Im Schatten der Gerechtigkeit - Anne Perry - E-Book

Im Schatten der Gerechtigkeit E-Book

Anne Perry

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Beschreibung

London im Jahre 1857: Der Tod ist keine Seltenheit im Royal Free Hospital – doch der Mord an einer Krankenschwester rüttelt gewaltig an den Grundfesten der ehrwürdigen Anstalt. Inspector William Monk bringt bei seiner Suche nach dem wahren Mörder die dunklen Seiten der vermeintlich anständigen viktorianischen Gesellschaft ans Tageslicht ...

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Buch

London im Jahre 1857. Im Royal Free Hospital wird in der Rutsche für die Schmutzwäsche eine Leiche gefunden. Es handelt sich um Prudence Barrymore, eine äußerst fähige Krankenschwester und die rechte Hand des Chirurgen Sir Herbert Stanhope, die offensichtlich ermordet wurde. Die Polizei hat in dem jungen Arzt Kristian Beck schnell einen Schuldigen ausgemacht, doch Lady Callandra Daviot, Mitglied im Krankenhausaufsichtsrat, ist nicht überzeugt. Sie bittet Privatdetektiv William Monk, sich des Falls anzunehmen.

Zusammen mit Hester Latterly macht sich Monk auf die Suche nach dem wahren Mörder. Verdächtig sind nicht nur ein immer wieder abgewiesener Verehrer der Krankenschwester sowie dessen eifersüchtige Freundin, sondern auch Prudence’ Chef, der Chirurg Sir Herbert. Schritt für Schritt, Indiz für Indiz tastet Monk sich an die Wahrheit heran und bringt dabei Skandale, Intrigen und Mißstände der vermeintlich anständigen viktorianischen Gesellschaft ans Tageslicht ...

Autorin

Die Engländerin Anne Perry verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Schon früh begann sie zu schreiben. Mittlerweile begeistert sie mit ihren Helden, dem Privatdetektiv William Monk sowie dem Detektivgespann Thomas und Charlotte Pitt, ein Millionenpublikum.

Inhaltsverzeichnis

BuchAutorinKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Copyright

Denn eines Nachts oder in einer anderen Kommt der Gärtner in Weiß, Und gepflückte Blumen sind tot, Yasmin.

Aus HASSAN von James Elroy Flecker

1

Als sie hereinkam, dachte Monk zunächst an einen weiteren Fall von häuslichem Bagatelldiebstahl, vielleicht auch Nachforschungen über Charakter und Aussichten eines potentiellen Bräutigams. Nicht, daß er derlei Aufträge abgelehnt hätte; das konnte er sich nicht leisten. Zwar sorgte Lady Callandra Daviot, seine Gönnerin, hinlänglich für Kost und Logis, aber Stolz und Ehre geboten es ihm, keine Möglichkeit auszulassen, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Seine jüngste Klientin war gut gekleidet, ihre Haube hübsch und adrett. Die weite Krinoline war sehr feminin, da sie neben der Taille die Schmalheit der Schultern betonte, was sie, obwohl sie bereits an der Schwelle der Dreißig stand, jung und zart wirken ließ. Natürlich neigte die augenblickliche Mode dazu, grundsätzlich zu schmeicheln, aber die Illusion war nichtsdestoweniger überwältigend; und sosehr sich das Gros der Männer ihrer auch bewußt sein mochte, sie sorgte neben dem Wunsch, den Beschützer zu spielen, auch für eine gewisse Galanterie.

»Mr. Monk? « erkundigte sie sich zögernd. Er war die Nervosität der Leute, die sich an ihn wandten, gewöhnt. Einen privaten Ermittler einzuschalten fiel den meisten nicht leicht. Waren doch fast alle Angelegenheiten, die einen solchen Schritt ratsam erscheinen ließen, ausgesprochen privater Natur.

Monk erhob sich und versuchte freundlich zu wirken, ohne gleich in plumpe Vertraulichkeit zu verfallen. Das war nicht so einfach, gaben sich doch weder seine Züge noch seine Persönlichkeit dafür her.

»Der bin ich, Madam. Bitte, setzen Sie sich doch.« Er wies auf einen der beiden Sessel, die er der Einrichtung auf Anraten von Hester Latterly hinzugefügt hatte, letztere zuweilen Freundin, zuweilen Antagonistin und immer wieder eine unentbehrliche Hilfe, ob ihm das nun gefiel oder nicht. Die Idee mit den Sesseln freilich, das mußte er zugeben, war gut.

Die Hände krampfhaft an ihrem Schultertuch, setzte sie sich, steif, als hätte sie einen Besenstiel verschluckt, auf den äußersten Rand des Sessels. Die Besorgnis stand ihr in die straffen Züge geschrieben. Die engstehenden haselnußbraunen Augen wichen den seinen nicht einen Moment aus.

»Wie darf ich Ihnen helfen?« Er setzte sich in den Sessel gegenüber, lehnte sich zurück und schlug der Bequemlichkeit halber die Beine über. Er war Polizist gewesen, bis eine heftige Meinungsverschiedenheit zu seiner Kündigung geführt hatte. Brillant, scharfzüngig und zuweilen rücksichtslos, hatte sich Monk weder daran gewöhnen können, etwas gegen die Befangenheit seiner Gegenüber zu tun, noch um deren Aufträge zu werben. Es war eine Kunst, die er nur mit Mühe erlernte, und auch das nur aus schierer Notwendigkeit.

Sie biß sich auf die Lippe und tat einen tiefen Atemzug, bevor sie den Sprung wagte. »Ich bin Julia Penrose oder Mrs. Audley Penrose, wie ich korrekterweise sagen sollte. Mein Gatte und ich wohnen mit meiner jüngeren Schwester südlich der Euston Road ...« Sie verstummte, als wollte sie sich seiner Kenntnis der Gegend versichern, da dies möglicherweise von Bedeutung war.

»Eine ausgesprochen angenehme Gegend«, meinte er mit einem Nicken. Die Adresse ließ ein Haus von bescheidener Größe vermuten, einen Garten, was immer das hieß, und wenigstens zwei oder drei Domestiken. Kein Zweifel also: ein Diebstahl im Haus oder ein Freier für die Schwester, über den sie so ihre Zweifel hatte.

Sie richtete den Blick auf ihre Hände, kleine, kräftige Hände in adretten Handschuhen. Einige Augenblicke lang rang sie nach Worten.

Bis ihm der Geduldsfaden riß.

»Wo drückt denn der Schuh, Mrs. Penrose? Solange Sie mir das nicht sagen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.«

»Ja, sicher, ich weiß«, sagte sie kaum hörbar. »Es fällt mir allerdings nicht leicht, Mr. Monk. Ich sehe, daß ich Ihnen die Zeit stehle und möchte mich entschuldigen ...«

»Ganz und gar nicht«, meinte er unwillig.

Sie hob den Blick; sie war blaß, aber in ihren Augen blitzte es temperamentvoll auf. Es kostete sie eine gewaltige Anstrengung. »Meine Schwester ist ... belästigt worden, Mr. Monk. Und ich möchte wissen, wer dafür verantwortlich war.«

Also doch keine Bagatelle.

»Tut mir leid«, sagte er und meinte es aufrichtig. Er brauchte erst gar nicht zu fragen, warum sie nicht zur Polizei gegangen war. Allein der Gedanke, mit so etwas an die Öffentlichkeit zu gehen, war den meisten Menschen ein Greuel. Das Verhalten der Gesellschaft gegenüber einer Frau, die – in welchem Ausmaß auch immer – sexuell genötigt worden war, reichte von lüsterner Neugier bis zu der Überzeugung, daß sie dafür selbst verantwortlich war. Oft fühlte sich sogar die Betroffene, ungeachtet der tatsächlichen Umstände, aus irgendeinem unerfindlichen Grund schuldig – schließlich konnte so etwas kaum einer Unschuldigen passieren. Vielleicht bewältigten die Leute so den Schrecken, den eine solche Tat hervorrief, die Angst, womöglich selbst Opfer zu werden. War die Frau auf die eine oder andere Art selbst daran schuld, so mußte sich so etwas durch Rechtschaffenheit und Vorsicht vermeiden lassen. So einfach war das.

»Ich möchte, daß Sie herausfinden, wer es gewesen ist, Mr. Monk«, sagte sie noch einmal und sah ihn ernst an.

»Und sollte mir das gelingen, Mrs. Penrose«, fragte er sie, »haben Sie sich überlegt, was Sie dann tun? Ich entnehme der Tatsache, daß Sie nicht zur Polizei gegangen sind, daß Sie keine gerichtlichen Schritte einleiten wollen?«

Ihre helle Haut wurde noch blässer. »Nein, selbstverständlich nicht!« sagte sie heiser. »Sie müssen sich darüber im klaren sein, was so ein Prozeß bedeuten würde. Meiner Ansicht nach wäre das womöglich schlimmer als ... als der Vorfall selbst, so schrecklich er auch gewesen sein mag.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall! Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, wie die Leute über jeman ...«

»Die habe ich«, unterbrach er sie rasch. »Und ich weiß auch, daß die Chancen für einen Schuldspruch nicht sehr gut stehen, es sei denn, es ist zu erheblichen Verletzungen gekommen. Wurde Ihre Schwester verletzt, Mrs. Penrose?«

Sie senkte die Augen, und eine schüchterne Röte überzog ihre Wangen. »Nein, nein, das nicht – jedenfalls nicht zu solchen, die nachzuweisen wären.« Sie wurde noch leiser. »Ich hoffe, Sie verstehen, wenn ich es vorziehe ... Es wäre anstößig, so etwas eingehender zu erörtern ...«

»Ich verstehe.« Was durchaus nicht nur so dahin gesagt war. Er konnte nicht sagen, ob die betreffende junge Dame nun tatsächlich Opfer einer Nötigung geworden war oder ob sie diese ihrer Schwester gegenüber nur vorgeschoben hatte, um eine moralische Entgleisung zu erklären. Sicher war, daß er bereits ein entschiedenes Mitgefühl für diese Frau da verspürte. Was immer passiert war, sie stand am Anfang einer Tragödie.

Unsicher, aber hoffnungsvoll sah sie ihn an. »Können Sie uns helfen, Mr. Monk? Wenigstens so lange unser Geld reicht? Ich habe etwas von meinem Kleidergeld gespart und kann Ihnen insgesamt zwanzig Pfund bezahlen.« Sie wollte ihn weder beleidigen noch selbst in finanzielle Nöte geraten, und doch wußte sie nicht, wie sich beides vermeiden ließ.

Ungewohntes Mitleid regte sich in ihm. Ein Gefühl, das für ihn ganz und gar nicht selbstverständlich war. Bei all dem Leid, das er gesehen hatte, physisch schlimmeres meist als das von Julia Penrose, hatten sich seine Gefühle schon vor langer Zeit erschöpft; er hatte sich eine rauhe Schale zugelegt, die ihn vor dem Wahnsinn bewahrte. Sein Zorn veranlaßte ihn zum Handeln; aber am Ende eines Tages wurde er exorziert, damit Monk seinen verdienten Schlaf finden konnte.

»Das wird vollauf genügen«, sagte er ihr. »Entweder gelingt es mir, den Schuldigen zu finden, oder ich sage Ihnen, daß es unmöglich ist. Ich gehe davon aus, daß Sie Ihre Schwester gefragt haben und sie es Ihnen nicht sagen kann?«

»Das habe ich in der Tat«, antwortete sie. »Aber es fällt ihr verständlicherweise schwer, sich an den Vorfall zu erinnern – die Natur geht uns bekanntlich dabei zur Hand, Dinge zu vergessen, die ihrer Schrecklichkeit wegen nicht zu ertragen wären.«

»Ich weiß«, sagte er mit ebenso grober wie beißender Ironie, deren Grund ihr freilich unverständlich blieb. Es war noch kaum ein Jahr her, im Sommer 1856, kurz nach Ende des Krimkriegs, daß er nach einem schweren Kutschenunglück auf dem schmalen grauen Bett eines Krankenhauses aufgewacht war. Er mußte feststellen, daß er nichts über sich wußte, noch nicht einmal seinen Namen, und der Gedanke, im Armenhaus gelandet zu sein, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Zweifelsohne war der Gedächtnisverlust die Folge eines Schädelbruchs, aber selbst als sich Erinnerungsfetzen einzustellen begannen, enthielt ihm ein entsetzliches Grauen, die Angst vor einer unerträglichen Wahrheit, den größten Teil vor. Andere nach seiner Vergangenheit zu fragen hatte er nicht gewagt, schon gar keinen, der mit der Polizei zu tun hatte. Allein die Witterung seiner Schwäche hätte seinen Feinden genügt, ihn zu zerfleischen. Für einen Kriminalbeamten ohne Gedächtnis war kein Platz. Seine Waffen wären ebenso dahin wie sein Schutz! Das Armenhaus war ein Alptraum, dem so mancher den Hungertod vorzog.

Stück für Stück hatte er sich wiederentdeckt. Und dennoch war ihm der größte Teil verborgen oder bloße Vermutung geblieben; er konnte sich schlicht nicht erinnern. Vieles war schmerzlich gewesen. Der Mann, der sich da zeigte, war nicht eben liebenswert, und er hegte eine dunkle Angst vor dem, was noch zu entdecken war: Rücksichtslosigkeit, Ehrgeiz, unbarmherzige Brillanz. Ja, er wußte Bescheid über die Notwendigkeit zu vergessen, was Herz oder Verstand nicht zu verkraften vermochten.

Sie starrte ihn an, in ihrem Gesicht standen Verwirrung und wachsende Sorge.

Rasch hatte er sich wieder gesammelt. »Selbstverständlich, Mrs. Penrose. Es ist ganz natürlich, daß Ihre Schwester einen so unseligen Vorfall aus ihrem Gedächtnis streicht. Haben Sie ihr gesagt, daß Sie zu mir kommen?«

»O ja«, sagte sie rasch. »Es wäre wohl ziemlich sinnlos, so etwas hinter ihrem Rücken zu versuchen. Sie war nicht gerade angetan von dem Gedanken, aber ihr ist klar, daß es bei weitem das beste ist.« Sie beugte sich etwas weiter vor. »Um ehrlich zu sein, Mr. Monk, ich glaube, sie war so erleichtert, daß ich nicht zur Polizei gegangen bin, daß sie es anstandslos akzeptiert hat.«

Nicht eben schmeichelhaft, aber seine Eitelkeit zu befriedigen war etwas, was er sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr leisten konnte.

»Sie wird sich also nicht weigern, mit mir zu sprechen?« fragte er.

»Nein, nein, obwohl ich Sie bitten möchte, so behutsam wie möglich vorzugehen.« Sie errötete leicht, als sie den Blick hob, um ihm direkt in die Augen zu sehen. Ihre schmale Kinnpartie wirkte merkwürdig entschlossen. Sie hatte ein sehr weibliches Gesicht, feinknochig, aber nicht schwach. »Sehen Sie, Mr. Monk, das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und der Polizei. Verzeihen Sie mir meine Unhöflichkeit, aber die Polizei steht im Dienst der Öffentlichkeit, ihre Ermittlungen werden vom Gesetz bestimmt. Sie dagegen, Sie werden von mir bezahlt, und ich kann Ihnen jederzeit Einhalt gebieten, wenn mir das moralisch richtiger oder weniger schmerzlich erscheint. Sie sind mir doch nicht böse, daß ich auf diesen Unterschied hinweise?«

Weit gefehlt. Innerlich mußte er sogar lächeln. Er verspürte zum erstenmal einen Funken aufrichtigen Respekts für sie.

»Ich verstehe sehr wohl, worauf Sie hinauswollen, Madam«, antwortete er im Aufstehen. »Ich bin natürlich moralisch wie gesetzlich dazu verpflichtet, ein Verbrechen zu melden, sobald ich es beweisen kann, aber im Fall einer Vergewaltigung – ich bitte mir das häßliche Wort nachzusehen, aber ich gehe davon aus, daß wir von Vergewaltigung sprechen?«

»Ja«, sagte sie, wenn auch kaum hörbar. Ihr Unbehagen war nur zu offensichtlich.

»Bei dieser Art Verbrechen muß das Opfer Anzeige erstatten und aussagen, womit die Angelegenheit also ausschließlich in den Händen Ihrer Schwester liegt. Was auch immer ich herausfinde, die Entscheidung liegt ganz bei ihr.«

»Ausgezeichnet.« Sie stand ebenfalls auf, und als die Reifen ihres Rocks an ihren Platz fielen, stellte sich auch die zarte Figur wieder ein. »Ich nehme an, Sie werden sich sofort an die Arbeit machen?«

»Noch heute nachmittag, wenn es Ihrer Schwester recht ist. Sie haben mir noch gar nicht gesagt, wie sie heißt.«

»Marianne – Marianne Gillespie. Ja, heute nachmittag paßt es ausgezeichnet.«

»Sie haben gesagt, Sie hätten sich etwas von Ihrem Kleidergeld abgespart, eine nicht unbeträchtliche Summe, wie mir scheint. Liegt der Vorfall denn schon einige Zeit zurück?«

»Zehn Tage«, sagte sie rasch. »Ich bekomme mein Haushaltsgeld im Quartal. Und da ich, wie es der Zufall will, ausgesprochen umsichtig gewirtschaftet habe, ist vom letzten Mal noch ein Gutteil übrig.«

»Ich danke Ihnen, aber Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig, Mrs. Penrose. Ich wollte nur wissen, wann sich der Vorfall ereignet hat.«

»Natürlich schulde ich Ihnen nichts. Aber ich möchte, daß Sie wissen, daß ich Ihnen die absolute Wahrheit sage, Mr. Monk. Wie kann ich sonst Hilfe von Ihnen erwarten. Ich vertraue Ihnen und verlange dasselbe von Ihnen.«

Er lächelte plötzlich, eine Regung so selten und aufrichtig, daß sie sein Gesicht vor Charme aufleuchten ließ. Er mußte feststellen, daß ihm diese Julia Penrose besser gefiel, als er gedacht hätte – nicht bei einer so steifen und kalkulierbaren Erscheinung: der ebenso umfangreiche wie unpraktische Reifrock, der ihren Bewegungen eine gewisse Unbeholfenheit verlieh, die Haube, die er abscheulich fand, die weißen Handschuhe, die gesetzte Haltung. Es war ein vorschnelles Urteil gewesen, etwas, was er bei sich selbst noch mehr verachtete als bei anderen.

»Ihre Adresse?« sagte er rasch.

»Hastings Street vierzehn«, erwiderte sie.

»Eine Frage noch. Darf ich, da Sie dieses Arrangement selbst treffen, davon ausgehen, daß Ihr Gatte davon nichts weiß?«

Sie biß sich auf die Lippe, und die Farbe ihrer Wangen vertiefte sich. »Sie dürfen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie so diskret wie möglich vorgingen.«

»Wie soll ich meine Anwesenheit erklären, falls er fragen sollte?«

»Oh.« Einen Augenblick war sie beunruhigt. »Wäre es Ihnen möglich zu kommen, wenn er nicht da ist? Werktags geht er von neun Uhr morgens an seinen Geschäften nach und kommt frühestens um halb fünf zurück. Er ist Architekt. Manchmal wird es auch viel später.«

»Das mag schon sein, aber es wäre mir lieber, eine Geschichte zu haben, für den Fall, daß man uns ertappt. Wir sollten uns wenigstens einig sein, was die Erklärung anbelangt.«

Sie schloß einen Augenblick die Augen. »Bei Ihnen hört sich das so ... so falsch an, Mr. Monk. Es ist nicht so, daß ich Mr. Penrose belügen möchte. Es ist nur, daß die Angelegenheit so schmerzlich ist. Es wäre Marianne weitaus angenehmer, wenn er nichts davon wüßte. Immerhin muß sie weiterhin unter seinem Dach wohnen, verstehen Sie?« Plötzlich starrte sie ihn feindselig an. »Sie hatte bereits den Überfall zu ertragen. Die einzige Möglichkeit, ihre Fassung und ihren Frieden wiederzufinden, vielleicht sogar etwas Glück, besteht darin, das alles zu verarbeiten. Wie soll sie das, wenn ihr jedesmal, wenn sie sich zu Tisch setzt, klar wird, daß der Mann ihr gegenüber um ihre Schande weiß? Es wäre einfach unerträglich für sie!«

»Aber Sie wissen es doch, Mrs. Penrose«, sagte er und wußte noch im selben Augenblick, daß das etwas ganz anderes war.

Ein Lächeln spielte um ihren Mund. »Ich bin eine Frau, Mr. Monk. Muß ich Ihnen wirklich erklären, daß uns das auf eine Art und Weise verbindet, die Sie nie verstehen werden? Daß ich es weiß, wird Marianne nicht stören. Bei Audley wäre das etwas ganz anderes, so freundlich er auch sein mag. Er ist ein Mann, und nichts kann daran etwas ändern.«

Worauf es nichts zu erwidern gab.

»Was möchten Sie ihm denn nun sagen, um ihm meine Anwesenheit zu erklären?« fragte er.

»Ich ... ich weiß nicht.« Einen Augenblick lang war sie verwirrt, hatte ihre Fassung jedoch gleich wieder gefunden. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß: sein hageres, feinknochiges Gesicht mit den stechenden Augen und dem breiten Mund, seine elegante, teuer gekleidete Erscheinung. Er hatte noch immer die gute Kleidung, die er sich als alleinstehender Oberinspektor der Großlondoner Polizei hatte leisten können – vor seiner letzten und schlimmsten Auseinandersetzung mit Runcorn.

Er registrierte die Musterung amüsiert und wartete.

Augenscheinlich hieß sie gut, was sie sah. »Sie können sagen, wir hätten einen gemeinsamen Bekannten und daß Sie uns Ihre Aufwartung machen wollten«, antwortete sie entschieden.

»Und der Bekannte?« Er hob seine Brauen. »Auf den sollten wir uns noch einigen.«

»Mein Cousin Albert Finnister. Er ist klein und dick und wohnt in Halifax. Er besitzt dort eine Spinnerei. Mein Mann hat ihn nie kennengelernt, und die Wahrscheinlichkeit, daß es je dazu kommt, ist gering. Daß Sie Yorkshire womöglich nicht kennen, tut nichts zur Sache. Sie können ihn überall kennengelernt haben, außer in London. Audley würde sich dann fragen, warum er uns nicht besucht hat.«

»Ich weiß durchaus das eine oder andere über Yorkshire«, antwortete Monk und verkniff sich ein Lächeln. »Halifax paßt mir sehr gut. Ich werde Sie also heute nachmittag besuchen, Mrs. Penrose.«

»Ich danke Ihnen. Guten Tag, Mr. Monk.« Sie neigte kaum merklich den Kopf und wartete, während er ihr die Tür öffnete. Dann trat sie, kerzengerade und hoch erhobenen Hauptes, hinaus auf die Fitzroy Street und ging nach Norden auf den Platz zu, wo sie nach weiteren hundert Metern die Euston Road erreichte.

Monk schloß die Tür und kehrte in den Raum zurück, der ihm als Büro diente. Er war erst kürzlich aus seinem alten Quartier in der Grafton Street, gleich um die Ecke, ausgezogen. Er hatte es Hester, von der der Vorschlag stammte, zunächst übelgenommen, daß sie sich in der ihr eigenen Art in sein Leben mischte, aber als sie ihm die Gründe erklärt hatte, mußte er ihr zustimmen. Seine Zimmer in der Grafton Street hatten nach hinten hinaus und im ersten Stock gelegen. Seine Wirtin war zwar eine mütterliche Natur, aber sie hatte sich einfach nicht daran gewöhnen können, daß er nun privat arbeitete, und seine potentiellen Klienten entsprechend unwillig nach oben geführt. Zudem hatte man die Türen anderer Hausbewohner zu passieren, und gelegentlich begegnete man einem von ihnen auf der Treppe oder im Flur. Das neue Arrangement war weitaus bequemer. Hier öffnete ein Dienstmädchen, das sich erst gar nicht nach dem Begehr der Leute erkundigte; sie führte sie einfach in Monks Wohnzimmer. Wenn auch widerwillig, gab er zu, daß das eine entschiedene Verbesserung war.

Jetzt galt es, sich auf die Ermittlungen im Fall von Marianne Gillespies Vergewaltigung vorzubereiten, einer ebenso heiklen wie schwierigen Angelegenheit, eines Mannes von seinem Kaliber weit würdiger als der kleine Diebstahl eines Domestiken oder der Ruf eines Bräutigams oder Angestellten.

Es war ein schöner Tag, als er sich auf den Weg machte: eine hochstehende heiße Sommersonne brannte auf das Pflaster und machte die baumbestandenen Plätze zu einem angenehmen Zufluchtsort vor dem gleißenden Licht. Mit klirrendem Geschirr klapperten die Kutschen an ihm vorbei; die Leute waren unterwegs, um frische Luft zu schnappen oder auf dem Weg zu einem frühnachmittäglichen Besuch; Kutscher und Lakaien trugen Livreen mit auf Hochglanz polierten Messingknöpfen. Der stechende Geruch frischer Roßäpfel lag in der Luft, und ein zwölfjähriger Junge, der die Fußgängerübergänge fegte, wischte sich unter dem Schirm seiner weiten Mütze den Schweiß von der Stirn.

Monk ging zu Fuß in die Hastings Street. Es war etwas über eine Meile, und in der Zeit, die er dazu benötigte, hatte er Gelegenheit nachzudenken. Er freute sich über die Herausforderung eines schwierigen Falles, an dem sich sein Können messen ließ. Seit dem Prozeß um Alexandra Carlyon hatte man ihm nichts als banale Probleme angetragen, Dinge, die er als Polizist dem jüngsten seiner Konstabler anvertraut hätte.

Der Fall Carlyon freilich war etwas anderes gewesen. Er hatte sein Können auf eine harte Probe gestellt. Er dachte daran mit gemischten Gefühlen zurück, gleichzeitig triumphierend und schmerzlich berührt. Und mit dem Gedanken daran stellte sich auch die Erinnerung an Hermione ein. Unbewußt beschleunigte er seine Schritte auf dem heißen Pflaster, sein Körper versteifte sich, er biß die Zähne zusammen. Er hatte Angst bekommen, als ihr Gesicht ihm durch den Kopf gehuscht war – ein Fetzen aus der Vergangenheit, mit dem er nicht so recht wußte wohin; das Echo einer Liebe, von Zärtlichkeit und schrecklichen Ängsten verfolgte ihn. Er wußte, er hatte sie geliebt, aber nicht wann oder wie; auch nicht, ob sie seine Liebe erwidert hatte oder was zwischen ihnen passiert war; er hatte gar nichts aufzuweisen: keine Briefe, keine Bilder, nicht der geringste Hinweis auf sie war in seinem Besitz.

Aber schließlich waren ihm ungeachtet seines Gedächtnisverlusts seine Fertigkeiten geblieben und mit diesen sein rücksichtsloses Engagement. Er hatte sie wiedergefunden, Stück für Stück zusammengesetzt, bis er auf der Schwelle stand. Und schließlich hatte er auch wieder gewußt, wer sie war: ihr sanftes, fast kindliches Gesicht, die braunen Augen, der strahlende Kranz ihres Haars. Die Erinnerung schlug über ihm zusammen.

Er schluckte trocken. Warum quälte er sich so? Zornig loderte die Enttäuschung in ihm, als wäre das alles erst wenige Augenblicke her: das schmerzliche Wissen, daß sie die komfortable Existenz in einer halbherzigen Liebe vorgezogen hatte; Gefühle, die sie nicht forderten; eine Hingabe von Körper und Geist, nicht aber des Herzens; stets reserviert, um dem Schmerz keine Chance zu lassen. Ihre Güte war eine Gefälligkeit, mit Mitgefühl hatte sie nichts zu tun. Sie hatte nicht den Mut, mehr als nur am Leben zu nippen; sie würde den Becher nie bis nur Neige leeren.

Er lief so blind vor sich hin, daß er einen älteren Herrn im Gehrock anrempelte. Er entschuldigte sich mechanisch, und der Mann starrte ihm aufgebracht und mit gesträubten Barthaaren hinterher. Ein offener Landauer mit einer Gruppe junger Frauen kam vorbei; als eine von ihnen einem Bekannten zuwinkte, steckten sie kichernd die Köpfe zusammen. Die Bänder an ihren Hauben tanzten in der Brise, und ihre mächtigen Röcke erweckten den Eindruck, sie säßen auf Bergen geblümter Kissen.

Monk hatte längst den Entschluß gefaßt, die Gefühlswelt seiner Vergangenheit ruhen zu lassen. Er wußte mehr über Hermione, als ihm lieb war; auch über den Mann, der ihm Gönner und Mentor gewesen war, hatte er einiges herausgefunden und auf den Rest geschlossen: Er hätte ihn in sein erfolgreiches Geschäft eingewiesen, hätte man ihn nicht betrogen und ruiniert – ein Schicksal, vor dem Monk ihn mit aller Kraft zu bewahren versuchte, aber er hatte versagt. In diesem Augenblick, in der Empörung über diese Ungerechtigkeit, hatte er der Geschäftswelt den Rücken gekehrt und war zur Polizei gegangen. Um solche Verbrechen zu bekämpfen. Obwohl er, soweit er sich erinnern konnte, gerade diesen speziellen Betrüger nie gefaßt hatte. Aber, so Gott wollte, er hatte es wenigstens versucht. Er konnte sich einfach nicht mehr erinnern, und ihm wurde schlecht bei dem bloßen Gedanken an den Versuch – womöglich brachte er noch weitere häßliche Einzelheiten über den Mann an den Tag, der er einmal gewesen war.

Aber brillant war er gewesen! Nichts, was auch nur einen Schatten des Zweifels darauf geworfen hätte. Selbst seit dem Unfall hatte er bereits die Fälle Grey, Moidore und Carlyon gelöst. Nicht einmal sein ärgster Feind – und bisher schien ihm das Runcorn, obwohl er nicht wußte, wen er sonst noch so ausgraben mochte –, nicht einmal Runcorn hatte ihm vorgeworfen, daß es ihm an Mut, Ehrlichkeit oder bedingungsloser Hingabe an die Wahrheit gefehlt hätte; ganz zu schweigen von seiner Bereitschaft, sich bis zum Umfallen ins Zeug zu legen. Obwohl es den Anschein hatte, als hätte er dabei auch andere nicht eben geschont!

Wenigstens mochte ihn John Evan gut leiden, obwohl er ihn erst seit dem Unfall kannte; aber wie auch immer, er hatte ihn gern. Und Evan hatte auch dann die Beziehung zu ihm nicht ganz abgebrochen, als Monk aus der Polizei ausgeschieden war. Es war mit das Beste, was ihm je passiert war, und Monk hielt die Beziehung in Ehren als etwas Wichtiges, Wertvolles, eine Freundschaft, die er pflegte und vor seinem hitzigen Temperament und seiner scharfen Zunge zu schützen versuchte.

Hester Latterly dagegen stand auf einem ganz anderen Blatt. Sie hatte im Krimkrieg als Krankenschwester gedient, und jetzt, zu Hause in England, hatte man keine Verwendung für eine hochintelligente und noch weitaus eigensinnigere junge Frau – das heißt, so jung war sie auch wieder nicht mehr! Sie war sicher schon dreißig, zu alt, um noch ernsthaft an eine Ehe zu denken, und damit vom Schicksal dazu bestimmt, ihren Lebensunterhalt weiterhin selbst zu bestreiten, wollte sie nicht von der Großzügigkeit eines männlichen Verwandten abhängig sein. Und das war das letzte, was Hester wollte!

Zunächst hatte sie eine Anstellung in einem Londoner Krankenhaus gefunden, wenn auch nur für kurze Zeit, dann hatten ihre allzu offenen Ratschläge an die Herren Ärzte und schließlich – der Gipfel der Aufmüpfigkeit – die eigenmächtige Behandlung eines Patienten zu ihrer Entlassung geführt. Die Tatsache, daß sie dem Patienten so gut wie sicher das Leben gerettet hatte, machte es nur noch schlimmer. Schwestern waren dazu da, die Stationen sauberzuhalten, die Fäkalieneimer zu leeren, Bandagen aufzurollen und ganz allgemein das zu tun, was man ihnen sagte. Die Medizin war ausschließlich den Ärzten vorbehalten.

Sie hatte sich daraufhin der privaten Krankenpflege zugewandt. Gott allein wußte, was sie in diesem Augenblick trieb: Monk jedenfalls nicht.

Er war in der Hastings Street angelangt. Nummer vierzehn lag nur wenige Meter weiter auf der anderen Seite. Er ging hinüber, stieg die Treppe hoch und klingelte an der Tür. Es war ein anmutiges Haus im neugeorgianischen Stil mit einer Aura gesetzter Respektabilität.

Ein, zwei Augenblicke später öffnete ihm ein Dienstmädchen in einem steifen blauen Kleid, weißer Haube und Schürze.

»Der Herr wünschen?« fragte sie.

»Guten Tag.« Er hatte seinen Hut in der Hand, wie es sich gehörte, schien aber durchaus zu erwarten, daß man ihn einließ. »William Monk ist mein Name.« Er holte eine Karte hervor, auf der Name und Adresse, nicht aber sein Beruf stand. »Ich bin ein Bekannter von Mr. Albert Finnister aus Halifax, der meines Wissens nach ein Cousin von Mrs. Penrose und Miss Gillespie ist. Und da ich gerade in der Gegend war, habe ich mich gefragt, ob ich den Damen nicht meine Aufwartung machen soll.«

»Mr. Finnister, sagten Sie, Sir?«

»Ganz richtig, aus Halifax in Yorkshire.«

»Wenn Sie im Damenzimmer warten möchten, Mr. Monk. Ich werde sehen, ob Mrs. Penrose zu Hause ist.«

Die Einrichtung des genannten Zimmers war bequem und von einer Sorgfalt, die einen wohlgeführten Haushalt erkennen ließ. Nichts, was auf unnötige Ausgaben wies. Der Schmuck des Raums bestand aus einem selbstgefertigten Sticktuch in einem bescheidenen Rahmen, dem Druck einer romantischen Landschaft und einem wirklich exquisiten Spiegel. Die Lehnen der Sessel wurden von frisch gewaschenen Schonern geschützt, und die Armlehnen zeigten die Spuren der zahllosen Hände, die sich an ihnen gerieben hatten. Unverkennbar führte von der Tür zum Kamin eine Spur über den Teppich. Auf dem niederen Tisch stand eine Vase mit nett arrangierten Margeriten, die dem Raum eine angenehm weibliche Note gab. Am Bücherschrank hatte man einen der Messingknöpfe durch einen etwas anderen ersetzt. Im großen und ganzen war es ein angenehmer, wenn auch sicher kein außergewöhnlicher Raum, der weniger beeindrucken als gemütlich sein sollte.

Die Tür öffnete sich, und das Dienstmädchen ließ ihn wissen, daß Mrs. Penrose und Miss Gillespie entzückt wären, ihn zu empfangen, wenn er sich in den Salon bemühen wollte.

Gehorsam folgte er dem Mädchen zurück über den Flur in einen größeren Raum, nur daß er diesmal keine Zeit hatte, sich umzusehen. Julia Penrose stand am Fenster in einem roséfarbenen Nachmittagskleid, auf dem Sofa saß eine junge Frau von achtzehn, neunzehn Jahren, in der er Marianne vermutete. Trotz ihres von Natur aus dunkleren Teints wirkte sie ausgesprochen blaß. Das fast schwarze Haar setzte auffallend spitz in der Mitte der Stirn an. Außerdem hatte sie hoch auf dem linken Backenknochen ein kleines Muttermal, an einer Stelle, die die Dandys aus der Zeit des Prinzregenten Monks Ansicht nach wohl als »galant« bezeichnet hätten. Ihre Augen waren tiefblau.

Julia trat lächelnd auf ihn zu. »Schön, Sie zu sehen, Mr. Monk. Wie charmant von Ihnen, uns zu besuchen«, sagte sie für das Dienstmädchen. »Dürfen wir Ihnen eine Erfrischung anbieten? Janet, bringen Sie doch bitte Tee und Gebäck. Sie mögen doch Gebäck, Mr. Monk?«

Er nahm höflich an, aber sobald das Mädchen gegangen war, ließ man das Versteckspiel sein. Julia stellte Monk Marianne vor und forderte ihn auf, sich an die Arbeit zu machen. Sie selbst stellte sich hinter den Stuhl ihrer Schwester und legte ihr eine Hand auf die Schulter, als solle etwas von ihrer Kraft und Entschlossenheit auf sie übergehen.

Monk hatte nur einmal mit einem Fall von Vergewaltigung zu tun gehabt. Ein solches Verbrechen wurde wegen der Schande und des Skandals nur äußerst selten zur Anzeige gebracht. Er hatte sich seine Gedanken gemacht, wie er die Sache angehen sollte, wußte es aber noch nicht so recht.

»Bitte, erzählen Sie mir doch, woran Sie sich erinnern, Miss Gillespie«, sagte er leise. Er wußte nicht, ob er lächeln sollte. Womöglich legte sie ihm das als Leichtfertigkeit und mangelndes Mitgefühl aus. Andererseits, wenn er nicht lächelte, das wußte er, schaute er ziemlich grimmig drein.

Sie schluckte und räusperte sich. Julias Griff auf ihrer Schulter verstärkte sich.

»Ehrlich gesagt, Mr. Monk, erinnere ich mich an nicht allzuviel«, entschuldigte sie sich. »Es war äußerst ... unangenehm. Zuerst habe ich es zu vergessen versucht. Vielleicht können Sie das nicht verstehen, und möglicherweise bin ich selbst daran schuld, aber mir war einfach nicht klar. . .« Sie verstummte.

»Das ist ganz natürlich«, versicherte er ihr mit mehr Aufrichtigkeit, als sie ahnen konnte. »Wir versuchen alle zu vergessen, was zu sehr schmerzt. Es ist manchmal die einzige Möglichkeit weiterzuleben.«

Ihre Augen wurden vor Überraschung ganz groß, und eine leichte Röte legte sich auf ihre Wangen. »Wie feinfühlig von Ihnen.« Ihr Gesicht zeigte eine tiefe Dankbarkeit, ihre Anspannung freilich legte sich nicht.

»Was können Sie mir darüber erzählen, Miss Gillespie?« fragte er noch einmal. Julia machte Anstalten, etwas zu sagen, überlegte es sich dann jedoch sichtlich anders. Monk sah, daß sie etwa elf, zwölf Jahre älter war als ihre Schwester, und verspürte den heftigen Wunsch, sie in seine schützenden Arme zu nehmen.

Marianne blickte auf ihre kleinen eckigen Hände, die sie im Schoß ihres gewaltigen Rocks rang.

»Ich weiß nicht, wer es war«, sagte sie ganz leise.

»Das wissen wir doch, Liebes«, sagte Julia rasch und beugte sich vor. »Deswegen ist Mr. Monk ja hier, um das herauszufinden. Sag ihm einfach, was du weißt – was du mir erzählt hast.«

»Er wird auch nichts herausfinden«, protestierte Marianne. »Wie sollte er, wenn noch nicht einmal ich etwas weiß? Und wie auch immer, du kannst es nicht ungeschehen machen, selbst wenn du alles wüßtest! Was hätten wir schon davon?« Ihrem Gesichtsausdruck nach war sie fest entschlossen. »Ich werde niemanden beschuldigen!«

»Natürlich nicht!« pflichtete Julia ihr bei. »Das wäre ja schrecklich für dich. Ganz undenkbar. Aber es gibt andere Mittel und Wege. Ich werde dafür sorgen, daß der Betreffende nie wieder in deine oder die Nähe einer anderen anständigen jungen Frau kommt. Beantworte einfach Mr. Monks Fragen, Liebes, bitte. Es geht doch um ein Verbrechen, das man nicht zulassen darf. Es wäre völlig falsch von uns, so zu tun, als spiele es keine Rolle!«

»Wo waren Sie denn, als es passierte, Miss Gillespie?« ging Monk dazwischen. Er wollte sich nicht in eine Diskussion darüber verwickeln lassen, welche Maßnahmen man gegen den Betreffenden ergreifen wollte, hätte man ihn erst einmal entlarvt. Das war Sache der beiden. Sie kannten die Konsequenzen weit besser als er.

»In der Gartenlaube«, antwortete Marianne.

Instinktiv warf Monk einen Blick auf die Fenster, aber er sah nur das Sonnenlicht, das durch das Laub einer englischen Ulme drang, und dahinter das satte Rose eines Rosenstocks.

»Hier?« fragte er. »In Ihrem eigenen Garten?«

»Ja. Ich gehe oft zum Malen hinaus.«

»Oft? So hätte also jeder, der mit Ihrem Tagesablauf vertraut ist, erwarten können, Sie dort zu finden?«

Sie errötete angesichts dieses schmerzlichen Gedankens. »Ich ... ich nehme es an. Aber ich bin sicher, daß das nichts damit zu tun haben kann!«

Worauf er nicht antwortete. »Um welche Tageszeit war das?« fragte er statt dessen.

»Ich bin mir nicht sicher. So gegen halb vier, denke ich. Oder vielleicht etwas später. Vielleicht vier.« Sie zuckte kaum merklich mit den Achseln. »Oder sogar halb fünf. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet.«

»War es vor oder nach dem Tee?«

»Oh – ja, ich verstehe. Nach dem Tee. Ich nehme an, es muß also halb fünf gewesen sein.«

»Haben Sie einen Gärtner?«

»Der war es nicht!« sagte sie und fuhr dabei erschrocken auf.

»Selbstverständlich nicht«, beschwichtigte er sie. »Sonst hätten Sie ihn ja erkannt. Ich frage mich nur, ob er jemanden gesehen haben könnte. Falls er im Garten war, könnte uns das vielleicht helfen; wir könnten feststellen, wo der Mann herkam, aus welcher Richtung, und vielleicht auch, wie er den Garten wieder verlassen hat. Vielleicht sogar die exakte Zeit.«

»Ach so ... ich verstehe.«

»Wir haben einen Gärtner«, sagte Julia, der die Aufregung das Gesicht rötete, während eine gewisse Bewunderung für Monk ihre Augen aufleuchten ließ. »Er heißt Rodwell. Er ist drei Tage die Woche bei uns, immer nachmittags. Und es war einer seiner Tage. Morgen ist er wieder da. Sie könnten ihn fragen!«

»Das werde ich«, versprach Monk und wandte sich wieder Marianne zu. »Miss Gillespie, hatte der Mann nicht irgend etwas, woran Sie sich erinnern? Zum Beispiel«, fuhr er rasch fort, als er sah, daß sie sich anschickte, dies zu bestreiten, »zum Beispiel, wie er gekleidet war?«

»Ich ... ich weiß nicht, was Sie meinen.« Die Hände in ihrem Schoß verknoteten sich noch fester, und sie starrte ihn mit zunehmender Nervosität an.

»Trug er eine dunkle Jacke, wie sie ein Geschäftsmann tragen könnte,?« erklärte er. »Oder einen Arbeitskittel, wie etwa ein Gärtner? Oder ein weißes Hemd, wie ein Lebemann?«

»Oh.« Sie schien erleichtert. »Ja. Jetzt verstehe ich. Ich denke, ich erinnere mich da an etwas ... etwas Helles.« Sie nickte, als sie sich sicherer wurde. »Ja, ein helles Jackett, wie es Herren manchmal im Sommer tragen.«

»Hatte er einen Bart, oder war er glattrasiert?«

Sie zögerte einen Augenblick. »Glattrasiert.«

»Erinnern Sie sich an sonst noch etwas, was seine Erscheinung anbelangt? War er dunkel oder blond, groß oder klein?«

»Ich ... ich weiß nicht. Ich ...« Sie atmete scharf ein. »Ich nehme an, ich muß wohl die Augen geschlossen haben. Es war ...«

»Still, Liebes«, sagte Julia rasch und verstärkte einmal mehr den Griff ihrer Hand an Mariannes Schulter. »Wirklich, Mr. Monk, sie kann Ihnen nicht mehr über ihn sagen. Das Ganze war ein furchtbares Erlebnis. Ich bin froh, daß es sie nicht um den Verstand gebracht hat. Bei solchen Dingen soll das ja schon vorgekommen sein!«

Monk trat den Rückzug an; er wußte einfach nicht, wie weit er in sie dringen sollte. Er konnte sich ihren Schrecken, ihren Abscheu bestenfalls vorstellen. Aber nichts könnte ihm ihre Erfahrung nahebringen.

»Sind Sie sicher, daß Sie das tatsächlich weiterverfolgen wollen?« fragte er, so sanft er nur konnte, und sah dabei nicht etwa Julia, sondern Marianne an.

Trotzdem kam Julia ihr zuvor. »Wir müssen einfach.« Ihre Stimme war von eiserner Entschlossenheit. »Es wäre absolut falsch, so etwas ungestraft zu lassen. Und von der Frage der Gerechtigkeit einmal ganz abgesehen, wir müssen sie davor schützen, diesem Mann jemals wieder zu begegnen. Sie müssen also fortfahren, Mr. Monk. Was können wir Ihnen sonst noch sagen, was von Nutzen sein könnte?«

»Vielleicht könnten Sie mir die Gartenlaube zeigen?« fragte er im Aufstehen.

»Selbstverständlich«, pflichtete Julia ihm sofort bei. »Sie müssen sie sehen, wie sonst könnten Sie sich ein Urteil bilden?« Sie warf einen Blick auf Marianne. »Möchtest du mitkommen, Liebes, oder bleibst du lieber hier?« Sie wandte sich wieder an Monk. »Sie war seither nicht mehr draußen.«

Monk wollte ihr eben sagen, er sei ja dabei und könne sie schützen, als ihm klar wurde, daß ihr schon die Tatsache, mit einem Mann allein zu sein, den sie eben erst kennengelernt hatte, angst machen könnte. Er wußte nicht mehr weiter. Diese Geschichte erwies sich als schwieriger, als er gedacht hatte.

Aber Marianne überraschte ihn.

»Nein, das ist schon recht, Julia«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich werde sie Mr. Monk zeigen. Vielleicht kommt ja der Tee, während wir draußen sind, dann können wir anschließend gleich eine Tasse trinken.« Und ohne auf Julias Antwort zu warten, ging sie voran in den Flur und dort zur Seitentür hinaus in den Garten.

Nach einem Blick auf Julia folgte Monk ihr und stand schließlich im Schatten eines Goldregens und einer ihm unbekannten Birkenart auf einem kleinen, gepflasterten Hof. Vor ihm erstreckte sich ein langer schmaler Rasen; vielleicht fünfzehn Meter weiter sah er ein hölzernes Gartenhaus.

Er folgte Marianne über das Gras unter den Bäumen in die Sonne. Das Gartenhaus war klein und rundum verglast, innen stand eine Bank. Eine Staffelei sah er nicht, aber der Raum war groß genug, um eine hineinzustellen.

Auf der Stufe wandte Marianne sich um.

»Hier war es«, sagte sie schlicht.

Er nahm alles sorgfältig in Augenschein und prägte sich jede Einzelheit ein. Bis zur Rabatte waren es rundum wenigstens sieben Meter, an drei Seiten befand sich eine Mauer, auf der vierten Baumgarten und Haus. Sie mußte sich ganz auf ihre Malerei konzentriert haben, wenn sie den Mann nicht hatte kommen hören, und der Gärtner mußte wohl gerade an der Stirnseite des Hauses oder in dem kleinen Kräutergarten auf der anderen Seite gewesen sein.

»Haben Sie geschrien?« fragte er sie und wandte sich ihr wieder zu.

Ihre Züge verspannten sich. »Ich ... ich glaube nicht. Ich erinnere mich nicht.« Sie erschauerte heftig, dann starrte sie ihn wieder schweigend an. »Es ... es ist durchaus möglich. Es ist alles ...« Wieder der stumme Blick.

»Lassen Sie’s gut sein«, sagte er und ließ das Thema fallen. Es hatte keinen Sinn, sie so zu quälen, daß sie sich an überhaupt nichts mehr erinnerte. »Wo haben Sie ihn zuerst gesehen?«

»Ich verstehe nicht.«

»Haben Sie ihn über den Rasen auf sich zukommen sehen?« fragte er.

Sie sah ihn völlig verwirrt an.

»Haben Sie es vergessen?« Er gab sich alle Mühe, sie mit Samthandschuhen anzufassen.

»Ja.« Sie ergriff die Gelegenheit. »Ja ... tut mir leid ...«

Mit einer Handbewegung schloß er das Thema ab. Dann verließ er das Gartenhaus und trat an den Rand des Rasens, wo eine alte Steinmauer die Grenze zum benachbarten Garten zog. Sie war etwa einen Meter zwanzig hoch und hier und da mit dunklem Moos überzogen. Spuren waren nicht zu entdekken, nirgendwo war etwas abgeschabt oder angekratzt, kein Hinweis darauf, daß jemand darübergeklettert war. Keine geknickten Pflanzen in der Rabatte davor, obwohl es dazwischen Stellen gab, an denen man auf die Erde hätte treten können. Jetzt noch nach Fußspuren zu suchen hatte keinen Sinn; das Verbrechen war vor zehn Tagen passiert, und es hatte seither mehrmals geregnet; dazu kam, daß der Gärtner womöglich mit dem Rechen Ordnung geschafft hatte.

Er hörte das leise Rascheln ihrer Röcke über dem Gras, und als er sich umwandte, stand sie direkt hinter ihm.

»Was machen Sie?« fragte sie mit ängstlich gespannter Miene.

»Ich suche nach Spuren, die darauf hinweisen könnten, daß jemand über die Mauer geklettert ist«, antwortete er.

»Oh.« Sie atmete ein, als wollte sie noch etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders.

Er fragte sich, was sie wohl hatte sagen wollen und welcher Gedanke sie davon abgebracht hatte. Er hatte ein häßliches Gefühl dabei, und dennoch konnte er nicht umhin, sich zu fragen, ob sie ihren Angreifer nicht vielleicht doch gekannt hatte – oder ob es sich vielleicht nicht um eine Nötigung, sondern um eine Verführung gehandelt hatte. Er konnte gut verstehen, daß eine junge Frau, die man in den Augen der anderen mit ihrer Tugend auch ihres größten Kapitals beraubt und damit für den Heiratsmarkt ruiniert hatte, auf den Gedanken kommen konnte, lieber einen Überfall vorzutäuschen, als ein freiwilliges Nachgeben einzugestehen – wie groß auch immer die Versuchung gewesen sein mochte. Nicht daß es akzeptabler gewesen wäre, das Opfer einer Vergewaltigung zu sein! Das mochte bestenfalls für ihre Familie eine Rolle spielen. Letztere würde alles tun, um es vor dem Rest der Welt zu verbergen.

Er ging hinüber zu der Mauer am Ende des Gartens, die die Grenze zum benachbarten Grundstück bildete. Hier waren die Steine an der einen oder anderen Stelle brüchig, und ein beweglicher Mann hätte hier durchaus darüberklettern können, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Sie war ihm nachgegangen und las seine Gedanken. Sie sah ihn dabei mit großen dunklen Augen an, sagte jedoch nichts. Schweigend nahm er die dritte Mauer in Augenschein, die, die den Garten nach Westen hin schützte. Das Resultat war das gleiche.

»Er muß über die Mauer am Ende gekommen sein«, sagte sie leise und senkte den Blick auf das Gras. »Durch den Kräutergarten kann niemand gekommen sein, da sich dort Rodwell aufgehalten haben muß. Und die Tür vom Garten auf der anderen Seite ist verschlossen.« Sie meinte damit die gepflasterte Ecke an der Ostseite, wo man den Unrat abstellte und wo sich neben der Kohlenrutsche in den Keller auch der Dienstboteneingang zu Spülküche und Küche befand.

»Hat er Ihnen weh getan, Miss Gillespie?« Er stellte seine Frage so respektvoll wie möglich, aber selbst so hörte sie sich noch aufdringlich und mißtrauisch an.

Sie wich seinem Blick aus, das Blut schoß ihr in die Wangen und rötete sie. »Es war furchtbar schmerzhaft«, sagte sie kaum hörbar. »Wirklich furchtbar schmerzhaft.« Ihrer Stimme war ihre unverhohlene Überraschung anzuhören, als wäre sie über die Maßen erstaunt.

Er schluckte. »Ich meine damit, ob er Sie verletzt hat, an den Armen, am Oberkörper? Hat er Sie mit Gewalt festgehalten?«

»Oh – ja. Ich habe blaue Flecken an Handgelenken und Armen, aber sie werden schon blasser.« Vorsichtig schob sie die langen Ärmel nach oben, um ihm die häßlichen gelbgrauen Quetschungen auf der blassen Haut zu zeigen. Diesmal sah sie zu ihm auf.

»Tut mir leid.« Es war keine Entschuldigung, sondern ein Ausdruck des Mitgefühls für ihren Schmerz.

Plötzlich lächelte sie ihn an; er erhaschte einen Blick von der Person, die sie gewesen war, bevor sie dieser Vorfall ihres Selbstvertrauens, ihrer Freude und ihres Seelenfriedens beraubt hatte. Mit einemmal überkam ihn eine grenzenlose Wut auf denjenigen, der ihr das angetan hatte, ob es sich nun um eine Verführung gehandelt haben mochte oder um eine Vergewaltigung.

»Ich danke Ihnen«, sagte sie und straffte ihre Schultern. »Gibt es sonst noch was hier draußen, was Sie gern sehen würden?«

»Nein, danke.«

»Was wollen Sie als nächstes tun?« fragte sie neugierig.

»In dieser Angelegenheit? Mit Ihrem Gärtner sprechen, und dann mit den Dienstboten Ihrer Nachbarn, um zu erfahren, ob ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist – vielleicht jemand, den sie noch nie in der Gegend gesehen hatten.«

»Ah ja. Ich verstehe.« Sie wandte sich wieder ab. Schwer lag der Duft der Blumen in der Luft; von irgendwoher hörte er das Summen von Bienen.

»Aber zuerst möchte ich mich noch von Ihrer Schwester verabschieden«, sagte er.

Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Wegen Julia – Mr. Monk ...«

»Ja?«

»Sie müssen ihr verzeihen, daß sie etwas ... überfürsorglich ist, was mich anbelangt.« Sie lächelte flüchtig. »Sie müssen wissen, daß unsere Mutter einige Tage nach meiner Geburt gestorben ist. Julia war damals erst elf.« Sie schüttelte sachte den Kopf. »Sie hätte mich deswegen auch hassen können, schließlich war es meine Geburt, die Mama das Leben gekostet hat. Statt dessen hat sie sich vom ersten Augenblick an um mich gekümmert. Sie ist immer für mich dagewesen. Sie war geduldig und zärtlich mit mir, als ich klein war, und als ich größer wurde, haben wir zusammen gespielt. Als ich älter wurde, war sie meine Lehrerin und hat all meine Erfahrungen mit mir geteilt. Niemand hätte liebevoller oder großzügiger sein können als sie.« Sie blickte ihn ganz offen an; in ihrem Gesicht spiegelte sich das Anliegen, daß er mehr sollte, als ihr nur glauben – er sollte sie verstehen.

»Manchmal fürchte ich, sie hat mir all die Hingabe zuteil werden lassen, die sie einem eigenen Kind gegeben haben könnte, hätte sie eines gehabt.« Jetzt waren ihr ihre Schuldgefühle anzuhören. »Ich hoffe, ich habe ihr nicht zuviel abverlangt und zuviel Zeit und Gefühl beansprucht.«

»Sie sind sehr gut in der Lage, auf sich selbst zu achten, und das bestimmt schon seit einiger Zeit«, antwortete er vernünftig. »Sie würde sich Ihnen sicher nicht so sehr widmen, wenn sie das nicht auch wollte.«

»Das nehme ich auch an«, pflichtete sie ihm bei, sah ihn aber immer noch ernst an. Ein leichter Wind spielte mit ihrem Musselinrock. »Aber ich werde ihr nie danken können, was sie für mich getan hat. Sie müssen das einfach wissen, Mr. Monk, damit Sie sie etwas besser verstehen und nicht über sie urteilen ...«

»Ich urteile nie, Miss Gillespie«, log er. Er neigte sehr wohl zu Urteilen, und zu sehr harten obendrein. In diesem besonderen Fall jedoch sah er nichts Falsches an Julia Penroses Sorge um ihre Schwester, was die Unwahrheit vielleicht wieder wettmachte.

Als sie den Seiteneingang erreicht hatten, um ins Haus zurückzukehren, empfing sie ein Mann Mitte Dreißig. Er war schlank, von mittlerer Größe, und sowohl Züge als auch Teint waren im Grunde recht durchschnittlich, hätte ihm sein verbitterter Ausdruck nicht eine Empfindlichkeit verliehen, unter der neben einem hitzigen Temperament auch eine ungeheure Verletzlichkeit lag.

Marianne trat etwas näher an Monk heran, und er spürte die Wärme ihres Körpers, als ihr Rock um seine Knöchel streifte.

»Guten Tag, Audley«, sagte sie etwas heiser, als wäre sie gar nicht darauf gefaßt gewesen, etwas zu sagen. »Du kommst sehr zeitig heute. Hattest du einen angenehmen Tag?«

Sein Blick wanderte von ihr zu Monk und wieder zurück.

»Ziemlich gewöhnlich, danke. Mit wem habe ich denn das Vergnügen?«

»Oh – das ist Mr. Monk«, erklärte sie unbeschwert. »Er ist ein Freund von Cousin Albert aus Halifax.«

»Guten Tag, Sir.« Audley Penrose war höflich, aber keineswegs erfreut. »Wie geht es Cousin Albert?«

»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er guter Dinge«, antwortete Monk, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aber das ist schon ein Weilchen her. Ich kam nur zufällig hier vorbei, und da er immer so nett von Ihnen gesprochen hat, nahm ich mir die Freiheit, meine Aufwartung zu machen.«

»Meine Frau hat Ihnen doch sicher Tee angeboten? Ich habe gesehen, daß im Salon aufgetragen wurde.«

»Ich danke Ihnen.« Monk nahm die Einladung an, da es umfangreicher Erklärungen bedurft hätte, sofort zu gehen; außerdem erhoffte er sich von einer halben Stunde in Gesellschaft der ganzen Familie ein besseres Gespür für ihre Beziehungen.

Als er sich nach einer Dreiviertelstunde verabschiedete, hatte er weder seinen ursprünglichen Eindruck revidiert noch seine Befürchtungen.

»Was macht Ihnen denn so zu schaffen?« fragte Callandra Daviot beim Abendessen in ihrem kühlen grünen Eßzimmer. Sie lehnte sich zurück und sah Monk neugierig an. Sie war mittleren Alters, und noch nicht einmal ihre beste Freundin hätte sie schön genannt. Ihr Gesicht hatte bei weitem zu viel Charakter, ihre Nase war zu lang, ihr Haar überforderte offensichtlich die Fertigkeiten ihrer Zofe, eine zufriedenstellende, geschweige denn modische Ordnung hineinzubringen, aber ihre Augen waren groß, klar und wiesen auf eine bemerkenwerte Intelligenz. Das Grün ihres Kleides war angenehm anzusehen, aber von undefinierbarem Schnitt, als hätte eine ungeübte Schneiderin es auf den neuesten Stand zu bringen versucht.

Monk betrachtete sie mit unverhohlener Zuneigung. Sie war offen, couragiert, neugierig und eigenwillig, und das alles im besten Sinne. Ihr Humor ließ sie keinen Augenblick im Stich. Sie war genauso, wie er sich eine Freundin wünschte, und sie war großzügig genug, ihn als Geschäftspartner zu engagieren, um ihn über die Runden zu bringen, wann immer seine Fälle ihm kein ausreichendes Einkommen sicherten. Als Gegenleistung verlangte sie, alles zu erfahren, was er ihr von seiner Arbeit anvertrauen konnte. Was er denn auch an diesem Abend im Eßzimmer bei einem exzellenten Abendessen aus gepökeltem Aal und frischem Sommergemüse tat. Da sie es ihm gesagt hatte, wußte er, daß dem noch Pflaumenkuchen mit Sahne und ein ausgezeichneter Stilton folgen sollten.

»Daß nicht das Geringste zu beweisen ist«, beantwortete er ihre Frage. »Es gibt nichts außer Mariannes Wort dafür, daß dergleichen vorgefallen ist, ganz zu schweigen davon, daß es so passiert ist, wie sie es schildert.«

»Zweifeln Sie denn an ihr?« fragte sie neugierig, aber ohne Vorwurf im Ton.

Er zögerte einige Augenblicke, unschlüssig, jetzt, wo sie danach fragte. Weder unterbrach sie sein Schweigen noch zog sie den offensichtlichen Schluß daraus; sie aß einfach weiter.

»In einigen Punkten sagt sie die Wahrheit«, meinte er schließlich. »Aber ich glaube, sie verheimlicht etwas Entscheidendes.«

»Daß sie sich hingegeben hat?« Sie blickte zu ihm auf und sah ihn forschend an.

»Nein, das glaube ich nicht.«

»Was dann?«

»Ich weiß es nicht.«

»Und was gedenken die beiden zu tun, wenn Sie herausfinden sollten, wer es gewesen ist?« fragte sie mit hochgezogenen Brauen. »Ich meine, wer sollte es schon sein? Völlig fremde Leute springen nicht mir nichts, dir nichts über die Mauer eines Vorstadtgartens in der Hoffnung, in der nächstbesten Laube einer Jungfer Gewalt antun zu können. Und das so leise, daß weder das Personal noch der Gärtner aufmerksam werden. Und dann wieder husch über die Mauer, und auf und davon.«

»Aus Ihrem Mund klingt die Geschichte ziemlich absurd«, sagte er trocken und nahm sich noch ein Stück Aal. Er war wirklich ausgezeichnet.

»Das Leben ist oft absurd«, antwortete sie und reichte ihm die Soße. »Aber trotzdem ist das doch ziemlich unwahrscheinlich, meinen Sie nicht auch?«

»Allerdings.« Er löffelte sich reichlich Soße auf den Teller. »Besonders unwahrscheinlich ist, daß es tatsächlich ein ihr völlig Fremder gewesen sein sollte. Wenn es jemand war, den sie kennt und der durchs Haus kam und somit wußte, daß niemand in der Nähe war, um etwas zu hören, und dessen Anwesenheit sie zudem nicht erschreckte, wie die eines Fremden das getan hätte, dann wird die Geschichte schon weitaus wahrscheinlicher.«

»Was mir weitaus mehr Sorgen macht«, fuhr Callandra nachdenklich fort, »ist, was die beiden tun wollen, wenn Sie ihnen sagen, wer es war – falls Sie das tun.«

Ein Punkt, der ihm selbst schon zu schaffen machte.

Callandra stöhnte. »Hört sich ganz nach einer persönlichen Rache an. Ich denke, Sie sollten sich sorgfältig überlegen, was Sie den beiden sagen. Und, William, ...«

»Ja?«

»Sie sind sich besser absolut sicher dabei!«

Monk seufzte. Mit jedem neuen Gedanken wurde die Geschichte häßlicher und komplizierter.

»Welchen Eindruck hatten Sie denn von der Schwester und ihrem Mann?« setzte sie das Gespräch fort.

»Von denen?« Er war überrascht. »Ausgesprochen mitfühlend. Ich glaube nicht, daß sie von den beiden etwas zu befürchten hat, selbst wenn sie sich nicht so entschieden gewehrt hat, wie es vielleicht möglich gewesen wäre.«

Callandra sagte nichts. Sie beendeten den Gang in freundschaftlichem Schweigen, dann trug man den Pflaumenkuchen auf. Er war so köstlich, daß sie beide einige Minuten lang schweigend aßen, bis Callandra schließlich den Löffel beiseite legte.

»Haben Sie Hester in letzter Zeit gesehen?«

Aus irgendeinem Grund lächelte sie in sich hinein. Er war irritiert, und kam sich, ohne zu wissen warum, wie ein dummer Schuljunge vor.

»Ich habe sie schon länger nicht mehr gesehen«, fuhr er fort. »Wir sind das letzte Mal nicht gerade in Freundschaft auseinander gegangen. Sie ist das eigenwilligste Frauenzimmer mit der schärfsten Zunge, das mir je begegnet ist, und so dogmatisch, daß sie einfach auf niemanden hört. Und dabei ist sie von einer geradezu absurden Selbstgefälligkeit, die sie unerträglich macht.«

»Eigenschaften, die Sie wohl nicht mögen?« fragte sie unschuldig.

»Großer Gott, nein!« platzte er heraus. »Wer mag so was schon?«

»Es mißfällt Ihnen also, wenn man eine feste Meinung hat und diese auch noch lebhaft verteidigt?«

»Und ob!« sagte er vehement und legte für einen Augenblick den Löffel beiseite. »Es ist ungehörig, aufreizend und erstickt jede offene und intelligente Unterhaltung im Keim. Nicht daß allzu vielen Männern nach einer intelligenten Unterhaltung mit einer Frau ihres Alters wäre«, fügte er hinzu.

»Zumal wenn man ihre Ansichten mißversteht«, sagte sie mit funkelndem Blick.

»Das auch, sicher«, räumte er ein und war sich nun ganz sicher, daß sie sich über ihn lustig machte.

»Wissen Sie, daß sie ganz ähnliches über Sie gesagt hat, als sie vor etwa drei Wochen hier war. Sie pflegt derzeit eine ältere Dame mit einem gebrochenen Bein, aber die Dame war damals schon bereits wieder wohlauf, und ich glaube nicht, daß Hester schon eine neue Stellung gefunden hat.«

»Vielleicht sollte sie ihre Zunge besser hüten und einem etwas entgegenkommen – mit etwas mehr Bescheidenheit?« schlug er gereizt vor.

»Ich bin sicher, Sie haben recht«, stimmte Callandra ihm zu. »Bei Ihrer Erfahrung, was den Wert gerade dieser Qualitäten anbelangt, könnten Sie ihr sicher einige exzellente Ratschläge geben.« Der Humor schien aus ihrer Miene verschwunden.

Er sah sie eingehender an. Sie hatte gerade noch den Hauch eines Lächelns um den Mund und wich seinem Blick aus.

»Immerhin«, fuhr sie fort und hatte dabei einige Mühe, ihren nüchternen Ausdruck beizubehalten, »gibt es doch nichts Angenehmeres als eine intelligente Unterhaltung mit einem aufgeschlossenen Geist, finden Sie nicht auch?«

»Sie verdrehen mir das Wort im Mund!« sagte er mit verhaltenem Zorn.

»Ganz und gar nicht«, sagte sie und sah ihn dabei amüsiert, aber mit unverhohlener Zuneigung an. »Sie wollen sagen, wenn Hester eine Meinung hat und davon nicht abrücken will, dann ist das dogmatisch und unschicklich und daß Ihnen das unsagbar auf die Nerven geht. Haben Sie aber eine, dann spricht das von beherztem Engagement und ist der einzig gangbare Weg für einen integren Mann. Genau das haben Sie gesagt, auf die eine oder andere Weise, und ich bin ganz sicher, daß es Ihnen ernst damit ist.«

»Sie meinen also, ich habe unrecht!« Er beugte sich über den Tisch.

»O ja, wie so oft! Aber ich würde es nie wagen, Ihnen das zu sagen. Hätten Sie gern noch etwas Sahne auf den Kuchen? Ich nehme an, Sie haben auch von Oliver Rathbone schon seit einiger Zeit nichts mehr gehört?«

Er nahm sich von der Schlagsahne.

»Ich habe mich erst vor zehn Tagen in seinem Auftrag mit einem kleineren Fall befaßt.« Rathbone war ein höchst erfolgreicher Anwalt, mit dem Monk seit seinem Unfall an all seinen herausragenden Fällen gearbeitet hatte. Er bewunderte die beruflichen Fähigkeiten des Mannes, fand ihn persönlich jedoch anziehend und irritierend zugleich. Rathbone hatte eine weltmännische Art, ein Selbstvertrauen, das Monk zutiefst irritierte. Sie waren sich in mancher Hinsicht zu ähnlich und in manch anderer zu weit voneinander entfernt. »Er schien mir bei bester Gesundheit.« Er beendete seinen Bericht mit einem verkniffenen Lächeln und einem Blick in Callandras Augen. »Und wie geht es Ihnen? Wir haben nun wirklich über alles mögliche gesprochen ...«

Sie blickte kurz auf ihren Teller, bevor sie wieder zu ihm aufsah.

»Mir geht es ausgezeichnet, danke. Sieht man mir das nicht an?«

»O doch, Sie sehen geradezu außergewöhnlich gut aus«, antwortete er wahrheitsgemäß, obwohl es ihm erst in diesem Augenblick aufgefallen war. »Haben Sie eine Beschäftigung gefunden?«

»Wie scharfsichtig von Ihnen.«

»Ich bin schließlich Detektiv.«

Sie blickte ihn ruhig an, und für einen Augenblick herrschte nichts als ehrliche, gleichberechtigte Freundschaft zwischen ihnen, ohne die Barriere ihrer Worte.

»Was machen Sie denn?« fragte er leise.

»Ich habe einen Platz im Verwaltungsrat des Königlichen Armenspitals.«

»Das ist ja wunderbar.« Er wußte, daß ihr verstorbener Mann Militärarzt gewesen war. Es war also eine Position, die auf wunderbare Weise nicht nur ihrer Erfahrung und ihren natürlichen Fähigkeiten, sondern auch ihren Neigungen entsprach. Er freute sich aufrichtig für sie. »Wie lange denn schon?«

»Erst seit einem Monat, aber ich habe bereits jetzt das Gefühl, geholfen zu haben.« Freude belebte ihr Gesicht, ihre Augen strahlten. »Es gibt so viel zu tun!« Sie beugte sich über den Tisch. »Ich weiß ein wenig über die neuen Methoden, über Miss Nightingales Glauben an frische Luft und Sauberkeit. Es wird einige Zeit dauern, aber wenn wir uns ordentlich ins Zeug legen, können wir kleine Wunder wirken.« Unbewußt klopfte sie mit ihrem Zeigefinger auf das Tischtuch. »Es gibt neben den alten Holzköpfen auch eine ganze Reihe von fortschrittlichen Ärzten. Was es allein schon ausmacht, ein Anästhetikum zu haben! Sie machen sich ja keinen Begriff davon, was sich in den letzten elf, zwölf Jahren so alles getan hat!«

Ihren Blick auf ihn gerichtet, schob sie die Zuckerdose beiseite. »Wissen Sie, daß man eine Person ganz und gar betäuben kann, so daß sie nicht das geringste spürt? Um sie dann, ohne daß sie Schaden genommen hätte, wieder aufzuwecken!« Wieder klopfte sie mit ihrem Finger auf das Tischtuch. »Das bedeutet, daß man alle möglichen Operationen durchführen kann! Man braucht den Betreffenden nicht mehr festzubinden und darauf zu hoffen, daß alles nur eine Frage von Minuten ist. Geschwindigkeit steht damit nicht mehr an erster Stelle, man kann sich mehr Zeit lassen – und sorgfältiger vorgehen. Ich hätte nie gedacht, jemals so etwas zu sehen – es ist absolut wunderbar!«

Ihr Gesicht verdunkelte sich, und sie setzte sich wieder zurück. »Selbstverständlich haben wir noch das Problem, die Hälfte der Patienten hinterher durch eine Infektion zu verlieren. Hier gibt es noch viel zu tun.« Sie beugte sich wieder vor. »Aber ich bin sicher, es ist zu schaffen – wir haben dort einige brillante und engagierte Männer. Ich habe wirklich das Gefühl, etwas Entscheidendes bewegen zu können.« Mit einemmal war ihr Ernst verschwunden, und sie lächelte ihn an. »Essen Sie Ihren Kuchen auf und nehmen Sie noch ein Stück!«

Er lachte, glücklich über ihre Begeisterung, obwohl er wußte, daß so viel Enthusiasmus nur in einer Niederlage enden konnte. »Danke, gern«, sagte er. »Er ist wirklich außergewöhnlich gut.«

2

Tags darauf, so gegen zehn, begab sich Monk wieder in die Hastings Street vierzehn. Diesmal empfing ihn Julia Penrose im Zustand sichtlicher Sorge.

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