Tanz mit dem Teufel - Erin J. Steen - E-Book

Tanz mit dem Teufel E-Book

Erin J. Steen

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Beschreibung

»Du tanzt niemals mit dem Teufel, der Teufel tanzt mit dir.« Die verstörenden Ereignisse auf der Party bringen Madison in eine Notlage, mit der sie im Leben nicht gerechnet hat. Nicht nur die Polizei steht vor ihrer Tür, auch bei der Arbeit entstehen Probleme, mit denen sie nicht ohne Hilfe zurecht kommt. Polizist Tyler wird mit den Schatten seiner Vergangenheit konfrontiert, als ihn ein unerwarteter Anruf erreicht, der ein emotionales Erdbeben auslöst. Modejournalistin Olivia erwacht im Krankenhaus und steht vor den Trümmern ihrer Träume. Nichts ist mehr so rosig wie nur wenige Wochen zuvor. Sogar ihre Teilnahme an der Fairfield Fashion Show steht auf der Kippe, auf der sie offiziell den Medien und Designern vorgestellt werden sollte.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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DAS BUCH

»Du tanzt niemals mit dem Teufel, der Teufel tanzt mit dir.«

Die verstörenden Ereignisse auf der Party bringen Madison in eine Notlage, mit der sie im Leben nicht gerechnet hat. Nicht nur die Polizei steht vor ihrer Tür, auch bei der Arbeit entstehen Probleme, mit denen sie nicht ohne Hilfe zurecht kommt.

Polizist Tyler wird mit den Schatten seiner Vergangenheit konfrontiert, als ihn ein unerwarteter Anruf erreicht, der ein emotionales Erdbeben auslöst.

Modejournalistin Olivia erwacht im Krankenhaus und steht vor den Trümmern ihrer Träume. Nichts ist mehr so rosig wie nur wenige Wochen zuvor. Sogar ihre Teilnahme an der Fairfield Fashion Show steht auf der Kippe, auf der sie offiziell den Medien und Designern vorgestellt werden sollte.

DIE AUTORIN

Erin J. Steen wurde im Herbst 1983 in Niedersachsen geboren. Dort lebt und arbeitet sie auch heute wieder, nachdem sie einige Jahre in verschiedenen Orten im In- und Ausland verbracht hat. Sie liebt große Städte, möchte aber nicht mehr längere Zeit in einer Großstadt leben. Das Haus teilt sie mit einem Mann, einer Tochter und zwei tierischen Gefährten.

Ihre Freizeit verbringt sie nicht nur mit dem Schreiben, sondern auch mit Spaziergängen im Wald, der Familie und stetig wechselnden kreativen Hobbys. Sie fotografiert, näht und denkt hin und wieder daran, das Töpfern zu erlernen.

Ankündigungen neuer Projekte, exklusive Infos und aktuelle Termine gibt es im Newsletter. (Anmeldung über www.erinjsteen.com)

TANZ MIT DEM TEUFEL

BAD HABITS 5

ERIN J. STEEN

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

2. Auflage, 2023

© Erin J. Steen – alle Rechte vorbehalten.

Erin J. Steen

Zum Fuhrenkamp 12

38448 Wolfsburg

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, unterliegen der Zustimmung des Rechteinhabers.

Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

www.erinjsteen.com

KAPITELEINS

MADISON

Sie war einmal durch das ganze Hafenviertel gelaufen, bis sie verstanden hatte, dass sie auf die andere Seite musste, um wieder nach Hause zu gelangen. Natürlich wollte sie nicht nach Hause, aber zurück zur Party konnte sie auch nicht. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, auf diese gestörte Frau zu hören? Warum hatte sie sie an der Bar angesprochen? Sie stand überhaupt nicht auf Frauen.

Madison hätte einen großartigen Abend im Rausch in diesem abbruchreifen Hotel verbringen können. Stattdessen war sie meilenweit auf High Heels gerannt und die Füße drohten ihr abzufallen. Alles tat weh, nur das beständige Pulsieren der bunten Wellen in ihrem Körper hielt sie aufrecht. Trotz der Schmerzen fühlte sie sich fit und in gewisser Weise großartig. Wenn das mal nicht paradox war. Mit dem Zeug in der Blutbahn konnte sie Außergewöhnliches leisten. Sie hatte noch nie von einer Frau gehört, die so lange auf diesen verdammten Schuhen gelaufen war.

Ein Taxifahrer sammelte sie auf und brachte sie völlig erledigt zu ihrer Wohnung zurück. Inzwischen hätte sie auch ohne das dicke Make-up ausgesehen wie der Tod auf High Heels. Abgeschminkt und frisch geduscht legte sie sich unbekleidet auf ihr Bett bis die Welt irgendwann aufhörte bunt zu pulsieren. An Schlaf war nicht zu denken.

Niemand kam und erfüllte ihr ihre Sehnsüchte in dieser Nacht.

Madison war allein, nackt und genoß das Gefühl ihrer eigenen Finger auf der Haut. Doch es war mit fremden Händen nicht zu vergleichen.

Es war halb sieben und es wurde langsam wieder hell am Horizont, als sie endlich wieder klar denken konnte und die Farbschleier verschwanden. In der Küche rumorte es. Chen war aufgestanden, aber sie war zu müde und ihre Gliedmaßen von der nächtlichen Joggingaktion schwer wie Blei, also blieb sie einfach auf ihrem Bett liegen. Selbst um sich unter die Decke zu rollen fehlte ihr die Energie. Und die Motivation.

Chen würde nicht in ihr Zimmer platzen - das ließ sein ausgeprägtes Schamgefühl überhaupt nicht zu. Sollte die Wohnung in Flammen stehen, würde er noch überlegen, wie lange er nach dem Klopfen warten musste, bevor er die Tür öffnete. Liebend gern hätte sie jedoch erfahren, wie die Halloweenparty im Park gewesen war, aber das konnte sie ihn oder ihre Freundin auch später noch fragen. Nichts trieb sie zur Eile.

Das Smartphone auf dem Nachtschrank vibrierte inzwischen zum zwölften Mal. Wer auch immer sie schon die halbe Nacht lang erreichen wollte, hatte immer noch nicht verstanden, dass sie nicht gewillt war, den Anruf anzunehmen. Es war ihr egal. Im Augenblick war ihr alles egal. Sie wollte einfach nur hier liegen.

* * *

Das Klingeln an der Tür riss sie aus dem Dämmerschlaf. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits halb drei am Samstagnachmittag war.

»Chen?«, rief sie durch die Wohnung.

Als Antwort klingelte es erneut.

»Moment!«, forderte sie lautstark und rappelte sich vom Bett auf. Provisorisch wickelte sie sich in ihre Decke und schlurfte hinaus ins Wohnzimmer. An der Tür klopfte es inzwischen.

»Ich komme ja schon.« Genervt stöhnte sie auf. »Was ist denn, Herrgott nochmal?«

Sie riss die Wohnungstür auf und zwei dunkel gekleidete Männer standen davor.

»Wer sind Sie und was wollen Sie?« Das helle Licht störte ihre Augen und überhaupt wollte sie keinen Besuch. Falls sie also auf die beiden Männer unhöflich wirkte, so war das ihre volle Absicht.

»Sind Sie Madison Holland?«, fragte der eine, dessen dunkles Haar streng nach hinten frisiert war. Er musste etwa 1,80m groß sein, hatte eine sportliche Figur und in seinen braunen Augen lag etwas Verwegenes.

»Wer will das wissen?«, blieb sie hartnäckig. Sie ließ sich doch von zwei dahergelaufenen Kerlen an ihrer eigenen Wohnungstür nicht einschüchtern. Pah. Auf eine sehr männliche Weise attraktiv waren die zwei allerdings schon. Sie stand auf Bad Boys, die sich nahmen, was sie wollten. Vielleicht würde sie ja doch noch zu ihrem Traum von vergangener Nacht zurückkommen. Schade nur, dass die Wirkung des Höhlenstaubs verpufft war.

»Die Detectives Estes und Parker vom Fairfield PD«, erklärte der Latino und zückte einen Ausweis, den er ihr vor die Nase hielt. Die Lust auf Sex verging ihr bei seinen Worten schlagartig. Er war etwa in ihrem Alter, sein Kollege vielleicht ein paar Jahre älter. Heiß waren sie immer noch, aber sie waren Bullen. Also fiel Sex mit ihnen definitiv aus. Nichts war so unsexy wie die Jungs von der Gerechtigkeitsliga.

»Ähm, wäre es okay, wenn ich mir kurz etwas anziehe? Sie wollen ja wahrscheinlich nicht gleich wieder gehen, oder?«

Der Latino warf seinem Partner einen Blick zu, als überlegte er, ob er ihr das untersagen könnte. Wären sie sich unter anderen Umständen begegnet und hätte sie nicht gewusst, was er beruflich machte, hätte sie sich vielleicht darauf eingelassen, aber sie schlief garantiert nicht mit einem Polizisten. Das passte nicht in ihre Lebensphilosophie.

Sex, Drogen, Alkohol, Partys und jede Menge Spaß - das alles mochte sie. Polizisten verkörperten für sie das komplette Gegenteil davon. Schließlich nickte der andere Polizist ihr zu und sie schlich zurück in ihr Zimmer, ohne die Decke hinter ihrem Rücken zusammenzuraffen und gewährte den beiden Cops damit freien Blick auf ihren nackten Hintern, der wie sie nur zu gut wusste, sehr einladend aussah. Grinsend schlug sie die Tür hinter sich zu und zupfte ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank, um ihre Blöße zu bedecken.

Wenn die beiden Kerle wegen der Party hier waren, brauchte sie ganz dringend ein Alibi. Ob sie eine Chance hatte, Chen und Nima davon zu überzeugen, für sie zu lügen? Bei Nima hatte sie keine Zweifel. Ihre beste Freundin würde alles für sie tun, allerdings gefährdete sie damit ihre zukünftige Karriere als Anwältin, falls sie jemals ihr Jurastudium abschloss. Konnte sie das von ihr verlangen?

Und Chen? Durften Piloten einen Meineid leisten, ohne mit Folgen für ihre Karriere rechnen zu müssen. Andererseits konnte niemand beweisen, dass sie gestern Abend dort gewesen war. Ihr Kostüm war gut genug gewesen, sie zu tarnen.

»So, was kann ich für Sie tun«, fragte sie offensiv, weil sie keine Lust hatte, lange mit den beiden Polizisten ihre Zeit zu verschwenden. Sie musste dringend Chen, Nima oder am besten gleich beide sprechen.

Die beiden Männer hatten sich im Wohnzimmer aufgeteilt. Während der Latino den Blick über die Unterlagen auf dem Esstisch gleiten ließ, stand der ältere weiße Schönling vor der Fotowand, auf der Madison und Chen ihre Freunde verewigten. Die Unterlagen auf dem Tisch gehörten Chen. Die waren ihr egal, aber dass der andere Kerl so ungeniert ihre Fotos studierte, störte sie. Sie marschierte auf ihn zu.

»Lassen Sie das. Das ist privat. Sie haben kein Recht dazu, in meine Wohnung zu platzen und sich meine privaten Sachen anzusehen.«

Er sah zu ihr runter und nickte bedächtig.

»Miss Holland, wir sind hier, weil es in der vergangenen Nacht eine illegale Veranstaltung gab und uns in diesem Zuge Ihr Name zu Ohren gekommen ist.«

»Was für eine illegale Veranstaltung?«, parierte sie.

»Eine Art Party, die in Zusammenhang mit Betäubungsmittelhandel und Zwangsprostitution stehen soll. Mehr kann ich Ihnen darüber leider aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitteilen.«

»Aha, wie soll ich auf Ihre Fragen antworten, wenn ich nicht weiß, worum es geht?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte die beiden Cops aggressiv an.

»Sie waren gestern Abend also auf keiner Party?«, wollte der Polizist wissen.

»Doch, natürlich war ich auf einer Party. Es war Halloween«, gab sie mit überzeugend gespielter Entrüstung zurück. »Aber ich weiß nichts von Drogen oder Nutten. Sex kann schon vorkommen. Ist halt eine nette Nebenerscheinung einer guten Party.«

Sie schmunzelte dreckig und versuchte, die beiden Detectives zu provozieren.

Die Wohnungstür schwang auf, die beiden Cops wandten sich um und Chen trat in die Wohnung. Geistesgegenwärtig checkte er die Situation und registrierte, dass diese zwei keine willkommenen Gäste von Madison waren.

Er baute sich zu seiner vollen Größe auf und straffte die Schultern.

»Ähm, hallo Schatz, was ist hier los?«

»Honey, das sind zwei Polizisten, die meinen, auf der Party letzte Nacht hätte es Drogen und Nutten gegeben«, klärte sie ihn auf und hielt das von ihm begonnene Spiel aufrecht.

»Wie bitte? Drogen und Nutten im Park? Und was haben wir damit zu tun?«, nahm er den Ball auf, als hätte er sein ganzes Leben lang das Lügen für diesen Moment studiert. Genau genommen log er nicht einmal. Er war schließlich mit Nima im Park gewesen und ob sie sich Schatz oder Honey nannten, ging niemanden etwas an.

»Im Park?«, vergewisserte sich der Latino.

»Ja, im Park. Gestern war die Halloweenparty im Fairfield Park. Von welcher Party sprechen Sie, bitte?«

Nie im Leben war sie so verdammt stolz auf ihn gewesen. Er war ihr absoluter Held. Dem Funkeln in seinen dunkelbraunen Augen sah sie an, dass er riesigen Spaß daran hatte, die beiden Cops an der Nase herumzuführen.

»Entschuldigen Sie, dann muss es sich wohl um einen Irrtum handeln«, zog sich nun auch der Weiße zurück, als Chen seinen Arm um Madisons Taille legte und ihr einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte.

Die beiden ließen sich zur Tür hinausdrängen und Chen warf sie hinter ihnen zu. Dann zog er langsam und genüßlich eine Augenbraue hoch und musterte sie.

»Ich glaube, du schuldest mir was«, vermutete er grinsend.

»Du hast keine Ahnung, wie sehr du mir gerade den Arsch gerettet hast«, erklärte sie seufzend. »Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee.«

»Einverstanden, und dann erzählst du mir, in was für eine Sache du da gestern Nacht reingeraten bist, okay?«

»Du bist ja echt nicht neugierig«, kommentierte sie trocken, aber sie hatte nicht vor, ihm irgendwas zu verheimlichen. Wenn er die Wahrheit wissen wollte, würde sie sie ihm erzählen. Chen hatte sich schon mehrfach als absolut vertrauenswürdig erwiesen.

»Sieh es als meine Bezahlung für den erwiesenen Freundschaftsdienst.« Er zwinkerte ihr zu und ließ seine grazile Gestalt in den Stuhl am Küchentisch fallen. »Bist du schon vor uns nach Hause gekommen?«

»Ich glaube ja. Es muss kurz nach Mitternacht gewesen sein. Vielleicht gegen eins.« Madison befüllte die Maschine mit Kaffeepulver und Wasser und drückte die Starttaste. »War gestern ein ganz schöner Reinfall. Bis auf ein bisschen knutschen mit einem Mädchen lief nichts. Dann gab es einen lauten Knall und sie sagte mir, ich solle schnell weit weglaufen. Das habe ich gemacht, obwohl ich dachte, dass sie vielleicht einfach nur spinnt. Doch heute stehen die Bullen vor der Tür. Irgendwas muss da gewaltig schief gelaufen sein.«

»Okay, also Girl on Girl Action ist meines Wissens nach in den USA nicht strafbar. Was hast du sonst noch angestellt?« Chen lehnte lässig im Durchgang und beobachtete ihre Handgriffe, während sie sich einen Snack aus dem Kühlschrank fischte.

»Nichts. Außer vielleicht, dass ich einen dieser komischen Drinks getrunken habe. Aber formell betrachtet, wusste ich ja gar nichts von den Drogen da drin. Ich habe es mir nur zusammengereimt, weil ich das letzte Mal danach so einen krassen Trip geschoben habe.« Sie biss in das Stück kalter Pizza, die sie am vergangenen Abend übrig gelassen hatte.

»Und was wollten dann die Bullen hier?« Obwohl er sich für gewöhnlich weitaus regelkonformer verhielt als sie, hatte er keine allzu hohe Meinung von den Strafverfolgungsbehörden in diesem Land und vermutlich auch in keinem anderen Land der Welt. »Das klingt jetzt nicht gerade als wärst du ein kriminelles Mastermind, Süße.«

»Nenn mich nicht Süße und bitte küss mich nie wieder«, bat sie. »Das ist, als würde ich mit meinem Bruder knutschen.«

»Woher willst du das wissen, ich dachte, du hast gar keinen Bruder?«, zog er sie auf.

»Auch wieder wahr.« Sie lehnte sich zurück und grübelte. »Dass sie sich so leicht haben abwimmeln lassen, kann eigentlich nur bedeuten, dass sie irgendwie über meinen Namen gestolpert sind und Informationen von mir wollten. Aber die werden sie nicht kriegen. Nicht mal meine Mutter hätte mich letzte Nacht erkannt.«

KAPITELZWEI

NOVALEE

Der melancholische Junge mit der Gitarre zog sie alle in seinen Bann. Alle, bis auf Novalee. Er war ohne Zweifel niedlich und machte angenehme Musik, aber sie mochte weder niedliche Jungs noch konnte sie dieser Art von Musik besonders viel abgewinnen. Sowohl Männer als auch Musik durften für sie gerne ein wenig rauer sein. Der Musiker hatte kurzes, dunkelblondes Haar mit einem Styling wie ein Hollywoodstar. Sein Gesicht war frei von jeglichem Bartschatten und seine warmen braunen Augen vermittelten genau die Melancholie, die auch seine Songs vor sich her trugen. Die Stimmung und der traurige Blick erzeugten in ihr nur den Wunsch, dem Jungen eine warme Milch mit Honig einzuschenken, aber bei zahlreichen weiblichen Gästen stellte sich offenbar ein anderer Effekt ein.

Novalee hatte sich vor einigen Tagen für diesen Abend mit den Mitgliedern der Highscore Hunters verabredet, weil sie sich vorgenommen hatte, endlich mal ein paar mehr Menschen in ihr Leben zu lassen, die sie sonst außen vor ließ. Wie sich dabei zeigte, hatten Adrian, Greg und Jenny durchaus engeren Kontakt zueinander. Nur Novalee hatte eine mentale Mauer errichtet, die die anderen davon abgehalten hatte, sie zu fragen, ob sie mitkommen wollte. Doch das sollte sich von nun an ändern. Sie wollte leben und nicht nur arbeiten.

Dass Drew an diesem Abend an der Bar arbeitete, war möglicherweise auch ein Grund, warum sie sich geborgen fühlte, aber selbst wenn er heute frei gehabt hätte, wäre sie zu der Verabredung gegangen. Das, was sie miteinander hatten, war prickelnd, aber es diktierte nicht mehr ihr Leben, seit sie sich selbst eingestanden hatte, was sie von ihm wollte. Es war ein Kraftakt gewesen, vor sich selbst zuzugeben, dass sie keine Beziehung suchte, sondern nur auf den körperlichen Aspekt einer Zweierbeziehung abzielte. Es widersprach ihren Grundwerten, aber sie konnte es nicht ewig leugnen.

Die Vierergruppe hatte einen hohen Tisch am Durchgang zum Hinterzimmer des Pubs besetzt. Alle Gäste, die zwischen Bühne und Bar wechselten, mussten an ihnen vorbei. Als sie angekommen waren, hatte es keinen anderen freien Tisch mehr gegeben. Es war zwar viel Verkehr, aber sie bekamen auch alles mit und Novalee genoss es, jeden neuen Gast zu beobachten.

Sie spürte Drews Blick im Nacken, drehte sich zur Bar und schenkte ihm ein Lächeln. Greg und Adrian waren in ein Gespräch vertieft, während Jenny mit einigen anderen Mädchen an der kleinen Bühne den Musiker anhimmelte. Das zweite weibliche Mitglied ihrer Quizgruppe war ein hübsches Mädchen, das sich nicht besonders auffällig zurechtmachte. Sie trug ihre Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz und dezentes Make-up. Wahrscheinlich würde sie dem Musiker so nicht besonders auffallen, wenn sie sich nichts einfallen ließ, aber vielleicht hatte sie auch einfach nur Spaß daran, ihn zu bewundern.

»Jungs, ich hole noch eine Runde Drinks.« Novalee schwang sich von ihrem Hocker und blickte die Beiden fragend an. »Soll ich euch etwas mitbringen?«

»Ich nehme noch ein Lager«, erklärte Greg und hob seine Flasche.

»Für mich erstmal nichts.« Adrian deutete mit dem Finger auf sein noch fast volles Glas Guiness, während sein Blick in der Menge nach Jenny zu suchen schien. Novalee wurde den Eindruck nicht los, dass entweder etwas zwischen den Beiden lief oder er sich das zumindest wünschte. Aber solange sie sich nicht besser kannten, würde sie danach nicht fragen.

Sie nickte die Antworten der beiden männlichen Teammitglieder ab und machte sich auf den Weg zur Theke, wo an diesem Abend nicht ganz so viel los war. Die meisten Gäste sammelten sich des Musikers wegen vor der Bühne. Sie gingen nur zur Theke, um sich neue Getränke zu holen, wenn die Kellnerinnen nicht schnell genug zur Stelle waren.

»Hey«, begrüßte sie Drew erneut. Sie hatten sich vor eineinhalb Stunden schon einmal flüchtig unterhalten, doch da die Anderen sich dann nach und nach zu ihr gesellt hatten, war ihr Gespräch verebbt.

»Na, was kann ich für dich tun?«, fragte er mit einem Funkeln in den Augen, das sie als dezent anrüchig wertete. Hier bei seiner Arbeit konnte und wollte er nicht darüber hinausgehen. Zwar gab er zu, dass sie sich kannten, aber niemand würde merken, dass ihre Beziehung über die Bekanntschaft zwischen Barkeeper und Stammgast hinausging. Ihre ersten intimeren Treffen im Pub gehörten der Vergangenheit an. So etwas durfte er sich eigentlich nicht erlauben, weshalb auch er sehr daran interessiert gewesen war, das Video aus dem Büro zu löschen. Seit sie das wusste, ging es ihr mit dem Geheimnis viel besser. Sie hatten beide etwas zu verlieren und unterdessen irgendwie Gefallen aneinander gefunden. Daran war nichts Verwerfliches - auch wenn sie niemals ihren Eltern davon erzählen würde.

»Ich hätte gern noch ein Snake Bite und ein Lager für Greg.« Sie lehnte sich gegen die Holzkonstruktion und verschnaufte. Es war ein wenig ruhiger in dieser Hälfte des Pubs als drüben bei der Bühne.

»Sollst du kriegen«, bestätigte er mit einem Zwinkern. »Wie geht es dir?«

Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres langärmligen Shirts über die Stirn. Die Luft im Pub war schwer und aufgeheizt. Dennoch wollte sie in diesem Moment an keinem Ort lieber sein. Dies war ein Teil ihres Lebens und sie war froh, dass sie nach dem ersten Abend mit Drew im Hinterhof nicht angefangen hatte, den Ort zu meiden, an dem alles begann.

»Gut.

---ENDE DER LESEPROBE---