Nur die Tochter eines Butlers? - Gisela Heimburg - E-Book

Nur die Tochter eines Butlers? E-Book

Gisela Heimburg

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Mit lautem angestrengtem Röhren schraubte sich der Jaguar-Sportwagen die Serpentinen zum Burgschlösschen hinauf. Nach dem ersten Drittel des Weges entdeckte der Fahrer eine kleine Plattform, die einen Ausblick auf das Flusstal gestattete. Er stoppte und stieg aus. Feuchte Novemberluft ließ ihn frösteln. Er schlug den Pelzkragen der Lederjacke hoch und trat an das niedrige Holzgitter. Unter ihm lag die Flussschleife wie stumpfes Silber. Ein grauer Dunstschleier verhüllte die gegenüberliegenden Berghänge. Unter ihm streckten ein paar knorrige Eichen drohend ihre kahlen Äste empor. Melancholie des Spätherbstes. Langsam wandte sich der junge Mann wieder seinem Wagen zu. Plötzlich knirschten Schritte auf dem steinigen Weg. Ein Mädchen tauchte an der Wegkehre auf. Sie war völlig in sich versunken. Erst als sie den eleganten Wagen entdeckte, sah sie überraschend auf. Der junge Mann grüßte mit einem sympathischen Lächeln und sagte: »Wir haben unverkennbar den gleichen Weg. Machen Sie mir die Freude und fahren Sie in meinem Wagen nach oben.« Sie zögerte ein paar Sekunden lang. Ihre hellbraunen Augen glitten forschend über die sportliche Gestalt des Mannes, über das braun gebrannte, längliche Gesicht und das dunkelblonde volle Haar, bis sein Blick sie wieder einfing. Die dunklen Augen waren bittend auf sie gerichtet. »Das ist sehr freundlich«

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Fürstenkrone – 197 –

Nur die Tochter eines Butlers?

Als sich Fürst Ditmar in Kordula verliebte...

Gisela Heimburg

Mit lautem angestrengtem Röhren schraubte sich der Jaguar-Sportwagen die Serpentinen zum Burgschlösschen hinauf.

Nach dem ersten Drittel des Weges entdeckte der Fahrer eine kleine Plattform, die einen Ausblick auf das Flusstal gestattete. Er stoppte und stieg aus.

Feuchte Novemberluft ließ ihn frösteln. Er schlug den Pelzkragen der Lederjacke hoch und trat an das niedrige Holzgitter.

Unter ihm lag die Flussschleife wie stumpfes Silber. Ein grauer Dunstschleier verhüllte die gegenüberliegenden Berghänge. Unter ihm streckten ein paar knorrige Eichen drohend ihre kahlen Äste empor. Melancholie des Spätherbstes.

Langsam wandte sich der junge Mann wieder seinem Wagen zu. Plötzlich knirschten Schritte auf dem steinigen Weg. Ein Mädchen tauchte an der Wegkehre auf.

Sie war völlig in sich versunken. Erst als sie den eleganten Wagen entdeckte, sah sie überraschend auf.

Der junge Mann grüßte mit einem sympathischen Lächeln und sagte: »Wir haben unverkennbar den gleichen Weg. Machen Sie mir die Freude und fahren Sie in meinem Wagen nach oben.«

Sie zögerte ein paar Sekunden lang. Ihre hellbraunen Augen glitten forschend über die sportliche Gestalt des Mannes, über das braun gebrannte, längliche Gesicht und das dunkelblonde volle Haar, bis sein Blick sie wieder einfing. Die dunklen Augen waren bittend auf sie gerichtet.

»Das ist sehr freundlich«, erwiderte sie zögernd. »Danke.«

Er half ihr beim Einsteigen.

»Wenn Sie sich bei diesem Wetter die Mühe machen, zum Schloss ­hinaufzusteigen, muss ich annehmen, dass es dort oben sehr hübsch ist.«

»Ja, die Sternburg ist eines der schönsten Schlösser in der Umgebung. Leider ist es dem Verfall preisgegeben.«

Der junge Mann warf ihr einen überraschten Seitenblick zu. »Kümmert sich denn niemand darum?«

»Es wird gepflegt, so gut es geht. Aber was kann man ohne Geld schon viel machen!«

»Na, zum Beispiel den Besitzer anspitzen! Warum unternimmt der Verwalter nichts?«

Das Mädchen fuhr auf, seine Augen blitzten zornig.

»Haben Sie eine Ahnung! Der hohe Herr braucht sein Geld wahrscheinlich für Traumvillen an der Côte d’ Azur! Es besitzen immer Leute so etwas, die es nicht zu schätzen wissen! Ich liebe das Burgschlösschen, und ich bin wütend auf den Besitzer!«

»Vielleicht weiß er nicht, welches Juwel unter den Schlössern die Sternburg ist. Der Verwalter hätte es ihm längst klarmachen müssen.«

»Als ob er das nicht getan hätte! Ich wette, der hohe Herr macht sich nicht mal die Mühe, die Briefe zu lesen«, so schnaubte das Mädchen.

»Weshalb verteidigen Sie den Verwalter des Schlosses eigentlich so? Er war früher Butler, nicht wahr?«

»Ganz recht! Ich bin die Tochter des Butlers! Und warum verteidigen Sie den Besitzer so?«

»Ganz einfach! Ich bin der Besitzer!«

Einen Augenblick lang war das Mädchen verblüfft, dann aber lachte sie laut und perlend, und der Fürst stimmte mit ein.

»Auf diese Weise haben Durchlaucht wenigstens meine ungeschminkte Meinung zu hören bekommen!«, sagte sie, noch immer lachend.

Die natürliche Unbefangenheit des Mädchens faszinierte Ditmar.

»Ist das alte Gemäuer tatsächlich so reizvoll?«, fragte Ditmar.

»Ich werde Sie davon überzeugen!«, erklärte das Mädchen mit Nachdruck. »Mein Vater ist unterwegs, um ein paar unerlässliche Besorgungen zu machen. Wenn Sie sich deshalb meiner Führung anvertrauen wollen, Durchlaucht?«

»Ich freue mich über diesen Zufall. Aber bitte, sagen Sie nicht Durchlaucht. Ich komme mir dann gleich uralt vor. Nennen Sie mich einfach beim Namen und nennen Sie mir Ihren!«

»Kordula – Kordula Linde. Wir sind gleich da, Fürst.«

Sie bogen um die letzte Kurve. Vor ihnen lag das kleine Schloss mit seinen Erkern, Türmen und Zinnen im Dunst des trüben Novembertages. Schemenhaft, unwirklich. Die Vision aus einem Märchen. Stein gewordene Poesie.

Das Mädchen sah den Fürsten herausfordernd an.

»Ja, Sie haben mir nicht zu viel versprochen, Kordula. Es ist wirklich sehr schön.«

Kordula war über das Lob so erfreut, als sei sie selbst die Besitzerin.

»Warum haben Sie es sich nicht längst einmal angesehen?«, fragte sie vorwurfsvoll.

Während der Fürst den Wagen langsam durch das bogenförmige Hoftor aus verwittertem Stein rollen ließ, sagte er gedehnt: »Ja, warum? Sie wissen vielleicht, dass ich mehr als ein Dutzend von diesen alten Gemäuern geerbt habe. Ich konnte sie einfach noch nicht alle in Augenschein nehmen. Ich musste erst mein Studium beenden.«

Der Wagen rollte um das Gebäude. Der weitläufige Park tauchte vor ihnen auf. Ditmar stoppte, und sie stiegen aus. Der diesige Tag dämmerte bereits dem frühen Abend entgegen.

»Gehen wir doch gleich durch diesen romantisch verwilderten Park, solange es noch hell genug ist«, schlug Ditmar vor.

Sie schlenderten den breiten Hauptweg entlang. Schlanke graue Buchenstämme säumten ihn wie griechische Säulen. Am Ende des Weges lag eine kleine Kapelle.

»Die Krypta«, sagte Kordula erklärend.

Im stillen Einverständnis schritten sie nebeneinander durch das Portal. Die schwere Eichentür klappte hinter ihnen zu.

Die bunten Glasfenster ließen kaum noch Licht durch. Der Fürst entzündete eine der Kerzen im Altarleuchter.

Schweigend betrachtete er das kleine Marienbildnis und das Kruzifix. Dann entdeckte er die Seitentür.

»Der Eingang zur Grabstätte«, erklärte Kordula. Sie sprach unwillkürlich gedämpft.

Ditmar Fürst zu Scharnberg öffnete wortlos die Tür. Das Knarren hallte unheimlich von den Wänden wider. Dumpfe Luft schlug ihnen entgegen.

Kordula rümpfte die Nase und öffnete die Eingangstür der Kapelle weit. Die Kerzen flackerten in der Zugluft und warfen gespenstische Schatten auf die Wände.

Langsam stieg Ditmar die Stufen hinab. Seine Schuhsohlen hinterließen Spuren in der Staubschicht, die auf der Treppe und dem Boden der Krypta lag.

Kordula war in der Türöffnung stehen geblieben und beobachtete, wie der Fürst langsam den Raum durchschritt, die Namen der Verstorbenen las.

Die Familiengruft lag zum größten Teil unter der Erde. Nur durch die kleinen Fenster unter der Decke schimmerte die letzte Helligkeit.

Ditmar war am Ende der Sargreihe angelangt und blieb vor einem schmalen Sarkophag stehen. Er beugte sich nieder. Ein überraschter Ruf entschlüpfte ihm.

»Wie seltsam, hier liegt ein Strauß weißer Rosen, der frisch aussieht.«

Neugierig trat Kordula näher. »Den Strauß habe ich hingelegt, aber das ist schon über ein Jahr her!«

Vorsichtig berührte sie die Blütenknospen, sie waren trocken, aber in ihrer Form unverändert, und blütenweiß leuchteten sie in der spärlichen Helligkeit.

Plötzlich spürte Kordula einen heftigen Luftzug. Das gespenstische Knarren der Tür ließ sie zusammenzucken. Sie sah, dass die Tür, wie von Geisterhand in Bewegung gesetzt, langsam zuschwang.

Entsetzt stürzte Kordula die Stufen hinauf. Zu spät! Mit einem leisen, aber nachdrücklichen Klappen fiel die Tür ins Schloss.

»O Gott!«, rief Kordula fassungslos. Mit großen, entsetzten Augen starrte sie auf die Tür.

»Was ist, Kordula? Es ist doch nichts passiert. Was haben Sie?«, fragte Ditmar und ging mit schnellen Schritten zu ihr.

»Wir sind eingesperrt!«

Der Fürst sah sie verständnislos an.

»Die Tür lässt sich von innen nicht öffnen. Ich hätte den Bügel vorlegen müssen!« Kordula war vor Schreck wie gelähmt.

Ditmar nahm die Angelegenheit zunächst von der komischen Seite. Er legte tröstend den Arm um ihre Schultern und lachte leise.

»Und da sagt man, in unserem Jahrhundert gibt es keine Abenteuer mehr!«

Er spürte, dass Kordula Linde heftig zitterte.

»Keine Angst«, beruhigte er sie. »Ich werde das Schloss schon irgendwie wieder aufbekommen.«

Er kramte in seinen Taschen. Aber die Ausbeute war mager. Außer einer Nagelfeile, Feuerzeug und Kugelschreiber war nichts vorhanden.

Ditmar sah zu den Fenstern hinauf. Sie lagen wirklich sehr hoch, und außerdem waren sie viel zu schmal. Nie hätte sich ein ausgewachsener Mensch hindurchzwängen können.

»Das ist Pech!« Ditmar zuckte die Schultern und blickte zu dem Mädchen hinüber.

Kordula hatte sich wie ein Häufchen Unglück auf die unterste Stufe gekauert.

»Ich bin schuld«, in ihren Augen lag Verzweiflung.

Der Fürst lachte wieder, um ihr zu zeigen, dass er nicht böse war.

»Also, ich sehe im Geist schon die Schlagzeilen der Regenbogenpresse: FÜRST SCHARNBERG MIT SEINER GELIEBTEN IN DER FAMI­LIENGRUFT VERHUNGERT.«

»Ich freue mich, Fürst Ditmar, dass Sie die Sache von der humoristischen Seite nehmen. Aber wenn mich mein Vater vermisst, wird er mich sicher nicht hier suchen.«

Ditmar strich sich über das Kinn. »Tja, gemütlich ist der Aufenthalt hier nicht gerade. Eigentlich wollte ich mir diesen Ort aufsparen, bis ich eines natürlichen Todes gestorben bin.«

Noch immer fand er das Ganze komisch. Er setzte sich lächelnd neben Kordula auf eine Stufe.

»Ich denke, wir warten zunächst mal in aller Ruhe ab. Vielleicht kommt uns ein Zufall zu Hilfe.«

Kordula vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Der Fürst zog ihr behutsam die Hände vom Gesicht. Er sah sie liebevoll an.

»Seien Sie doch nicht so verzweifelt. Das macht die Sache ja noch schlimmer. Das kann ich gar nicht mit ansehen!«

Sie warf den Kopf zurück und fragte mit erstickter Stimme: »Warum schimpfen Sie nicht lieber auf mich? Ich finde meine Nachlässigkeit einfach unverzeihlich!«

Als Antwort küsste er sanft ihre tränenfeuchten Lippen. Es war ein salziger Kuss – ein Kuss, wie man ihn einem weinenden Kind gibt.

»Ich bin gar nicht böse, wirklich nicht!«, beteuerte Ditmar. »Dieser makabre Zufall schenkt uns immerhin ein paar Stunden ungestörten Beisammenseins.«

»Warum sind Sie so nett zu mir, Fürst Ditmar?« Ihre Tränen begannen erneut zu fließen.

»Es gibt mehrere Gründe dafür, aber vor allem, weil Ihr Kummer mir zu Herzen geht und weil ich nicht in der Lage bin, ihn zu beseitigen.«

Kordula lächelte unter Tränen.

Ditmar hatte eine Zigarette herausgefingert, und im Schein seines Feuerzeugs sah er das Gesicht des Mädchens.

»Na also, so gefallen Sie mir schon etwas besser. Würde Ihnen eine Zigarette helfen?«

»Ich rauche nur bei besonderen Gelegenheiten. Aber ich glaube, dies ist eine.«

Ditmar reichte ihr die Packung. In der Dunkelheit strichen ihre Fingerspitzen ungewollt über den Handrücken des Fürsten, ehe sie die Zigarette fand. Ditmar zuckte unmerklich zusammen.

»Jetzt müsste mein Vater mich eigentlich schon vermisst haben und auf der Suche sein«, sagte Kordula nach einer Weile. »Aber ich fürchte, seine Suche wird ergebnislos verlaufen. Es ist ja nicht der kleinste Hinweis vorhanden.«

»Die Kerze im Altarraum!«

»Ja, wenn er überhaupt bis hierher kommt«, erwiderte Kordula gedehnt. »Und wenn die Flamme nicht durch den Windstoß, der die Tür zuklappte, erloschen ist.«

Wieder herrschte Totenstille, sie hörten nur den leisen Atem, sonst nichts.

Plötzlich sahen sie vor den hochliegenden Fenstern einen flüchtigen Lichtschein.

»Mein Vater!« Kordula war aufgesprungen und rief aus Leibeskräften.

Der Lichtschein verlosch. Kordula hielt den Atem an.

»Ob er mich gehört hat? Papa besitzt eine sehr starke Taschenlampe, er kann also noch weit weg sein.«

Ditmar legte sein Ohr an die Tür.

»Nichts.«

Wieder flammte der Schein auf und irrlichterte über den aufblinkenden Marmor.

Wieder rief das Mädchen mit überkippender Stimme: »Vater! Papa, hier bin ich!«

Ditmar stimmte mit ein. Doch dann fasste er nach Kordulas Arm.

»Seien Sie mal einen Moment still!«

Der Fürst warf einen Gegenstand an eines der Fenster, verursachte damit aber nur ein leises Klirren und dann ein Klicken auf dem Fußboden.

»Das war mein Feuerzeug.«

Hastig bemühte er sich, es wiederzufinden, und ließ es aufflammen. Er hielt es hoch empor, in der vagen Hoffnung, es könnte von draußen gesehen werden. Er fingerte einen Brief aus seiner Tasche und setzte ihn in Brand.

»Mein Gott, er muss uns doch bemerken!«, stöhnte Kordula verzweifelt.

Sie rannte die Stufen empor und hämmerte mit den Fäusten gegen die kupferbeschlagene Tür. Noch einmal rief sie, so laut sie konnte. Nichts geschah.

Sie begriffen, dass die rettende Gelegenheit vorübergegangen war.

»Die kleinen Öffnungen haben auch noch Doppelfenster«, stellte Ditmar niedergeschlagen fest. »Ihr Vater hat uns bestimmt nicht gehört.«

»Und jetzt?«

»Jetzt müssen wir wohl versuchen, uns für die Nacht hier häuslich einzurichten. Das Nachtlager in der Grabkammer – ein Titel für einen Gruselschocker!«, scherzte der Fürst, aber ganz so unbefangen klang seine Stimme auch nicht mehr. Er legte den Arm um das Mädchen. »Kommen Sie, Kordula! Setzen wir uns wieder auf die Stufen!«

Sie saßen eine Weile schweigend. Die Stille schien sie zu erdrücken.

»Erzählen Sie mir etwas«, bat Ditmar. Er hielt noch immer ihre Hand.

»Meine Gedanken drehen sich nur um einen Punkt: Wie kommen wir hier heraus?«

»Das wird sich finden. Gerade deshalb möchte ich Sie ablenken. Die Zeit vergeht schneller beim Erzählen.« Ditmar richtete sich auf. »Schuld an diesem Dilemma ist eigentlich nur der unverwelkte Rosenstrauß. Wie kamen Sie eigentlich darauf, gerade jenen Sarkophag zu schmücken?«

»Ach, eine sentimentale Regung. Ich habe in der alten Chronik von Schloss Sternburg geblättert. Da fand ich die Geschichte einer jungen Frau. Na ja, sie berührte mich eigenartig, sie ging mir zu Herzen.«

»Erzählen Sie doch mal! Es interessiert mich brennend, was Ihr Herz rühren kann.«

Er zog die Hand des Mädchens an seine Lippen.

»Es ist nur eine kurze, aber sehr traurige Geschichte. Sie spielt im achtzehnten Jahrhundert. Adelheide von Scharnberg wurde bereits mit sechzehn Jahren an einen bedeutend älteren, raubeinigen Mann verheiratet, einen Offizier, der meist im Feld war und sich dort wohl auch bedeutend wohler fühlte als bei seinem jungen Weib. Adelheide lebte also einsam auf dem Schloss. Da verliebte sie sich heftig in einen jungen Schauspieler. Sie vergaß ein einziges Mal ihre eheliche Treue. Entsetzt über sich selbst, schickte sie den Schauspieler unmittelbar danach fort. Nach ein paar Wochen merkte sie, dass sie ein Kind erwartete. Sie war verzweifelt.

Als es dann so weit war und sie keinen Ausweg mehr sah, ging Adelheide in diese Familiengruft. Sie hat damals den Türdrücker entfernt – wahrscheinlich, um sich selbst den Rückweg zu versperren. Man fand sie erst einige Wochen später. Neben ihr lag ein Fläschchen mit einem Giftrest. Eine Zofe, die der jungen Frau in ihrer Einsamkeit fast eine Freundin war, hat die Hintergründe für diesen tragischen Schritt verraten.«

»Das ist eine traurige Geschichte«, sagte Ditmar. »Aber Ihre Sympathie für das bedauernswerte Geschöpf hat uns jedenfalls Unglück gebracht. Früher glaubte man ja, dass auf Selbstmördern ein besonderer Fluch läge. Es wäre Grund genug vorhanden, das anzunehmen.«

»Die arme Adelheide! Nun soll sie auch noch an unserem Missgeschick schuld sein! Nein, das glaube ich nicht. Sie ist bestimmt nicht rachsüchtig. Warum auch?«