Heimatkinder 3 – Heimatroman - Gisela Heimburg - E-Book

Heimatkinder 3 – Heimatroman E-Book

Gisela Heimburg

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Beschreibung

Die Heimatkinder verkörpern einen neuen Romantypus, der seinesgleichen sucht. Zugleich Liebesroman, Heimatroman, Familienroman – geschildert auf eine bezaubernde, herzerfrischende Weise, wie wir alle sie schon immer ersehnt haben. Es war, als habe sich der Abglanz einer überirdischen Welt auf die Erde herabgesenkt, so unbeschreiblich schön und zart leuchtete auf der Heide das Abendrot. Eine einsame dunkle Gestalt hob sich wie ein romantischer Scherenschnitt gegen den Himmel ab - ein wandernder Zimmermann in der traditionellen Tracht, hochgewachsen, mit wucherndem Bart. Müde ließ der Mann sich neben einem Heuschober ins Gras sinken, um ein Weilchen auszuruhen. Dirk Rohde wäre beinahe eingenickt, doch ein sich rasch näherndes Geräusch schreckte ihn hoch. Rasendes Hufgetrappel

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Heimatkinder –3–

Das Glück auf dem Lande

Zwei Kinder haben endlich ein Zuhause

Roman von Gisela Heimburg

Es war, als habe sich der Abglanz einer überirdischen Welt auf die Erde herabgesenkt, so unbeschreiblich schön und zart leuchtete auf der Heide das Abendrot.

Eine einsame dunkle Gestalt hob sich wie ein romantischer Scherenschnitt gegen den Himmel ab – ein wandernder Zimmermann in der traditionellen Tracht, hochgewachsen, mit wucherndem Bart. Müde ließ der Mann sich neben einem Heuschober ins Gras sinken, um ein Weilchen auszuruhen.

Dirk Rohde wäre beinahe eingenickt, doch ein sich rasch näherndes Geräusch schreckte ihn hoch.

Rasendes Hufgetrappel!

Auf dem Sandweg tauchte ein wie von Furien gejagtes Pferd auf. Die junge Frau auf seinem Rücken schien sich nur mit äußerster Mühe im Sattel zu halten. Das Pferd ging durch! Für Dirk Rohde gab es keinen Zweifel. Es konnte nur noch kurze Zeit dauern, bis die Reiterin aus dem Sattel geschleudert wurde.

Der Zimmermann handelte, ohne zu zögern. Er sprang auf und warf sich dem heranjagenden Pferd todesmutig in die Zügel. Dirk Rohde wurde viele Meter weit mitgerissen, doch es gelang ihm tatsächlich, den Lauf des Tieres zu stoppen.

Im nächsten Moment sauste die Reitpeitsche auf ihn nieder. »Loslassen!«, schrie die Reiterin. »Lassen Sie sofort los, oder es passiert etwas Fürchterliches.«

Schwer atmend richtete Dirk sich auf. Fassungslos blickte er in die Höhe. In den Augen der jungen Frau kämpften Angst und Wut miteinander.

»Na, hören Sie!«, keuchte er. »Ich rette Ihnen das Leben, und Sie schlagen mich dafür mit der Peitsche.«

Er wusste nicht, ob er lachen oder seinem Zorn freien Lauf lassen sollte. Der Hieb brannte wie Feuer auf seiner Schulter.

»Wie bitte?«, fragte die blonde Reiterin verblüfft. »Leben retten? Sie sind wohl verrückt geworden? Haben Sie noch nie einen gestreckten Galopp gesehen?«

»Ja, das Pferd ist in gestrecktem Galopp mit Ihnen durchgegangen«, erwiderte Dirk Rohde ärgerlich.

Die junge Frau lachte arrogant auf. Ihre dunklen Augen blitzten in dem bildhübschen Gesicht. »Haben Sie wirklich keine blasse Ahnung, oder suchen Sie nur einen Vorwand, um Ihren Überfall zu rechtfertigen?«

Dirk Rohde ließ die Zügel los, »Das ist also der Dank, wenn man jemandem helfen will. Dann wird man auch noch für einen Wegelagerer und Strauchdieb gehalten.«

Die dunklen Augen musterten ihn misstrauisch aus der Höhe. »Damit Ihnen das nicht noch einmal passiert, würde ich an Ihrer Stelle mal zum Friseur gehen! Da, mein Dank für die Lebensrettung! Verwenden Sie ihn als Zuschuss für einen Besuch beim nächsten Haar- und Bartschneider!« Sie griff in die Tasche, warf dem Mann lässig ein Geldstück zu und sprengte davon, ohne sich noch einmal umzuschauen.

Verblüfft bückte sich Dirk Rohde nach der Münze, die auf dem Weg lag. Es war ein Zweieurostück. Er warf es in die Luft und fing es wieder auf. Ein Satansmädchen! Nicht mehr so jung, wie er im ersten Moment geglaubt hatte, vielleicht Mitte Zwanzig. Trotz aller Lebhaftigkeit hatte er einen Zug von Traurigkeit in diesem aparten Gesicht entdeckt.

Er musste sie wiedersehen. Ihm war plötzlich, als habe das Schicksal selbst ihn gezwungen, sich dem rasenden Pferd entgegenzuwerfen. Dirk versuchte, über sich selbst zu lächeln. Es gelang ihm nicht.

Als einer der letzten wandernden Handwerksburschen hatte er Zeit. Er blieb, wo es ihm gerade gefiel, warum also nicht in dieser romantischen Gegend? Kurz entschlossen kroch der Zimmermann in die kleine Feldscheune, die zur einen Hälfte offen und mit Heu gefüllt war. Er legte sein Bündel als Kissen unter den Kopf und schloss die Augen. Wenn dieses temperamentvolle Mädchen jetzt bei ihm wäre … Träume verwehten spurlos im Nichts.

Dirk Rohde erwachte von einem knackenden, prasselnden Geräusch und heftigem Brandgeruch. Es war heller Morgen, aber schwarze Wolken umwogten den Schober.

Feuer!

Dirk rappelte sich benommen auf, rutschte hinunter. Tatsächlich! Der holzverschalte Teil der Scheune brannte. Und davor stand mit schreckgeweiteten Augen ein kleiner Junge und schrie angsterfüllt:

»Claudia! Claudia!«

Mit ein paar Sätzen war Dirk Rohde bei ihm. »Was ist los?«

Die Stimme des Jungen schnappte über: »Claudia – da drin!«

Dirk zögerte nicht. Er stürzte durch die offene Tür ins Innere. Beißende Rauschschwaden, lodernde Flammen – fast unerträgliche Hitze!

»Claudia!«, brüllte der Zimmermann.

»Hier, hier!« Ein piepsiges Stimmchen.

Dirk entdeckte das kleine Mädchen, das sich zu Tode geängstigt in einen Winkel drückte. Er sprang hinzu, nahm es auf und presste das braunlockige Köpfchen schützend an seine Brust. Sekundenlang umtobten ihn wieder Flammen und Rauch. Dann war er im Freien. Er ließ das Kind zu Boden gleiten. Sein Atem ging schwer. Husten quälte ihn. Der Schober stand jetzt in hellen Flammen. »Da ist nichts mehr zu retten«, murmelte Dirk. Und zu den wie erstarrt stehenden Kindern: »Da habt ihr ja schön was angerichtet.«

Der Junge zuckte merklich zusammen.

»Wenn meine Mami das bezahlen muss«, flüsterte er.

»Wenn sie deinen Onkel Alexander heiratet, dann braucht sie es vielleicht nicht«, versuchte die Kleine ihren Freund zu trösten.

»Aber sie soll ihn nicht heiraten! Und wegen der Scheune schon gar nicht!«, rief der Junge verzweifelt. Seine Wangen glühten. Er kämpfte mit den Tränen.

»Nun mal schön der Reihe nach.« Dirk legte seine Hand auf die Schulter des zitternden Bürschchens. »Wie heißt du denn?«

»Marcus.«

»Und dein Onkel? Er wohnt hier in der Nähe?«

»Ja, ihm gehört das Gut da drüben. Aber er ist gar nicht mein richtiger Onkel. Ich sag’ nur Onkel zu ihm.«

»Aha. Und du, meine, Kleine?« Der Zimmermann ging vor der etwa Fünfjährigen in die Hocke.

Sie verzog weinerlich das Gesichtchen. »Mich stecken sie bestimmt gleich wieder ins Waisenhaus, wenn das rauskommt, was wir angestellt haben.«

»Wo wohnst du denn jetzt? Auch auf dem Gutshof?«

»Nein, im Forsthaus, bei Onkel Heinrich und Tante Thea.«

»Als Pflegekind?«

Die Kleine nickte, und helle Tränen liefen über das bleiche Gesichtchen.

»Und im Forsthaus gefällt es dir gut, ja?«, forschte Dirk. »Da möchtest du für immer bleiben?«

Das kleine Mädchen zögerte und senkte den Blick.

»Was gibt es denn da für Probleme und Schwierigkeiten, Claudia? Sind deine Pflegeeltern nicht nett zu dir?«

»Doch – ja.«

»Aber?«

»Aber noch lieber wäre ich bei Marcus und seiner Mami.«

»Aha! Weil du dann einen größeren Bruder hättest?«

»Ja, auch, aber nicht nur deswegen. Aber es geht nicht. Leider.« Ein schwerer Seufzer begleitete das letzte Wort.

»Warum denn nicht?«

»Weil …weil …«

»Da kommt Onkel Alexander«, fiel Marcus ihr plötzlich flüsternd ins Wort. »Das ist sein Auto. Wenn der uns sieht …«

»Na, dann nichts wie weg«, schlug der Zimmermann mit einem kleinen Lächeln in den Augenwinkeln vor.

Marcus packte seine kleine Freundin geistesgegenwärtig bei der Hand und verschwand mit ihr im nahen Wacholdergebüsch.

Dirk Rohde blickte mit gemischten Gefühlen dem Wagen entgegen, der sich rasch näherte, Staub aufwirbelte und mit kreischenden Bremsen vor ihm stoppte. Ein sehniger aschblonder Mann mit sonnengebräuntem Gesicht sprang heraus.

»Ach!«, begann er drohend. »So etwas Ähnliches habe ich mir gedacht, als ich Rauch über meiner Feldscheune sah! Herumtreiber, Gesindel! Ich werde Sie zur Verantwortung ziehen! Wer sind Sie? Geben Sie mir Ihren Ausweis, aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf.«

»Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen«, erwiderte Dirk ruhig. »Ich habe mit dem Feuer nichts zu tun, und ich habe auch keinen Menschen gesehen, der wie ein Brandstifter aussah. Vielleicht eine Selbstentzündung?«

Der Gutsherr lachte böse auf. »Ihre Märchen können Sie der Polizei erzählen! Los, einsteigen! Wir fahren gleich hin.«

»Nein!«

Der Gutsherr näherte sich, ein wenig geduckt, mit gefährlicher Geschmeidigkeit. Unvermittelt packte er Dirk am Oberarm. »Los jetzt.«

Mit einer blitzschnellen, fast spielerisch wirkenden Bewegung hatte Dirk Rohde sich aus seinem Griff befreit. »Ich rate Ihnen, mich nicht noch einmal anzufassen. Ich könnte sonst …«

»Glauben Sie ja nicht, dass Sie sich einfach so aus dem Staube machen und vor der Verantwortung drücken können! Man wird Sie finden, verlassen Sie sich darauf! Ihre Erscheinung ist ja auffällig genug.«

»Ich habe durchaus nicht die Absicht, mich aus dem Staube zu machen, wie Sie es nennen. Ich werde noch ein Weilchen in der Gegend bleiben. Und wenn Sie wollen, werde ich auch aussagen, dass ich nichts weiß.«

»Ach, scheren Sie sich doch zum Teufel!« Der Gutsherr warf noch einen letzten wütenden Blick auf den Haufen aus glühenden Balken, schwang sich hinter das Steuer und brauste in einer hoch aufwirbelnden Staubwolke davon.

Zögernd näherten sich Hand in Hand die beiden Kinder.

»Du – du hast nichts gesagt?« Der Junge sah ihn verblüfft an.

Dirk Rohde schüttelte den Kopf. »Von mir erfährt niemand ein Wort, da könnt ihr ganz beruhigt sein. Ab und zu brennt’s eben mal. Ich denke, der Schreck wird euch eine Lehre sein – oder?« Er musterte den Jungen streng.

»Ich fasse keine Streichhölzer mehr an!«, beteuerte Marcus hastig. »Du bist prima!«, flüsterte das kleine Mädchen erleichtert.

»Wenn Onkel Alexander auch so wäre, könnte Mami ihn ruhig heiraten«, meinte Marcus und wirkte wieder sehr bedrückt.

»Nun lauft mal schnell nach Hause, damit ihr hier nicht noch gesehen werdet«, riet Dirk Rohde.

Marcus nickte und schlug sich eilig ins Wacholdergehölz, um auf Umwegen zum Gutshof zurückzukehren.

Dirk wandte sich an das Mädchen. »Ich begleite dich ein Stückehen – aber nur, wenn’s erlaubt ist, schöne Dame.«

»Hast du denn Zeit? Musst du gar nicht arbeiten?«, wollte die Kleine verwundert wissen.

»Ich arbeite nur, wenn ich Lust habe, und im Moment habe ich keine.«

»Prima! Was ist das für eine komische Rolle, die du da bei dir hast?«

»Das ist mein Gepäck. In der Rolle befindet sich alles, was ich brauche.«

»Dann brauchst du aber nicht viel?«, staunte Claudia.

»So ist es. Die meisten Menschen reden sich ein, dass sie zum Leben eine Menge Dinge haben müssen, und darum rackern sie sich oftmals ab bis zum Umfallen. Dabei ist das alles unnötiger Kram.«

»Und warum hast du so einen großen Hut und so einen komischen schwarzen Anzug an?«

»Das ist die Zimmermannstracht. Weißt du, früher hatten alle Handwerker ihre besondere Kleidung, die sie von allen anderen Leuten unterschied. Heute haben das nicht mehr viele, höchstens noch die Schornsteinfeger, und natürlich wir Zimmerleute. Früher gingen auch alle Handwerksburschen auf Wanderschaft. Heute nur noch ein paar verrückte Zimmerleute.«

Claudia nickte ernsthaft.

Sie hatten inzwischen den Waldrand erreicht. Durch die dunklen Fichten schimmerte anheimelnd das rote Dach eines Forsthauses.

Claudia blieb stehen. »Hier wohn’ ich.«

»Sehr romantisch. Na, dann lauf mal hinein.«

»Bleib doch noch ein bisschen bei mir«, bat das kleine Mädchen zutraulich. »Wenn du nicht arbeiten musst, hast du doch Zeit, nicht?«

Die dunklen Kinderaugen bettelten.

»Ja, da hast du recht, Claudia. Zeit habe ich, und ich wollte mich sowieso im nächsten Gasthaus einquartieren.«

»Onkel Heinrich und Tante Thea haben ein Häuschen, da wohnen manchmal Leute, die Ferien machen. Aber jetzt ist gerade keiner da!«, rief Claudia ganz aufgeregt.

So kam es, dass Dirk Rohde von dem etwas mürrischen und schon recht betagten Förster die alte Kate mietete, ein Ferienhäuschen, das abseits am Waldrand lag.

*

Claudia war glücklich. Sooft sie nur konnte, kam sie zu Dirk, und der junge Zimmermann musste sich eingestehen, dass er dieses Kind allmählich so lieb gewann, als wäre es sein eigenes Töchterchen.

Er hatte inzwischen den Friseur aufgesucht und sich gleichzeitig im Ort nach einer jungen Frau erkundigte, die offensichtlich eine leidenschaftliche und verwegene Reiterin war. Doch niemand kannte dieses aparte Geschöpf, das Dirk seit jener Begegnung auf der Heide nicht mehr aus dem Sinn ging. Auch die Förstersleute konnten ihm nicht weiterhelfen.

Schade! Immer wenn er an die blonde Fremde dachte, zog eine fast schmerzhafte Sehnsucht durch sein einsames Herz. Doch wie sollte er sie aufspüren, wenn sie vielleicht in der Großstadt wohnte und nur übers Wochenende in die Heide herausgefahren war? Und außerdem, eine so schöne und temperamentvolle Frau wartete gerade auf ihn, einen fahrenden Handwerksburschen! Dirk lächelte über sich selbst.

Als die kleine Claudia ihn wieder einmal besuchen kam, zog er sie auf den Schoß und sagte: »Claudia, mein Schatz, der Abschied naht. Ich muss bald weiterziehen.«

»Jetzt schon?« Das klang fast angstvoll.

Dirk strich über die braunen Locken des Kindes. »Ich kann ja nicht ewig hierbleiben.«

Claudia holte tief Luft. »Nimm mich mit, Dirk! Bitte, nimm mich mit.«

»Aber, Kind, wie stellst du dir das vor? Ich darf dich gar nicht mitnehmen. Wenn sie mich schnappen, muss ich ins Gefängnis. Die denken doch, ich habe dich entführt.«

»Dann sage ich ihnen, dass ich mit dir wollte!«

»Tja, so einfach ist das alles nicht. Schau mal, ich habe doch gar keine Frau. Zu einer richtigen Familie gehört eine Frau. Wenn ein Mann allein lebt, wie ich, dann darf er kein fremdes Kind zu sich nehmen.«

»Wenn du eine Frau hättest, dann ja?«

»Ja, sicher, das wäre etwas anderes«, nickte Dirk gedankenverloren.

»Wir suchen uns eine – wir werden bestimmt eine finden!«

Dirk lachte leise. »Du bist lieb.«

»Du auch, darum mag ich dich ja so.« Claudia strahlte den dunkelhaarigen Mann an.

»Claudia, ich habe dich schon einmal gefragt, fühlst du dich bei deinen Pflegeeltern nicht wohl? Wolltest du es nur nicht sagen?«

»Onkel und Tante sind nett, aber nicht so wie du! Ich möchte so gerne bei dir bleiben – so schrecklich gerne!«

Dirk biss sich vor Verlegenheit auf die Unterlippe.

»Ich möchte so gerne eine richtige Mami und einen richtigen Papi haben«, fuhr das Kind leise fort.

Der Zimmermann starrte ins Leere. Aus beiläufigen Gesprächen mit den Försterleuten hatte er erfahren, dass sie weitläufige Verwandte von Claudia waren. Die Mutter des Kindes lebte nicht mehr, der Vater war unbekannt. Er hatte herausgehört, dass Claudia nur aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus im Forsthaus aufgenommen worden war. Das alles schien das Kind instinktiv zu spüren.

Dirk seufzte schwer. »Claudia, es tut mir wirklich leid, dich so enttäuschen zu müssen, aber es geht einfach nicht. Wie stellst du dir das nur vor?«

»Schön, wunderschön!«

»Aber ich bin auf Wanderschaft. Ich weiß morgens nicht, wo ich abends mein müdes Haupt hinlegen werde. Manchmal übernachte ich in Scheunen, wie neulich.«

»Oh, das macht Spaß!« Claudia klatschte vor Begeisterung in die Händchen.

Dirk schüttelte düster den Kopf. »Es ist völlig ausgeschlossen, glaube mir.«

Er sah, wie es um die Mundwinkel des kleinen Mädchens zuckte. Claudia rutschte von seinen Knien und stürmte aus der Kate. Er wollte sie zurückrufen, aber schon war sie zwischen den Büschen und Bäumen verschwunden.

Tränenblind lief Claudia durch den Wald. Alles war aus! Was sollte sie nur tun? Schließlich ließ sie sich auf einen am Wegrand liegenden Findling sinken. Ihr verzweifeltes Schluchzen wurde immer heftiger und hemmungsloser.

Plötzlich fühlte Claudia sich emporgehoben. Dicht vor sich sah sie ein bildschönes, märchenhaft liebliches Gesicht, aus dem dunkle Augen sie seelenvoll anschauten. Das konnte nur die Waldfee sein, die verlassenen armen Kindern drei Wünsche erfüllte!