Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Von der E-Mail an die Oma über einfache Online-Einkäufe bis zur eigenen Website: Überall lauern teure bis sehr teure rechtliche Gefahren im Netz. Kleine Fehler kosten bereits Tausende bis Zehntausende Euro und während man im normalen Leben als Privatmann ohne kaufmännische oder juristische Kenntnisse in solchen Dingen auf Milde richten kann, wird im Internet jeder gleich hart rangenommen, ob 16jähriger Schüler oder Weltkonzern: Urplötzlich liegt für eine Banalität eine teure Abmahnung im Briefkasten. Wer darauf falsch reagiert, weil er das Schreiben nicht ernst nimmt, das verlangte Geld nicht aufbringen kann oder einige Tage mehr Zeit benötigt, als ihm der Abmahner zugesteht, kann sich für den Rest seines Lebens verschulden: Vertragsstrafen und Gerichtsverfahren bis zu einer halben Million Euro sind keine Seltenheit und der Angreifer hat meist das Recht auf seiner Seite. Ob die "harte Tour" auch wirklich gerechtfertigt ist, darüber machen sich die Gerichte keine Gedanken im Gegenteil, gegen Freiberufler und Privatleute urteilen sie besonders hart, um "abschreckende Exempel zu statuieren". Dieses Buch beschreibt, welche bekannten Tretminen man auf jeden Fall vermeiden sollte, wenn man sich mit dem Netz der Netze nicht ruinieren will, denn Irrtum oder Unkenntnis schützen hier nicht vor Strafe, sondern bereiten das Pflaster für professionelle Serienabmahner. Und auch wenn die juristische Definition von "Betrug" lautet "die Unwissenheit anderer zu deren Nachteil auszunutzen", ist diese Sorte "Betrug" bislang leider unter dem Deckmantel des Rechts abgesichert. Ein Buch um alle Rechtsfragen im Internet. Denn juristisch - und nur da - gilt leider: Internet ist stets eiliger, wichtiger und teurer als das richtige Leben.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 409
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Einleitung
Vom Rechtweg sollte man nicht zuviel erwarten
Strafrecht
Betrug
Dialer
Kreditkarten
Premium-SMS
Phishing, Würmer
Vorkasse und Nachnahme
Nigeria-Connection
Verletzung von Brief- und Fernmeldegeheimnis
Eingriffe durch den Staat
Eingriffe über Internetadressen
Domain-Name-System – technisch und rechtlich gesehen
Problem: Markenrecht schlägt Brief- und Fernmeldegeheimnis
Erpressung mit hohen Streitwerten
E-Mail-Raub auf dem Rechtsweg
Routineauskunft eine vertrauliche Angelegenheit?
Domains können nicht durch IP-Nummern ersetzt werden
Alternative Techniken?
Unverständnis für die Technik
Technisch oberste Ebene eines Telekommunikationssystems gilt juristisch nichts
Online-Betrug einfach gemacht
Internet ist Telekommunikation und nicht Broadcasting
Stalking
Jugendschutz
„Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte“
Pornografie
Der Jugendschutzbeauftragte
Illegale Inhalte
Altersverifikationssysteme (AVS)
Hostingfragen
Zivilrecht
Abmahnung
Strafbewehrte Unterlassungserklärung
Einstweilige Verfügung
Prozesskostenhilfe
Schutzschrift und Gerichtsstand
Beratung durch Anwalt
Angriff statt Verteidigung: Negative Feststellungsklage
Anwaltshaftpflicht: Kann man vergessen
Spam
Adresshandel
Newsletter
Beleidigungen, üble Nachrede
Linkhaftung
„Deep Links“, Trafficprobleme und „302er“
Urheberrecht
Das Zitatrecht
Landkarten und Stadtpläne
Musik macht nicht nur fröhlich
Wo man falsch singt, war der Anwalt
Mit der CD erwirbt man nicht das Recht, diese auch anzuhören
Sie wissen, wie man Kopierschutz los wird? Dann behalten Sie es bloß für sich!
Wettbewerbsrecht
Werbung
Impressum
AGB
Marken- und Namensrecht
Die Beißordnung
Eine Domain für alles? Sehr riskant…
Ausweg: Beschreibender Allgemeinbegriff
Marke anmelden gegen Domainklau?
Spektakuläre Domainstreitigkeiten
Domain-Schiedsgerichte
Gescheiterte Angriffe
Friedliche Koexistenz
Danksagungen
Impressum
Juristische Fallstricke bei privater, freiberuflicher und kleingewerblicher Online-Nutzung
In Gedenken an eine gute Freundin, die starb, weil sich eine Marke verletzt fühlte
The first thing we do, let's kill all the lawyers.
William Shakespeare, Henry VI Teil 2, Act 4 Scene 2
Sie sind gerade fürchterlich gut drauf, wollen dies auch bleiben und möchten dazu etwas Prickelndes, Aufregendes lesen? Das Internet ist für Sie wie das Fernsehen etwas zum passiven Konsumieren? Dann nehmen Sie besser ein anderes Buch zur Hand. Dieses würde Sie zwar durchaus aufregen, aber die gute Stimmung wäre schnell dahin. Es gibt nun einmal nichts Unerotischeres und Deprimierenderes, als auf mehr als 200 Seiten über ausgetrickste, reingelegte Verlierer lesen zu müssen, die so blöd waren, sich aus dem Fernsehsessel zu erheben und im Netz etwas für die Allgemeinheit auf die Beine zu stellen.
Sie sind gerade fürchterlich gut drauf, wollen dies auch bleiben und möchten wissen, wie Sie das bewerkstelligen können? Das Internet ist für Sie ein Medium, um interaktiv mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, kreativ zu sein und etwas Eigenes zu leisten? Dann sollten Sie dieses Buch lesen. Es ist schwere Kost, doch dürften Sie nachher etwas schlauer sein und zumindest die inzwischen bekannten Fettnäpfchen im Internet vermeiden können. Da manch böse Mitmenschen allerdings fleißig neue Fettnäpfchen aufstellen, müssen Sie anschließend auch selbst die Augen aufhalten – und auch dann wird es leider gefährlicher sein, sich aktiv mit anderen im Netz aufzuhalten als passiv alleine vor dem Fernseher.
Die Schwarze Glotze, das Fern-Sehen, bedeutet passives Berieselt-Werden, Genießen oder Sich-Ärgern, jedenfalls nichts selbst zu tun.
Die Weiße Glotze, der vernetzte Computer, ist aktives Fern-Arbeiten und Kommunizieren, hier bin ich am Zug.
Ich glaube nicht, dass es gelingt, diese beiden Dinge zu vermischen. Genauso wenig, wie man Nacht und Tag vermischen kann.
Claudia Klinger, Webdesignerin1
1http://www.claudia-klinger.de
Als die ersten Telefonmailboxen oder BBS – Bulletin Board Services – mit eben jenen Boards, den elektronischen schwarzen Brettern, auftauchten, war es noch eine Kuriosität für Freaks. Man legte in den 80ern des letzten Jahrhunderts den Telefonhörer in einen Akustikkoppler, wählte manuell mit der Telefonwählscheibe die Nummer der Mailbox und bekam immer wieder Zeichensalat auf den Bildschirm, weil die Kohlekörner im Mikrofon des Hörers nach einigen Minuten störende Prasselgeräusche verursachten, wenn dieser nicht wie bei einem normalen Telefonat regelmäßig bewegt wurde. Eine elektronische Mikrofonkapsel zu beschaffen und diese statt der serienmäßigen Primitivtechnik in das mausgraue Posttelefon zu schrauben, zeigte bereits den Spezialisten, der sich auskannte und so auch mal 30 Minuten am Stück „online“ bleiben konnte.
Es gab etliche der Öffentlichkeit unbekannte, mit echten Modems statt der postkonformen deutschen Lösung mit Akustikkopplern und Telefonhörer-Abhebekonstruktionen aus Fischertechnik eingerichtete Mailboxen, ein paar private legale und daher in Telefonlisten zu findende Systeme und dann die der Verlage: Franzis hatte stolze zwei Leitungen, die ständig besetzt waren, doch mehr als zwei serielle Ports hatten die Computer damals nun einmal nicht; Markt & Technik mit seinem Online Information Service OIS1 hatte sogar einen Mehrprozessor-Rechner mit vielen Leitungen. So konnte man nicht nur die Mitteilungen anderer Benutzer an den schwarzen Brettern lesen und in den Dateibereichen nach nützlichen Programmen suchen, die man so nicht extra vom gedruckten Listing abtippen musste. Nein, man konnte auch direkt live mit anderen Benutzern tippen: chatten. Bei den Boxen mit zwei oder üblicherweise nur einer Leitung konnte man dagegen nur mit dem Betreiber – dem Sysop (Systemoperator) – chatten, wenn der gerade anwesend war und neugierig, wer sich da in seiner Mailbox herumtrieb.
Doch in den Mailboxen jener Tage erzählte jeder jedem irgendwelchen Quatsch, beispielsweise: „Ich habe am Weihnachtsfeiertag eine EC-Karte gefunden und muss meine fünf Kinder ernähren, weißt Du, wie man die Geheimzahl auslesen kann?“ Natürlich war das wissbegierige Gegenüber in Wirklichkeit Single und ohne Kinder, erzählte aber jedem diese herzzerreißende Story zumindest so lange, bis der gestand, wirklich ganz und gar keine Ahnung von EC-Karten zu haben.
Wie bei meinen wenigen Versuchen mit dem CB-Funk führte eine solche Sitzung dazu, das Ganze stets recht schnell wieder für ein paar Wochen bis Jahre wegen groben Unfugs beiseite zu legen. Für solche Blödeleien auch noch Telefongebühren bezahlen? Nein! Während andere sich in diesen Tagen sogar zu horrenden Tarifen über den Atlantik in amerikanische Mailboxen einwählten, was sicher interessanter war, doch für mich schon finanziell unerreichbar, praktizierte ich stattdessen sowohl Sprechfunk als auch Chatten – als Packet-Radio – ohne laufende Gebühren und auf etwas höherem Niveau als lizenzierter Funkamateur2. Da durfte man sowohl Modems als auch Funkgeräte selbst bauen und hatte sich nicht mit solchem Unsinn herumzuplagen wie dem Telefon, das man nur akustisch mit dem Computer koppeln konnte und bei dem wie einst bei den ersten Tonbandaufnahmen aus dem Radio als Schüler mangels Verbindungskabel per Mikrofon alle anderen im Raum still sein mussten, um die Aufnahme oder nun die Online-Verbindung nicht zu ruinieren. Die Leute, die ein Telefon benötigten, um Mailboxen zu erreichen, taten mir ernsthaft leid.
Anfang der 90er bekam ich dann offiziell den Auftrag, mich als Redakteur mit „DFÜ“ – Datenfernübertragung – zu beschäftigen. Das hatte schon mal den Vorteil, dass ich die Telefongebühren nicht zahlen musste. USA-Verbindungen verkniff ich mir trotzdem, ich hatte auch so ohne Modem schon die höchsten Telefonkosten in der Redaktion. Nur das Modem musste ich selbst organisieren – ein Dr. Neuhaus, Spitzname „Dr. Teuer“, für über 3.000 Mark, aber postzugelassen und „High-Speed“ mit 14.400 Bit/s. Der normale „Datenreisende“ jener Tage konnte sich so etwas natürlich nicht leisten: Er nutzte ein „Zyxel“, das genauso gut oder sogar noch etwas besser lief als das Dr.-Neuhaus-Modem, weil es geringfügig höhere Sendepegel nutzte und damit stabilere Verbindungen lieferte. Doch hatte es keine Chancen auf eine Postzulassung, weil die Deutsche Bundespost Störungen der anderen Telefonleitungen durch das stärkere Modemsignal befürchtete.
Also stand der Onliner stets mit einem Bein im Knast und rechnete sofort mit Hausdurchsuchung und Hardwarebeschlagnahme, wenn unangemeldeter Besuch vor der Tür stand, weil er postalisch – also damals noch staatlich – verbotene Hardware benutzte. Dass die meisten Computerbenutzer jener Tage außerdem die wenigste Software, die sie sammelten und vielleicht auch tatsächlich benutzten, wirklich gekauft hatten, kam hinzu. Der Spruch jener Tage war für Onliner nicht einmal „legal – illegal – sch…egal“ – die Wahl zwischen legal und illegal bestand schlicht gar nicht. Normalbürger hatten „online“ nichts zu suchen, nur Freaks riskierten als Außenseiter der Gesellschaft „Knast für Daten“.
Dazu musste man sich wohlgemerkt nicht einmal an Daten machen, die nicht für einen gedacht waren – also als Hacker ausprobieren, wo man sich denn überall verbotenerweise einloggen konnte –, es reichte eben bereits ein Modem ohne „Posthorn“. Der Chaos Computer Club (CCC)3 versuchte deshalb aufzuklären, Rechte für DFÜ-Interessierte zu erstreiten und mit Bauanleitungen wie dem legendären „Datenklo“ – einem Akustikkoppler – die Inhaftierungsrate unter den Datenreisenden zu reduzieren, ohne diese deshalb ins gelbe Btx-Posthorn zu jagen, das nicht nur technisch den Mailboxen jener Zeit weit unterlegen war: Hier waren zudem die Chatdienste kommerziell – jede verschickte Zeile kostete, und die „Frauen“, mit denen man diese teuren Zeilen wechselte, waren oft Männer, die dafür bezahlt wurden.
Aus dieser Historie resultiert, dass gerade ältere Leute – und damit auch viele Beamte und Richter – auch das heutige „Surfen im Netz“ wie jedes mit dem Internet verbundene Hobby als halbseidene Sache ansehen: Auch wenn der Beschuldigte nicht auf Sexseiten unterwegs ist und keine „Raubkopien“ tauscht, sondern wirklich nur online mit Freunden und Familie Kontakt hält und dabei E-Mail, Chat & Co. ebenso selbstverständlich nutzt wie andere das Telefon, so ist und bleibt er für Teile der älteren Generation von zweifelhaftem Charakter. Und so entsteht öfters seitens des Establishments, konkret: der Judikative und der Exekutive, der Gerichte und der Polizei, das Bedürfnis, hier „hart durchzugreifen“. Das zwingt selbst große Provider in die Knie – Privatleute und Kleingewerbler haben vor Gericht definitiv keine Chancen, wenn dieses ihnen nicht wohl gesonnen ist, da die Juristen sich einfach stur stellen und technische Normen und Notwendigkeiten nicht verstehen wollen, wenn ihnen gerade nicht danach ist.
Ein weiterer Grund, wieso große Firmen und Juristen das Internet hassen: Zumindest in den Jahren bis 2000, als der große Dotcom-Goldrausch ausbrach und schließlich einen Börsencrash auslöste, waren im Netz alle gleichberechtigt und kleine Firmen oder Einzelkämpfer hatten echte Chancen, neben den Großkonzernen wahrgenommen zu werden. Mit der neuen Technik wie E-Mail und WWW konnten sie nämlich weit rationeller und kostensparender arbeiten als die schwerfälligen Großkonzerne – eine Website kostete schon damals weit weniger als Papierprospekte und lässt doch bis heute ein viel größeres Unternehmen dahinter vermuten, wenn sie gut gemacht ist.
Kleinbetriebe und Mittelständler tun weit mehr für die konjunkturelle Entwicklung und die Sicherung der Arbeitsplätze als die großen Dickschiffe, die keine Bedenken haben, mal eben ganze Werke ins Ausland zu verlagern, um Geld zu sparen. In den USA werden sie dafür auch geschätzt und jeder, der etwas aus eigener Kraft auf die Beine stellt, bewundert. In Deutschland ist man dagegen obrigkeitshörig und würde am liebsten alle kleineren Unternehmen zugunsten einiger Großkonzerne zerschlagen.
Das Internet war da wie eine Kriegserklärung: Plötzlich konnte jeder sein eigenes Postamt eröffnen und so viele Postfächer einrichten, wie er wollte, oder seine Gedichte selbst online stellen, die zuvor kein Verleger haben wollte, außer man bezahlte diesen noch dafür. Auf einmal blühte und gedieh eine Alternativkultur und -wirtschaft ohne reglementierende Autoritäten. Und das mussten die „Grey Suits“, die „Agent Smith’s“ der „Matrix“, schleunigst wieder in den Griff bekommen.
Es ist davon auszugehen, dass diese Kämpfe der Großen gegen die Kleinen sich die nächsten Jahre noch deutlich verschärfen. Das Problem ist dabei, dass die Gerichte bei den für Internetstreitigkeiten typischen Fällen meist auf Seiten des Größeren stehen. Langfristig – also vielleicht in 30 Jahren – mag sich die Situation normalisieren, wenn die Generationen, die noch ohne Internet aufgewachsen sind, nicht mehr im Berufsleben stehen. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Viele Webseitenbastler haben inzwischen bereits resigniert und abgeschaltet45 und damit den Weg frei gemacht für den E-Commerce der besonderen Art: Die finanziellen Gewinne, die Juristen inzwischen aus dem Internet ziehen, übertreffen selbst die der traditionell mit guten Gewinnmargen ausgestatteten Erotikbranche. Das Internet ist zur Rechtsanwaltsversorgungsmaschine geworden, um all die in den letzten Jahrzehnten hinzugekommenen überzähligen Jurastudenten zu ernähren, die beim Staat oder in normalen Kanzleien nicht mehr unterkommen6. 1970 gab es 18.240 Rechtsanwälte in Deutschland, 1999 aber bereits 97.791, also mehr als fünfmal so viel, und seitdem hat sich die Situation weiter verschärft.
Dieses Buchverweist auf viele Texte, die bereits online im Internet sind, darunter auch etliche von mir. Ich hätte mit meinen bereits geschriebenen Texten das Buch innerhalb von drei Tagen füllen können und mir so viel Arbeit gespart – dem Leser aber auch viele neue Informationen für sein Geld vorenthalten; oder ein Buch geschrieben, das zwei Kilogramm wiegt und 200 Euro kostet, die kein Abgemahnter oder Abmahngefährdeter aufbringen kann.
Ich gehe davon aus, dass Käufer dieses Buches einen Internetanschluss haben – andernfalls bräuchten sie das Buch ja nicht und könnten weiter ruhig schlafen –, weshalb auf diese Texte jeweils in Fußnoten verwiesen wird.
Die Fälle sind nicht immer brandaktuell – dies würde nur unnötiges Risiko bringen, da Abmahner Berichterstattung über sich gar nicht schätzen und dann schon einmal – natürlich per Abmahnung – gegen diese vorgehen7, wenn sie kurz vor dem Ende stehen8. Es war auch so schon keine leichte Aufgabe, einen mutigen Verleger für dieses Buch zu finden, da die vierte Macht im Staate mittlerweile leider nicht mehr von der einst angeblich so freien Presse gestellt wird, sondern von den Anwälten. Schließlich ist jeder Bürger, der informiert und gewarnt ist, ein potentielles Abzockopfer weniger. Also fürchten die Abmahnjuristen Berichterstattung fast noch mehr als Gesetzesänderungen wie die geplante 50-Euro-Begrenzung der Kosten bei Erstabmahnung, die aber nur Urheberrechtsstreitigkeiten betrifft, während die besonders üblen Dinge wie Angriffe im Namen des Markenrechts nach wie vor mit Streitwerten im sechsstelligen Bereich die Attackierten lähmen.
Für Rückmeldungen ist der Autor über die abmahnsichere, aber extrem unpraktische E-Mail-Adresse
dipl-ing-wolf-dieter-roth@journalist-wolf-dieter-roth-und-webdesignerin-robin-lynn-miller.de
erreichbar. Diese Bandwurmadresse mag reichlich albern erscheinen und ist am Telefon oder auf Visitenkarten eine absolute Zumutung, doch wenn es nach den Kölner Juristen gegangen wäre, die der Ansicht sind, die komplette Firmierung gehöre eben nicht etwa nur in die Impressumsangaben einer Website oder auch einer E-Mail, sondern direkt in die Domain selbst, müssten Unternehmen dort nun sogar die Handelsregisternummer unterbringen – so wie seit neuestem in E-Mails9.
1http://www.journalistenakademie.de/lesepr/mm93.htm
2http://www.dl2mcd.de/afu.html
3http://www.ccc.de
4http://www.panoramas.de/
5http://www.ballz.de
6http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15853/1.html
7http://www.wortfilter.de/News/news1860.html
8http://www.heise.de/newsticker/meldung/84630
9http://www.heise.de/resale/news/meldung/84670
Es ist wahr, dass manche Anwälte verlogene, arrogante, gierige, käufliche, unmoralische, rücksichtslose Eiterpickel sind.
Aber andererseits ist es unfair, einen ganzen Berufsstand nach ein paar Hunderttausend schwarzen Schafen zu beurteilen.
Washington Post1
Ein Journalist und Ingenieur der Nachrichtentechnik schreibt ein Buch über juristische Probleme im Internet? Und das soll was werden?
Nun, ich hoffe, dass es besser wird als der alltägliche, umgekehrte Fall: Dass nämlich Juristen und ihre Auftraggeber, die vom Internet mitunter so viel verstehen wie die Kuh vom Tangotanzen, aus Unkenntnis und teils auch nur aus purer Bösartigkeit und Gewinnsucht sachlich falsche Entscheidungen durchdrücken.
In den USA liegen Anwälte trotz der legendären „Rainmaker“ (Anwälte, die für ihre ungerecht behandelten Klienten vor Gericht einen Geldregen durchdrücken) im Rang der sozialen Beliebtheit noch hinter Müllfahrern und Bestattern. Auch Richtern wird wegen zu häufiger Fälle von Bestechlichkeit nicht allzu sehr getraut. Das Rechtssystem bringt deshalb dort in vielen Gerichtsverfahren den „gesunden Menschenverstand“ in Form von „normalen Menschen“, juristischen Laien, den Geschworenen, wieder ins Spiel – was natürlich auch nicht immer gelingt, denn nicht mit juristischen Tricks vertraute Normalbürger lassen sich leichter manipulieren als Winkeladvokaten und Staatsanwälte.
In Deutschland glaubt man dagegen noch an die Gerechtigkeit vor Gericht. Nur manche zweifeln nach eigenen Erfahrungen, ob das Wort „Gericht“ nun von „gerecht“ oder doch eher von „gerächt“ kommt und ob die Augenbinde Justitias vielleicht nicht für Unparteilichkeit steht, sondern wirklich nur für Blindheit: Das hohe Gericht muss sich seine Entscheidung sehr oft einflüstern lassen, weil es selbst mangels Fachkenntnissen gar keine eigene Meinung zum Thema haben kann.
Auch der Anwalt wird in Deutschland als Freund und Helfer für juristische Notlagen gesehen, so wie der Arzt, der Pfarrer oder der Journalist für gesundheitliche, religiöse oder andere dringende Notlagen. Deshalb haben all diese Berufsgruppen auch ein Zeugnisverweigerungsrecht und dürfen nicht im Rahmen eines Lauschangriffs abgehört werden – nicht, weil sie etwas Besseres sind, sondern um die Menschen zu schützen, die sie aufsuchen und um Hilfe bitten. Sollte ein Journalist seine Geschichten erfinden, ein Arzt zum Mörder werden, ein Pfarrer Kindern zu nahe treten oder ein Anwalt an kriminellen Geschäften beteiligt sein, so gelten für sie selbstverständlich keine Sonderrechte.
Es gibt außerdem den Pressekodex, den hippokratischen Eid und die Priesterweihe eines Pfarrers, um sicherzustellen, dass dies normalerweise nicht vorkommt, diese Berufsgruppen also der Gemeinschaft nützen und nicht ihr Fachwissen ausnutzen, um sich oder anderen unlautere Vorteile zu verschaffen. Und es gibt natürlich ebenso – nein, halt: Für Juristen gibt es derartige Selbstverpflichtungen nicht! Und hier liegt ein Problem: Juristen im Staatsdienst, also Richter, werden natürlich schon auf das Grundgesetz vereidigt, aber für angestellte Juristen in Unternehmen oder als selbstständige Anwälte gibt es nicht einmal das, geschweige denn eine Selbstkontrolle.
Es gibt zwar die Rechtsanwaltskammern, die Standesregeln durchsetzen und durchaus einem Anwalt die Zulassung entziehen können. Doch passiert dies in der Praxis so gut wie nie, solange ein Anwalt nicht gerade offen kriminell geworden ist. Der einzige mir bekannte Fall, wo sich eine Rechtsanwaltskammer um die Reputation der Branche ernsthaft Sorgen machte war, als ein öfters für die Erotikbranche tätiger Jurist seine Kanzlei deshalb kurzerhand unter der beschreibenden Internetadresse http://www.pornoanwalt.com im Netz präsentieren wollte. Dies galt dann als nicht standesgemäß. Ebenso droht der Lizenzentzug, wenn eine Anwältin mangels Mandanten beispielsweise zeitweise als Putzfrau tätig wird. Auch das ist nicht standesgemäß. Per Serienabmahnung andere Leute mit Abmahnungen abzuzocken, kann dagegen zwar vor Gericht angegriffen werden, was leider viel zu selten passiert, aber der Anwaltskammer ist das ziemlich egal, auch wenn es den Ruf der Robenträger mehr schädigt als ein „Pornoanwalt“.
Ansonsten herrscht unter Juristen leider oft die Auffassung: „Ein Anwalt ist wie ein Söldner – er wird zum Kämpfen bezahlt und hat dafür auch über Leichen zu gehen.“ Der Anwalt ist also nicht der Gerechtigkeit verpflichtet, sondern nur seinem Klienten, der ihn bezahlt. Doch selbst das ist nicht sicher, denn der Anwalt wird nicht erfolgsabhängig bezahlt, sondern nach Streitwert. Ein verlorener Prozess mag dem Ruf schaden und langfristig zu weniger neuen Klienten führen – kurzfristig schadet er dem Geldbeutel nicht.
Wie in allen Berufen gibt es bei den Rechtswissenschaften „solche“ und „solche“. Mein Bruder ist Jurist, ich war jahrelang mit einer Juristin liiert und es gibt genügend Juristen, denen die gegenwärtige Abmahn-Abzockerei ausgesprochen missfällt und die sehr darauf hofften, dass dieses Buch nun endlich erscheinen darf. Allerdings muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass Juristen an Gerichten, um ja nichts falsch zu machen und Ärger zu bekommen, sehr oft nach „Schema F“ arbeiten und sich an Paragrafen festklammern – und genau damit mitunter alles falsch machen.
Jeden technisch orientierten Menschen, ob Ingenieur, Programmierer oder Wissenschaftler, würde man einen weltfremden Fachidioten oder Psychopathen schimpfen, wenn er sich benähme wie einige dieser Juristen. Dem Jurist wird man es dagegen nicht sagen – aus Selbstschutz, denn wer will schon wegen Beleidigung, Schmähung oder Stalking verklagt werden? So hat mir einmal ein Anwalt auf einen Leserbrief ernsthaft mit einer Spamklage gedroht, weil ich nicht seiner Meinung war und dies bereits in einem früheren Artikel kundgetan hatte. Dass er nur lobende Leserbriefe akzeptieren und kritisierende als „Spam“ einstufen würde, hatte er jedoch nicht zuvor kundgetan. Ebenso ist ein Fall bekannt, wo sich ein Grafiker bei einem kleinen Buchverlag spontan ohne vorherige Stellenausschreibung bewarb und von dessen Hausjurist, der auch in der Geschäftsleitung saß, als „Eingangsbestätigung“ prompt eine Abmahnung wegen Spam erhielt.
Ja, jeder ist mal gereizt und benimmt sich unpassend, aber manche Juristen kultivieren ihre psychischen Mängel noch bis zur Perfektion und machen so mehr Geld als Musiker, Schauspieler und Politiker, die es ja mitunter genauso halten. Man ist vor Gericht unter seinesgleichen und im Zweifelsfall bekommt die größere Partei mit dem bekannteren Anwalt Recht.
Bevor ein Richter sich selbst ein Bild macht, seine eigenen Schlüsse zieht und auf dieser Basis eine Entscheidung trifft, die wie die meisten Entscheidungen im Leben zu einer hohen Wahrscheinlichkeit falsch sein und ihm später vorgehalten werden kann, macht er es sich einfacher: Wenn er nicht auf eigene Entscheidungen in solchen Fällen zurückblicken kann, sucht er sich eine Entscheidung eines anderen Gerichts heraus und nimmt diese als Grundlage, solange es keine BGH-Entscheidung gibt. Damit ist er auf der sicheren Seite. Den „Durchmarsch bis zum BGH“ gibt es bei Abmahnungen aus Kostengründen kaum. Daher können auch eigentlich unbedeutende Fälle selbst an Amtsgerichten zum folgenden Kippen der Rechtsprechung führen, was manchmal gut, mitunter auch fatal ist.
Findet sich kein Fall mit Vorbildcharakter, so wird sich der Richter an den Antrag des Anwalts der Partei halten, der ihm wohl bekannt ist und mit dem er bislang auch keinen Ärger hatte. Man ist vor Gericht ja als Jurist unter seinesgleichen und im Zweifelsfall bekommt die größere Partei mit dem bekannteren Anwalt Recht. So entstehen unangenehme Phänomene wie „Hausgerichte“ und Kammern, an denen Auseinandersetzungen mit bestimmten Parteien stets innerhalb weniger Minuten im selben Sinne für den Kläger durchgewunken werden, ohne dass der einzelne Fall überhaupt näher gewürdigt wird und die Richter entnervt sind, wenn der Anwalt der beklagten Partei ausnahmsweise vor Ort erscheint und eine reguläre Verhandlung wünscht.
Die Weisheiten „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ und „Vor Gericht bekommt man nicht Recht, sondern ein Urteil“ sollte man deshalb nicht vergessen: So unsinnig der Vorwurf eines Abmahners auch objektiv sein mag, könnte er doch vor Gericht dennoch akzeptiert werden und das Gericht sogar noch explizit darüber empört sein, dass man nicht einer Meinung mit dem Abmahner ist.
Wer bisher stets gesetzestreu war und den Angriff durch einen Abmahner gerichtlich verhandeln will, weil er das Geld für die Abmahnung nicht hat oder der Forderung aus anderen Gründen nicht nachkommen kann, wird schockiert sein, wenn ein Gericht keinesfalls auf seiner Seite, also der des Angegriffenen, steht, sondern sich möglicherweise sogar noch überlegen wird, wie es den Antrag seines Gegners noch weiter zu seinem Schaden verschärft. Auch Zivilgerichte glauben mitunter, Strafgerichte zu sein und dem Beklagten sogar noch zusätzliche Auflagen machen zu müssen, die der Kläger gar nicht verlangt hat.
Man kann also als Normalbürger in Rechtsstreitigkeiten nur verlieren: viel Geld, Zeit und Nerven. Gewinnen in dem Sinne, dass man davon irgendeinen Vorteil hat, kann man einen Prozess ohnehin nicht – bestenfalls halbwegs ungeschoren herauskommen und dabei möglichst wenig Geld verlieren. Von daher ist es in den meisten Fällen tatsächlich am billigsten und nervenschonendsten, eine Abmahnung ohne Diskussion zu zahlen – und genau darauf bauen die Abmahner.
Wenn sich deshalb niemand mehr wehrt, wird sich das Unrecht allerdings immer mehr durchsetzen, was wenig wünschenswert ist. Außerdem ist die Abmahnung ja mit einer Auflage verbunden, einer Unterlassungs- und Unterwerfungserklärung. Wenn man diese in der Praxis gar nicht 100 %ig erfüllen kann, sie aber dennoch unterschreibt, nur um vom Abmahner in Ruhe gelassen zu werden, so wird dieser einen den Rest des Lebens mit Strafgeldern schikanieren, nämlich jedes Mal, wenn man gegen die gegebene Zusage verstößt.
Dabei ist es auch schon vorgekommen, dass der Abmahner selbst dafür sorgt, dass dies passiert, indem er beispielsweise von Helfern tagsüber aus einem Internetcafé – damit man es ihm nicht nachweisen kann – Beleidigungen gegen sich in ein Forum schreiben lässt, während der, der das Forum ins Leben gerufen hat, gerade im Büro seiner regulären Arbeit nachgeht und sich deshalb nicht um das Forum kümmern kann.
Wenn man sich wehrt, muss man allerdings wiederum halbwegs sicher sein, auch tatsächlich gewinnen zu können, da man andernfalls nicht nur Geld verliert, sondern dem Abmahner eine Entscheidung frei Haus liefert, mit der er zukünftig anderen auf die Pelle rücken kann. Die meist extrem kurz gesetzten Fristen ebenso wie etliche andere Begleitumstände von Rechtsstreitigkeiten stärken dabei in der Praxis leider oft die Position des Größeren, obwohl der ja eigentlich auch ohne Hilfe des Gerichts an sein Ziel käme. Der Sinn der Gerichte wird damit langfristig in Frage gestellt.
Von dem romantischen Gedanken, dass Gerichte einem gegen die Aggressionen und Ungerechtigkeiten der Mitmenschen helfen, sollte man sich vor einem solchen Prozess lieber verabschieden: Für den Abmahner ist das Gericht nur ein meist mehr oder manchmal auch weniger williges Werkzeug, weshalb er üblicherweise auch ein ihm bekanntes, wohlgesonnenes Gericht auswählt. Und wenn man selbst bzw. der eigene Anwalt es nicht schafft, durch das in den Köpfen der Richter bereits gefällte Vor-Urteil zu dringen und dem Gericht den eigenen Standpunkt zu vermitteln, wird es einen 1:1 nach dem Antrag des Abmahners verurteilen und vielleicht noch ein, zwei kleine Dinge draufsetzen, um sich dem Verdacht zu entziehen, nur zu tun, was ihm der Kläger einflüstert.
Das klingt jetzt alles etwas desillusionierend und ich will damit niemand den Mut nehmen, sich gegen unfaire Abmahnungen und Klagen zur Wehr zu setzen, ganz im Gegenteil. Man sollte sich auch nicht resigniert aus dem Internet zurückziehen und dieses zum „Juristenslum“ werden lassen2. Man darf nur nicht, wenn man innerhalb weniger Stunden oder Tage in einen solchen Prozess gedrängt wird, in Panik zu naiv und geradlinig vorgehen, da man dann in die bereitgestellten Fallen tritt und alles schlimmer macht, als wenn man gar nichts getan hätte. Es ist oft nicht mehr möglich, der gestellten Falle zu entkommen, wenn sie bereits zugeschnappt hat. Zudem sind viele Abmahner „Trittbrettfahrer“ und treten gerne dort noch mal zu, wo bereits ein Kollege war und infolgedessen ohnehin schon nichts mehr zu holen ist – wirtschaftlich völliger Blödsinn, doch oft geht es für den Anwalt nur darum, seinen Namen mit einem leicht gewonnenen Fall bekannt zu machen.
Man muss deshalb vorbeugen, solange man noch nicht betroffen ist. Am wirkungsvollsten wäre es natürlich, das Internet gar nicht erst zu nutzen. Selbst mit einem Ladengeschäft wird man sich im Normalfall von den Streitwerten her keinen solchen Ärger einfangen wie mit auch der kleinsten Homepage. Da viele Berufe heute aber nicht mehr ohne Internet auskommen und es für kommunikativ interessierte Menschen auch keine Alternative ist, sich bei der Telekommunikation ausschließlich auf Brief, Fax und Telefon zu beschränken, sollte man zumindest bekannte Problempunkte umgehen.
Im Normalfall werden es „nur“ vierstellige Abmahnkosten sein, doch auch das ist an Fremde, die einem nichts Gutes wollen, verschwendetes Geld. Im Gegensatz zum Mafia-Schutzgeld kann man sich auch von Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen nicht vorbeugend „freikaufen“ – aber zumindest alles vermeiden, was Abmahner direkt einlädt.
Ein Wort noch zur sogenannten „herrschenden Meinung“: Dies ist eine von Juristen gern genutzte Definition, um einen nicht eindeutigen Fall zu entscheiden. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass genau diese „herrschende Meinung“ durch die Juristen festgelegt ist und sich die Katze so in den eigenen Schwanz beißen kann. 1990 wäre jedem Fachmann klar gewesen, dass das Domain Name System im Internet der Adressierung dient – heute zählt dagegen fast nur noch der Markenaspekt, hinter dem Länderkennungen als bedeutungslos zurücktreten müssen. Wenn es für irgendjemand wirtschaftlich interessant wäre, wären die Vorwahlen beim Telefon möglicherweise auch bereits als „juristisch nebensächlich“ abgeschafft worden. Dabei wusste schon Schopenhauer, wie das mit der „herrschenden Meinung“ so funktioniert:
Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist, beim Lichte betrachtet, die Meinung Zweier oder Dreier Personen; und davon würden wir uns überzeugen, wenn wir der Entstehungsart so einer allgemeingültigen Meinung zusehn könnten. Wir würden dann finden, daß Zwei oder Drei Leute es sind, die solche zuerst annahmen oder aufstellten und behaupteten, und denen man so gütig war zuzutrauen, daß sie solche recht gründlich geprüft hätten: auf das Vorurteil der hinlänglichen Fähigkeit dieser nahmen zuerst einige Andere die Meinung ebenfalls an; diesen wiederum glaubten Viele andere, deren Trägheit ihnen anriet, lieber gleich zu glauben, als erst mühsam zu prüfen.
So wuchs von Tag zu Tag die Zahl solcher trägen und leichtgläubigen Anhänger: denn hatte die Meinung erst eine gute Anzahl Stimmen für sich, so schrieben die Folgenden dies dem zu, daß sie solche nur durch die Triftigkeit ihrer Gründe hätte erlangen können.
Die noch Übrigen waren jetzt genötigt gelten zu lassen, was allgemein galt, um nicht für unruhige Köpfe zu gelten, die sich gegen allgemeingültige Meinungen auflehnten, und naseweise Burschen, die klüger sein wollten als alle Welt. Jetzt wurde die Beistimmung zur Pflicht. Nunmehr müssen die Wenigen, welche zu urteilen fähig sind, schweigen: und die da reden dürfen, sind solche, welche, völlig unfähig eigne Meinungen und eignes Urteil zu haben, das bloße Echo fremder Meinung sind; jedoch sind sie desto eifrigere und unduldsamere Verteidiger derselben. Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht sowohl die andere Meinung, zu der er sich bekennt, als die Vermessenheit, selbst urteilen zu wollen; was sie ja doch selbst nie unternehmen und im Stillen sich dessen bewußt sind.
Ich zeige in diesem Buch sowohl die ursprüngliche Sicht der Leute, die das Internet konstruiert haben, als auch die aufgepfropften, reaktionären und oft mutwillig entstandenen jenen teils diametral widersprechenden Ansichten derjenigen Juristen, die sehr glücklich darüber sind, dass die „Techniker“ heute dank ihnen de facto nichts mehr mitzureden haben. Ob er sich der Ansicht der altruistischen Techniker oder der eigennützigen Anwälte anschließt, darf jedoch jeder Leser für sich selbst entscheiden. Welche Seite ich vertrete, dürfte beim Lesen klar werden, doch ich schreibe nicht immer nur aus meiner Sicht. Die andere Seite würde solche Freiheiten zugegeben nicht akzeptieren und dem Leser strikt vorgeben, was er für eine Meinung zu haben hat.
Welcher Anwalt wohl den Schildhersteller so verärgert hatte?
(Bild: Martin Morgenthaler, Zürich)
1http://www.washingtonpost.com/
2http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19708/1.html
Ein Rechtsanwalt ist nicht nur ein Diener am Recht, sondern auch ein Verdiener am Unrecht.
Jutta Rosenbach
Das Strafrecht klingt gefährlich, denn hier ist der Gegner der Staatsanwalt: Es wird polizeilich ermittelt, dann wird man vor Gericht gestellt. Neben Geldstrafen können auch Gefängnis und eingetragene Vorstrafen die Folge sein. Hiermit ist also keinesfalls zu spaßen.
Einziger Vorteil: Wer kein Geld hat, muss vor Gericht keinen eigenen Anwalt stellen – er bekommt gegebenenfalls einen Pflichtverteidiger gestellt. Der dann allerdings meist auch wirklich nur tut, was er unbedingt muss. Die nominellen Streitwerte sind in Euro ausgedrückt auch meist deutlich niedriger als im Zivilrecht. Jedoch reichen je nach Einkommen schon dreistellige Strafsummen, die in Tagessätzen gerechnet werden, zur Vorstrafe. Die langfristigen Folgen eines verlorenen Strafrechtsverfahrens sind somit nicht unerheblich, auch wenn kein unmittelbarer Bankrott droht.
Strafrechtliche Vergehen sind Offizialdelikte: Polizei und Staatsanwaltschaft müssen sie bei Kenntnis verfolgen. Als Opfer einer strafbaren Handlung oder als ein Unbeteiligter, der von einer solchen Kenntnis erhalten hat, reicht es also prinzipiell, den Sachverhalt der Polizei oder Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Die sogenannte „Strafanzeige“ kann man bei seinem örtlichen Polizeirevier, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft und teilweise auch online1 stellen. Formvorschriften gibt es hier nicht.
Geht es um internetbezogene Dinge, so ist die Staatsanwaltschaft, die Online-Meldung oder eine Polizeidienststelle, die sich in diesen Dingen speziell auskennt, sinnvoller als das lokale Polizeirevier. Handelt es sich um einen Notfall – wie ein ums Haus schleichender Stalker – so ist der Polizeinotruf 110 (112 auf dem Handy) die richtige Adresse und nicht die Online-Meldung. Über Internet-Telefonie funktioniert die Notrufnummer übrigens üblicherweise nicht.
Ist der Urheber der strafbaren Handlung nicht bekannt, so kann man auch Strafanzeige gegen Unbekannt stellen. Hüten sollte man sich jedoch vor falschen Anschuldigungen, ob absichtlich oder irrtümlich: Man gerät dann selbst ins Visier der Polizei. Unnötig Beweisstücke sammeln sollte man auch nicht: Wer verbotene Pornografie z. B. mit Kindern im Netz findet und seine Empörung bei der Meldung auch noch mit beigelegten Beispielen untermauert, ist schnell selbst wegen Besitz und Verbreitung der verbotenen Ware dran.
Was ist ein „Dialer“? Das Wort bedeutet „Wähler“. Es handelt sich um ein Programm, das für Sie eine Telefonnummer wählt – statt eigenhändiger Bedienung des Telefons reicht so ein Mausklick. Allerdings wählt das Programm nicht die Nummer von Onkel Ernst oder Ihrem Chef. Sondern eine kostenpflichtige Nummer. Auch „Mehrwertnummer“ genannt, was eigentlich „Mehrkostennummer“ heißen müsste: Anrufe bei solchen Telefonnummern kosten deutlich mehr als normale Telefonate, und was über die reinen Verbindungskosten hinausgeht, wird teilweise dem Inhaber der Nummer ausgezahlt. Damit dienen solche teureren Anrufe als Bezahlsystem.
Wären diese kostenpflichtigen Nummern generell kriminell, so wären sie längst abgeschafft. Sie haben durchaus ihre Berechtigung, um beispielsweise telefonische Beratungen abzuwickeln, bei denen man sich nicht mit einer separaten Abrechnung herumplagen will. Gerade für „Micropayment“, also die einfache Abrechnung geringer Summen, sind sie sehr praktisch. Zudem sind sie wie Bargeld anonym, was bei kostenpflichtigen Erotikdiensten gern genutzt wird. Dazu kassiert die Telefongesellschaft eine über dem üblichen Tarif für Ferngespräche liegende Summe, zieht davon eben diese normalen Gesprächsgebühren sowie Verwaltungsgebühren ab und zahlt dem Inhaber der Nummer den Rest aus. Bei billigen Nummern bleibt das meiste bei der Telefongesellschaft, bei teuren Nummern erhält der Inhaber den größeren Anteil.
Bis ins Jahr 2005 begannen die meisten dieser Nummern in Deutschland noch mit „0190“ und die nächste Ziffer wies darauf hin, wie teuer der Anruf wird:
01904 und 01906: 0,41 €/Min.
01901, 01902, 01903 und 01905: 0,62 €/Min.
01907 und 01909: 1,24 €/Min.
01908: 1,86 €/Min.
01900: beliebig
Am bekanntesten war der Tarif zu 1,86 €/Minute – besonders Erotikangebote nutzten ihn gerne. Gefährlicher war jedoch die 01900. Hier fanden sich zwar einerseits „Sparvorwahlen“, die das Telefonat sogar billiger machen und so sogar Auslandsgespräche zum Ortstarif möglich machen. Andererseits konnte der Minutenpreis hier aber auch höher liegen als bei der 01908. Oder es wurde gleich in den ersten Sekunden eine pauschale Gebühr bis zu 30 Euro fällig. Allerdings muss die Gebühr vor Eintreten der Kostenpflicht angesagt werden.
Die 0190-Nummern wurden zum Jahresende 2005 stillgelegt – in Dialern sind sie bereits seit 2003 verboten. Stattdessen folgte die Vorwahl 0900. Bei dieser lässt sich an der Endziffer leider nicht mehr der Preis feststellen. Stattdessen gibt sie die Art des angebotenen Dienstes an:
09001: Information (keine Erotik)
09003: Beratung (keine Erotik)
09005: Sonstiges (inklusive Erotik)
09009: Dialer
Derjenige, der die Nummer registriert hat, lässt sich nun aus einer Datenbank abfragen2 – allerdings ist das nicht notwendigerweise auch derjenige, der den dahinter stehenden Dienst abwickelt: Astrologiehotlines, Gewinnspiele und Ähnliches werden oft an Call Center weiterverbunden, um den Anrufer auch zu ungewöhnlichen Zeiten bedienen zu können. Dialer dürfen nun nur noch die Vorwahl 09009 verwenden.
Wer mit voller Absicht und vom eigenen Anschluss aus eine solche Nummer anruft, dürfte mit den entstehenden Kosten keine Probleme haben. Doch leider wird enorm viel getrickst – bei Anrufern wie Angerufenen.
Zunächst einmal gibt es die Gauner, die anrufen und dann per Rufnummernübertragung (nur einmal klingeln lassen, so dass man das Gespräch nicht annehmen kann, aber die Nummer des Anrufers angezeigt bekommt) oder auch einer auf den Anrufbeantworter gesprochenen Nachricht den Telefonbesitzer zum Rückruf veranlassen, ohne dass dieser mitbekommt, dass es sich um eine besonders teure Verbindung handelt. Die Gebührenansage vor der Verbindung wurde deshalb vorgeschrieben. Auch in Inseraten oder auf Webseiten sind die Gebühren für einen Festnetzanruf in mindestens 7 Punkt Schriftgröße – bei Angeboten an Jugendliche mindestens 10 Punkt – direkt bei der betreffenden Rufnummer anzugeben3.
Vom Mobiltelefon aus sind solche Gespräche natürlich teurer. Gerade Erotikangebote werden gerne übers Handy genutzt, weil der Anrufer so unterwegs im Auto oder Hotel sitzen kann statt zuhause, wo er vielleicht nicht allein ist – oder weil er keine zweite Telefonleitung für einen „Voice Call“ frei hat. Wer Telefonsex anonym per Prepaid Card nutzen will, damit der Partner die Anrufe nicht auf der Telefonrechnung wiederfindet, kann mit Kosten von bis zu drei Euro in der Minute rechnen.
Gibt es für die hohen Gebühren eine adäquate Gegenleistung, so ist hiergegen an sich nichts einzuwenden. Telefonsex ist schließlich auch kein Vergnügen, wenn er auf Kommando beim Klingeln des Telefons beginnen muss. Aber natürlich gibt es hier auch jede Menge Gaunereien, von „heißen Nummern“, die nicht halten, was sie versprechen, über Betrüger, die von fremden Anschlüssen aus ihre eigenen Mehrwertnummern anrufen bis zu Anrufern, die es nachher nicht gewesen sein wollen, weil ihnen entweder der Sexanruf selbst nach Eintreten des gewünschten Erfolgs peinlich ist oder aber weil sie Ärger mit Partner oder Chef befürchten. Besonders dreist war jener bayrische Landtagsabgeordnete, der es fertigbrachte, 24.000 Mark an „Stöhnnummern“ zu vertelefonieren und, als die Rechnung kam, hartnäckig behauptete, es nicht gewesen zu sein.
Schwieriger ist die Situation beim Dialer. Dieser ruft automatisch beispielsweise mit einem Modem eine Mehrwertnummer an, meist, um sich dort per Modem oder ISDN ins Internet zu verbinden, wie es auch beim Einwählen bei einem normalen Provider geschieht. Wird die Verbindung über den Dialer bzw. dessen Mehrwertnummer hergestellt, so werden auch zuvor verschlossene Bereiche von Webseiten zugänglich.
Gegenüber dem Telefonanruf ist beim Dialer die Ansage nicht zu hören. Der Computerbenutzer merkt also nicht, dass seine Verbindung besonders teuer ist. Insbesondere bei ISDN-Karten wird das Trennen der bestehenden Internetverbindung und die teure neue Einwahl in Sekundenbruchteilen geräuschlos vollzogen. Auch gab es Dialer, die sich einfach fest anstelle der normalen Internetverbindung im System installiert haben und auch solche, die sich über die Active-X-Funktionen des Microsoft Internet Explorer völlig unbemerkt im System eingenistet haben.
Der Gipfel der Abzocke war erreicht, als Dialer mit einer Einwahl 300 oder gar 900 Euro für Jahresmitgliedschaften kassierten – und bei versehentlich mehrfacher Einwahl sogar mehrfach. Seitdem4 gibt es die Begrenzung auf einmalig 30 Euro oder 2 Euro/Minute und die Vorschrift, dass der Nutzer die Aktivierung des Dialers dreimal mit „OK“ bestätigen muss. Entspricht ein deutscher Dialer nicht diesen Vorschriften, so ist der so Geleimte nicht mehr zur Zahlung verpflichtet. Damit entsteht natürlich ein deutlicher Verdienstausfall, doch da dies nicht jeder weiß, wird ein gewisser Prozentsatz nicht widersprechen. Bei wirklich unseriösen Angeboten ohne nennenswerten Inhalt wird daher auch dies versucht. Erotikseiten zählen hierzu übrigens normalerweise nicht – außer, sie haben keine nennenswerten oder nur gestohlene Inhalte –, da deren Inhalte auch den Anbieter Geld kosten und er sich deshalb allzu große Verdienstausfälle nicht leisten kann.
Gauner finden jedoch wie immer neue Hintertüren. Teils verwenden sie Dialer aus dem Ausland, die beispielsweise Satellitennummern anwählen oder dies zumindest vorgeben: Tatsächlich leitet eine Telefongesellschaft dann den Anruf nicht auf den teuren Satelliten, sondern direkt zum Angebot beispielsweise einer Sexhotline und macht vom eingesparten Geld mit deren Betreiber halbe-halbe. Für derartige Dialer gelten die deutschen Vorschriften natürlich nicht. Allerdings ist man auch nicht zur Zahlung verpflichtet.
Eine andere Masche von einer Hamburger Firma: Es wurde in Inseraten Telefonsex auf einer scheinbar preiswerten normalen Festnetznummer angeboten. Rief man dort aus Neugier zurück, so wurde die verwendete Rufnummer registriert, deren Besitzer ermittelt und an diesen – auch wenn der Dienst gar nicht in Anspruch genommen wurde – eine Rechnung über knapp 70 Euro verschickt. Dabei wird darauf spekuliert, dass viele Geprellte lieber zahlen, als sich mit ihrem Partner oder Inkassounternehmen herumzustreiten5.
Da hierauf noch nicht genügend Kunden hereinfielen, wurden von diesem Unternehmen später systematisch Handys angerufen, wobei es aber nur einmal klingelte, um so per Rufnummernübertragung die Hotlinenummer zu hinterlassen und darauf zu bauen, dass der Handybesitzer brav den „verpassten“ Anrufer zurückruft. Als auch damit die Abzocke noch nicht ausreichte, wurden auch Dialer verteilt, die eben diese Festnetznummer anwählten6. Diese tricksten enorm und gaben vor, normale 0900-Dialer zu sein – ihre wahre Funktion wurde lange nicht entdeckt. Millionen Euro wurden so auf die Seite geschafft78.
Ein weiterer Trick: Es werden bekannte und den Netzbenutzern vertraute Adressen wie schwarzewochen.de (Seiten gegen den Abmahnwahn, die vom ursprünglichen Besitzer aus Geldmangel aufgegeben wurden) oder chat.de9 aufgekauft bzw. neu registriert und von heute auf morgen mit neuen Inhalten und teurem Dialer versehen. Besonders hinterhältig war es, nichts ahnende Kinder auf Seiten mit harmlos erscheinenden Adressen wie hausaufgaben, malvorlagen oder tierheime zu locken und dort mit Dialern abzuzocken. Wer bei solchen Seiten bezahlt, landet zudem anschließend oft per Weiterleitung auf eigentlich völlig kostenlosen Seiten anderer Leute, die dann den Ärger des Getäuschten abbekommen.
Und natürlich gab es auch schon Trickser, die die drei vorgeschriebenen „OK“-Eingaben von Skripten ohne Zutun des Computernutzers eintragen ließen und dazu auch noch das Bildschirmfenster per Javascript künstlich so klein hielten, dass das verräterische „OK“ für diesen unsichtbar blieb.
Da so penetrant mit Dialern getrickst wird, könnten sie eines Tages ganz verboten werden. Leider löst dies das Problem nicht wirklich, da dann eben Auslandsnummern verwendet werden, verbunden mit den alten Schwindeleien wie „Sie müssen unser ‚kostenloses’ Zugangstool installieren, um die Seite vollständig anzeigen zu können“ (häufig auf illegalen Songtextseiten zu finden), „um sich in unseren Chat einloggen zu können“ etc. Ja, es wird sogar behauptet, ein kostenpflichtiger Erotikzugang sei „gecrackt“ worden und nun kostenlos zugänglich – natürlich technisch vollkommener Unsinn, der „Crack“ ist ein ganz normaler Dialer und ruft die teure Nummer ebenso gebührenpflichtig an wie die Normalversion.
Ebenso enthält Spam – unverlangte Werbemail – regelmäßig Viren, Würmer und eben Dialer. Man sollte Spam-Mails deshalb nicht mal aus Neugier öffnen. Auch Software aus unbekannter Quelle kann mit Viren, Würmern, Dialern und Spyware verseucht sein. Letzteres ist Software, die oft dabei helfen soll, die eigentlich gewünschte Software mittels Werbung kostenlos zu halten, doch dabei Daten des Benutzers ausspioniert, um diesen mit noch mehr Werbung in Form von Pop-ups und E-Mails zu bombardieren und dabei ständig auf Kosten des Nutzers „nach Hause telefoniert“, um ihre Erkenntnisse zu melden.
Besonders tückisch sind hier nur auf den ersten Blick kostengünstige interne Modems oder ISDN-Steckkarten, da sie sich nicht abschalten lassen, also sogar aktiv werden können, wenn der Computerbesitzer selbst gar nicht ins Internet will. Dabei schalten die Dialer das Modem meist stumm, so dass maximal noch Relaisklackern die unerwünschte Aktivität des Rechners verrät – doch das wird leicht von Lüfter und Festplatte übertönt. ISDN-Karten arbeiten wiederum lautlos und in Sekundenbruchteilen. Entdeckt der Computernutzer hier ein unerwünschtes Programm und würgt dieses ab, so startet es sich sofort neu, wählt sich erneut ein und kassiert erneut. Auf diese Art vervielfacht sich das so kassierte Geld sogar noch.
Der Dialer ist also prinzipiell ein mögliches Zahlungsverfahren von vielen – ebenso ist Lastschrift/Bankeinzug, Kreditkartenzahlung oder Voice Call (paralleler normaler Telefonanruf auf einer Mehrwertnummer) gebräuchlich. Manchem Erotikkunden ist der anonyme Dialer dabei durchaus recht, zumal keine langwierigen Registrierungen notwendig sind. Nachdem der irreführende Begriff „Highspeed-Zugang“ für die Dialereinwahl mittlerweile ebenso verboten ist wie die Bewerbung als „kostenloses Zugangstool“ (der Dialer ist selbstverständlich kostenlos, doch nicht seine Benutzung), wird der Dialer deshalb inzwischen oft als „Sofortzugang“ oder auch „Schnupperzugang“ (weil bei häufiger Nutzung andere Zahlungsverfahren günstiger sind) beworben.
Doch das Tricksen und Betrügen ist beim Dialer besonders leicht möglich. Auch wenn sich die meisten Anbieter anständig verhalten, versauen einige schwarze Schafe alles. Dies wird sich leider auch nie dauerhaft verhindern lassen. Auch deutsche Unternehmen haben in vergangenen Jahren teils per Spam selbst oder durch Partner massenweise Dialer beworben und den Ruf des Dialers ruiniert. Anwälte, die sich eigentlich in der Netzgemeinde einen guten Ruf erworben hatten, haben diesen durch Unterstützung von Dialeranbietern trotz bester Absichten, den Wildwuchs so einzudämmen, teilweise wieder eingebüßt. Andere Anwälte, die ohnehin schon einen miserablen Ruf haben, machen aus ihrem Engagement für Dialer-Abzockseiten erst gar keinen Hehl.
Läuft die Internetverbindung nicht über ein direkt am Computer angeschlossenes Analogmodem oder eine ISDN-Karte, sondern über DSL, LAN oder WLAN zu einem Router oder über eine Standleitung und ist kein Modem und keine ISDN-Karte angeschlossen, die ungewollt aktiviert werden können, so kann der Dialer prinzipiell nichts anrichten. Auch alternative Betriebssysteme wie Mac OS und Linux sind bislang sicher, da sich noch niemand die Mühe gemacht hat dafür Dialer zu programmieren. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass dies noch geschieht.
Wer noch direkt mit einem Modem oder einer ISDN-Karte ins Netz geht und sicher ist, keine Dialerangebote nutzen zu wollen, kann die entsprechenden Nummergruppen bei seiner Telefongesellschaft kostenpflichtig sperren lassen oder ein elektronisches Gerät in die Leitung setzen, das Anrufe zu solchen Nummer abblockt, wenn er sichergehen will, dass nicht doch aus Versehen ein Dialer aufgerufen wird. Auch Schutzsoftware soll verhindern, dass der Computer heimliche Sextelefonate beginnt, indem sie die Dialer selbst oder deren Wählaktivitäten blockiert; sie funktioniert aber nicht immer hundertprozentig, weil illegale Dialer ähnlich Viren und Virenschutzsoftware als erstes versuchen, die Schutzsoftware abzuschalten.
Wenn man auf der Telefonrechnung einen unbekannten teuren Posten vorfindet, so muss dieser nicht bezahlt werden, wenn der Dialer kein von der RegTP (Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, inzwischen: Bundesnetzagentur, BNetzA) registrierter Dialer war. Bei Nummern, die nicht mit 09009 beginnen, ist dies mit Sicherheit der Fall. Allerdings ist auch dann in einem Rechtsstreit zu beweisen, dass ein Dialer im Spiel war. Den Dialer sollte man deshalb aus Beweissicherungsgründen auch nicht sofort löschen. Manche illegalen Dialer löschen sich leider nach Gebrauch gleich selbst, um die Verfolgung zu erschweren.
Legale Dialer können anhand ihres sogenannten Hash-Codes, der angezeigt werden muss, identifiziert werden. Sollte man allerdings tatsächlich eine Erotikseite per legalen Dialer besucht haben und dies beim Anblick der Telefonrechnung bereuen, so ist Protest dagegen keine gute Idee – es könnte höchstens noch teurer werden.
Berichtet wurde auch von Telefonanlagen, die über Ebay verkauft wurden und bei denen der Verkäufer mit einem weiteren Telefon seine eigene 0190-Nummer anrief oder ISDN-Netzabschlüsse (NTBAs), die nachts „nach Hause telefonierten“10.
Beide Versionen, illegal Geld zu verdienen, klingen relativ aufwändig, haben aber durchaus bekannte Vorbilder: Hacker haben früher gerne Telefonvermittlungen dazu gebracht, die eigenen 0190-Nummern anzurufen, Kim Schmitz11 soll auf diese Weise seine Unternehmungen finanziert haben. Sogar automatisierte Telefonterror-Rückrufsysteme nahmen ohne zu murren 0190-Nummern an12 – in diesem Fall hielt sich das Mitleid für den davon Betroffenen in Grenzen und eine Beschwerde war aussichtslos.
Gerade zweifelhafte Dialerseiten werden übrigens gerne von prominenteren Juristen vertreten. Mehr aktuelle Informationen zu Dialern finden sich auf den Webseiten des Heise-Verlags und bei Dialerschutz.de.
Wenn man schon dialertypische Dienste wie kostenpflichtige Erotikwebseiten besuchen will, so ist es sinnvoller, dies – wenn es angeboten wird – stattdessen per Lastschrift oder Kreditkarte zu tun. Nicht nur gibt es hier meist bessere Preise; die Möglichkeiten zur Reklamation bei ungerechtfertigten Abbuchungen sind auch vielseitiger. So können Lastschriften vom Kontoinhaber zurückgebucht werden, wenn sie unberechtigt sind. Ebenso verhält es sich mit Kreditkartenzahlungen.
Es herrscht allerdings große Angst, Kreditkarten- oder Bankdaten auf unbekannten Websites einzugeben. Diese Bedenken sind prinzipiell durchaus berechtigt: Es könnte jemand die Verbindung belauschen oder ein Mitarbeiter der Website die Daten klauen und Ganoven geben. Gütesiegel wie „Trusted Shops“, „Web Trust“ oder der „TÜV-Online-Check“ sollen das Vertrauen in unbekannte Online-Verkäufer stärken.
Doch ist die Gefahr größer, wenn man im Restaurant per Kreditkarte bezahlt, da hier die Kreditkarte physisch vorgelegt wird und so ihr Abdruck ebenso wie die notwendige Unterschrift kopiert werden kann. Dann nachzuweisen, dass man den Zahlungsbeleg nicht unterschrieben hat, ist schwieriger als bei einem Vorfall im Internet.
Problematisch wird es nur, wenn sich die Vorfälle häufen und in einem Monat plötzlich fünf Zahlungen widerrufen werden müssen: Dann könnte es sein, dass die eigenen Kreditkartendaten in einem gestohlenen Datensatz gelandet sind und man sollte sich eine neue Kreditkarte geben und die alte sperren lassen. Auch Schludereien im Online-Shop selbst sind selten, aber nicht auszuschließen13. Der Shop muss auch datenschutz-rechtlichen Anforderungen genügen – ein Kleiderverkäufer darf beispielsweise nicht einfach auch noch die Schuhgröße abfragen, um eine mögliche spätere Sortimentserweiterung zu unterstützen.
Die leichte Rückrufmöglichkeit bei Lastschrift und Kreditkarte sollte allerdings nicht zum eigenen Betrug benutzt werden: Hat man Ware oder Dienstleistungen online gekauft und widerruft die Abbuchung, weil man mit der Ware nicht zufrieden ist, ohne diese zurückzugeben oder weil man die Dienstleistung verbraucht hat, im Nachhinein aber unzufrieden ist – auch hier wieder oft bei Online-Erotik zu finden, bei denen die Kunden nach der schnellen Nummer oder stundenlangem hochpreisigen Videochat oft die Reue packt –, so wird der Händler ein Inkassobüro beauftragen. Und dann wird es deutlich teurer. Gleiches gilt, wenn die Abbuchung wegen eines nicht gedeckten Kontos scheitert.
Nachdem die Gefahren von Mehrwert-Telefonnummern und Dialern inzwischen hinlänglich bekannt sind, wurden auch neue Micropayment-Abrechnungssysteme entwickelt wie die sogenannte Premium-SMS, die wie die Mehrwert-Telefonnummer teurer ist als eine normale SMS. Bislang wurde mit Premium-SMS hauptsächlich Schülern das Geld für Klingelton-Abos aus der Tasche gezogen14, Bestätigungs-Vorschriften für Aboverträge sind daher im Gespräch15. Für Erotik-Chats werden Premium-SMS ebenso genutzt, dort ist der Nutzer sich aber meist über die finanziellen Folgen im Klaren. Ausnahmen durch Trickser gibt es allerdings leider auch hier1617. Die unsäglichen Klingelton-Abos18 ersetzen teilweise inzwischen auch Dialer19. Mit internetfähigen Handys besteht theoretisch auch die Gefahr, dass eine entsprechend präparierte Webseite direkt Premium-SMS verschickt. Auch „Handy-Payment“, bei dem nicht über SMS, aber dennoch über die Mobilfunkrechnung abgerechnet wird, wurde sofort missbraucht20.
Etwas anderes ist „Phishing“. Damit wird der Versuch bezeichnet – meist über E-Mails mit gefälschten Absenderdaten und ebenso gefälschten Websites –, direkt an Bank- oder Kundenkonten des Opfers zu kommen. Da wird dann beispielsweise behauptet, es habe einen Wasserrohrbruch gegeben, dabei seien Datenbanken beschädigt worden und deshalb solle man nun seine Daten kontrollieren und gegebenenfalls ergänzen – wozu natürlich erst mal das eigene geheime Passwort einzugeben ist.
Ist man so blöd, geht der Betrüger mit den gesammelten Daten auf die echte Website der Bank oder des Online-Shops und räumt dort ab. Dies ist die Online-Variante des alten Tricks, vor der Bank einen gefälschten Geldautomaten aufzustellen, der nach Eingabe der PIN die EC-Karte einbehält. Der Betrüger nimmt dann gespeicherte PIN und EC-Karte und kassiert selbst ab.