der Belohnung vergleichbar, die ihr vielleicht zuteil geworden wäre, wenn sie noch ein paar Minuten mit Thore hätte sprechen können. Vielleicht hätte er sie geküsst… Vielleicht aber hätte auch ihre Nacht noch die gleiche unerfreuliche Wendung genommen, die Jonahs Abend nun eingeschlagen hatte.
Sie war einmal kurz davor gewesen, dem Schwindelgefühl noch etwas mehr flüssiges Glück hinterher zu schütten und sie konnte niemandem versprechen, dass es nicht noch geschehen würde, wenn sie wieder hinausginge und sich zu ihm an die Theke schwang und versuchte, den unbeschwerten Faden der Unterhaltung wieder aufzunehmen.
Abwegig. Das würde niemals passieren. Nicht wenn irgendwas von dem Geruch dieses Raumes auf sie abgefärbt hatte. Sie konnte nicht mehr dort hinausgehen und so tun, als wäre all das hier in den letzten Minuten nicht geschehen.
Irgendwie mussten sie Jonah mit möglichst wenig Aufsehen aus dem Club und zu sich nach Hause bekommen. Für diese Aufgabe blieben nur Ben und sie.
In diesem Moment hätte sie alles dafür gegeben, wenn Ethan doch an diesem Abend bei ihnen gewesen wäre. Zwar mochten die Jungs sich nicht besonders – Okay, sie hassten sich. Aber Ethan war kein Kameradenschwein. Er hätte ihr tatkräftig geholfen und Jonah vermutlich anschließend die Rechnung für seine Klamotten an die Stirn getackert und ihn für den Rest ihrer gemeinsamen Zeit immer wieder damit aufgezogen.
Wenn sie es irgendwie bis in die Wohnung schafften, konnte Quinn sicher daheim ein Auge auf ihn haben. Sie würden sie ohnehin aus dem Bett werfen, wenn sie den volltrunkenen Kerl polternd durchs Wohnzimmer schleppten.
Sie hörte, wie sich die Tür zum WC öffnete. Die Musik drang lauter an ihr Ohr als in den letzten Minuten. Rachel machte sich nicht die Mühe, zu schauen, wer gekommen war. Sie hatte die Tür der Kabine angelehnt und niemand, der sich nicht zu dem Kerl am Boden vor der Schüssel gesellen wollte, würde ihr zu nahe kommen. So spielte es schließlich auch keine große Rolle, ob hinter der Plastikwand jemand der Natur freien Lauf ließ. Und genau das tat er. Sie hörte das Plätschern des Wasserstrahls im Urinal und das Stöhnen, das er von sich gab, kurz bevor sie das Ratschen eines Reißverschlusses vernahm.
Ja, das war ein bisschen unangenehm. Im Augenblick vor allem für sie, aber wenn der Typ wüsste, dass sie da war, auch für ihn. Hoffentlich war es nicht Thore, dem sie heimlich beim Pinkeln zuhörte. Das würde jede Romantik für immer im Keim ersticken.
Sie wagte kaum zu atmen. Der Wasserhahn am Waschbecken wurde aufgedreht. Die Tür schwang noch einmal auf. Dieses Mal näherten sich ihr zaghafte Schritte.
»Hier, das Wasser«, murmelte Ben und schob einen Arm durch den Türspalt, ohne wirklich reinzukommen. Der Platz war ohnehin ziemlich begrenzt, aber sie wäre für ein bisschen mehr Unterstützung im Augenblick wirklich dankbar.
»Wer war das?«, erkundigte sie sich, obwohl sie eigentlich nur eine Bestätigung suchte, dass es nicht Thore war. Falls er es doch war, wollte sie es nicht wissen.
»Wer?«
»Der Typ, der gerade zum Pinkeln hier war«, präzisierte sie. Jonah sank auf den Hosenboden und lehnte sich schwer atmend gegen die stabile Seitenwand der Kabine.
»Ach der. Keine Ahnung, hab nicht richtig hingesehen.« Ben zuckte wie so oft mit den schmalen Schultern und sie fragte sich, wie man mit so viel Ignoranz durchs Leben kam. Trotzdem war die Antwort hilfreich, damit sie sich wieder auf das eigentliche Problem fokussieren konnte.
»Okay, jetzt sag mir noch, wie wir ihn hier rausbekommen sollen.«
»Kotzt er noch?«
»Das letzte Mal ist jetzt ein paar Minuten her«, erklärte sie. Für eine Langzeitprognose war das eine zu geringe Datenbasis. Was also tun?
»Wie schwer ist er? Können wir uns seine Arme um die Schultern legen und ihn hier raus tragen?«, schlug Ben unerwartet praktisch vor.
Sie grübelte einen Moment und versuchte, ihren Kopf wieder klar zu bekommen. Dieser zähe Nebel, der ihr Gehör und ihre Gedanken dämmte, während das gleißende Licht der Neonröhren unbarmherzig auf ihre Netzhaut brannte, machte sie total konfus.
»Ich denke, das können wir schaffen. Aber wir müssen es unauffällig machen«, stellte sie eine Bedingung. Es wäre so peinlich, wenn Thore sah, wie sie Jonah aus dem Club schleppte, weil es ihn daran erinnern würde, wie jung sie und wie viel älter und erfahrener er war. Solche Sachen passierten doch nur Teenagern – und ihr. Sie hatte ihre Grenzen gekannt und sie zumindest nicht überschritten. Ihr Freund jedoch… Nun ja… »Ich will nicht, dass mein Professor uns dabei sieht?«
»Der Typ, mit dem du an der Bar gesessen hast?«, erkundigte sich Ben und warf ihr einen abschätzenden Blick zu. Vielleicht brachte er die Information, dass er ihr Professor war und den Fakt dass sie eindeutig mit ihm getrunken hatte, nicht sauber übereinander und hatte Schwierigkeiten, das Gesehene einzuordnen, aber es war ihr gerade auch egal. Sie hatte sich nicht bei etwas Illegalem erwischen lassen, was genauso gut hätte passieren können.
»Ja, genau der«, bestätigte sie.
»Da mach dir mal keine Sorgen. Der ist nicht mehr da.«
Okay, das war tatsächlich eine Sorge weniger. Dann war es nicht mehr ganz so schlimm, wenn sie hier Hausverbot bekamen. Aber warum war er so schnell abgehauen? Oder saß sie schon viel länger in dieser Toilette fest, als sie glaubte? Egal, Hauptsache sie kam hier endlich weg.
Sie nickte ihm zu. »Dann mal los.«
Ben manövrierte sich umständlich in die Kabine und half ihr, Jonah vom Boden aufzuheben. Der Betroffene selbst konnte nur bedingt an dem Projekt mitwirken, weil er keine echte Kontrolle über seine Gliedmaßen besaß. Sie klatschte ihm mit der flachen Hand links und rechts ins Gesicht, damit er wenigstens die Augen öffnete und so tat, als wäre er mit diesem Ausflug einverstanden. Anders würden sie es kaum am Türsteher vorbei nach draußen schaffen. Sein Gewicht lastete schwer auf Rachels Schulter, doch sie zwang sich zu einem Lächeln.
Junge, der Typ trank echt selten, aber wenn dann gab er richtig Gas!
Als sie endlich im Freien standen und Jonah anfing leise zu stöhnen, wusste sie wenigstens, dass die frische Luft ihm gut tat. Okay, sie mochte wie ein Hammer auf ihn wirken, aber es war eindeutig mehr Leben in ihn zurückgekehrt, seit sie draußen waren.
Kein Taxi wollte sie mit dem halbbewusstlosen Studenten im Schlepptau mitnehmen, so mussten sie wohl oder übel zu Fuß den Weg zu seiner Wohnung antreten. Mehrere Querstraßen und einige Kreuzungen weit. Rachel graute schon bei dem bloßen Gedanken an die Strecke.
»Und jetzt?«, erkundigte sich Ben.
»Weiter. Wir müssen ihn nach Hause bringen.«
»Shit, so weit?«
»Hast du eine bessere Idee?«
Ben schüttelte träge den Kopf und zog an Jonahs Arm, der ihm von der Schulter zu rutschen drohte. Der schlaffe Körper richtete sich wieder etwas auf und Rachel tat es ihm gleich. Sie harmonisierten ihre Schritte und marschierten los. Erbarmunglos rann ihr der Schweiß den Rücken unter der leichten Übergangsjacke hinab. Am liebsten hätte sie sich ausgezogen, aber sie wusste, welche niederschmetternde Wirkung diese kurzfristig clever wirkende Entscheidung haben mochte. Lieber schwitzte sie weiter und blieb gesund, als sich zusätzlich zu der Plackerei auch noch eine Erkältung einzufangen, die sie die nächsten zwei Wochen lahm legte.
Ben machte die Last ebenfalls zu schaffen. Statt wie sie es von ihm erwartet hatte, unentwegt darüber zu meckern, wie schwer er es hatte, schwieg er. Je nüchterner sie wurde, desto mehr hatte sie begriffen, dass er fast genauso mit seinem Pegel kämpfte wie Jonah. Ihn überfiel unterwegs mehrmals Übelkeit. Sie deutete es als eine Mischung aus der Anstrengung und dem Alkohol. Einmal musste er sich sogar in einen Vorgarten übergeben. Vielleicht hätten sie besser doch einen Arzt gerufen…
Endlich vor dem Hauseingang angekommen drückte sie die Klingel in der Hoffnung, dass Quinn sie wenigstens auf den letzten Metern zur Wohnung hinauf unterstützen konnte. Sie war längst am Ende ihrer Kräfte angelangt und viel zu weit darüber hinausgegangen.
Obwohl es mitten in der Nacht war, öffnete niemand. Quinn hätte längst von ihrer Feier zurück sein müssen. Sie klingelte noch einmal. Aber es half nichts. Nun musste sie auch noch Jonahs Taschen nach dem Schlüssel durchsuchen und oben nach dem Rechten sehen.
»Jonah, kommst du klar?«, erkundigte Rachel sich, als sie ihn kurz an der Tür abstellte, um die Wohnungstür zu öffnen.
»Mhhh«, murmelte er und griff nach dem Türrahmen, den er um rund zehn Zentimeter verfehlte und mit dem Gesicht gegen die Wand stürzte. Ein dumpfer Aufschlag verhieß nichts Gutes, aber immerhin blutete er nicht. Sie konnte leider nicht jedes Unglück verhindern. Mit den Folgen würde er leben müssen.
Aber er konnte sich auf einen gehörigen Anschiss freuen, wenn er wieder bei Verstand war. So sehr sollte man sich nicht abschießen, wenn Freunde darunter leiden mussten. Da war es egal, was ihm zuvor gegen den Strich gegangen war.
Mit vereinten Kräften verfrachteten sie ihn ins Bett und Rachel sank auf einen Stuhl. Sie war zu erschöpft, um noch etwas anderes zu tun.
»Ist es okay, wenn ich jetzt gehe?«, erkundigte sich Ben, dessen Gesicht kalkweiß war. Sie nickte müde.
»Du warst tapfer.«
Kurz darauf hörte sie, wie er leise die Tür hinter sich schloss.
Hier konnte sie nicht bleiben. Der Stuhl fühlte sich in dieser Sekunde zwar himmlisch an, aber das würde sich ändern. Also zwang sie sich zum Aufstehen und klopfte bei Quinn. Kein Geräusch drang aus dem Zimmer. Sie öffnete und erkannte, dass es leer war. Weil sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, Jonah allein zu lassen, ging sie zurück.
»Rachel?«, hörte sie ihn leise murmeln.
»Was ist?«
»Ich glaube, sie will mich nicht«, lallte er. »Ich habe sie tanzen sehen. Mit ihm. Und sie war so verdammt glücklich.«
Sie begriff nicht, was genau er damit sagen wollte, aber sie verstand, dass er wieder klar genug war, um nicht zu sterben. Eigentlich könnte sie jetzt nach Hause gehen, aber ihre Beine waren so schwer, dass sie sich kurz aufs Sofa legte.
Nur für einen Moment.
Samstag 07:36
»Aufstehen, der neue Morgen ist da, Schätzchen«, flötete eine unverschämt fröhliche Stimme, die diese Worte sicher nicht zum ersten Mal an diesem Morgen sang. Ihr war auch, als hätte sie das gleiche eben schon einmal gehört. War das ein neuer Klingelton? Hatte sich jemand einen Scherz mit ihr erlaubt?
Warum roch es eigentlich hier so komisch?