Im Taumel der Gefühle - Toni Waidacher - E-Book

Im Taumel der Gefühle E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Am Pfingstsamstag fand die Verlobungsfeier von Daniel Wagner und Susanne Reisinger statt. Das große Nebenzimmer im Hotel ›Zum Löwen‹ war für diesen Anlass festlich geschmückt worden. Sepp Reisinger ließ sich nicht lumpen, wenn es um das Glück seiner Tochter ging. Er hatte sogar einen Alleinunterhalter engagiert, der für Stimmung sorgen sollte. Nach und nach trafen die Gäste ein. Unter den Geladenen befanden sich auch Bürgermeister Bruckner mit Gattin sowie Pfarrer Trenker. Kleine Namenskärtchen auf den Tischen wiesen jedem Gast seinen Platz zu. Sebastian saß an einem Tisch mit seinem Bruder Max und dessen Gattin, da waren aber auch eine ganze Reihe weiterer Bekannter wie Dr. Severin Kaltenecker mit Lebensgefährtin, Dr. Um Punkt acht Uhr erschienen die Verlobten. Susanne war mit einem feierlichen Dirndl bekleidet, das ihr vorzüglich stand. Daniel trug einen Trachtenanzug, ein weißes Hemd und eine zum Anzug passende Krawatte. Der Musiker spielte einen Tusch, die beiden nickten ihren Gästen lächelnd zu und begaben sich zum Ehrenplatz. An dem Tisch saßen auch Sepp Reisinger und seine Frau Irma, sowie Susis Schwestern Gitti und Heidi und die Eltern von Daniel, die extra aus Berlin angereist waren. Die Musik endete, als Daniel und Susanne an ihrem Platz angelangt waren. Sepp Reisinger erhob sich, dankte den Gästen für ihr Erscheinen und hielt eine kurze Ansprache, in deren Verlauf er auch anklingen ließ, dass der Start Daniels in ein neues Leben hier in St. Johann unter keinem guten Stern gestanden hatte, dass sich aber alles zum Guten gewendet und Daniel sich für eine ungefährliche Karriere in der Gastronomie entschieden habe. Sepp erhielt für seine Rede einige Lacher und großen Applaus, und dann begann der Beglückwünschungsmarathon. Daniel und Susanne mussten viele Hände schütteln, man wünschte ihnen für die Zukunft das Beste. Nachdem wieder alle auf ihren Plätzen saßen, bedankte sich Daniel – auch im Namen Susannes –, dann gab er das reichhaltige Büffet frei.

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Der Bergpfarrer Extra – 17 –

Im Taumel der Gefühle

Jeder Neubeginn ist schwer ...

Toni Waidacher

Am Pfingstsamstag fand die Verlobungsfeier von Daniel Wagner und Susanne Reisinger statt. Das große Nebenzimmer im Hotel ›Zum Löwen‹ war für diesen Anlass festlich geschmückt worden. Sepp Reisinger ließ sich nicht lumpen, wenn es um das Glück seiner Tochter ging. Er hatte sogar einen Alleinunterhalter engagiert, der für Stimmung sorgen sollte.

Nach und nach trafen die Gäste ein. Unter den Geladenen befanden sich auch Bürgermeister Bruckner mit Gattin sowie Pfarrer Trenker. Kleine Namenskärtchen auf den Tischen wiesen jedem Gast seinen Platz zu. Sebastian saß an einem Tisch mit seinem Bruder Max und dessen Gattin, da waren aber auch eine ganze Reihe weiterer Bekannter wie Dr. Severin Kaltenecker mit Lebensgefährtin, Dr. Adrian Keller und Lena Brock, Ria Stubler und Florian Hoffmann, und, und, und …

Um Punkt acht Uhr erschienen die Verlobten. Susanne war mit einem feierlichen Dirndl bekleidet, das ihr vorzüglich stand. Daniel trug einen Trachtenanzug, ein weißes Hemd und eine zum Anzug passende Krawatte. Der Musiker spielte einen Tusch, die beiden nickten ihren Gästen lächelnd zu und begaben sich zum Ehrenplatz. An dem Tisch saßen auch Sepp Reisinger und seine Frau Irma, sowie Susis Schwestern Gitti und Heidi und die Eltern von Daniel, die extra aus Berlin angereist waren.

Die Musik endete, als Daniel und Susanne an ihrem Platz angelangt waren.

Sepp Reisinger erhob sich, dankte den Gästen für ihr Erscheinen und hielt eine kurze Ansprache, in deren Verlauf er auch anklingen ließ, dass der Start Daniels in ein neues Leben hier in St. Johann unter keinem guten Stern gestanden hatte, dass sich aber alles zum Guten gewendet und Daniel sich für eine ungefährliche Karriere in der Gastronomie entschieden habe.

Sepp erhielt für seine Rede einige Lacher und großen Applaus, und dann begann der Beglückwünschungsmarathon. Daniel und Susanne mussten viele Hände schütteln, man wünschte ihnen für die Zukunft das Beste.

Nachdem wieder alle auf ihren Plätzen saßen, bedankte sich Daniel – auch im Namen Susannes –, dann gab er das reichhaltige Büffet frei. Zwei Bedienungen, die Sepp für diesen Abend engagiert hatte, versorgten die Gäste mit Getränken.

Während des Essens war es verhältnismäßig still im Raum. Unterhaltungen wurden in moderatem Ton geführt und jeder war bemüht, die anderen Gäste nicht zu stören. Der Alleinunterhalter begleitete das Essen mit dezenter Musik aus der Konserve. Der Musiker selbst ließ sich ebenfalls das Essen schmecken.

Ria Stubler, die rechts von Sebastian saß, sagte leise: »Wenn ich mir den Sepp, den Bürgermeister und den Daniel Wagner so anschau’, dann kann ich nur immer wieder sagen, dass die drei mehr Glück als Verstand gehabt haben, als oben in den Bergen der Heißluftballon abgestürzt ist. Net auszudenken, was passieren hätt’ können.«

»Daran wollen wir lieber net denken«, pflichtete Sebastian bei. »Die einen sprechen vom Glück im Unglück, andere sind davon überzeugt, dass der Schutzengel eines jeden der drei Schlimmeres verhütet hat.«

Ria nickte. »Jedenfalls haben sich alle wieder recht gut von dem Unfall erholt, und dafür sollte jeder von ihnen dankbar sein.« Nach einer kurzen Pause, in der sie einen Happen aß, wechselte Ria das Thema: »Vor ein paar Tagen hab’ ich in der Bäckerei Terzing die Frau Vierling getroffen. Sie und ihr Mann sind im vergangenen Herbst nach St. Johann gezogen, sie haben zwei Kinder. Der Mann hat damals beim Tourismusverband Garmisch-Partenkirchen zu arbeiten begonnen.«

»Ja, ich erinnere mich an das Ehepaar«, antwortete der Pfarrer. »Sie besuchen hin und wieder am Sonntag mit ihren zwei Kleinen die Kindermesse. Wenn ich mich recht entsinn’, dann kommen sie von Berchtesgaden herüber. Sympathische Leut’. Leider hab’ ich noch keine Gelegenheit gehabt, sie näher kennenzulernen.«

»Den Mann kenn’ ich auch nur vom Sehen«, sagte Ria. »Aber mit der Frau red’ ich öfter, wenn ich sie beim Einkaufen treff’. Sie ist mir schon immer ein bissel sehr ernst vorgekommen. Als ich vor drei Tagen beim Terzing mit ihr geredet hab’, hat s’ mir etwas von ihren Problemen verraten.«

»Mir ist die Familie immer recht glücklich und zufrieden erschienen«, erklärte Sebastian verwundert.

»Grundsätzlich ist das schon richtig. Wenn die Corinna net so fürchterliches Heimweh hätt’. Ihre Familie und die ihres Mannes leben in Berchtesgaden, ebenso ihre Bekannten und Freunde. Mir hat sie erzählt, dass sie sich hier einfach net eingewöhnen könne.«

»Das hört sich gar net gut an, Ria«, murmelte der Bergpfarrer. »Wird wohl Zeit, dass ich der Familie mal einen Besuch abstatt’ und sie willkommen heiß. Ich hab’s bisher net getan, weil ich mir net sicher war, ob’s überhaupt gewünscht ist. Das Paar hat keine Anstalten gemacht, sich mir vorzustellen. Nun, ich werd’ das nachholen.«

»Ich glaub’, ich hol’ mir noch etwas von dem Kartoffelsalat«, sagte Ria an Florian Hoffmann gewandt.

Florian erwiderte grinsend: »Der ist in der Tat einmalig gut. Ich könnt’ mich regelrecht hineinlegen.«

»Dagegen würden die anderen Gäst’ sicherlich eine Menge einzuwenden haben«, versetzte Ria lachend und erhob sich, um sich noch etwas von der hoch gelobten Kartoffelspeise zu holen.

Max, der Sebastian gegenüber am Tisch saß, sagte: »Hast du’s schon gehört, was der Oliver Breitengasser und die Jana Mirl vorhaben?«

»Die sind doch mit ihrem Gnadenhof für alte und kranke Tiere voll ausgelastet«, antwortete Sebastian. »Haben s’ etwa vor, sich zu vergrößern?«

»Ja, so kann man es beschreiben«, erwiderte Max. »Sie wollen sich einige Reitpferde anschaffen, neben dem Gnadenhof einen Reiterhof aufbauen und Reitstunden geben«, klärte er dann seinen Bruder auf. »Der Erlös soll in die Finanzierung des Gnadenhofs fließen. Bis jetzt haben die beiden ja ihr Privatvermögen, die Zuschüsse der Gemeinde und die Gelder, die gespendet worden sind, eingesetzt. Die Jana hat’s mir erzählt, als ich sie neulich im Verlauf einer Patrouillenfahrt durch den Ort getroffen hab’. Sie ist Feuer und Flamme von der Idee.« Max lachte auf. »Feuer und Flamme war aber auch mein Sohnemann, als ich daheim beim Abendessen vom neuen Reiterhof erzählt hab’. Jetzt spricht er nur noch davon, dass er Reiten lernen möcht’.«

»Spricht was dagegen?«, erkundigte sich Sebastian.

Jetzt mischte sich Claudia, Sebastians Schwägerin, ein: »Grundsätzlich nicht. Aber ich denk’, der Reitsport ist nicht ganz ungefährlich. Und der Basti ist noch net alt genug, um die Gefahren richtig einschätzen zu können. Ich bin der Meinung, es sollten noch zwei oder drei Jahre vergehen, bis er auf ein Pferd steigen darf.«

»Die Jana oder der Oliver würden den Buben doch net allein lassen mit einem Pferd«, versuchte Sebastian Claudias Bedenken zu zerstreuen. »Auch wenn er im Sattel sitzt, geht das Tier immer an der Longe, und zwar so lang’, bis der Bub in der Lage ist, das Pferd selber zu kontrollieren.«

»Ein Restrisiko bleibt immer«, versetzte Claudia unbeirrt. »Darum bin ich dagegen.«

»Die ständig besorgte Mutter«, bemerkte Max achselzuckend und grinste spitzbübisch. »Sie kann halt net aus ihrer Haut und wacht über den Basti und die Luisa wie eine Löwin über ihre Jungen.«

»Was du hoffentlich zu schätzen weißt«, sagte Claudia und lachte strahlend.

»Das weiß er«, versicherte Sebastian im Brustton der Überzeugung.

Später, als alle gegessen hatten, forderte der Alleinunterhalter die Gäste auf, sich auf die Tanzfläche zu begeben und etwas gegen die einverleibten Kalorien zu tun. Max und Claudia ließen sich kein zweites Mal bitten, und ihrem Beispiel folgten viele Paare.

Sebastian fragte Ria, ob sie ihm den Tanz gewähre, und als Florian nichts dagegen einzuwenden hatte, führte er die Pensionswirtin auf die Tanzfläche …

*

Sebastian schob seinen Besuch bei der Familie Vierling nicht lange hinaus. Die Familie bewohnte eine Mietswohnung am Ortsrand von St. Johann.

Es war Montagvormittag, ein sonniger Tag Anfang Juni. Die Fenster in der ersten Etage des Hauses, die die Familie Vierling bewohnte, waren geöffnet. Über dem Geländer des Balkons hingen zwei Bettdecken und einige Kissen zum Lüften. Das sagte dem Pfarrer, dass jemand zu Hause war. Sebastian klingelte, dann wartete er.

Gleich darauf erklang eine Frauenstimme: »Was wünschen Sie?«

Sebastian trat zwei Schritte zurück und legte den Kopf in den Nacken. Aus einem der Fenster im ersten Stock schaute Corinna Vierling. »Grüß Gott, Frau Vierling«, grüßte Sebastian. »Sie kennen mich sicher. Ich bin Sebastian Trenker, der Gemeindepfarrer. Hätten S’ vielleicht ein paar Minuten ihrer Zeit übrig für mich?«

»Aber natürlich, Herr Pfarrer. Einen Augenblick, ich komm’ hinunter und lass’ Sie ins Haus.«

»Danke, Frau Vierling.«

Bald darauf schwang die Tür auf und die hübsche Einunddreißigjährige mit den dunklen, leicht gewellten Haaren und den braunen Samtaugen lächelte ihn an. »Was verschafft mir denn die Ehre, Hochwürden?«

»Na ja, Sie und Ihre Familie leben seit fast einem dreiviertel Jahr in meiner Gemeinde, und ich hab’ noch net die Zeit gefunden, mich Ihnen persönlich vorzustellen. Ich seh’ sie zwar ab und zu am Sonntag in der Kindermess’, aber danach sind wir uns nie begegnet.«

»Wir kennen hier niemand«, sagte Corinna. »Also hat es für uns keinen Grund gegeben, nach der Messe net sofort heimzugehen. Dass Sie uns nur hin und wieder sonntags in der Messe sehen, liegt daran, dass wir, so oft es geht, an den Wochenenden nach Berchtesgaden fahren. – Aber kommen S’ doch herein. Meine beiden Kleinen sind in der Kita und im Kindergarten, mein Mann ist auf der Arbeit in Garmisch.«

Oben, in der Wohnung angelangt, geleitete sie den Pfarrer ins Wohnzimmer und bot ihm einen Platz an. »Möchten S’ ein Tasserl Kaffee oder ein Glasl Wasser, Hochwürden?«, erkundigte sich Corinna.

»Nein, vielen Dank. Ich will mich net allzu lang’ aufhalten.«

Auch Corinna setzte sich. »Vielleicht war’s ein Versäumnis von mir und meinem Mann, dass wir uns nach unserem Umzug hierher net bei Ihnen vorgestellt haben, Hochwürden«, sagte sie. »Eigentlich hätt’s sich gehört.«

Sebastian winkte ab. »Machen S’ sich deswegen keinen Kopf, Frau Vierling. Jetzt bin ich ja da, und wir haben Gelegenheit, ein bissel zu reden und uns ein wenig kennenzulernen. Wie gefällt’s Ihnen denn bei uns? Haben S’ sich schon einigermaßen eingelebt?«

Jetzt senkte Corinna den Blick und zögerte mit der Antwort. Schließlich aber erwiderte sie: »Sie müssen wissen, Hochwürden, das wir Berchtesgaden mehr oder weniger gezwungenermaßen verlassen haben. Mein Mann hat dort keine Arbeit gefunden. Also musste er sich auch auf Arbeitsstellen in einem weiteren Umkreis bewerben. Schließlich hat er vom Tourismusverband Garmisch-Partenkirchen eine Zusage erhalten und wir haben net gezögert, hierherzuziehen.«

»Wieso nach St. Johann?«, wollte Sebastian wissen. »Nach Garmisch muss ihr Mann jeden Tag ein schönes Stück fahren.«

»In Garmisch haben wir keine passende Wohnung gefunden. Außerdem war’s schwer mit einem Kitaplatz für die Lea und einem Kindergartenplatz für den Jonas. Also haben wir uns auch außerhalb von Garmisch umgeschaut. Die Wohnung hier hat uns zugesagt und so sind wir in St. Johann gelandet.«

»Wie alt sind denn die Kleinen?«, fragte der Pfarrer.

»Der Jonas ist vier, die Lea drei.«

Sekundenlang versuchte Sebastian im hübschen, gleichmäßigen Gesicht Corinnas zu lesen, dann sagte er: »Ein Wort wie ‚gezwungenermaßen’ lässt net den Schluss zu, dass Sie gern von Berchtesgaden weggegangen sind, Frau Vierling.«

Corinna seufzte. »In Berchtesgaden leben unsere Familien, wir mussten einen großen Freundes- und Bekanntenkreis zurücklassen. Die Kinder hatten viele Freunde. Hier kennen wir niemand. Es ist net einfach, Hochwürden. Würd’ sich was ergeben, ich mein, wenn der Leon in Berchtesgaden Arbeit finden tät’, würd’ ich sofort dorthin zurückkehren.«

»Sie sind also net glücklich hier«, stellte Sebastian fest. »Das tut mir leid. Hat Ihr Mann denn noch Bewerbungen im Raum Berchtesgaden laufen?«

»Dutzende, Hochwürden. Aber für jede freie Stelle gibt es etliche Bewerber.«

»Möcht’ ihr Mann auch wieder zurück?«, fragte Sebastian.

Jetzt wich Corinna seinem fragenden Blick ein weiteres Mal aus. »Ich – ich weiß es net«, antwortete sie stockend. Sie atmete durch. »Er hat sich sehr gut eingelebt beim Tourismusverband Garmisch-Partenkirchen. Ein angenehmer Arbeitsplatz, nette Kollegen und Kolleginnen …«

Ein verbitterter Zug hatte sich zuletzt in Corinnas Mundwinkeln eingeprägt. Sebastian entging es nicht, und er hakte nach: »Sie sagen das so komisch, Frau Vierling. Etwas belastet Sie, das spür’ ich ganz deutlich.«

Sie winkte ab. »Es ist nix, Hochwürden. Wenn ich mich seltsam anhör’, dann ist das wahrscheinlich nur auf meine getrübte Stimmung zurückzuführen.«

Wieder forschte Sebastian im Gesicht der Frau, dann sagte er: »Sie können sich mir ruhig anvertrauen, Frau Vierling. Manchmal ist es gut, wenn man jemandem sein Herz ausschütten kann. So kann man Probleme möglicherweise auch lösen.«

Corinna konnte sich nicht gleich entscheiden. Es war deutlich, dass es ihr schwerfiel über ihre Probleme zu reden.

»Geteiltes Leid ist halbes Leid«, ermunterte Sebastian sie, sich ihm anzuvertrauen. Er spürte mit untrüglichem Instinkt, dass Corinna innerlich völlig zerrissen und mit sich selbst uneins war. »Um es einfacher auszudrücken, Frau Vierling: Eine schwierige Situationen bewältigt man leichter, wenn man mit jemand darüber spricht.«

»Ich glaub’«, brach es plötzlich aus ihr heraus, »dass mein Mann eine Geliebte hat.« Sie schien es lange mit sich herumgetragen zu haben und nun schien es wie der Überdruck in einem Dampfkessel ein Ventil gefunden zu haben. Geradezu erschreckt über ihren Ausbruch schaute sie den Bergpfarrer an.

»Haben S’ dahingehend einen begründeten Verdacht, oder nehmen S’ das nur an?«, fragte Sebastian.

»Mein Verdacht ist sehr wohl begründet«, antwortete Corinna. »Ich hab’ in seiner Geldbörse eine Telefonnummer gefunden. Weil’s mir keine Ruhe gelassen hat, hab’ ich sie angerufen. Gemeldet hat sich eine Frau. Sie heißt Ute Varnhold.«

»War das alles?«

»Ich hab’ mich, ohne meinen Namen genannt zu haben, entschuldigt und das Gespräch abgebrochen. Ich war schockiert.«

»Haben S’ Ihren Mann deswegen zur Rede gestellt?«

»Bis jetzt hab’ ich noch nix zu ihm gesagt. Einerseits fürcht’ ich mich davor, dass er meinen Verdacht bestätigt. Andererseits will ich es genau wissen. Bis jetzt ist alles noch ein bissel vage, und wenn ich ihn drauf ansprech’, würd’ er sicherlich alles verharmlosen oder sogar abstreiten. Also wart ich ab, bis ich den Beweis erbringen kann.«

Sebastian schaute nachdenklich drein. »Und was ist, wenn S’ ihm mit Ihrem Verdacht Unrecht tun?«

»Dann find’ ich das auch heraus. Leon wird in diesem Fall gar net mitkriegen, dass ich ihn der Untreue verdächtigt hab’.«

»Sind Sie vielleicht ein bissel sehr eifersüchtig?«, fragte Sebastian vorsichtig. »Hat Ihnen Ihr Mann schon einmal einen Grund gegeben, an seiner Treue zu zweifeln?«

»Das net. Aber die Telefonnummer in seinem Geldbeutel und die Tatsache, dass sich hinter dieser Nummer eine Frau verbirgt, ist doch beredt genug, Hochwürden. Da muss ich doch das Schlimmste annehmen. Außerdem …« Sie brach ab, ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Warum reden S’ net weiter?«, fragte Sebastian.

Corinna schniefte. »Außerdem macht er in letzter Zeit oft Überstunden, und zwar bis in die Nacht hinein. Er sagt zwar, er tut es, weil er will, dass es uns finanziell gut geht, ich aber glaub’, dass diese Frau dahintersteckt.«