In den Armen der Nacht - J.D. Robb - E-Book

In den Armen der Nacht E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Ein neuer explosiver Lady-Thriller und ein neuer Fall für Eve Dallas, der sie tief in ihre eigene Vergangenheit zurückführt

Mitten in der Nacht trifft bei der New Yorker Polizei der ängstliche Notruf eines kleinen Mädchens ein. Eve Dallas macht sich sofort auf den Weg, doch sie kommt zu spät: Die ganze Familie Swisher ist tot, und anscheinend waren hochprofessionelle Killer am Werk, die keine Spuren hinterlassen haben. Nur ein Familienmitglied – die neunjährige Nixie – entging dem Blutbad. Als Eve das zitternde Mädchen erblickt, ist es um sie geschehen. Um jeden Preis will sie das Kind schützen, denn Nixie schwebt als einzige Augenzeugin in höchster Gefahr …

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Seitenzahl: 750

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Buch

New York, 2059. Mitten in der Nacht trifft bei der New Yorker Polizei der ängstliche Notruf eines kleinen Mädchens ein. Als Lieutenant Eve Dallas kurz darauf in dem hübschen Einfamilienhaus in der Upper West Side ankommt, ist es bereits zu spät: Der Anwalt Grant Swisher, seine Frau, zwei Kinder und die Hausangestellte sind tot. Eve erkennt schnell, dass hier hochprofessionelle Killer am Werk waren. Die moderne Alarmanlage wurde ausgeschaltet, offenbar Nachtsichtgeräte zur Orientierung in der Dunkelheit eingesetzt, und den im Schlaf überraschten Opfern wurde mit geübter Präzision die Kehle durchgeschnitten. Mit einem haben die Profikiller jedoch nicht gerechnet: Es gibt eine Augenzeugin. Die neunjährige Nixie entging dem Blutbad, und nun schwebt sie in höchster Gefahr. Obwohl schmerzvolle Kindheitserinnerungen in ihr wachgerufen werden, beschließt Eve, das traumatisierte Mädchen in ihrem Haus zu verstecken. Unterstützt von ihrem liebevollen Ehemann Roarke und ihrer Partnerin Detective Delia Peabody, beginnt die mühsame Aufklärung des fünffachen Mordes. Die Spuren führen zu einer dubiosen paramilitärischen Vereinigung …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane. Auch in Deutschland sind ihre Bücher von den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken. Weiter Informationen finden Sie unter: www.blanvalet.de und www.jdrobb.com

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder (1; 35450) · Tödliche Küsse (2; 35451) · Eine mörderische Hochzeit (3; 35452) · Bis in den Tod (4; 35632) · Der Kuss des Killers (5;35633) · Mord ist ihre Leidenschaft (6; 35634) · Liebesnacht mit einem Mörder (7; 36026) · Der Tod ist mein (8; 36027) · Ein feuriger Verehrer (9; 36028) · Spiel mit dem Mörder (10; 36321) · Sündige Rache (11; 36332) · Symphonie des Todes (12; 36333) · Das Lächeln des Killers (13; 36334) · Einladung zum Mord (14; 36595) · Tödliche Unschuld (15; 36599) · Der Hauch des Bösen (16; 36693) · Das Herz des Mörders (17; 36715) · Im Tod vereint (18; 36722) · Tanz mit dem Tod (19; 36723) · Ein gefährliches Geschenk (36384)

Inhaltsverzeichnis

BuchAutorinListe lieferbarer TitelInschriftPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Copyright

So shalt thou feed on Death, that feeds on men,And Death once dead, there’s no dying then. So sollst ernähren dich vom Tod, der sich ernährt von Menschen; Und ist der Tod erst tot, so gibt’s kein Sterben mehr.

William Shakespeare

Happy families are all alike; every unhappyfamily is unhappy in its own way. Glückliche Familien sind alle gleich; jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre eigene Art.

Leo Nikolajewitsch Tolstoi

Prolog

Das nächtliche Verlangen nach einer Orangenlimonade rettete Nixies Leben. Als sie die Augen aufschlug, warf sie einen Blick auf die leuchtend roten Ziffern ihrer Armbanduhr und sah, es war bereits nach zwei.

Es war ihr nicht gestattet, zwischen den Mahlzeiten etwas zu essen oder zu trinken, was nicht auf der Liste gesunder Nahrungsmittel ihrer Mutter stand. Vor allem nicht um zwei Uhr nachts.

Andererseits würde sie sterben, wenn sie keine Orangenlimonade bekam.

Sie rollte sich auf die Seite und stieß ihre weltbeste Freundin Linnie Dyson an. Obwohl sie morgen in die Schule mussten, durfte Linnie bei ihr übernachten, denn Linnies Mom und Dad feierten ihren Hochzeitstag in irgendeinem schicken Hotel.

Damit sie miteinander schlafen konnten. Mom und Mrs Dyson sagten, sie übernachteten in dem Hotel, um ein elegantes Dinner einnehmen und tanzen gehen zu können, aber sie wussten ganz genau, es ging dabei um Sex. Himmel, sie und Linnie waren neun und nicht mehr zwei. Sie kannten sich mit diesen Dingen aus.

Davon abgesehen waren ihnen diese Dinge vollkommen egal. Ihnen war nur wichtig, dass Mom – das Regelmonster – von der Regel abgewichen war, dass mitten in der Woche kein anderes Kind bei ihnen schlief. Denn obwohl sie um halb zehn die Lichter löschen mussten –als wären sie noch Babys – hatten sie und Linnie sich prächtig amüsiert.

Bis zur Schule waren es noch Stunden, und sie hatte jetzt Durst. Also piekste sie die Freundin an und flüsterte ihr zu: »Wach auf!«

»Neee. Es ist noch gar nicht Morgen. Es ist noch dunkel.«

»Es ist Morgen. Es ist zwei Uhr morgens.« Deshalb war es auch so kühl. »Ich will eine Orangenlimo. Lass uns runtergehen und uns eine holen. Wir können sie uns teilen.« Linnie stieß ein leises Knurren aus, rollte sich auf die andere Seite und zog sich ihre Decke fast bis über den Kopf.

»Tja, dann gehe ich eben alleine«, zischte Nixie und stand leise auf.

Es war nicht ganz so lustig, wenn sie alleine gehen musste, aber solange sie an die verbotene Limonade dächte, bekäme sie kein Auge zu. Sie müsste sich ganz runter in die Küche schleichen, weil ihre Mutter nicht erlaubte, dass sie einen eigenen AutoChef bekam. Es war wie im Gefängnis, dachte Nixie. Wie in einem Gefängnis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und nicht wie im Jahr 2059 in ihrem eigenen Haus.

Mom hatte sogar Kindersicherungen an den Auto-Chefs in ihrem Haushalt anbringen lassen, damit Nixie und ihr Bruder Coyle nur Vitamindrinks bestellen konnten, igitt.

Weshalb schlürften sie nicht gleich irgendwelchen Schlamm?

Ihr Vater sagte: »Regeln müssen eingehalten werden.« Das sagte er sehr oft. Aber manchmal zwinkerte er ihr und ihrem Bruder dabei zu, wenn Mom nicht in der Nähe war, und bestellte Eiscreme oder Chips.

Nixie glaubte, Mom würde es trotzdem mitbekommen und einfach nur so tun, als wäre sie für dieses Treiben blind.

Sie schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, ein hübsches kleines Mädchen mit dicht gelocktem, platinblondem Haar und blassblauen Augen, mit denen sie allmählich trotz der Dunkelheit ausreichend sah.

Außerdem brannte im Bad am Ende des Korridors ein kleines Licht, falls einmal jemand nachts auf die Toilette musste oder so.

Mit angehaltenem Atem schlich sie an Coyles Zimmer vorbei. Wenn er sie bemerkte, könnte es passieren, dass er sie verpetzte. Manchmal war er wirklich blöd. Aber manchmal war er auch in Ordnung. Sie blieb einen Moment lang stehen und überlegte, ob sie in sein Zimmer schleichen und ihn wecken sollte, damit er ihr bei diesem Abenteuer Gesellschaft leistete.

Neee. Schließlich war es doppelt aufregend, wenn sie sich alleine in die Küche stahl. Als sie am Elternschlafzimmer vorbeikam, hielt sie abermals den Atem an und hoffte, sie tauchte nicht auf dem Radarschirm ihrer Mutter auf.

Aber nichts und niemand rührte sich, als sie die Treppe hinunterschlich.

Selbst nachdem sie unten angekommen war, verhielt sie sich mucksmäuschenstill. Schließlich musste sie noch an der Wohnung ihrer Haushälterin vorbei, die direkt hinter der Küche lag. Direkt neben ihrem Ziel. Eigentlich war Inga echt in Ordnung, aber sie würde ihr ganz sicher nie erlauben, dass sie mitten in der Nacht eine Orangenlimo trank.

Regeln mussten eingehalten werden, sagte Inga genauso wie ihr Dad.

Deshalb machte sie kein Licht an, als sie sich wie eine Diebin in die große Küche schlich. Dadurch wurde es noch spannender, und deshalb würde die Orangenlimo noch viel besser als gewöhnlich schmecken, dachte sie.

Vorsichtig zog sie die Tür des Kühlschranks auf.

Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass ihre Mutter solche Sachen vielleicht zählte. Vielleicht hatte sie ja eine Liste und auf der hakte sie jede Limonade und jede Süßigkeit, die sie verzehrten, ab.

Aber für einen Rückzieher war es zu spät. Sie würde sich einfach später Gedanken machen, falls sie für die verbotene Tat einen Preis bezahlen müsste.

Die Limonadendose in der Hand schlurfte sie ans Küchenende, von wo aus sie die Tür zu Ingas Zimmer im Auge behalten und hinter der Kochinsel verschwinden konnte, falls es nötig war.

Sie öffnete die Dose in der Dunkelheit und nahm den ersten verbotenen Schluck.

Es schmeckte ihr so gut, dass sie auf der Bank in der Frühstücksecke Platz nahm, um jeden Tropfen ihres köstlichen Getränks zu genießen.

Kaum hatte sie es sich jedoch bequem gemacht, als ein Geräusch an ihre Ohren drang und sie auf der Bank unter dem Tisch in Deckung ging. Dann sah sie eine Bewegung und dachte: Jetzt hat sie mich erwischt!

Doch der Schatten glitt vollkommen lautlos durch die Küche bis zur Tür von Ingas Zimmer und ging dann einfach hinein.

Ein Mann. Nixie fing fröhlich an zu kichern und hielt sich eilig eine Hand vor ihren Mund. Inga hatte einen Freund! Dabei war sie schon so alt – sie musste mindestens vierzig sein. Anscheinend hatten nicht nur Linnies Eltern heute Abend Sex.

Die Versuchung war zu groß, und so ließ sie ihre Limodose einfach stehen und glitt leise von der Bank. Sie musste einfach gucken, musste einfach sehen, was dort geschah. Deshalb schlich sie durch die Küche in Ingas kleines Wohnzimmer und von dort weiter zum Schlafraum, vor dessen offener Tür sie sich auf alle viere fallen ließ.

Wenn Linnie das erfahren würde, würde sie grün vor Neid.

Mit vergnügt blitzenden Augen hielt Nixie sich erneut den Mund zu, um sich nicht durch ein Kichern zu verraten, schob sich ein Stückchen weiter, legte ihren Kopf ein wenig schräg …

… und sah, wie der Mann Inga die Kehle durchschnitt.

Sie sah das herausspritzende Blut. Hörte ein grauenhaftes, gurgelndes Geräusch. Sie atmete zischend in ihre vor den Mund gepresste Hand, schob sich ein Stück zurück und drückte sich, während das wilde Pochen ihres Herzens ihre Brust zu sprengen drohte, mit dem Rücken gegen die Wand.

Er kam wieder heraus, ging direkt an ihr vorbei und verschwand durch die offene Tür.

Tränen quollen ihr aus den Augen und flossen zwischen ihren gespreizten Fingern in Richtung ihres Kinns. Zitternd kroch sie durch das Zimmer, versteckte sich hinter einem Stuhl, streckte die Hand nach Ingas auf dem Tisch liegenden Handy aus …

… und rief flüsternd die Polizei.

»Er hat sie umgebracht, er hat sie umgebracht. Sie müssen kommen«, wisperte sie ein ums andere Mal, ohne auf die Fragen am anderen Ende der Leitung einzugehen. »Sofort. Sie müssen sofort kommen.« Sie nannte die Adresse, ließ das Handy achtlos auf dem Boden liegen und kroch langsam bis zu der schmalen Treppe, über die man aus Ingas Wohnung direkt in die obere Etage kam.

Sie wollte zu ihrer Mommy.

Sie wagte nicht zu rennen und stand gar nicht erst auf. Ihre Beine fühlten sich so seltsam an, als wären ihre Knochen aus Gelee. Deshalb robbte sie lautlos schluchzend auf dem Bauch den Korridor hinauf. Zu ihrem Entsetzen sah sie jetzt nicht nur den einen Schatten wieder, sondern inzwischen sogar zwei. Einer öffnete die Tür von ihrem Zimmer, und der andere ging in den Raum, in dem ihr Bruder schlief.

Wimmernd zwang sie ihren Körper durch die Tür des Schlafzimmers der Eltern. Sie hörte ein Geräusch, ein dumpfes Pochen, und presste ihr Gesicht fest in den Teppich, als ihr Magen sich zusammenzog.

Dann gingen die Schatten wieder an der offenen Tür vorbei. Sie sah sie, und sie hörte sie. Obwohl sie sich bewegten, als ob sie tatsächlich nur Schatten wären. Nicht ein mörderisches Menschenpaar.

Zitternd kroch sie weiter, an Moms Sessel und dem kleinen Tisch mit der bunten Lampe vorbei. Bis ihre Hand durch etwas Warmes, Nasses glitt.

Sie zog sich am Bett der Eltern hoch und starrte auf ihre Mom und ihren Dad. Wegen all des Blutes war von ihnen kaum noch etwas zu erkennen.

1

Mord war immer eine Beleidigung, und zwar seit der erste Menschenschädel von der ersten Menschenhand eingeschlagen worden war. Doch der blutige, brutale Mord an einer ganzen Familie in ihrem eigenen Haus, in ihren eigenen Betten war eine andere Form des Bösen, dachte sie.

Lieutenant Eve Dallas von der New Yorker Polizei blickte auf die zweiundvierzigjährige Inga Snood. Hausangestellte, geschieden. Tot.

Die Position der Toten und der Blutspritzer verrieten, wie es abgelaufen war. Snoods Mörder war zur Tür hereingekommen, vor das Bett getreten, hatte ihren Kopf –wahrscheinlich am mittellangen, blonden Haar – vom Kissen hochgerissen und ihr dann von links nach rechts mit einem scharfen Messer die Kehle und die Halsschlagader durchtrennt.

Relativ sauber, auf alle Fälle schnell. Wahrscheinlich völlig lautlos. Es war unwahrscheinlich, dass das Opfer überhaupt begriffen hatte, was mit ihm geschah. Außer der klaffenden Schnittwunde am Hals wies Inga keine Abwehr- oder anderen Verletzungen und keine Spuren eines Kampfes auf. Außer Blut und Tod war nichts zu sehen.

Eve war vor ihrer Partnerin und der Spurensicherung im Haus erschienen. Der Notruf war bei der Zentrale eingegangen, die hatte ihn an einen Einsatzwagen weitergegeben, der gerade in der Gegend Streife gefahren war. Die uniformierten Beamten hatten die Mordkommission verständigt, der weitergeleitete Anruf hatte sie um kurz vor drei erreicht.

Die anderen Toten und die anderen Zimmer hatte sie noch nicht gesehen. Sie kehrte aus Snoods Schlafzimmer in die Küche zurück und wandte sich dem dort postierten Polizisten zu.

»Sichern Sie das Zimmer weiter, ja?«

»Ja, Madam, Lieutenant.«

Sie marschierte in einen zweigeteilten, halb als Wohn-und halb als Esszimmer benutzten Raum weiter. Die Swishers hatten offenbar recht gut verdient. Sie konnten sich ein hübsches Einfamilienhaus in einer ordentlichen Gegend in der Upper West Side, eine teure Sicherheitsanlage und eine Angestellte leisten, auch wenn all das letztendlich völlig nutzlos gewesen war.

Das Haus war geschmackvoll eingerichtet, alles wirkte aufgeräumt und sauber und offenbar stand jedes Stück an seinem Platz. Es schien kein Raubmord zu sein, denn die leicht zu transportierenden, teuren elektronischen Geräte waren alle noch da.

Sie ging in die obere Etage und suchte dort zuerst das Schlafzimmer der Eltern auf. Keelie und Grant Swisher, achtunddreißig beziehungsweise vierzig Jahre alt. Auch dieser Raum wies keine Spuren eines Kampfes auf. Nur zwei Menschen, die in ihrem eigenen Bett geschlafen hatten und jetzt nicht mehr lebten.

Sie sah sich eilig um und entdeckte auf dem Ankleidetisch ein Paar goldene Ohrringe und eine teure Herrenarmbanduhr.

Nein, es ging ganz sicher nicht um einen Raub, dachte sie.

Als sie den Raum wieder verließ, kam ihre Partnerin, Detective Delia Peabody – immer noch leicht hinkend –die Treppe aus dem Erdgeschoss herauf.

Hatte sie sie vielleicht zu früh wieder in den aktiven Dienst gelassen, überlegte Eve. Schließlich war es erst drei Wochen her, dass sie vor ihrer eigenen Wohnung auf der Straße überfallen und zusammengeschlagen worden war. Den Anblick der robusten Peabody, als sie mit gebrochenen Knochen, Prellungen und Abschürfungen bewusstlos auf der Intensivstation gelegen hatte, vergäße sie wahrscheinlich nie.

Doch sie musste dieses Bild und die Schuldgefühle, die sie hatte, so gut es ging verdrängen und sich daran erinnern, dass sie selbst es hasste, wenn sie krankgeschrieben war, und dass Arbeit manchmal besser als erzwungene Ruhe bei der Genesung half.

»Fünf Tote? Infolge eines Einbruchs?« Peabody zeigte leicht keuchend auf die Treppe. »Der Beamte unten an der Tür hat mir einen kurzen Überblick verschafft.«

»So sieht es bisher aus, auch wenn wir noch nicht sicher wissen, was genau hier vorgefallen ist. Die Hausangestellte liegt unten in ihrem eigenen Schlafzimmer direkt neben der Küche. Ihr wurde im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Die Eigentümer des Hauses und die beiden Kinder, ein Mädchen und ein Junge, liegen hier oben in ihren jeweiligen Zimmern. Auch ihnen wurden im Schlaf die Halsschlagadern aufgeschlitzt.«

»Kinder? Meine Güte.«

»Der Beamte, der zuerst am Tatort war, meinte, hier läge der Junge.« Eve ging zur nächsten Tür und machte Licht.

»Coyle Swisher, der zwölfjährige Sohn.« Die Wände waren mit gerahmten Sportpostern, vor allem zum Thema Baseball, übersät. Etwas von seinem Blut war auf den Oberkörper des augenblicklich heißesten linken Außenfeldspielers der Yankees gespritzt.

Der Fußboden, der Schreibtisch und die Wäschekommode waren mit dem Unrat eines Heranwachsenden übersät, es gab jedoch nirgendwo ein Zeichen dafür, dass Coyle vorgewarnt gewesen war, genauso wenig wie seine Eltern.

Peabody presste die Lippen aufeinander, räusperte sich leise und stellte tonlos fest: »Schnell und effizient.«

»Es gibt keinen Hinweis darauf, dass jemand gewaltsam eingedrungen ist. Es gab keinen Alarm. Entweder hatten die Swishers vergessen, die Alarmanlage einzuschalten – was ich mir nicht vorstellen kann –, oder jemand hatte ihre Codes oder einen guten Störsender dabei. Das Mädchen müsste hier unten liegen.«

»Okay.« Peabody straffte die Schultern. »Es ist noch härter, wenn es Kinder sind.«

»Das ist auch gut so.« Eve ging in das nächste Zimmer, machte Licht und blickte auf das rosa-weiße Rüschenbett und das kleine Mädchen mit dem blutverklebten blonden Haar. »Das muss die neunjährige Nixie Swisher sein.«

»Praktisch noch ein Baby.«

»Ja.« Eve sah sich mit schräg gelegtem Kopf im Zimmer um. »Was sehen Sie, Peabody?«

»Ein armes Kind, das keine Chance mehr hat zu sehen, wie das Erwachsenenleben ist.«

»Da stehen zwei Paar Schuhe.«

»Kinder, vor allem aus wohlhabenderen Familien, haben jede Menge Schuhe.«

»Und zwei von diesen Rucksäcken, in denen Kinder ihre Sachen durch die Gegend schleppen. Haben Sie Ihre Hände schon versiegelt?«

»Nein, ich bin gerade erst –«

»Ich aber.« Eve trat neben das Bett und streckte eine ihrer Hände nach den Schuhen aus. »Das sind verschiedene Größen. Holen Sie den Beamten, der zuerst hier war.«

Als Peabody den Raum verließ, blickte Eve, die Schuhe noch immer in der Hand haltend, wieder auf das Bett. Dann stellte sie die Schuhe fort und machte ihren Untersuchungsbeutel auf.

Ja, es war noch härter, wenn es Kinder traf. Es war entsetzlich hart, eine so kleine Hand zu nehmen. Eine so kleine, schlaffe Hand, und dabei auf den Menschen zu blicken, dem so viele Jahre gestohlen worden waren, all die Freuden und die Schmerzen, die es im Verlauf von einem Leben zu erleben gab.

Sie drückte die Finger auf den Identifizierungspad und wartete auf das Ergebnis.

»Officer Grimes, Lieutenant«, sagte Peabody aus Richtung Tür. »Er war als Erster hier.«

»Wer hat die Sache gemeldet, Grimes?«, fragte Eve, ohne sich auch nur umzudrehen.

»Eine unbekannte weibliche Person, Madam.«

»Wo ist diese unbekannte weibliche Person?«

»Ich … Lieutenant, ich nahm an, dass sie eins der Opfer war.«

Jetzt drehte Eve sich um und Grimes sah eine hoch gewachsene, schlanke Frau in einer abgewetzten braunen Lederjacke, Männerjeans und kühlen braunen Polizistenaugen in einem scharfkantigen Gesicht. Ihre Haare waren bernsteinbraun wie ihre Augen und standen ihr in wirren kurzen Strähnen um den Kopf.

Sie stand in dem Ruf, knallhart zu sein, und als ihr kalter Blick ihn traf, wurde Grimes bewusst, dass dieser Ruf begründet war.

»Dann hat diese Person also über den Notruf einen Mord gemeldet und ist danach einfach wieder in ihr Bett gehüpft, um sich die Kehle durchschneiden zu lassen?«

»Ah …« Er war ein junger, unerfahrener Streifenpolizist. »Vielleicht hat die Kleine hier den Mord gemeldet, Lieutenant, und dann versucht, sich in ihrem Bett vor dem Täter zu verstecken.«

»Wie lange sind Sie schon im Dienst, Grimes?«

»Zwei Jahre, Lieutenant – im Januar werden es zwei Jahre.«

»Ich kenne Zivilisten, die können besser Spuren lesen als Sie. Das fünfte Opfer ist eine gewisse Linnie Dyson, neun Jahre alt. Sie ist unter dieser verdammten Adresse nicht gemeldet, weil sie nicht Nixie Swisher ist. Peabody, starten Sie eine Durchsuchung des Anwesens. Wir suchen nach einem zweiten neunjährigen Mädchen, lebend oder tot. Grimes, Sie Idiot, geben Sie Alarm. Vielleicht war sie der Grund für diese Taten. Vielleicht wurde sie entführt. Setzen Sie sich in Bewegung!«

Peabody riss eine Dose Versiegelungsspray aus ihrem eigenen Untersuchungsbeutel und sprühte eilig ihre Hände und ihre Schuhe ein.

»Vielleicht hat sie sich ja irgendwo versteckt. Wenn das Kind den ersten Mord gemeldet hat, Dallas, hat es sich vielleicht irgendwo versteckt. Vielleicht wagt es nicht herauszukommen, oder es steht unter Schock. Es ist durchaus möglich, dass es noch am Leben ist.«

»Fangen Sie unten an.« Eve ließ sich auf Hände und auf Knie sinken und blickte unter das Bett. »Finden Sie heraus, von welchem Handy oder Link aus sie den Notruf abgegeben hat.«

»Schon dabei.«

Eve trat vor den Schrank, durchsuchte ihn und sah in allen möglichen anderen Verstecken in dem Zimmer nach. Dann ging sie in den Flur, betrat den Raum des Jungen und blickte sich auch dort noch einmal gründlich um.

Wohin ging ein kleines Mädchen, das aus einer netten Familie zu stammen schien, wenn es sich fürchtete?

Irgendwohin, wohin sie selbst nie hatte gehen können, dachte Eve. Denn wenn sie sich gefürchtet hatte, hatte ihre Familie diese Furcht geweckt.

Sie ließ die anderen Zimmer aus und kehrte ins Schlafzimmer der Eltern zurück.

»Nixie«, rief sie leise, während sie sich suchend umsah. »Ich bin Lieutenant Dallas von der Polizei. Ich bin hier, um dir zu helfen. Hast du die Polizei gerufen, Nixie? «

Entführung, dachte sie erneut. Aber weshalb sollte man eine ganze Familie abschlachten, um ein kleines Mädchen zu entführen? Es war viel einfacher, die Kleine einfach auf der Straße aufzulesen oder hier einzubrechen, ihr ein Betäubungsmittel zu verpassen und sie aus dem Haus zu tragen, ohne dass der Rest ihrer Familie irgendetwas davon mitbekam. Wahrscheinlich hatte sie sich also irgendwo versteckt oder lag, ebenfalls ermordet, irgendwo herum.

Erst als sie Licht machte, entdeckte sie das Blut auf dem Teppich auf der anderen Seite des Betts. Und eine Reihe kleiner, roter Handabdrücke, eine rote Spur in Richtung des angrenzenden Bads.

Vielleicht war es ja nicht das Blut der Kleinen. Es könnte auch das Blut der Eltern sein. Davon war schließlich jede Menge im Schlafzimmer verspritzt. Sie ist durch das Blut gekrochen, dachte Eve.

In dem Badezimmer gab es eine große, verführerische Wanne, einen langen, pfirsichfarbenen Waschtisch mit zwei darin eingelassenen Becken und eine abgetrennte Ecke, in der die Toilette stand.

Eine leuchtend rote Blutspur verunzierte die hübschen pastellfarbenen Fliesen.

»Gottverdammt«, murmelte Eve und folgte der Spur bis zu den dicken, grünen Glaswänden der Dusche.

Sie machte sich darauf gefasst, dort die blutüberströmte Leiche eines kleinen Mädchens zu entdecken.

Stattdessen fand sie in der Dusche ein zitterndes, lebendes, kleines Mädchen vor.

Sie hatte Blut an beiden Händen, ihrem Nachthemd und sogar im Gesicht.

Einen Augenblick lang, einen fürchterlichen Augenblick lang, starrte sie reglos auf das Kind und sah sich selbst. Wie sie mit blutverschmierten Händen, einem blutverschmierten Hemd und einem blutigen Gesicht in einem kalten Zimmer kauerte. Wie sie das blutgetränkte Messer in der Hand hielt und auf die Leiche des von ihr in Stücke gehackten Mannes sah.

»Himmel. Meine Güte.« Stolpernd wich sie einen Schritt zurück. Am liebsten wäre sie davongelaufen und hätte laut geschrien. Doch das Mädchen hob den Kopf, sah sie aus glasigen Augen an und fing an zu wimmern.

Es war, als hätte jemand Eve einen Schlag versetzt. Ich bin es nicht, sagte sie sich und atmete tief durch. Das hier hat nichts mit mir zu tun.

Nixie Swisher. Sie hat einen Namen. Sie heißt Nixie Swisher.

»Nixie Swisher«, sagte sie mit lauter Stimme und spürte, wie sie sich beruhigte. Das Mädchen hatte überlebt, sie musste ihre Arbeit tun.

Ein kurzer Blick verriet, dass nichts von dem Blut von ihr zu stammen schien.

Bei aller Erleichterung darüber wünschte sie sich, Peabody wäre hier. Kinder waren nicht gerade ihre Stärke.

»He.« Sie ging vor der Kleinen in die Hocke und zeigte mit fast ruhiger Hand auf den Dienstausweis an ihrem Hosenbund. »Mein Name ist Dallas. Ich bin Polizistin. Du hast uns angerufen, Nixie.«

Die Augen des Kindes waren riesengroß und glasig, seine Zähne klapperten so laut, dass es deutlich zu hören war.

»Du musst mit mir kommen, damit ich dir helfen kann.« Sie streckte eine Hand aus, doch heulend wie ein Tier, das in der Falle sitzt, wich die Kleine vor ihr zurück.

Ich weiß, wie du dich fühlst, Mädchen. Ich weiß genau, wie du dich fühlst.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Niemand wird dir etwas tun.« Sie streckte ihre Hand weiter in Richtung des Kindes aus und klappte mit der anderen ihr Handy auf. »Peabody, ich habe sie gefunden. Im Bad neben dem Elternschlafzimmer. Kommen Sie rauf.«

Sie überlegte panisch, wie sie die Minuten überbrücken sollte, bis ihre Partnerin endlich erschien. »Du hat uns angerufen, Nixie. Das war schlau und mutig. Ich weiß, dass du Angst hast, aber wir werden uns um dich kümmern.«

»Sie, sie, sie … sie haben sie umgebracht.«

»Sie?«

Sie schüttelte den Kopf wie eine alte Frau mit Parkinson. »Sie haben meine Mom getötet. Ich … ich habe es gesehen. Sie haben meine Mom und meinen Dad getötet. Sie haben –«

»Ich weiß. Es tut mir leid.«

»Ich bin durch das Blut gekrochen.« Mit riesengroßen, glasigen Augen streckte sie ihre verschmierten Hände aus. »Blut.«

»Bist du verletzt, Nixie? Hast du die Täter gesehen? Haben sie dir wehgetan?«

»Sie haben sie getötet, sie haben sie getötet –« Als Peabody den Raum betrat, fing Nixie an zu schreien, als hätte jemand sie mit einem Messer attackiert, und warf sich an Eves Brust.

Peabody blieb stehen und sagte mit ruhiger, leiser Stimme: »Ich habe mit dem Jugendamt telefoniert. Ist sie verletzt?«

»Soweit ich sehe, nicht. Aber sie steht unter Schock.«

Es war ein seltsames Gefühl, ein Kind im Arm zu halten, doch instinktiv zog Eve die Kleine eng an ihre Brust und stand zusammen mit ihr auf. »Sie hat alles mit angesehen. Wir haben also nicht nur eine Überlebende, sondern auch noch eine Augenzeugin.«

»Wir haben ein neunjähriges Kind, das mit ansehen musste –« Ohne den Satz zu beenden, nickte Peabody in Richtung Schlafzimmer, während Nixie ihr Gesicht schluchzend an Eves Schulter verbarg.

»Ich weiß. Hier, nehmen Sie sie und –« Doch als Eve versuchte, sich von Nixie zu lösen, schlang die Kleine ihre Arme noch fester um ihren Hals.

»Ich glaube, Sie müssen sie behalten.«

»Verdammt. Rufen Sie das Jugendamt an und sagen, dass es auf der Stelle jemanden schicken soll. Und dann fangen Sie mit den Aufnahmen der Zimmer an. Ich bin sofort wieder da.«

Sie hatte gehofft, die Kleine einem der uniformierten Beamten überlassen zu können, Nixie aber ließ nicht von ihr ab. Also trug sie sie ins Erdgeschoss hinunter, suchte einen neutralen Ort und setzte sich mit ihr in einen Raum, der offenbar das Spielzimmer der Kinder war.

»Ich will zu meiner Mama. Ich will zu meiner Mama.«

»Ja, das habe ich verstanden. Aber du musst mich bitte loslassen. Ich verspreche dir, ich bleibe hier, aber klammer dich bitte nicht ganz so an mir fest.«

»Sind sie weg?« Wieder vergrub Nixie ihr Gesicht an ihrer Schulter. »Sind die Schatten weg?«

»Ja. Du musst mich loslassen und dich neben mich setzen, ja? Ich muss noch ein paar Dinge erledigen. Und ich muss mit dir reden.«

»Was ist, wenn sie wiederkommen?«

»Das lasse ich nicht zu. Ich weiß, wie schwer das alles für dich ist.« Da Nixie nicht bereit war, von ihr abzulassen, nahm sie mit ihr zusammen auf dem Boden Platz. »Aber ich muss meine Arbeit machen, denn nur so kann ich dir helfen. Ich muss …« Himmel. »Ich muss einen Abstrich von deinen Händen machen und dann kannst du sie waschen. Du wirst dich sicher besser fühlen, wenn du erst mal wieder sauber bist, nicht wahr?«

»Ich habe ihr Blut …«

»Ich weiß. Hier, das ist mein Untersuchungsbeutel. Ich mache nur schnell einen Abstrich fürs Labor. Und ich muss ein Foto von dir machen. Dann kannst du rüber ins Badezimmer gehen und dich sauber machen. Rekorder an«, sagte sie leise und schob Nixie ein Stückchen von sich fort. »Du bist Nixie Swisher, richtig? Du lebst hier in diesem Haus.«

»Ja, ich will –«

»Und ich bin Lieutenant Dallas. Ich mache jetzt kurz einen Abstrich von deiner Hand, damit du dich waschen kannst. Es tut bestimmt nicht weh.«

»Sie haben meine Mom und meinen Dad getötet.«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Hast du gesehen, wer es war? Wie viele es waren?«

»Ich habe ihr Blut an meinen Händen.«

Eve schob das Wattestäbchen in ein Röhrchen und wandte sich der Kleinen wieder zu. Sie konnte sich daran erinnern, wie es war, als kleines Mädchen das Blut von jemand anderem an sich kleben zu haben. »Wie wäre es, wenn du dich erst mal wäschst?«

»Ich kann nicht.«

»Ich helfe dir dabei. Vielleicht möchtest du was trinken oder so. Ich kann –« Als Nixie in Tränen ausbrach, brannten ihr selbst die Augen und sie fragte eilig: »Was? Was ist?«

»Eine Orangenlimo.«

»Okay, ich werde gucken, ob ich –«

»Nein, ich bin runtergegangen, um mir eine zu holen. Mitten in der Nacht darf ich keine Limo trinken, aber ich bin trotzdem in die Küche runtergeschlichen und habe mir eine geholt. Linnie war zu müde, um aufzustehen und mitzukommen. Also bin ich alleine in die Küche runter und dann habe ich gesehen –«

Obwohl inzwischen auch sie selbst das Blut der Opfer an den Kleidern hatte, kam Eve zu dem Ergebnis, dass das Waschen noch ein wenig warten musste. »Was hast du gesehen, Nixie?«

»Den Schatten, den Mann, der in Ingas Zimmer gegangen ist. Ich dachte … ich wollte nur kurz gucken, ob sie es tun würden.«

»Ob sie was tun würden?«

»Ob sie Sex hätten. Natürlich hätte ich nicht gucken sollen, aber ich habe es getan, und da habe ich es gesehen! «

Da inzwischen außer Blut auch Rotz und Tränen im Gesicht des Kindes klebten, zog Eve einen Lappen aus ihrem Untersuchungsbeutel und hielt ihn Nixie hin.

»Was hast du gesehen?«

»Er hatte ein großes Messer, damit hat er sie geschnitten. Damit hat er sie schlimm geschnitten.« Sie hob eine Hand an ihren eigenen Hals. »Überall war Blut.«

»Kannst du mir sagen, wie es dann weitergegangen ist?«

Während ihr die Tränen über die Wangen strömten, fuhr sie sich mit den Händen und dem Lappen durchs Gesicht und vermischte dabei das Wasser mit dem Blut. »Dann ist er gegangen. Er hat mich nicht gesehen, als er gegangen ist, ich habe Ingas Link vom Tisch gezogen und die Polizei gerufen.«

»Das war wirklich mutig, Nixie. Und vor allem schlau.«

»Aber ich wollte zu meiner Mama.« Vor lauter Rotz und Tränen hatte ihre Stimme einen erstickten Klang. »Und zu meinem Dad, deshalb bin ich wieder raufgeschlichen, über Ingas Treppe, und da habe ich sie gesehen. Es waren zwei. Sie gingen in mein Zimmer und in das Zimmer von Coyle, ich wusste, was sie machen würden, aber ich wollte zu meiner Mama und bin ins Schlafzimmer gekrochen, und da habe ich ihr Blut an die Hände gekriegt und sie gesehen. Sie waren tot. Sie sind alle tot, nicht wahr? Sie sind alle tot. Ich konnte nicht gucken, was mit Coyle und Linnie war. Ich habe mich versteckt.«

»Das hast du gut gemacht. Sehr gut. Sieh mich an, Nixie.« Sie wartete geduldig, bis Nixies tränennasser Blick sie traf. »Du lebst und du hast genau das Richtige getan. Was du getan hast, wird mir helfen, die Leute zu finden, die hier waren, und dafür zu sorgen, dass ein Richter sie bestraft.«

»Meine Mama ist tot.« Nixie kroch Eve in den Schoß und brach in jämmerliches Schluchzen aus.

Bis Eve mit ihrer Arbeit fortfahren konnte, war es beinahe fünf.

»Wie geht es ihr?«, erkundigte sich Peabody als Erstes nach dem Kind.

»Den Umständen entsprechend schlecht. Die Ärztin und die Frau vom Jugendamt sind augenblicklich bei ihr. Sie haben sie erst einmal gewaschen, und jetzt gucken sie nach, ob sie irgendwelche Verletzungen davongetragen hat. Ich musste ihr schwören, dass ich das Haus nicht verlasse, bevor sie mich endlich losgelassen hat.«

»Sie haben sie gefunden, Sie sind zu ihr gekommen, als sie um Hilfe gerufen hat.«

»Sie hat über das Handy der Haushälterin von hier unten aus den Notruf abgegeben.« Eve berichtete Peabody, wie es Nixies Aussage zufolge abgelaufen war.

»Nach allem, was sie mir bisher erzählen konnte, und so, wie es bisher aussieht, scheinen es echte Profis zu sein. Sie haben die Alarmanlage ausgeschaltet, und dann hat sofort einer die Haushälterin erledigt. Ihr Schlafzimmer liegt etwas abseits in einem anderen Stock. Also mussten sie sie als Erste ausschalten, damit sie nicht plötzlich wach wird, etwas merkt und Hilfe holt. Der andere Kerl ist sicher sofort raufgegangen für den Fall, dass einer von den anderen aufwacht. Die Eltern haben sie bestimmt gemeinsam aus dem Weg geräumt.«

»Jeder von ihnen einen«, stimmte Peabody ihr zu. »Auf die Weise gab es keinen Lärm und keinen Kampf. Erst haben sie die Erwachsenen erledigt. Die Kinder waren schließlich kein großes Problem.«

»Einer hat sich den Jungen und der andere sich das Mädchen vorgeknöpft. Sie sind davon ausgegangen, dass es ein Junge und ein Mädchen sind. Es war dunkel, weshalb die Tatsache, dass sie das falsche Kind getötet haben, nicht automatisch zu bedeuten hat, dass sie die Familie nicht persönlich kannten. Sie sind davon ausgegangen, dass ein kleines blondes Mädchen in dem Zimmer liegt, und so war es schließlich auch. Sie haben ihren Job erledigt und sich dann sofort aus dem Staub gemacht.«

»Es gibt keine Blutspur, die vom Haus in irgendeine Richtung führt.«

»Bestimmt hatten sie Schutzanzüge an, die sie ausgezogen haben, nachdem die Arbeit erledigt war. Das wäre das Einfachste. Haben Sie schon die genauen Todeszeit-punkte herausgefunden?«

»Die Haushälterin ist um Punkt Viertel nach zwei gestorben. Der Vater vielleicht drei Minuten später, die Mutter fast genau im selben Augenblick, und die beiden Kinder jeweils eine Minute danach. Die ganze Sache kann nicht länger als fünf, sechs Minuten gedauert haben. Ein eiskalter, blitzsauberer Coup.«

»Ganz so sauber ist es nicht gelaufen. Schließlich hat eine Zeugin überlebt. Auch wenn die Kleine augenblicklich völlig durcheinander ist, bin ich der festen Überzeugung, dass sie uns noch mehr erzählen kann. Sie scheint wirklich mutig und ziemlich gewitzt zu sein. Schließlich hat sie noch nicht einmal geschrien, als sie mit ansehen musste, wie ihrer Haushälterin die Kehle durchgeschnitten worden ist.«

Sie versetzte sich in Nixies Lage und stellte sich die paar Minuten vor, in denen der gewaltsame Tod auf lautlosen Sohlen durch das Haus geschlichen war.

»Sie muss außer sich vor Angst gewesen sein, trotzdem ist sie nicht davongerannt, denn ihr war klar, dann hätten sie sie vielleicht ebenfalls erwischt. Sie ist nicht nur mucksmäuschenstill geblieben, sondern hat obendrein die Geistesgegenwart besessen und uns alarmiert. Wenn das nicht wirklich mutig ist.«

»Aber wie geht es jetzt mit ihr weiter?«

»Sie wird irgendwo versteckt, ihre Akte wird versiegelt und dann wird sie rund um die Uhr bewacht.« Das bisherige Leben dieses Kindes hatte heute Nacht abrupt geendet, jetzt folgten die kalten, unpersönlichen Schritte in ein neues Leben, wusste sie. »Dann müssen wir gucken, ob sie noch andere Verwandte oder einen gesetzlichen Vormund hat. Später werden wir noch einmal mit ihr reden, um zu hören, ob sie sich an noch etwas erinnern kann. Ich will, dass dieses Haus versiegelt wird, dann fangen wir mit der Überprüfung der erwachsenen Opfer an.«

»Der Vater war Anwalt für Familienrecht, und die Mutter war Ernährungsberaterin. Sie hatte eine Praxis hier im Haus. Die Praxistür ist abgeschlossen, und es sieht nicht so aus, als hätte jemand sich in dem Bereich des Hauses zu schaffen gemacht.«

»Trotzdem sehen wir uns ihre Arbeit, die Klienten und die privaten Kontakte an. Ein solcher Anschlag ist das Werk von Profis, alles war genau geplant. Vielleicht hatte ja einer oder beide oder vielleicht auch die Haushälterin einen heimlichen Nebenjob mit Kontakten zum organisierten Verbrechen. Oder die Ernährungsberatung war vielleicht nur eine Fassade für irgendein nicht ganz so sauberes Geschäft. Vielleicht hat sie sich die Sorge um die schlanke Linie und die gute Laune ihrer Kundinnen und Kunden ja leicht gemacht.«

»Gibt es einen leichten Weg, um schlank und gut gelaunt zu sein? Einen Weg, auf dem man kiloweise Eis und Pizza essen kann und nicht ständig Gymnastik machen muss?«

»Man braucht nur regelmäßig bestimmte Drogen einzuwerfen, und schon ist das Problem gelöst.« Eve zuckte mit der Schulter. »Vielleicht hat sie ja ihren Lieferanten übers Ohr gehauen. Oder vielleicht hatte einer von den beiden ein Verhältnis, das im Streit beendet worden ist. Man muss schon ziemlich motiviert sein, um eine ganze Familie auszulöschen, meinen Sie nicht auch? Wir werden gucken, ob die Spurensicherung etwas findet, das uns weiterbringt. Bis dahin sehen wir uns am besten selbst noch mal in allen Zimmern um. Ich habe bisher noch nicht …«

Sie brach ab, als jemand mit klappernden Absätzen den Raum betrat, und drehte sich zu der, wenn auch leicht verschlafen wirkenden, so doch adretten Vertreterin des Jugendamtes um. Newman, erinnerte sich Eve. Eine kleine Angestellte, die sich nicht unbedingt zu freuen schien, dass sie mitten in der Nacht hierher gerufen worden war.

»Lieutenant, die Ärztin hat keine Verletzungen bei dem Mädchen festgestellt. Am besten nehmen wir die Kleine auf der Stelle mit.«

»Geben Sie mir noch ein paar Minuten Zeit, um die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Meine Partnerin kann währenddessen raufgehen und ein paar Sachen für sie packen. Ich möchte –«

Wieder brach sie ab. Dieses Mal drang nicht das Klappern hochhackiger Schuhe, sondern das laute Klatschen nackter Füße an ihr Ohr. Immer noch in dem blutbefleckten Nachthemd kam Nixie durch die Tür geschossen und warf sich ihr an die Brust.

»Sie haben gesagt, dass Sie mich nicht alleine lassen. «

»He, wenn ich dich allein gelassen hätte, stünde ich ja wohl nicht hier.«

»Lassen Sie nicht zu, dass sie mich mitnimmt. Sie hat gesagt, dass sie mich mitnimmt. Lassen Sie das nicht zu.«

»Hier kannst du nicht bleiben.« Sie löste Nixies Griff um ihre Beine und hockte sich auf Augenhöhe vor sie hin. »Du weißt, dass das nicht geht.«

»Lassen Sie nicht zu, dass sie mich mitnimmt. Ich will nicht mit ihr gehen. Sie ist nicht von der Polizei.«

»Ich werde dafür sorgen, dass eine Polizistin mitkommt und in deiner Nähe bleibt.«

»Sie müssen mitkommen. Sie.«

»Ich kann nicht. Ich muss arbeiten. Ich muss die Leute fangen, von denen deine Eltern, dein Bruder, deine Freundin und Inga ermordet worden sind.«

»Ich gehe nicht mit dieser Frau. Sie können mich nicht zwingen, mit ihr mitzugehen.«

»Nixie –«

»He«, mischte Peabody sich leise ein und sah das Mädchen lächelnd an. »Nixie, ich muss kurz mit dem Lieutenant reden, wir stellen uns da drüben hin, wo du uns sehen kannst. Niemand geht irgendwohin, okay? Ich muss nur kurz mit ihr reden. Dallas?« Peabody ging auf die andere Zimmerseite, wo Nixie sie gut sehen konnte, und Dallas lief ihr hinterher.

»Soll ich vielleicht einfach türmen oder was?«

»Sie sollten sich um die Kleine kümmern.«

»Peabody, ich muss mich hier erst noch genauer umsehen. «

»Ich habe mich bereits genauer umgesehen, und Sie können später wiederkommen und sich selbst noch einmal umschauen, falls Ihnen das nicht reicht.«

»Dann soll ich sie also ins Gewahrsam begleiten? Damit sie dort genauso ein Theater macht wie hier, wenn ich sie mit einer Beamtin zurücklassen muss? Was würde das schon bringen?«

»Ich habe nicht gemeint, dass Sie sie irgendwohin in Gewahrsam geben sollen. Nehmen Sie sie mit zu sich nach Hause. Nirgendwo in der Stadt – oder wahrscheinlich sogar auf der ganzen Welt – ist es sicherer als dort.«

Eve schwieg volle zehn Sekunden, doch dann wollte sie wissen: »Sind Sie vollkommen wahnsinnig geworden?«

»Nein, hören Sie mir bitte zu. Sie sind die Einzige, der sie im Augenblick vertraut. Sie weiß, Sie sind der Boss, und sie vertraut darauf, dass Sie sie schützen. Sie ist die einzige Augenzeugin, die wir haben, aber vor allem ist sie ein traumatisiertes Kind. Wir werden sicher mehr aus ihr herausbekommen, wenn sie sich sicher fühlt und sich so gut es geht beruhigt. Nur für ein paar Tage, als Übergang, bevor sie irgendwo landet, wo sie keinen Menschen kennt. Versetzen Sie sich doch einmal in ihre Lage, Dallas. Würden Sie sich in der Nähe einer coolen, toughen Polizistin nicht auch wesentlich wohler fühlen als in der Obhut irgendeiner überarbeiteten Frau vom Jugendamt?«

»Ich kann unmöglich auf ein Kind aufpassen. Dafür bin ich einfach nicht gerüstet.«

»Aber Sie sind dafür gerüstet, einer Zeugin sämtliche Informationen zu entlocken, und wenn Sie diese Zeugin zu sich nähmen, könnten Sie nach Gutdünken mit ihr sprechen, ohne erst jedes Mal die Erlaubnis des Jugendamtes einholen zu müssen, wenn es noch was zu klären gibt.«

Eve warf einen nachdenklichen Blick auf Nixie. »Wahrscheinlich wäre es ja nur für ein, zwei Tage, und Summerset kennt sich mit Kindern aus. Selbst wenn er ein Arschloch ist. Größer kann ihr Trauma kaum noch werden, selbst wenn sie eine Zeitlang seine hässliche Visage sehen muss. Im Grunde nähme ich nur eine Zeugin bei uns auf. Schließlich haben wir genügend Platz in unserem Haus.«

»Genau.«

Eve runzelte die Stirn. »Ziemlich clever für jemanden, der erst vor ein paar Wochen ein paar harte Schläge auf den Kopf bekommen hat.«

»Vielleicht bin ich noch nicht wieder so weit, dass ich zu Fuß Jagd auf irgendwelche Verdächtigen machen kann, aber geistig bin ich längst wieder so fit wie vor dem Aufenthalt im Krankenhaus.«

»Schade. Ich hatte insgeheim gehofft, das Koma und der Schädelbruch hätten vielleicht irgendwas verbessert, aber ich sollte dankbar sein, dass es nicht noch schlimmer geworden ist.«

»Sie sind wirklich gemein.«

»Ich könnte noch gemeiner sein, aber es ist fünf Uhr in der Früh und mein Koffeinlevel ist noch nicht hoch genug. Ich muss kurz telefonieren.«

Sie trat einen Schritt zur Seite, und als sie aus den Augenwinkeln sah, dass Nixie abermals in Panik auszubrechen drohte, schüttelte sie kurz den Kopf, zog ihr Handy aus der Tasche und hielt es an ihr Ohr.

Fünf Minuten später winkte sie die Frau vom Jugendamt zu sich heran.

»Das kommt nicht in Frage«, erklärte Newman vehement. »Sie sind zum Transport des Kindes weder berechtigt noch qualifiziert. Ich habe den Auftrag, dieses Mädchen –«

»Ich nehme eine Zeugin in Schutzhaft, weiter nichts. Sie kann Sie nicht leiden, und ich muss dafür sorgen, dass sie so weit wie möglich zu sich kommt, bevor ich sie eingehender befragen kann.«

»Die Minderjährige –«

»– musste heute Nacht mit ansehen, wie ihre Familie abgeschlachtet worden ist. Sie will, dass ich in ihrer Nähe bleibe, und abgesehen davon, dass ich ihr diesen Wunsch erfüllen will, bringe ich sie in meiner Funktion als hochrangiges Mitglied der New Yorker Polizei an einen sicheren Ort, an dem sie so lange bleiben kann, bis sie nicht mehr in Gefahr ist oder bis ein anderes Arrangement getroffen wird. Natürlich könnten Sie versuchen, mir Steine in den Weg zu werfen, aber weshalb sollten Sie das tun?«

»Ich bin verpflichtet zu erwägen, was das Beste für die –«

»Minderjährige ist«, beendete Eve für sie den Satz. »Und ich bin sicher, Ihnen ist bewusst, dass es für sie das Beste ist, wenn jeder zusätzliche Stress vermieden wird und sie an einem Ort ist, an dem sie sich gut aufgehoben fühlt. Sie ist außer sich vor Angst, und weshalb sollten wir wohl etwas tun, um die Angst noch zu verstärken?«

Die Frau bedachte sie mit einem bösen Blick. »Das wird meiner Vorgesetzten nicht gefallen.«

»Sagen Sie Ihrer Vorgesetzten, dass sie mich anrufen soll. Ich nehme die Kleine mit. Und jetzt fahren Sie ins Büro und schreiben Ihren Bericht.«

»Ich muss wissen, wohin Sie sie bringen und mit wem sie dort –«

»Ich werde es Sie wissen lassen. Peabody? Packen Sie die Sachen ein, von denen Sie denken, dass Nixie sie in den nächsten Tagen braucht.«

Dann ging sie wieder zu dem Kind. »Du weißt, dass du hier nicht bleiben kannst.«

»Ich will nicht mit ihr gehen. Ich will nicht –«

»Du musstest heute Nacht schmerzlich lernen, dass du nicht immer alles haben kannst, was du willst. Aber erst einmal kommst du mit mir.«

»Sie nehmen mich mit?«

Während Newman aus dem Zimmer stapfte, zog Eve Nixie durch den Raum. »Genau. Zwar kann ich nicht bei dir bleiben, weil ich meine Arbeit machen muss. Aber dafür passen andere Leute auf dich auf. Leute, denen ich vertraue, weshalb du ihnen ebenfalls vertrauen kannst.«

»Aber Sie kommen später auch dorthin? Sie kommen ganz bestimmt zu mir zurück?«

»Es ist mein Haus. Ich lebe dort.«

»Okay.« Nixie nahm Eves Hand. »Dann komme ich mit.«

2

Ein hundertfünfzig Kilo schwerer Psychopath auf Zeus auf dem Rücksitz ihres Einsatzwagens hätte Eve nicht solche Angst gemacht wie ein neunjähriges Kind. Mit mörderischen Junkies kannte sie sich schließlich aus.

Doch es war nur eine kurze Fahrt, bald könnte sie die Kleine dem Butler ihres Mannes überlassen und dann mit ihrer Arbeit fortfahren.

»Nachdem wir …« Eve sah in den Rückspiegel, und obwohl Nixies Augen zugefallen waren, sprach sie den Rest des Satzes, »die nächsten Angehörigen verständigt haben«, nicht mehr aus. »Wir richten uns am besten in meinem Arbeitszimmer ein. Erst mal gehen wir die Bilder durch, die Sie aufgenommen haben, später sehe ich mich selbst noch mal am Tatort um.«

»Die elektronischen Ermittler sehen sich die Links und die Computer der Familie und die Sicherheitsanlage an.« Peabody drehte ihren Kopf, damit sie Nixie aus dem Augenwinkel sah. »Vielleicht finden sie ja etwas, was uns weiterbringt.«

Am besten führe sie so schnell wie möglich wieder los. Sie musste ihre Arbeit machen, überlegte Eve. Musste Vernehmungen durchführen, ihren Bericht verfassen, Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen. All die Dinge tun, die sie sonst immer tat. Das Auffinden des Kindes hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie musste noch mal an den Tatort zurück, denn nur dort bekäme sie möglicherweise ein Gefühl für das, was letzte Nacht dort vorgefallen war.

Sie waren einfach durch die Haustür reinmarschiert, malte sie sich das grausige Geschehen aus. Das Kind hatte sich in der Küche aufgehalten und hätte deswegen gesehen, wenn jemand von hinten hereingekommen wäre. Sie hatten also die Alarmanlage ausgeschaltet, waren vorne reingekommen, einer von ihnen war in Ingas Schlafzimmer und der andere sofort in den ersten Stock hinaufmarschiert. Schnell und effizient.

Als Erstes hatten sie die Haushälterin umgebracht. Aber sie war nicht das eigentliche Ziel gewesen. Weshalb hätten sie sonst noch nach oben gehen sollen? Sie hatten es auf die Familie abgesehen. Die Eltern und die Kinder.

Sie waren nicht einmal für einen kurzen Augenblick von dem Plan abgewichen und hatten die teure Armbanduhr des Vaters, die deutlich sichtbar auf der Kommode gelegen hatte, eingesteckt.

Es war ihnen einzig um die Tötungen gegangen, dachte sie. Und sie hatten persönlich nichts gegen die Menschen gehabt. Sie hatten nicht mit ihnen gesprochen, sie nicht misshandelt und auch nicht verstümmelt.

Es war einfach ein Job für sie gewesen, weiter nichts.

»Hier wohnen Sie?«, riss Nixies verschlafene Stimme Eve aus ihren Überlegungen, als sie die lang gezogene Einfahrt in Richtung ihres Hauses hinauffuhr.

»Ja.«

»In einer Burg?«

»Es ist keine Burg.« Okay, vielleicht sah es so aus. Es war riesengroß, die Steine schimmerten im Licht des anbrechenden Tages, Erker und Türme ragten in den Himmel, und die hohen Bäume in dem ausgedehnten Park waren herbstlich bunt belaubt.

Aber das war eben typisch Roarke. In allem, was er schuf, hob er sich von der breiten Masse ab.

»Es ist einfach ein ziemlich großes Haus.«

»Es ist ein wirklich tolles Haus«, fügte Peabody mit einem Lächeln für das Kind hinzu. »Es hat jede Menge Zimmer, es gibt unzählige Fernseher und Videospielkonsolen und sogar einen Pool.«

»Im Haus?«

»Ja. Kannst du schwimmen?«

»Dad hat es uns beigebracht. Weihnachten fliegen wir für eine Woche in dieses Hotel in Miami. Dort ist nicht nur das Meer, sondern es gibt auch einen riesengroßen Pool, und wir werden …« Sie brach ab, und wieder füllten ihre Augen sich mit Tränen, als sie sich daran erinnerte, dass es für sie weder an Weihnachten noch sonst je wieder Ferien mit der Familie gab.

»Hat es ihnen wehgetan, als sie gestorben sind?«

»Nein«, erklärte Peabody ihr sanft.

»Hat es ihnen wehgetan?«, wiederholte Nixie und starrte reglos auf Eves Hinterkopf.

Eve stellte den Wagen vor der Haustür ab. »Nein.«

»Woher wollen Sie das wissen? Sie sind noch nicht gestorben. Ihnen hat noch nie jemand mit einem großen Messer die Kehle durchgeschnitten. Woher wollen Sie also wissen –«

»So etwas zu wissen, gehört zu meinem Job«, erklärte Eve entschieden und drehte sich, weil Nixies Stimme merklich anstieg, eilig zu dem Mädchen um. »Sie sind überhaupt nicht wach geworden, und es hat nicht mal eine Sekunde gedauert. Es hat also bestimmt nicht wehgetan. «

»Aber trotzdem sind sie tot. Trotzdem sind sie alle tot.«

»Ja, das sind sie, und das ist wirklich schlimm.« Typisch, dachte Eve, dass die Kleine wütend wurde. Zorn und Trauer gingen meistens Hand in Hand. »Und du kannst sie nicht zurückbringen. Aber ich werde die Leute finden, die das getan haben, und sperre sie dafür bis an ihr Lebensende ein.«

»Sie könnten sie auch töten.«

»Das gehört eindeutig nicht zu meinem Job.«

Eve stieg aus und öffnete die Tür des Fonds. »Auf geht’s.«

Während sie dem Mädchen eine Hand gab, öffnete ihr Mann bereits die Haustür, und Nixie klammerte sich Hilfe suchend an ihr fest.

»Ist das der Prinz?«, flüsterte sie leise.

Passend zu dem Haus, das wie eine Burg aussah, wirkte er tatsächlich wie ein Prinz.

Er war groß und schlank und sah mit seinem dichten, schwarzen Haar und dem Gesicht, das Frauen vor Verlangen wimmern ließ, einfach prachtvoll aus. Die Knochen waren fein gemeißelt, der Mund war voll und fest, und die Augen leuchteten in einem durchdringenden Blau.

»Das ist Roarke«, erklärte sie. »Er ist ein ganz normaler Mann.«

Was natürlich eine fette Lüge war. Roarke war alles andere als normal. Aber er gehörte trotzdem ihr.

»Lieutenant.« In seiner Stimme schwang der irische Akzent aus seiner Kindheit, als er ihnen entgegenkam. »Detective.« Er ging vor Nixie in die Hocke und sah sie reglos an.

Sie war ein hübsches, blasses, kleines Mädchen mit blutbeflecktem, sonnenhellem Haar und dicken schwarzen Ringen unter den hellblauen Augen, an denen die Erschöpfung und die Trauer deutlich abzulesen war.

»Du musst Nixie sein. Ich bin Roarke. Tut mir leid, dass wir uns unter so schrecklichen Umständen kennen lernen.«

»Sie haben sie alle umgebracht.«

»Ja, ich weiß. Lieutenant Dallas und Detective Peabody werden diejenigen finden, die diese fürchterliche Tat begangen haben, und werden dafür sorgen, dass man sie dafür bestraft.«

»Woher wissen Sie das?«

»Es ist ihre Arbeit, und sie machen diese Arbeit besser als jeder andere. Kommst du mit ins Haus?«

Nixie zog so lange an Eves Hand, bis diese mit den Augen rollte, sich aber zu ihr herunterbeugte und ungeduldig fragte: »Was?«

»Warum redet er so komisch?«

»Er kommt ursprünglich aus einem anderen Land.«

»Ich bin auf der anderen Seite des Atlantiks in Irland geboren.« Jetzt verzog er seinen Mund zu einem leisen Lächeln. »Und ich habe immer noch einen leichten irischen Akzent.«

Dann führte er sie in die große Eingangshalle, in der Summerset, den fetten Galahad zu seinen Füßen, stand. »Nixie, das ist Summerset«, erklärte Roarke. »Er führt hier den Haushalt. Und er wird sich um dich kümmern, solange du hier wohnst.«

»Ich kenne ihn nicht.« Nixie musterte den Butler und schmiegte sich ängstlich an Eve.

»Aber ich.« Und auch wenn es sie große Überwindung kostete, fügte Eve hinzu: »Er ist okay.«

»Willkommen, Fräulein Nixie.« Wie das Gesicht von Roarke war auch seine Miene ernst. Es war anerkennenswert, dass keiner von den beiden Männern die Kleine mit dem breiten, erschreckenden Lächeln in Empfang nahm, von dem die meisten Erwachsenen anscheinend dachten, dass es verletzlichen Kindern half. »Soll ich Ihnen vielleicht erst einmal Ihr Zimmer zeigen?«

»Ich weiß nicht.«

Er bückte sich und nahm den Kater auf den Arm. »Oder vielleicht hätten Sie gern erst eine Erfrischung. Galahad würde Ihnen dabei Gesellschaft leisten.«

»Wir hatten auch mal einen Kater. Aber er war alt und ist gestorben. Eigentlich wollten wir ein kleines Kätzchen holen …«

»Galahad würde sich freuen, wenn er eine neue Freundin fände.« Summerset setzte den Kater wieder auf die Erde und blieb abwartend stehen, als Nixie ihren Griff um Eves Finger lockerte und ein wenig näher trat. Als der Kater seinen Kopf an eins von ihren Beinen schmiegte, huschte der Hauch von einem Lächeln über ihr Gesicht, sie setzte sich zu ihm auf den Boden und vergrub die Nase tief in seinem Fell.

»Danke«, sagte Eve leise zu Roarke. »Ich weiß, es ist ziemlich viel verlangt –«

»Ist es nicht.« Auch sie war blutverklebt. Und verströmte den Geruch des Todes, wie er bemerkte. »Wir sprechen einfach später darüber, ja?«

»Ich muss wieder los. Tut mir leid, dass ich dir die Kleine einfach aufhalse.«

»Ich bin noch bis heute Mittag hier. Summerset und ich kommen bestimmt problemlos mit allem zurecht.«

»Schalte bitte die Alarmanlage ein.«

»Das ist ja wohl selbstverständlich.«

»Ich komme so schnell wie möglich wieder und arbeite so viel wie möglich von zu Hause aus. Aber jetzt müssen wir erst die Eltern von dem anderen Mädchen verständigen. Peabody, haben Sie die Adresse von den Dysons?«

»Sie sind nicht zu Hause«, drang Nixies gedämpfte Stimme aus Galahads Fell.

»Mit deinem Gehör ist offenbar alles okay«, bemerkte Eve und lief durch das Foyer. »Wo sind sie?«

»Sie sind in ein großes Hotel gefahren, um ihren Hochzeitstag zu feiern. Deshalb durfte Linnie bei mir schlafen, obwohl doch heute Schule ist. Und jetzt müssen Sie ihnen sagen, dass sie statt mir gestorben ist.«

»Nicht statt dir. Wenn du auch in dem Zimmer gewesen wärst, wärt ihr jetzt beide tot. Und was hätte das gebracht?«

»Lieutenant.« Als sie Summersets schockierte Stimme hörte, piekste sie ihm einen Finger in die Brust, damit er schwieg.

»Sie ist nicht tot, weil du noch lebst. Es wird schwer für die Dysons, aber das ist es auch für dich. Und du weißt genau, wer für die Dinge verantwortlich ist, die heute Nacht geschehen sind.«

Nixie hob den Kopf, und ihre blauen Augen wurden hart wie Glas. »Die Männer mit den Messern.«

»Ja. Weißt du, in welchem Hotel die Dysons sind?«

»Im Palace, weil es das beste ist. Hat Mr Dyson gesagt. «

»Okay.« Es ist das beste, dachte Eve, denn es gehört Roarke. Sie warf ihm einen Blick zu und er nickte mit dem Kopf.

»Ich werde alles arrangieren.«

»Danke. Ich muss los«, sagte sie zu dem Mädchen. »Du bleibst hier bei Summerset.«

»Vielleicht suchen die Männer mit den Messern ja nach mir.«

»Das glaube ich nicht, aber selbst wenn sie hier erscheinen würden, kämen sie nicht rein. Wir haben ein hohes Tor vor unserer Einfahrt, eine hohe Mauer um das ganze Grundstück, und auch das Haus ist gut gesichert. Und dann ist da noch Summerset. Ich weiß, dass er aussieht wie ein hässlicher, klapperdürrer alter Mann, aber er ist wirklich tough, weshalb du bei ihm völlig sicher bist. Damit musst du dich zufriedengeben, wenn du hier bleiben willst«, fügte sie hinzu. »Denn es ist das Beste, was ich dir bieten kann.«

»Aber Sie kommen doch zurück?«

»Ich lebe hier, schon vergessen? Peabody, Sie kommen mit.«

»Hier ist noch ihre Tasche«, Peabody wies auf den von ihr gepackten Rucksack. »Nixie, falls ich irgendwas vergessen habe, was du haben möchtest, oder falls du noch irgendetwas brauchst, sag einfach Summerset, dass er mich anrufen soll. Dann besorge ich es dir.«

Das Letzte, was Eve von dem Mädchen sah, war, dass es zwischen den beiden Männern auf dem Boden hockte und Trost suchend das Gesicht in Galahads Fell vergrub.

Sobald sie vor der Tür war, ließ sie die Schultern kreisen und atmete tief durch. »Himmel.«

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es in dem Kind jetzt aussieht.«

»Ich mir schon. Sie ist alleine, sie hat Angst, sie ist verletzt und kann das alles nicht verstehen. Und dann ist sie noch bei lauter Fremden in einem fremden Haus.« Ihr Magen zog sich bei der Vorstellung zusammen, dann aber schob sie den Gedanken fort. »Rufen Sie die elektronischen Ermittler an und fragen Sie, ob sie schon was rausgefunden haben.«

Während sie die Einfahrt wieder hinunterfuhr, rief sie selbst über das Autotelefon bei Dr. Charlotte Mira an.

»Tut mir leid, ich weiß, es ist noch früh.«

»Kein Problem. Ich war schon auf.«

Auf dem Bildschirm war zu sehen, dass Mira sich mit einem weißen Handtuch durch die weichen, sandfarbenen Haare fuhr. In ihrem lächelnden Gesicht glänzten Wasser oder Schweiß.

»Ich habe gerade mein morgendliches Yoga absolviert. Weshalb rufen Sie an?«

»Wegen eines mehrfachen Mordes in einem Privathaus. Sie haben eine ganze Familie umgebracht, nur die neunjährige Tochter hat durch Zufall überlebt. An ihrer Stelle haben sie nämlich ihre Freundin, die bei ihr übernachtet hat, erwischt. Die Kleine hat alles mit angesehen. Ich habe sie erst mal bei mir untergebracht.«

»Bei Ihnen zu Hause?«

»Einzelheiten erzähle ich Ihnen später, ja? Ich bin gerade auf dem Weg zu den nächsten Angehörigen der Freundin.«

»Um Gottes willen.«

»Ich weiß, Sie haben heute sicher einen vollen Terminkalender, aber ich muss noch heute mit dem Mädchen sprechen. Und zwar in Anwesenheit einer Seelenklempnerin – Entschuldigung.«

»Kein Problem.«

»Ich brauche eine Psychologin, die sich mit Kindern und mit Ermittlungsverfahren auskennt.«

»Wann soll ich da sein?«

»Danke.« Zum ersten Mal an diesem Tag empfand sie eine gewisse Erleichterung. »Es wäre mir am liebsten, wenn Sie selber kommen könnten, aber falls Ihr Terminkalender das nicht zulässt, nehme ich auch jemand anderen, den Sie mir empfehlen.«

»Ich werde dafür sorgen, dass ich selber kommen kann.«

»Ah.« Eve sah auf ihre Uhr und dachte eilig nach. »Vielleicht gegen zwölf? Vorher habe ich noch alle Hände voll zu tun.«

»Also, dann um zwölf.« Mira machte sich ein paar Notizen auf einem kleinen Block. »In was für einem Zustand ist das Kind?«

»Sie wurde nicht verletzt.«

»In was für einem emotionalen Zustand?«

»Ah, bisher hält sie sich recht gut.«

»Ist sie in der Lage zu kommunizieren?«

»Ja. Ich brauche eine Beurteilung fürs Jugendamt. Ich brauche alles Mögliche, damit sie vorübergehend bei mir bleiben kann. Ich habe sie eigenmächtig mitgenommen und muss das Jugendamt erst noch darüber informieren, wo sie ist.«

»Dann lasse ich Sie erst mal Ihre Arbeit machen. Wir sehen uns um zwölf.«

»Die elektronischen Ermittler sind noch im Haus«, erklärte Peabody, nachdem Eve ihr Gespräch beendet hatte. »Sie sehen sich gerade die Überwachungsanlage an. Die Computer und die Links nehmen sie nachher mit aufs Revier.«

»Okay. Wie sieht es mit den nächsten Angehörigen der anderen Opfer aus?«

»Grant Swishers Eltern sind geschieden und der Vater unbekannt verzogen. Die Mutter ist zum dritten Mal verheiratet und lebt auf Vegas II. Arbeitet im Casino als Blackjack-Dealerin. Keelie Swishers Eltern sind verstorben, sie kam bereits mit sechs zu Pflegeeltern und hat von da an in wechselnden Familien, zwischendurch auch mal im Heim gelebt.«

Was, wie Eve aus Erfahrung wusste, alles andere als lustig war. »Wenn wir mit den Dysons gesprochen haben, kontaktieren Sie Grant Swishers Mutter. Vielleicht hat sie ja die Vormundschaft für ihre Enkel, dann müssten wir mit ihr klären, wie es mit Nixie weitergehen soll. Haben Sie die Adresse der Kanzlei, in der Swisher gearbeitet hat?«

»Swisher und Rangle, in der Einundsechzigsten West.«

»Das ist in der Nähe des Hotels. Am besten fahren wir nach dem Gespräch mit den Dysons dort vorbei. Je nachdem wie’s läuft, fahren wir danach noch mal zum Tatort und sehen uns dort um.«

Auch wenn es immer wieder hart war, Angehörige über den Tod eines geliebten Menschen zu informieren, kannte sie sich damit aus. Sie hatte bereits allzu oft die Leben Hinterbliebener zerstört.

Roarke hatte, wie versprochen, alles arrangiert, und da sie bereits erwartet wurde, blieben ihr der gewohnte Kampf mit dem Portier und die zeitraubenden Gespräche mit den Leuten am Empfang erspart.

Aus irgendeinem Grund fehlten ihr die rituellen Scheingefechte, merkte sie.

Dann aber wurden sie und Peabody zum Fahrstuhl eskortiert, bekamen die Zimmernummer genannt und fuhren in den zweiundvierzigsten Stock hinauf.

»Sie war das einzige Kind, nicht wahr?«

»Ja, sie hatten nur diese eine Tochter. Auch er ist Anwalt, aber für Unternehmensrecht. Sie ist Kinderärztin. Sie wohnen zwei Blocks weiter südlich als die Swishers, die Töchter waren zusammen in der Schule.«

»Sie waren aber ganz schön eifrig.«

»Sie hatten ziemlich lange mit dem Kind zu tun, und wir Detectives tun eben, was wir können.«

Aus dem Augenwinkel nahm Eve wahr, dass ihre Partnerin ein wenig ihr Gewicht verlagerte und dabei zusammenfuhr. Offenbar taten ihr die Rippen noch weh. Sie hätte besser ein paar Tage länger krankgefeiert, dachte Eve, sprach es jedoch nicht aus.

»Haben Sie schon was über die Finanzen der Swishers rausgefunden?«

»Nein. Schließlich sind wir Detectives keine Zauberer. «

»Offenkundig nicht.« Eve stieg aus dem Fahrstuhl und marschierte direkt auf die Suite 4215 zu. Sie gestattete sich nicht zu fühlen oder nachzudenken. Denn was nützte das schon?

Sie drückte auf die Klingel, hielt die Dienstmarke vor den Spion. Und wartete schweigend ab.

Der Mann, der an die Tür kam, trug einen der dicken Morgenmäntel des Hotels. Seine dunkelbraunen Haare standen wirr in alle Richtungen, und sein attraktives, kantiges Gesicht hatte den verschlafenen, zufriedenen Ausdruck eines Menschen, der gerade erst aus dem Bett gekommen war.

»Officer?«

»Ich bin Lieutenant Dallas. Matthew Dyson?«