Julia und das weiße Pony - Christiane Gohl - E-Book

Julia und das weiße Pony E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Im zweiten Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl überführen die junge Protagonistin der Buchreihe Julia und ihre Freundin Kathi einen Pferdedieb. Daneben steht bei den Mädchen auch noch eine Prüfung im Dressurreiten an, für die sie sich vorbereiten müssen. Jede Menge Spannung ist daher beim Lesen des zweiten Bandes garantiert! -

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Christiane Gohl

Julia und das weiße Pony

 

Saga

Julia und das weiße Pony

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1993, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728012949

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

»Gestatten, Schneider«

Ein wunderschönes Pferd

Chaos im Viereck

Pretty zieht um

Ein Brief für Julia

Wohin mit dem weißen Pony?

Im Wilden Westen

Pferdemarkt

Turnierfieber

Der letzte Versuch

Heldinnen des Tages

 

Kleines illustriertes Reiterlexikon

Zum Weiterlesen

»Gestatten, Schneider!«

Julia hatte es eilig. Ihr Fahrrad schoß durch die stille Vorstadtstraße und bog dann mit Schwung auf den Zufahrtsweg zu Stephanies Häuschen ab.

Auf dem Plattenweg zum Stall flogen Julia Wolken von losem Pferdehaar entgegen. Stephanie hatte also schon mit dem Putzen begonnen. Die blonde junge Frau stand neben ihrer Connemara-Stute und striegelte ihr das letzte Winterhaar aus dem Fell. Am zweiten Anbindeplatz wartete geduldig ein dunkelbrauner Reitponywallach. Rasch stieg Julia vom Fahrrad und lehnte es an die Stallwand.

»Danny!« Julia ging auf ihr Lieblingspferd zu und reichte ihm seine Begrüßungsmöhre. Erst dann wandte sie sich an Stephanie, um ihre fast halbstündige Verspätung zu erklären. »Du ahnst nicht, was ich gerade gemacht habe!«

»Heraus mit der Sprache! In Anbetracht der Tatsache, daß du heute zum ersten Mal zu spät und nicht drei Stunden zu früh zum Reiten kommst, muß es ja etwas wahrhaft Weltbewegendes gewesen sein!« Wie immer ließ Stephanie keine Möglichkeit aus, ihr Pferdemädchen zu necken. Julia nahm ihr ihre ironische Art längst nicht mehr krumm.

»Also, ich fuhr an dieser Brotfabrik vorbei... «, setzte Julia etwas dramatisch wieder an. Sie ordnete ihren braunen Pferdeschwanz, der sich bei der flotten Radfahrt gelöst hatte. »Ein paar Blocks hinter dem Reitstall, du weißt schon – und rate mal, was plötzlich um die Ecke kommt?«

»Ich tippe auf ein weißes Reitpony. Möglicherweise gefolgt von einer Rappstute«, sagte Stephanie beiläufig.

Julias Kinnlade klappte nach unten.

»Woher weißt du das?«

Stephanie lachte.

»Ich hab’ die beiden heute morgen schon mal eingefangen. Im strömenden Regen und mit Hilfe einer halben Armee von Polizisten! Die Schutzleute haben um halb sechs bei mir geklingelt, weil sie meinten, die Ausreißer wären meine Pferde. Ich hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt. Aber dann waren es eben nur der kleine Schimmel und die Schwarze. Der Schimmel hat aus der Sache ein Rodeo gemacht. Es dauerte ewig, bis ich ihn hatte. Hast du ihn ohne Halfter gekriegt?«

»Ich hatte Dannys Halfter bei mir. Das, was ich bestickt habe. Ich hab’ übrigens ’ne Eins dafür bekommen!«

Julia holte ein goldfarbenes Nylonhalfter aus ihrem Fahrradkorb, das sie mit Dannys Namenszug in verschiedenen Braunschattierungen versehen hatte. Seit sie ihr Traumpferd Danny endlich reiten durfte, ließ sie keine Gelegenheit ungenutzt, seine Ausrüstungsgegenstände zu verschönern.

»Es ist wirklich toll geworden!« lobte Stephanie. »Wird ihm großartig stehen!«

»Bestimmt!« sagte Julia und begann Danny zu striegeln. »Auch wenn Petra sagt, es sei albern, die Pferde hübsch zu machen.«

»Ach, vergiß Petra!«

Stephanie teilte Julias Antipathie gegen ihre Klassenkameradin. Petra ritt das Pferd ihrer Tante im Reitstall und zeichnete sich durch Arroganz und Besserwisserei aus.

»Was war jetzt mit den Pferden?«

»Ich hab’ die Rappstute eingefangen und auf die Wiese hinter der Brotfabrik gebracht. Ein kleines Mädchen hat mir gezeigt, wo sie hingehört. Der süße kleine Schimmel ist hinterhergelaufen.«

»Süß? Dieser Schimmel ist ein ungezogenes Monster!« Nach der morgendlichen Ponyjagd hatte er bei Stephanie vorerst verspielt.

»Ich finde ihn süß. Jedenfalls, als ich da so stand, mit der Stute, und nicht so richtig wußte, ob ich sie laufen lassen sollte oder nicht, da kam so’n Typ mit Pferdehänger an.«

»Nein!«

»Doch! Ich dachte zuerst, er wird sauer sein, weil ich auf seiner Wiese war, aber er war ganz freundlich. Ich hab’ ihm erzählt, wie ich die Pferde eingefangen habe, und er meinte, daß er an dem Weidezaun wohl mal was machen müßte. Und dann hab’ ich ihm geholfen, das Pferd auszuladen.«

»Noch ein Pferd? Steh still, Violetta!«

Stephanie legte ihren Sattel auf die graue Stute.

»Ja, ein kleiner Rotfuchs. Ganz zierlich, sieht aus wie ein Mani-Araber. Er, also dieser Herr Schneider, hat mich gefragt, ob ich die Ponys mal reiten will.«

»Du hast doch hoffentlich ›nein‹ gesagt, oder?«

Julia nickte ernsthaft.

»Ich hab’ ihm gesagt, daß ich bei dir reite. Ich meine, er kennt mich doch gar nicht. Wenn er mir sofort anbietet, sein Pferd zu reiten, muß doch irgendwas faul sein.«

Stephanie nickte befriedigt. Früher war Julia nicht so vorsichtig gewesen, sondern hatte jede Reitgelegenheit sofort beim Schopf gepackt. Dabei hatte sie schlechte Erfahrungen mit Pferdehaltern gemacht, die ihre Pferdemädchen nur ausnutzten.

»Mach Danny jetzt schnell fertig, damit wir loskommen. Wir können ja eben bei der Brotfabrik vorbeireiten und gucken, ob der Kerl noch da ist!«

Julia putzte ihr Pferd in Rekordzeit, aber es dauerte doch fast eine halbe Stunde, bis die Reiterinnen Schneiders Weide erreichten. Die Brotfabrik lag im Industriegebiet auf der anderen Seite des Reitstalles. Man erreichte sie ausschließlich über Asphaltstraßen und konnte folglich nur Schritt reiten.

Schon von weitem sah Julia jedoch Auto und Pferdehänger. Der Besitzer der Ausreißer war also noch da. Tatsächlich hatte er die letzte halbe Stunde dazu genutzt, die Weideeinzäunung unter Verwendung von Dachlatten, Stacheldrahtresten und Abfallholz notdürftig zu sichern. Sie sah nun entsetzlich gestückelt aus, aber vielleicht hatte das ja eine abschreckende Wirkung auf die Pferde.

»Gestatten, Schneider!« stellte der drahtige kleine Mann sich vor und deutete dabei sogar eine Art Verbeugung an. »Wollen Sie die Pferde anschauen?«

Er legte sein Werkzeug hin, kam zu den Mädchen und begann Violetta zu kraulen. Die sensible Stute schätzte eine so plumpe Annäherung gar nicht und wich schnaubend zurück.

Stephanie beruhigte sie und nannte dann ebenfalls ihren Namen.

»Ihre Pferde kenne ich schon. Ich bin diejenige, die sie heute morgen eingefangen hat!«

Schneider bedankte sich.

»Ich hab’ den Zaun jetzt repariert!« sagte er dann in einem Tonfall, als hätte er damit nur Stephanie einen Gefallen tun wollen. »Wie gefallen Ihnen die Pferde?«

Stephanie betrachtete die Tiere noch einmal in Ruhe. Der Rotfuchs war hübsch, da hatte Julia schon recht. Die Rappstute wirkte nicht besonders ansprechend, hatte aber auch keine deutlichen Fehler. Und der Schimmel... ein kompaktes kleines Pferd, recht kalibrig, aber sehr gut proportioniert und mit einem edlen Köpfchen ausgestattet. Vielleicht ein Welsh-Pony? Stephanie betrachtete den linken Hinterschenkel des Pferdes, fand aber kein Brandzeichen.

»Gut«, antwortete sie. »Reiten Sie den Rappen?« Der Schimmel und der Fuchs waren offensichtlich zu klein für erwachsene Reiter.

Entsetzt winkte Schneider ab.

»Aber nein! Ich reite gar nicht!«

»Warum halten Sie sich dann Pferde?« fragte Julia erstaunt.

»Ach ... nur so... eben nur so... Vielleicht werde ich mal etwas fahren... « Der Mann war sichtlich um eine Antwort verlegen.

 

»Komischer Vogel!« erklärte Stephanie, als die Reiterinnen sich verabschiedet hatten und ihre Pferde in Richtung Rauhforst wandten.

Julia nickte.

»Er reitet nicht, weiß nicht, weshalb er sich die Pferde sonst hält... Und viel Ahnung davon, wie man mit ihnen umgeht, scheint er auch nicht zu haben ... «

»Aber einen großen Zugwagen – wenn auch ein reichlich gebrechliches Modell – und einen noch ganz intakten Pferdehänger! Sehr merkwürdig.«

»Glaubst du, daß der neue Zaun die Pferde hält?« fragte Julia. »Wenn du mich fragst, sah der fast so schlimm aus wie der, den Susanne und ich letztes Jahr bei Schecker gebaut haben!«

Schecker war der Besitzer eines der Pferde, die Julia im vergangenen Jahr versorgt hatte. Stephanie lachte.

»Genau an den mußte ich auch denken!« sagte sie. »Wie gut, daß sein heruntergekommener ›Ponyhof‹ inzwischen dichtgemacht hat! Aber mit diesem Schneider steht schon wieder ein zweifelhafter Pferdehalter bereit. Sicherlich wird es bald vor Pferdemädchen wimmeln. Hoffentlich findet er eines, das gern früh aufsteht, damit ich nicht jeden Morgen Pferde jagen muß!«

Ein wunderschönes Pferd

Leider ging Stephanies Wunsch so schnell nicht in Erfüllung. Statt dessen wurde sie bereits zwei Tage später erneut aus dem Bett gejagt, diesmal von ihrer aufgebrachten Tante. Erika Lauterbach gehörte die Villa, in deren parkähnlichem Garten Stephanies Häuschen und der Offenstall für ihre Pferde lagen. Sie war im allgemeinen sehr freundlich, solange man die Ponys aus ihrem wohlgepflegten Vorgarten heraushielt. Leider wußten Schneiders kleiner Schimmel, der Rotfuchs und die Rappstute nicht von diesem Verbot...

»Ich habe nichts zu tun mit diesen Pferden!« erklärte Stephanie entnervt. Seit einer Viertelstunde jagte sie nun den Schimmel durch den Rosengarten, während ihre Tante fortwährend schimpfte.

»Ich wünschte auch, ich hätte sie nie gesehen! Also meckere nicht, sondern sei froh, daß du mich hast. Du kannst natürlich auch die Polizei anrufen. Die sperrt die Ponys dann wahrscheinlich so lange in dein Wohnzimmer, bis sie den Besitzer ausfindig gemacht hat!«

Als sie den Schimmel endlich hatte, stellte Stephanie die fremden Pferde zunächst in ihren Auslauf und brachte Danny und Violetta im Stall unter. Danny paßte das gar nicht. Insbesondere fremde Wallache waren ihm ein Dorn im Auge, denn er befürchtete ständig, daß sie ihm Violetta abspenstig machen könnten.

Zum Glück war Samstag, und Julia kam gegen zehn Uhr zum Reiten. Mit ihrer Hilfe war es einfach, Schneiders Pferde zu ihrer Weide zurückzubringen. Auf dem Rückweg trafen Stephanie und Julia dann das kleine Mädchen wieder, das Julia neulich schon weitergeholfen hatte. Es erzählte, daß es neben der Weide wohnte und daß Schneider ihm seine Telefonnummer gegeben hatte.

»Ich soll auf die Ponys aufpassen!« sagte die Kleine gewichtig. Sie war höchstens sieben Jahre alt.

 

Während Julia Danny und Violetta fertig machte, hängte Stephanie sich ans Telefon.

»Ein automatischer Anrufbeantworter!« erklärte sie verärgert, als sie wieder herauskam. »Ich hab’ draufgesprochen, daß Schneider mich zurückrufen soll, aber ob er das macht? Na ja, jetzt reiten wir erst mal. Sehr oft kommen wir schließlich nicht mehr dazu, bevor Violetta nächste Woche zum Hengst geht!«

»Hast du dich jetzt endgültig entschlossen?« fragte Julia. Die Frage, ob sie Violetta decken lassen sollte und welcher Hengst der richtige Vater für ihr Fohlen wäre, hatte Stephanie den ganzen Winter hindurch beschäftigt. Schließlich schwankte sie nur noch zwischen zwei Hengsten. Der Schimmel »Wintertag« stand auf einem großen Gestüt, und der andere, ein Isabell namens »Erin’s Pride«, gehörte zu einer Reitschule.

»Ja, ich nehme ›Erin’s Pride‹. Als ich letzte Woche in Köln war, habe ich ihn besucht. Er ist sehr umgänglich und noch schöner als auf den Bildern. Die Besitzerin ist auch sehr nett. Bestimmt sorgt sie gut für Vio. Aber Danny wird es das Herz brechen. Vier Wochen ohne Freundin ...«

»Ich könnte ja im Stall schlafen ...« überlegte Julia ernsthaft.

»Und jeden Morgen mit ihm Heu mampfen, seine Mähne mit deinen Zähnen kraulen, dich zur Gesellschaft mit ihm im Dreck wälzen... Los jetzt, trab an, sonst schaffen wir die große Runde nicht vor eins, und deine Mutter wird sauer, weil du zu spät zum Essen kommst!«

An diesem Samstag war Julia pünktlich zu Hause, aber am nächsten Tag kamen schon wieder Schneiders Ponys dazwischen. Der kleine Schimmel trabte ihr munter über die Hauptstraße entgegen, als sie nach dem Ausritt heimwärts radelte. Und der Fuchs hinter ihm wäre fast in ein Auto gelaufen. Erstaunlicherweise war die Rappstute nicht dabei. Ob sie den Ausgang nicht gefunden hatte? Leider befand sich diesmal kein Halfter in Julias Fahrradkorb. Aber während sie noch überlegte, welcher Teil ihrer Kleidung sich zum Ersatzhalfter umfunktionieren lassen würde, kam ein Mädchen im Laufschritt um die Ecke und hielt ein grünes Stallhalfter in der Hand.

»Versuch’s mit dem Fuchs, der Schimmel läßt sich nicht gut fangen!« riet ihr Julia, als sie sich dem Pony näherte. Aber es war schon zu spät. Beim bloßen Anblick des Halfters schlug der kleine Schimmel einen Haken und landete dabei in einem Vorgarten. Das winzige Rasenstück war sorgfältig gepflegt, und auch wenn die Blumenbeete am Rande der Hauptstraße nicht sonderlich gut gediehen, war ihnen doch anzusehen, daß jemand sich sehr viel Arbeit damit gemacht hatte. Das weiße Pony schaffte es in weniger als einer Minute, das Ganze in einen Acker zu verwandeln. Froh, seiner Verfolgerin entkommen zu sein, machte es ein paar Bocksprünge und hinterließ dabei tiefe Spuren im regendurchweichten Rasen. Danach fegte es durch die Blumenbeete und wieherte nach dem Fuchs. Als der seinem Ruf folgte und auch in den Garten kam, senkte es befriedigt den Kopf, um zu fressen. Ringelblumen schienen zu seinen Leibgerichten zu gehören...

»Eine Unverschämtheit! Der schöne Garten... das wird ein Nachspiel haben ...« Noch bevor Julia und das Mädchen mit dem Halfter den Garten erreicht hatten, war das Pony von einer entrüsteten Hausbewohnerin entdeckt worden. Natürlich hielt sie die Mädchen für die Besitzerinnen und entlud den ganzen Ärger über ihren Köpfen.

Zum Glück näherte der Fuchs sich Julia sofort, als sie mit einer Plastiktüte knisterte. Sie hielt ihn fest, bis das Mädchen mit dem Halfter bei ihm war.

»Jetzt schnell weg hier! Der Schimmel wird schon hinterher kommen!« Julia hatte ihre Erfahrungen mit aufgebrachten Gartenbesitzern. Im letzten Sommer waren ihre verschiedenen Pflegepferde öfter allein unterwegs gewesen. Sie nahm den Führstrick und setzte sich mit dem Fuchs in Trab.

»Nicht so schnell! Ich hab‘ schon einen Dauerlauf hinter mir!« keuchte das andere Mädchen. »Sind das deine Ponys?«

»Natürlich nicht! Wenn ich ein eigenes Pony hätte, ließe ich es garantiert nicht auf der Straße herumlaufen!« Julia war empört.

»Hätte ja mal sein können. Du machtest den Eindruck, als ob du sie kennst.«

»Ich hab‘ sie schon mal eingefangen. Sie laufen hier dauernd frei rum!«

Die Mädchen führten den Fuchs auf das Gelände der Brotfabrik und beobachteten aufatmend, daß auch der Schimmel durch die Einfahrt trabte. Nun endlich fand Julia Zeit, sich ihre Begleiterin genauer anzusehen. Das Mädchen war schlank, etwas größer als sie selbst und hatte knallrote Haare. Fast dieselbe Farbe wie der Fuchs. Julia lachte.

»Worüber lachst du?« fragte das Mädchen.

»Ach, ich dachte nur gerade, daß du dieselbe Haarfarbe hast wie das Pony! Insofern könnte man annehmen, es wäre deines!«

»Ich habe auch einen Rotfuchs. Eine Hannoveranerstute«, erklärte das Mädchen. Es öffnete das Weidetor, und Julia führte den Fuchs hindurch. Zu ihrer Verwunderung traf sie die Rappstute nicht auf der Weide an. Ob sie sich auf der Flucht von den anderen Pferden getrennt hatte? Julia erschien das unwahrscheinlich.

»Die Weideeinzäunung ist schauerlich!« stellte die Rothaarige fest und versuchte, zwei herunterhängende Stacheldrahtenden miteinander zu verflechten. Während Julia ihr half, erfuhr sie, daß das Mädchen Katharina hieß und Kathi gerufen wurde. Es war fast vierzehn, ein knappes Jahr älter als Julia, und wohnte in derselben Straße wie Stephanie.

»Aber erst seit zwei Wochen. Vorher wohnten wir mitten in Gelsenkirchen, bei der Firma meines Vaters. Jetzt haben wir hier ein Haus gekauft, weil wir alle mehr ins Grüne wollten. Hier ist natürlich auch nicht grad ein Erholungsgebiet, aber ein bißchen freier als in der Innenstadt ist es doch.«

Julia nahm an, daß Kathi ihr Pferd im Reitstall untergebracht hatte, aber das rothaarige Mädchen erzählte, daß ihre Stute im Sommer auf der Weide stände.

»Ich mag es nicht, wenn sie in der Box steht. Ich denke mir, sie braucht ein bißchen Auslauf und Sonne und so. Findest du nicht?«

Julia stimmte begeistert zu und erzählte von Stephanie, Danny und Violetta und ihrem Offenstall.

»Auf Prettys Weide ist auch ein Unterstand. Vielleicht kennst du ja die Wiese. In der Ringstraße ...«

»In der Ringstraße?« quietschte Julia. »Doch nicht Ringstraße 10, eine kleine Weide mit Offenstall, neben so einem Flachbau? Da hatte ich nämlich mal ein Pflegepferd, ein Pony. Es gehörte dem Mädchen, das daneben wohnt.«

»Richtig, die Leute sagten so was. Soll ein ziemliches Biest gewesen sein.«

»Stormy war kein Biest! Er war süß! Ganz lieb. Das Mädchen konnte bloß nicht mit ihm umgehen! Wenn du mir nicht glaubst, kannst du ja mal mitkommen, wenn wir ihn besuchen. Er steht jetzt bei Leuten in Berghausen ... Verflixt, jetzt hab’ ich mir die Hand aufgerissen. Ohne Werkzeug hat es keinen Zweck mit diesem Zaun! Hast du dein Pferd übrigens schon lange auf Stormys Weide? Stephanie und ich sind vorgestern erst vorbeigeritten, haben aber nichts gesehen.«

»Sie ist auch erst seit gestern da. In den ersten zwei Wochen hat sie im Reitstall gestanden. Du mußt unbedingt vorbeikommen und sie dir ansehen!«

Julia nickte. Sie fand diese Kathi sehr nett und war gespannt auf ihr Pferd.

»Vielleicht können wir mal zusammen ausreiten«, schlug sie vor. »Von Stormys Weide aus ist es nicht weit zum Rauhforst!«

»Ins Gelände?« fragte Kathi nervös. »Ich weiß nicht ... Pretty ist ein bißchen ... hm, unruhig ... « Sie schloß das Weidetor und strich sich ihr rotes Haar aus der Stirn.

»Aber Danny ist die Ruhe selbst. Und Violetta auch. Du wirst sehen! Bist du morgen abend auf der Weide? Dann kommen wir vorbei.«

»Bestimmt!« Kathi lächelte. »Aber mit dem Reiten ... Na, das sehn wir ja dann ...«

 

Die Weide war ordentlich eingezäunt. Dickes, rot-orangenes Elektroband zusätzlich zu dem Maschendrahtzaun, hinter dem Stormy gestanden hatte. Das Gras stand hoch, war aber bereits an einigen Stellen heruntergetreten. Offensichtlich lebte hier ein bewegungsfreudiges Pferd. Wo steckte es jetzt wohl? Julia schaute zum Offenstall hinüber.

Aber da kündigte sich Prettys Auftritt auch schon mit einem jubelnden Wiehern an.

Die rotgoldene Stute schoß um die Ecke des Offenstalles und galoppierte auf Danny und Violetta zu. Vor dem Zaun verharrte sie sekundenlang, warf sich dann herum und schwebte im Trab um die Runde. »Schweben« war das einzig richtige Wort, um Prettys Trab zu beschreiben. Mit vollendet gerundetem Hals vollführte die Stute einen schwerelosen Tanz, bei dem ihre Hufe kaum den Boden zu berühren schienen. Sie kokettierte vor Danny und Vio, setzte sich dann wieder in Galopp, änderte die Richtung mittels eines mühelosen Wechsels. Julia und Stephanie sahen ihr mit angehaltenem Atem zu.

»Was für ein wundervolles Pferd!« murmelte Stephanie andächtig. »Schau sie dir gut an, Julia, so was Schönes sieht man selten!«

Wieder war Pretty bei den anderen Pferden stehengeblieben, und diesmal ließ sie den Reiterinnen Zeit, ihren trockenen, edlen Kopf, ihr glänzendes Fell und ihre vollkommene Rückenlinie zu bewundern. Für einen Warmblüter war sie nicht sehr groß, kaum höher als 1,60 m Stockmaß, aber ansonsten entsprach sie dem Zuchtideal hundertprozentig.

»Gefällt sie euch?« kam eine schüchterne Stimme von rechts.