Kälter als die Lüge - J.D. Robb - E-Book

Kälter als die Lüge E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Erzeugt zuverlässig Gänsehaut - der neue Fall für Eve Dallas von SPIEGEL-Bestsellerautorin J.D. Robb!

Eve Dallas ist zufällig in der teuren Weinbar DU VIN, als dort ein aufsehenerregender Mord geschieht: Larinda Mars, selbst ernannte „Gesellschaftsreporterin“, aber in Wirklichkeit eine professionelle Klatschbase, wird erstochen. Eve findet schnell heraus, dass Larinda die saftigsten Skandale für sich selbst behielt, um die Reichen und Berühmten von New York gnadenlos zu erpressen. Offenbar wusste sich jemand nicht mehr anders zu wehren, als sie blutig zum Schweigen zu bringen.

Bei ihren Recherchen muss Eve jeder Menge Klatsch und Tratsch nachgehen. Schon bald sieht sie sich und ihr Team mit dem Unmut der Mächtigen konfrontiert, die alles tun würden, um ihre schmutzigen Geheimnisse zu schützen. Doch Eve weiß: Die kleinen Lügen verbergen eine eiskalte Wahrheit ...

Lesen Sie auch die beiden Bände »Mörderstunde« und »Mörderlied« – die aufregendsten kurzen Fälle von Eve Dallas.

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Seitenzahl: 594

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Buch

Ein brutaler Mord in aller Öffentlichkeit: Larinda Mars, selbst ernannte »Gesellschaftsreporterin«, in Wirklichkeit jedoch eine professionelle Klatschbase, wird in einer teuren Bar erstochen. Eve Dallas findet schnell heraus, dass Larinda die saftigsten Skandale für sich selbst behielt, um die Reichen und Berühmten von New York gnadenlos zu erpressen. Offenbar wusste sich jemand nicht mehr anders zu wehren, als sie so zum Schweigen zu bringen.

Bei ihren Recherchen sehen Eve und ihr Team sich schon bald mit dem Unmut der Mächtigen konfrontiert, die alles tun würden, um ihre schmutzigen Geheimnisse zu schützen. Doch Eve weiß: Die kleinen Lügen verbergen eine eiskalte Wahrheit ...

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts. Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren und veröffentlichte 1981 ihren ersten Roman. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von 500 Millionen Exemplaren überschritten. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Von J.D. Robb bereits erschienen (Auswahl)

Sein teuflisches Herz · Eiskalte Nähe · Im Licht des Todes Der liebevolle Mörder Im Namen des Todes So tödlich wie die Liebe Das Böse im Herzen Zum Tod verführt Aus süßer Berechnung Verführerische Täuschung Tödlicher Ruhm

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

J. D. Robb

Kälter als die Lüge

Roman

Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Secrets in Death« bei St. Martin’s Press, New York.

Dieser Roman ist im Dezember 2022 bei Weltbild erschienen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2017 by Nora Roberts

Published by arrangement with Eleanor Wilder

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Renate Kirschig

Umschlaggestaltung: © www.buerosued.de

Umschlagmotiv: © Magdalena Wasiczek / Trevillion Images und www.buerosued.de

BSt · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN978-3-641-29097-9V001

www.blanvalet.de

Drei können ein Geheimnis wahren,

wenn zwei von ihnen nicht mehr am Leben sind.

BENJAMINFRANKLIN

Es kann auch böse sein, wenn man nichts Falsches über einen Menschen sagt.

Es gibt auch viele Wahrheiten, die man für sich behalten sollte.

FRANK A. CLARK

Es brächte sie bestimmt nicht um.

Wahrscheinlich nicht.

Mit grimmigem Gesicht und ihrer warmen Glitzerflocken-Mütze auf dem Kopf bahnte Lieutenant Eve Dallas sich einen Weg durch das Gedränge auf dem Bürgersteig, und die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, waren fast so schneidend wie der kalte Februarwind.

Zwar gab es auf den Straßen wieder einmal die gewohnten kilometerlangen Staus, doch wenn sie sich entscheiden könnte, hätte sie sich jetzt trotzdem lieber in ihrem Wagen bis nach Hause durchgekämpft. Oder sich irgendwo in einer dunklen Gasse in der Innenstadt in einen wilden Kampf mit einem aufgeputschten Zeus-Junkie gestürzt.

Stattdessen war sie auf dem Weg in eine schicke Bar.

Aber ein Deal war nun einmal ein Deal, und da sie heute Abend keinen guten Grund gefunden hatte, um DeWinter nochmals abzusagen, brächte sie es am besten schnell hinter sich.

Warum konnte nicht in diesem Augenblick ein Mord geschehen?

Dann hätte sie als Mordermittlerin zu arbeiten und keine Zeit für Small Talk und exklusive Drinks.

Da sie schon wieder die verdammten Handschuhe vergessen hatte, stopfte sie die Hände in die Taschen ihres langen Ledermantels und sah sich nach allen Seiten um. Vielleicht entdeckte sie ja einen Taschendieb, schließlich luden die Touristen diese Kerle mit ihren schlecht verstauten Brieftaschen und Geldbörsen regelrecht zu Diebestouren ein.

Wenn sie ihn dann verhaften und das Treffen abermals verschieben müsste, wäre das nicht ihre Schuld.

Anscheinend aber machten heute Abend selbst die Taschendiebe und die Trickbetrüger blau.

Sie sagte sich, dass ein, zwei Drinks mit dieser zwar brillanten, aber nervtötenden Modepuppe sicherlich nicht tödlich wären.

Vor allem hatte man im Jahr 2061 gegen Tod durch Langeweile doch wahrscheinlich schon ein Heilmittel entdeckt.

Nur eine halbe Stunde, dachte sie. Dann könnte sie verschwinden und die Sache wäre endlich abgehakt.

Vor dem Eingang des Lokals blieb sie kurz stehen, eine hochgewachsene, schlanke Frau in flachen, knöchelhohen, robusten Stiefeln, einem langen schwarzen Mantel sowie einer lächerlichen Skimütze mit einer Glitzerschneeflocke auf dem kurz geschnittenen braunen Haar.

Du Vin.

Was für ein blöder Name!

Sie verzog verächtlich das Gesicht. Snobistisches Französisch, als wäre dies nicht eine ganz normale Bar.

Sie überlegte kurz, ob das Du Vin vielleicht eins der Lokale ihres Ehemannes war, manchmal kam es ihr so vor, als würde Roarke der Großteil von New York gehören.

Wie gern säße sie jetzt mit ihm daheim bei einem Gläschen Wein!

Aber sie war nun einmal hier.

Sie öffnete die Tür, riss sich die Wollmütze vom Kopf und stopfte sie in eine Tasche ihres Mantels, um zumindest einen Rest an Würde zu bewahren.

Dann trat sie aus der Hektik und dem Lärm der Großstadt in die angesagte, teure Beize, wo zwar keine Hektik herrschte, es aber genauso laut wie draußen war.

Der elegante silberfarbene Tresen bildete ein langgezogenes S entlang der hinteren Wand. Die verspiegelten Regale waren mit Flaschen teurer Alkoholika gefüllt, und auf dem obersten Regalbrett standen schwarz-weiß karierte Blumentöpfe voll rot blühender exotischer Hängepflanzen aufgereiht.

Die ebenfalls schwarz-weiß karierten Hocker vor der Theke waren ausnahmslos besetzt, und da sich auch noch andere Gäste vor dem Tresen drängten, hatten die drei Barkeeper alle Hände voll zu tun.

Der großzügig geschnittene, von eleganten Silberleuchtern angenehm erhellte Raum bot Platz für niedrige und hohe Tische und diverse, abgeschiedene Nischen, das elegant in strenges Schwarz gehüllte Personal bewegte sich geschmeidig hin und her und nahm lächelnd die Bestellungen der Gäste auf.

Außer dem Geräusch der Stimmen, dem Klirren der Gläser und dem Klicken hoher Absätze auf dem Parkett hörte Eve französischen Gesang, der aus den Lautsprechern der Stereoanlage drang.

Das alles wirkte einfach … übertrieben schick.

Sie sah sich instinktiv nach allen Seiten um, bevor ihr Blick an einer blonden Frau mit feingemeißeltem Gesicht, einer Woge seidenweichen Haars und einem wohlgeformten Körper, der in einem pinkfarbenen Catsuit und in hochhackigen Stiefeln steckte, die dasselbe Grün wie ihre Augen hatten, hängen blieb.

Larinda Mars, die Klatschreporterin – oder, wie sie sich selber nannte, die Gesellschaftskolumnistin – wollte sie hier bestimmt nicht treffen, denn abgesehen von einem bunten Cocktail, dessen Namen sie sich niemals merken könnte, war das Letzte, was sie wollte, dass im Fernsehen berichtet würde, sie sei hier gewesen.

Zum Glück war Mars im Augenblick zu sehr in das Gespräch mit ihrem Tischnachbarn vertieft, um sie zu registrieren. Der Mann war Mitte dreißig, hatte eine Haut wie Milchkaffee, gewelltes braunes Haar und blaue Augen, die genauso übellaunig blitzten, wie Eve selbst es augenblicklich war.

Er trug eine teure Markenuhr am Handgelenk und einen Anzug, der bestimmt nicht von der Stange kam. Auch wenn Eve sein Gesicht nichts sagte, war sie ihm dafür etwas schuldig, dass Larinda Mars sie erst einmal nicht sah.

Dann trat die Empfangsdame mit kompliziert geflochtenem feuerrotem Haar und einem geübten Lächeln auf den Lippen auf sie zu.

»Guten Abend. Haben Sie reserviert?«

»Keine Ahnung. Ich bin hier mit jemandem verabredet. Vielleicht hat sie ja noch zu tun und schafft es heute Abend nicht.« Ja bitte, lieber Gott.

»Hat sie womöglich reserviert?«

»Das weiß ich nicht. Sie heißt Garnet DeWinter.«

»Ja, natürlich. Sie ist bereits da und macht sich gerade unten frisch, ich bringe Sie gerne an ihren Tisch.«

»Okay.«

Zumindest wurde sie an einen Platz geführt, an dem sie für Larinda Mars nicht sofort zu sehen war.

»Darf ich Ihnen Ihren Mantel abnehmen?«

»Nein.« Sie nahm auf einem der karierten Stühle in der hinter einer Wand mit weiteren Blumentöpfen von den anderen Tischen abgetrennten Nische Platz.

Als Polizistin hätte sie zwar lieber so gesessen, dass sie alles überblicken könnte, aber eine halbe Stunde käme sie bestimmt auch so zurecht.

Ein Glas mit einer pinkfarbenen Flüssigkeit stand bereits auf dem Tisch.

»Cesca wird sich heute Abend um Sie kümmern und wird gleich bei Ihnen sein.«

»Ja, danke.«

Sie machte sie sich selber Mut, dann wickelte sie sich aus dem von ihrer Partnerin gestrickten, meterlangen Schal und legte resigniert den Mantel ab, als die Bedienung, deren violett gefärbte kinnlange Haare fröhlich wippten, auf der Bildfläche erschien.

»Guten Abend. Ich heiße Cesca und bin heute Abend für Ihren Tisch zuständig. Was darf es für Sie sein?«

Am liebsten hätte Eve aus reinem Trotz ein schlichtes Bier bestellt. »Rotwein.«

»Glas, Karaffe oder Flasche?«

»Nur ein Glas.«

Cesca drückte auf den Knopf der kleinen Fernbedienung, die an ihrem Gürtel hing, und auf dem Bildschirm an der Wand erschien eine ellenlange Liste der verschiedenen Rotweinsorten, die es im Du Vin im Ausschank gab.

»Hätten Sie gern ein wenig Zeit zum Auswählen?«

»Nein …« Inzwischen kannte Eve sich halbwegs aus, denn wenn ein Mensch mit Roarke zusammenlebte, bekam er, selbst wenn er es nicht wollte, automatisch ein paar Dinge über Weine mit. Sie wies auf einen Cabernet, der von einem Weingut ihres Mannes stammte und den es bei ihnen zu Hause gelegentlich gab.

»Das ist ein wunderbarer Wein. Ich bringe Ihnen gleich ein Glas. Möchten Sie dazu ein paar Hors d’œuvres oder eine andere Kleinigkeit zu essen?«

»Nein, danke.«

Die Bedienung behielt ihr Lächeln bei. »Falls Sie es sich anders überlegen, können Sie Ihre Wünsche einfach in die Karte eingeben. Wir haben eine wunderbare Auswahl kleiner Appetithäppchen im Angebot. Jetzt hole ich erst mal Ihren Wein.«

Als sie den Tisch verließ, kam Eves Verabredung durch eine Tür hinter der Bar.

DeWinter trug ein enges Kleid im selben Ton wie Cescas Haar und weiche, hohe silbergraue Stiefel, deren mörderische Absätze so dünn wie feine Silberdrähte waren.

Als sie Eve entdeckte, verzog sie den violett geschminkten Mund zu einem Lächeln und die klaren blauen Augen, die in leuchtendem Kontrast zu ihrer karamellfarbenen Haut und ihren glatten schwarzen Haaren standen, blitzten amüsiert.

Mit selbstbewussten Schritten kam sie an den Tisch und nahm Eve gegenüber Platz.

»Sie haben es tatsächlich geschafft.«

»Haha.«

»Ich war mir sicher, dass gleich eine Nachricht käme, dass Sie wieder einmal verhindert sind.«

»Ich habe heute Abend keinen Mordfall reingekriegt.«

»Wie schön.«

»Das hält bestimmt nicht lange an.«

»Wahrscheinlich nicht. Aber wenn urplötzlich nur noch Friede, Freude, Eierkuchen herrschen würde, wären wir beide schließlich arbeitslos. Sie brauchen einen Drink.«

»Ich habe schon etwas bestellt.«

DeWinter griff nach ihrem eigenen Glas, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und gönnte sich den ersten Schluck. »Die Cocktails hier sind wirklich der Hit. Am liebsten mag ich diesen hier, den Nuage Rose. Was trinken Sie?«

»Ich bin zum ersten Mal hier im Du Vin und dachte, dass ein Rotwein gut zum Namen des Ladens passt.«

»Ich habe angenommen, Sie wären schon mal hier gewesen, weil er schließlich Roarke gehört.«

Das hätte Eve sich denken können. »Wenn ich in alle seine Läden gehen würde, hätte ich nicht mehr genügend Zeit, um auch noch irgendetwas anderes zu tun.«

»Da haben Sie natürlich recht. Aber dies ist eine meiner Lieblingsbars.« DeWinter hob das Glas an ihren Mund, während sie entspannt den Blick über die anderen Tische schweifen ließ. »Von meiner Arbeit ist es nur ein Katzensprung, es kommen interessante Leute her, die Einrichtung ist wunderschön und der Service ausgezeichnet.«

Wie aufs Stichwort tauchte Cesca in dem Augenblick mit Eves Bestellung auf.

»Sie haben zwar nichts bestellt, aber …«, Cesca stellte einen Teller voller dünner goldener Stäbchen auf den Tisch.

»Olivengebäck. Woher wussten Sie, dass ich da ganz unmöglich widerstehen kann, Cesca?«

Lächelnd stellte die Bedienung ihnen zwei kleine Tellerchen dazu und legte ein paar hübsch gemusterte Papierservietten daneben. »Lassen Sie mich einfach wissen, wenn Sie sonst noch etwas brauchen.«

»Die Olivenstangen sind großartig«, wandte DeWinter sich an Eve und griff begeistert zu.

Um nicht unhöflich zu sein – und weil die Stängchen wirklich gut aussahen –, kostete auch Eve das salzige Gebäck.

»Warum kommen wir nicht gleich zum Punkt?« DeWinter knabberte vergnügt an einem Gebäckstück. »Ich habe ganz bestimmt nicht das Verlangen, dass mich jeder mag, und will auch gar nicht wissen, warum ich den Leuten, die mich nicht ausstehen können, nicht sympathisch bin. Wir beide wissen aus Erfahrung, dass einen, sobald man etwas zu sagen hat, nicht mehr jeder leiden kann. Obwohl wir inzwischen längst im einundzwanzigsten Jahrhundert leben, spielt dabei auch eine Rolle, dass wir Frauen sind.«

Sie gönnte sich den nächsten Schluck aus ihrem Glas.

»Auch wenn sich unsere Wege bei der Arbeit nicht routinemäßig kreuzen, ist das bereits vorgekommen und wird auch in Zukunft immer wieder mal passieren.«

Achselzuckend prostete sie Eve mit ihrem Cocktail zu. »Damit kommen wir beide klar, denn wir sind Profis und verstehen etwas von unserem Beruf. Aber wir haben auch persönliche Verbindungen.«

Eve kostete von dem wirklich guten Wein und studierte das betörende Gesicht der anderen Frau. »Haben Sie diese Rede einstudiert?«

Obwohl sie eine ihrer makellosen Brauen hochzog, fuhr DeWinter mit ruhiger Stimme fort: »Nein, aber ich hatte jede Menge Zeit, darüber nachzudenken. Also … ich bin mit ein paar von Ihren Freundinnen und Freunden ebenfalls befreundet. Beispielsweise mit Nadine und Mavis, weshalb Mavis mich auch zur Geburtstagsfeier der kleinen Bella eingeladen hat. Ein wirklich tolles Fest, nicht wahr?«

»Für Mavis ist auch ein ganz normaler Wochentag ein Fest.«

»Das ist ein Teil ihres besonderen Charmes. Ich mag sie wirklich sehr, obwohl ich weiß, dass Mavis eine der Ihren ist …«

»Mavis gehört mir nicht.«

»Aber sie ist Ihnen wirklich wichtig und gehört zu Ihrem engsten Freundeskreis. Sie achten sorgfältig darauf, wen Sie in diesen Kreis mit einbeziehen, und das respektiere ich. Wir beide werden sicher niemals BFFs, aber …«

»Wir werden niemals was?«

»Entschuldigung, das ist der Einfluss meiner Tochter«, erklärte DeWinter ehrlich amüsiert. »Best friends forever. Beste Freundinnen für alle Zeiten. Natürlich können wir es auch in Zukunft bei der rein beruflichen Beziehung lassen, doch ich wüsste wirklich gern, was Sie dermaßen an mir stört.«

»Darüber denke ich nicht nach.«

Lächelnd gönnte sich DeWinter einen weiteren Schluck von ihrem pinkfarbenen Drink. »Vielleicht könnten Sie das ja kurz tun.«

Eve wusste wirklich nicht, warum das für DeWinter wichtig war, und achselzuckend meinte sie: »Im Grunde weiß ich gar nicht, wer Sie sind. Sie machen einen super Job, das ist alles, was mich interessiert.«

»Ich kann mitunter ziemlich herrisch sein, aber das sind Sie auch.«

»Okay.«

»Wir gehen einen Fall vielleicht nicht immer aus derselben Perspektive an, aber wir haben dasselbe Ziel.«

»Das stimmt.«

»Sie sind nicht unbedingt die Art von Mensch, die ich zur Freundin haben wollte, weil Sie oft erschreckend unhöflich, stur und fürchterlich verkniffen sind.«

Obwohl sich Eve an dem Wort verkniffen störte, schenkte sie sich einen Kommentar und fragte nur: »Was machen wir beide dann hier?«

DeWinter beugte sich ein wenig zu ihr vor. »Trotz aller dieser Eigenschaften sind nicht nur die Mitarbeiter Ihres Dezernats, sondern auch die Menschen in Ihrem privaten Umfeld Ihnen gegenüber durch und durch loyal, dazu werden Sie von einem Mann, den ich bewundere und respektiere, abgöttisch geliebt.«

Eve griff nach einer weiteren Olivenstange. »Vielleicht steht er ja auf unhöfliche, sture und verkniffene Frauen.«

»So sieht’s auf alle Fälle aus. Aber ich weiß, dass er ein guter Menschenkenner ist und immer das Gesamtbild sieht. Ich sehe Ihren kleinen, aber äußerst bunten Freundeskreis. Ich interessiere mich zwar auch für das Gesamtbild, aber nebenher auch fürs Detail, deshalb haben Sie mich neugierig gemacht.«

Lässig griff auch sie nach einer Olivenstange. »Vielleicht auch wegen Morris, weil auch Morris einer Ihrer Leute ist.«

Eve runzelte die Stirn. »Genau wie Mavis gehört mir auch Morris nicht.«

»Natürlich nicht, doch er gehört nun mal zu Ihrem Kreis, und mir ist klar, dass Sie die Loyalität, die er Ihnen entgegenbringt, erwidern. Aber auch wir sind gute Freunde, obwohl nichts zwischen uns läuft.«

»Ich wüsste nicht, was mich das …«

»… angeht? Das ist ja wohl blödsinnig, und dass Sie nicht drüber reden wollen, ist ein weiterer Beweis für Ihre furchtbare Verkniffenheit«, stellte DeWinter fest und lachte, als sie das erboste Blitzen in Eves Augen sah. »Ich glaube nicht, dass Sie so etwas allzu oft zu hören bekommen.«

»Nur wenn mein Gegenüber sich eine einfangen will.«

»Ich weiß Ihre Zurückhaltung zu schätzen, trotzdem werde ich Ihnen sagen, wie es zwischen mir und Morris steht. Ich schätze ihn als Freund, doch obwohl er innerlich wie äußerlich perfekt ist und ich selber auch nicht unattraktiv bin, fühlen wir uns nicht erotisch zueinander hingezogen.«

Leise seufzend wandte sie sich ab, dann aber fügte sie hinzu: »Ich gebe zu, ich habe mir des Öfteren gewünscht, es wäre anders, doch so ist es einfach nicht. Weder Morris noch ich haben Schmetterlinge im Bauch. Ich kannte Amaryllis nicht, aber ich weiß, er hat sie sehr geliebt. Sie kennen sich mit dieser Form von Liebe aus und wissen, dass ihr Tod ein fürchterlicher Schlag für ihn war. Denn Sie waren damals und Sie sind noch immer für ihn da.«

Eve wusste, wenn ihr jemand Quatsch erzählte und wenn jemand ehrlich war. Ganz eindeutig machte ihr die andere Frau im Moment nichts vor.

Etwas besänftigt meinte sie: »Er trauert immer noch um sie. Zwar nicht mehr wie am Anfang, aber sie fehlt ihm doch sehr.«

»Das stimmt, vielleicht hört das auch nie völlig auf. Wir sind uns in einer Zeit begegnet, als wir beide Freundschaft und Gesellschaft brauchten, wenn wir was miteinander angefangen hätten, hätte das die Sache unnötig verkompliziert. Wir haben zahlreiche gemeinsame Interessen, und außerdem ist er auch ein guter Freund für meine Tochter, die die Liebe meines Lebens ist. Ich brauche Morris nicht, damit er eine Leerstelle in meinem Innern füllt. Dafür brauche ich niemanden, weil es so eine Leerstelle in meinem Innern gar nicht gibt, vor allem aber möchte ich das Leben meines Babys nicht dadurch verkomplizieren, dass ich ihr einen Typ vor die Nase setze, der im Grunde nichts mit ihr zu tun hat, weil er nicht ihr Vater ist.«

Mit einem neuerlichen Seufzer fuhr sie fort: »Obwohl der Sex mir durchaus fehlt. Trotzdem ist und bleibt Miranda nun einmal mein Ein und Alles, und es macht mich glücklich, dass sich Li so gut mit ihr versteht und andersherum sie sein Leben etwas heller macht.« Nach einer kurzen Pause offenbarte sie: »Sie war es auch, die wollte, dass ich mich mit Ihnen treffe.«

»Ach. Warum das denn?«

»Sie hat Ihren Namen schon des Öfteren gehört und Sie im Fernsehen und im Internet gesehen. Es ist ein bisschen schwierig, sie von diesen Dingen fernzuhalten, weil sie sich nun einmal dafür interessiert und wirklich clever ist. Außerdem haben Sie und Roarke Bella zum Geburtstag dieses Puppenhaus geschenkt. Das war ein echter Volltreffer. Aber bevor ich Ihnen meine Tochter vorstellen konnte, waren Sie schon nicht mehr da.«

»Es gab einen Vorfall, wir mussten plötzlich weg.«

»Ich weiß. Das habe ich gehört. Wie geht es dem Beamten, der dabei verwundet worden ist?«

»Er ist zwar noch krankgeschrieben, aber auf dem Weg der Besserung.«

»Das freut mich zu hören.«

»Wir sind danach noch einmal zurückgekommen. Zu der Feier.«

»Ja, das hat Li mir erzählt, aber da waren wir schon nicht mehr da. Meine Tochter musste einem Schulprojekt den letzten Schliff verpassen. So hat sie es ausgedrückt. Ich wiederhole noch einmal – Morris und ich sind einfach nur gute Freunde, weiter nichts. Wenn Sie also Probleme mit mir haben, hoffe ich doch sehr, es geht Ihnen dabei nicht um ihn.«

»Okay.« Eve trank ein Schlückchen Wein und dachte nach. »Ich kenne Sie im Grunde nicht, und das bisschen, was ich bisher mitbekommen habe, ist mir völlig fremd. Sie wirken auf mich wie ein fürchterlicher Snob, der superstolz auf all die Buchstaben vor seinem Namen ist.«

Zum ersten Mal regte sich DeWinter auf. »Ich bin kein Snob!«

»Und was ist das für ein Zeug, das Sie da trinken? Warum hatten Sie so einen affigen, französischen Akzent, als Sie erzählt haben, wie der Cocktail heißt?«

»Ich trinke diesen Cocktail einfach gerne, und dass ich Französisch kann, macht mich noch lange nicht zu einem Snob.«

Eve hätte nicht gedacht, dass sie es schaffen würde, die Anthropologin aus dem Gleichgewicht zu bringen, und fuhr zufrieden lächelnd fort: »Außerdem stolzieren Sie permanent in diesen schicken, sorgsam aufeinander abgestimmten Klamotten herum.«

»Dafür haben Sie Sechstausend-Dollar-Stiefel an.«

»Habe ich nicht.« Entgeistert schob Eve einen ihrer Füße vor und starrte ihren Stiefel an. »Oh Gott.« Wahrscheinlich hatte Roarke für diese Dinger wirklich so viel Kohle auf den Tisch gelegt. »Aber der Unterschied ist der, dass ich nicht weiß, wie teuer Ihre Stiefel sind, und dass niemand mit nur einem Funken Grips etwas anziehen würde, worin man nicht richtig laufen kann.«

DeWinter wirkte ehrlich überrascht. »Sie haben ein Problem damit, wie ich mich anziehe?«

»Das zeigt, was für ein Mensch sie sind«, beschloss die Mordermittlerin spontan.

»Das zeigt, was für ein Mensch ich bin?« DeWinter fuchtelte mit einem Olivenstängel vor Eves Gesicht herum. »Sie haben sich nur aufgrund von meinem Aussehen eine Meinung über mich gebildet? Von einer derart guten Polizistin hätte ich eindeutig mehr erwartet.«

»Sie genießen es unglaublich, vor der Kamera zu stehen.«

»Ach ja? Und wie sieht es mit Ihnen aus? Eine Ihrer engsten Freundinnen ist eine Journalistin, die Sie andauernd ins Fernsehen holt.«

»Ich gehe nur in ihre Sendung, wenn es den Ermittlungen dient.«

»Und was ist mit dem Buch, das sie über den Icove-Fall geschrieben hat? Und mit dem für den Oscar nominierten Film?«

»Genau, sie hat das Buch über den Icove-Fall geschrieben und nicht über mich. Und Sie haben einen Hund gestohlen.«

»Um Himmels willen!«

»Sie haben einen misshandelten, vernachlässigten Hund gestohlen, weil niemand anderes ihm helfen wollte. Sie haben diesen Hund behalten. Ich glaube daran, dass man jede arme Kreatur beschützen und ihr helfen muss, selbst wenn jemand keinen Menschen, sondern einen Hund misshandelt, ist es wichtig, einzugreifen, und das haben Sie getan. Ein Punkt für Sie.«

»Ich kriege einen Punkt für meinen Hund?«

»Genau, und vielleicht auch noch einen für Morris, denn ich habe ein Gespür dafür, wenn jemand mir was vormacht, und das haben Sie eben nicht getan. Vor allem tun Sie ihm wirklich gut. Es geht ihm langsam besser, vielleicht haben Sie ja was damit zu tun.«

»Ich habe Morris wirklich gern.«

»Das habe ich kapiert. Deshalb sind Sie zwar immer noch ein Snob und mediengeil, aber das ist mir klar.«

DeWinter lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und stellte schnaubend fest: »Bei Gott, ich weiß beim besten Willen nicht, weswegen Sie mir auch nur annähernd sympathisch sind.«

»Genauso geht’s mir andersherum auch. Und da ich finde, dass es völlig reicht, wenn wir uns nicht vollkommen unsympathisch sind, werde ich jetzt nach Hause fahren.«

»Aber Sie haben Ihren Wein noch gar nicht ausgetrunken …«, fing DeWinter an, dann klirrte plötzlich Glas, und beide Frauen sahen sich kurz um. Dann aber griff sie abermals nach ihrem Cocktailglas und stellte achselzuckend fest: »Ich selbst trinke auf jeden Fall noch aus.«

Statt ebenfalls nach ihrem Glas zu greifen, sprang Eve auf.

Der Tisch, an dem Larinda Mars und der ihr unbekannte Mann gesessen hatten, war nicht mehr besetzt. Stattdessen torkelte die Klatschreporterin durch das Lokal, und unter ihren Schuhen knirschte es, weil einer der Kellner ein Tablett voll Gläser hatte fallen lassen, als er mit der Frau zusammengestoßen war.

Larindas Augen waren glasig, und sie starrte reglos auf das Blut, das aus dem rechten Ärmel ihres pinkfarbenen Catsuits auf den Boden troff.

Eve stürzte auf sie zu, und jemand anderes fing an zu schreien.

Bevor sie Mars erreichte, fiel diese einfach um und riss Eve mit, als sie zu Boden ging.

»DeWinter!«, brüllte Eve und zerrte an Larindas engem Ärmel, um zu sehen, was der Grund für die verdammte Blutung war.

»Ich bin schon da. Drücken Sie ihren Arm ab.«

»Aber wo?«

DeWinter ließ sich auf die Knie fallen und drückte beidhändig Mars’ rechten Bizeps ab. »Wir müssen den Ärmel aufschneiden. Ich brauche etwas, womit ich sie verbinden kann, denn sie hat schon jede Menge Blut verloren.«

Eve sprang wieder auf und grub in ihrer Tasche nach dem kleinen Messer, das sie immer bei sich trug. »Hier, nehmen Sie. Sie da!« Sie hielt eine der Serviererinnen fest. »Niemand verlässt den Raum.«

»Aber ich kann nicht …«

»Sperren Sie die verdammte Tür ab«, fauchte sie und zog sich eilig den Gürtel aus. »Und Sie da!«, wandte sie sich, als die Leute panisch durcheinanderliefen, einem der drei Barkeeper zu. »Rufen Sie einen Krankenwagen. Jetzt, sofort. Wir brauchen einen Arzt.«

»Ich bin Mediziner«, rief ein Mann und kämpfte sich durch das Gedränge bis zu ihnen durch.

»Ich auch«, erklärte ihm DeWinter und schnitt eilig den verfluchten Ärmel auf. »Ich fühle keinen Puls.«

»Es ist die Oberarmarterie.« Er schwang sich rittlings auf Mars’ Beine und presste in einem gleichmäßigen, festen Rhythmus beide Hände auf ihr Herz. »Machen Sie ihr einen Druckverband. Wenn wir sie am Leben halten können … sagen Sie den Sanitätern, dass wir Blut brauchen. 0 negativ. Sie braucht so schnell wie möglich eine Transfusion.«

Eve überließ die Frau der Ärztin und dem Arzt und wandte sich den Umstehenden zu.

»Alle bleiben, wo sie sind!« Sie zückte ihre Dienstmarke und hielt sie in die Luft. »Ich bin Polizistin. Setzen Sie sich hin und machen Sie den Ärzten Platz.« Als ein Mann in einem Kaschmirmantel die Bedienung von der Tür wegschieben wollte, baute sie sich drohend vor ihm auf. »Hinsetzen, habe ich gesagt.«

»Sie haben nicht das Recht …«

Sie schob den Mantel weit genug zurück, damit er ihre Waffe sah. »Wetten, dass?«

Obwohl er sie mit einem bitterbösen Blick bedachte, stapfte er zur Bar und blieb dort stehen.

»Niemand verlässt den Raum. Und niemand außer Polizei und Sanitätern kommt hier rein.«

»Die Sanitäter brauchen wir nicht mehr.« Mit blutverschmierten Händen richtete DeWinter sich auf ihren Fersen auf. »Sie ist tot.«

Das war’s dann wohl mit dem freien Abend, dachte Eve und rief bei der Zentrale an.

Dies war eine Kneipe voller Leute, unter denen sich unter Umständen ein Mörder befand. Obwohl sie davon ausging, dass der Mensch, der Mars verwundet hatte, längst verschwunden war. Also müsste sie zunächst mit denen vorliebnehmen, die geblieben waren.

»Ruhe!«, brüllte sie, und als es endlich etwas leiser wurde, fügte sie hinzu: »Ich will, dass alle bleiben, wo sie sind.«

»Ich will nach Hause«, schluchzte eine junge Frau, und Eve nickte ihr zu.

»Das kann ich gut verstehen, ich werde alles tun, damit Sie alle möglichst schnell von hier verschwinden können, aber zuerst müssen diese beiden Tische hier in den hinteren Bereich des Raums verschoben werden.«

»Da vorn ist alles voller Blut.«

»Das stimmt, deshalb setzen Sie sich bitte auch woanders hin. Nehmen Sie Ihre Sachen mit und gehen Sie an das Ende des Raums.«

»Warum haben Sie hier das Kommando?«, wollte jemand wissen. »Sie haben nicht das Recht, uns festzuhalten.«

Wieder hob sie einfach ihre Marke hoch. »Das hier ist eine Polizeimarke. Ich bin Lieutenant Eve Dallas und ich führe polizeiliche Ermittlungen durch.«

»Uh, Ma’am?« Die Bedienung an der Tür hob brav die Hand.

»Lieutenant.«

»Nun, die Sanitäter sind jetzt da, sie fahren gerade vor.«

»Lassen Sie sie rein, und dann gehen bitte endlich alle auf die andere Seite des Raums.«

Eine Frau stand auf, streckte zitternd die Hand nach ihrer Tasche aus und fiel dann einfach um. Sofort brachen auch alle anderen erneut in Panik aus, doch Eve wandte sich erst einmal den Sanitätern zu, die in ihre Richtung kamen.

»Kümmern Sie sich zuerst um die ohnmächtige Frau da vorn. Für die, die hier in ihrem Blut liegt, können Sie nichts mehr tun.« Dann wandte sie sich abermals den Gästen zu und bat: »Hören Sie zu! Ich kann Ihre Namen und Aussagen hier im Lokal aufnehmen und Sie dann gehen lassen, oder ich kann einen Wagen rufen, der Sie alle auf die Wache bringt. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Wenn Sie schnell hier raus wollen, geben Sie jetzt Ruhe, und die Leute an dem Tisch da vorne setzen sich woanders hin.«

»Ich lasse meine Freundin nicht allein.«

Eve betrachtete den Mann, der die Frau aufgefangen hatte, als sie ohnmächtig geworden war. »Okay, aber machen Sie Platz, damit die Sanitäter nach ihr sehen können, Mann. Wenn sie wieder zu sich kommt, schirmen Sie ihre Augen vor dem Blut auf dem Boden ab und führen sie dorthin, wo bereits die anderen Leute sitzen oder stehen, und dort tritt bitte jemand seinen Sitzplatz an sie ab. Wie heißt sie überhaupt?«

»Marlee.«

»Also, Marlee braucht gleich einen Stuhl.« Sie wandte sich einem der Barkeeper zu. »Wie sieht’s mit einem Glas Wasser für sie aus?«

»Uh. Die Polizei ist da.«

Eve atmete erleichtert auf. »Lassen Sie sie rein und gehen Sie dorthin, wo alle anderen stehen. Danke.«

Die beiden Streifenpolizisten waren besser, als wenn sie auch weiter ganz allein gewesen wäre, dachte Eve. »Ich muss den Teil des Raums hier sichern, und die Leute an dem Tisch da vorn müssen woandershin. Holen Sie ihnen ein paar Stühle.«

»Zu Befehl, Ma’am.«

»Wir brauchen etwas, um die Tote zuzudecken.«

»Nein«, widersprachen Eve und Garnet wie aus einem Mund, und Eve schaute die Ärztin unter hochgezogenen Brauen hervor an.

»Es tut mir leid«, wandte sich DeWinter an den Arzt. »Ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«

»Sterling«, stellte er sich vor. »Bryce Sterling«

»Dr. Sterling. Vielen Dank für das, was Sie getan haben. Wir können sie nicht zudecken, weil dann vielleicht forensisches Beweismaterial verloren geht.«

»Ich habe ein paar Stellwände bestellt«, erklärte Eve. Und einen Untersuchungsbeutel, weil ihr eigenes Set im Kofferraum ihres zwei Blocks entfernt geparkten Wagens lag. »Wer hat hier das Sagen?«

»Ich.« Eine der Personen, die die Theke machten, hob die Hand.

»Name?«

»Emily Francis.«

»Miss Francis, haben Sie hier drinnen Überwachungskameras?«

»Nein, wir haben nur welche draußen an der Tür.«

»Gibt es noch einen anderen Ausgang?«

»Durch die Küche.« Sie wies hinter sich.

»Ist dort hinten jemand?«

»Ich … das heißt, ich war bis eben dort«, meldete sich ein junger Mann. »Ich war hinten im Lager, dann hörte ich die Schreie und kam vorgerannt.«

»Und wir waren in der Küche«, sagten die drei Leute mit den weißen Schürzen, die neben der Schwingtür standen, aus.

»Ist jetzt noch jemand dort?«

»Nein. Aber ich müsste nachschauen, ob in der Küche alles ausgeschaltet ist, falls das in Ordnung ist.«

»Sie heißen?«

»Curtis Liebowitz, doch alle nennen mich nur Curt.«

»In Ordnung, Curt, ist in der letzten halben Stunde jemand durch die Küche rausgegangen?«

»Uh-uh. Ich meine, nein. Das hätten wir gesehen.«

»Dann gehen Sie kurz nach hinten, Curt, und kommen, so schnell es geht, zurück. Okay.« Sie wandte sich erneut den Gästen zu. »Ich werde Ihnen sagen, wie es weitergeht. Diese Beamten hier nehmen Ihre Namen, Kontaktdaten und Aussagen auf. Wenn sie und die Beamten, die jetzt gerade auf dem Weg sind, damit durch sind, können Sie gehen.«

Sie sah die beiden Polizisten an. »Wir müssen wissen, welche Gäste in der Nähe unseres Opfers saßen, falls sie noch hier sind, halten Sie sie bitte fest.«

»Verstanden, Ma’am.«

»Dann los, an die Arbeit. Emily, nicht wahr?«

»Ja.«

Eve beugte sich ein wenig zu ihr vor und fragte sie mit leiser Stimme: »Wissen Sie, wem das Lokal gehört?«

»Ja, das weiß ich.«

»Wissen Sie auch, wer ich bin?«

»Ja. Das wurde mir klar, als ich Ihren Namen hörte, aber …«

»Gut. Sie müssen dafür sorgen, dass die Angestellten ruhig bleiben und Wasser oder Limonade an die Gäste, die noch hier sind, austeilen. Bekommen Sie das hin?«

»Ja. Lieutenant? Ich … kenne sie. Das Opfer, meine ich. Miss Mars. Larinda Mars.«

»Persönlich?«

»Nein. Das heißt, nicht wirklich, aber sie ist Stammgast hier bei uns und sie kommt oft im Fernsehen. Sie berichtet von Berühmtheiten und so.«

Das Mädchen wirkte grundsolide, dachte Eve. Das aber hätte sie sich denken können, nachdem ihr von Roarke die Leitung eines seiner Läden übertragen worden war. »Ich sehe den Mann nirgendwo, mit dem sie vorhin noch an einem Tisch gesessen hat.«

»Ich glaube, der ist vorher weggegangen … als sie auf der Toilette war. Ich meine, sie ist durch die Tür da vorn gegangen, die zu den Toiletten führt, deswegen dachte ich, sie hätte sich kurz frisch gemacht.«

»Kannten Sie den Mann, mit dem sie hier war?«

»Nein, aber er hat die Drinks mit seiner Smartphone-App bezahlt, ich kann gerne nachsehen, wie er heißt.«

»Das wäre nett, danach lassen Sie die anderen die Getränke austeilen. Aber keinen Alkohol, okay?«

»Okay.«

»Wer hat an ihrem Tisch bedient?«

»Der Tisch gehört zu Kyles Bereich.« Sie sah sich um und nickte mit dem Kinn dorthin, wo er mit zwei Servierinnen stand. »Er steht da vorn bei Cesca und bei Malory.«

»Okay, dann gucken Sie jetzt für mich nach, wie Mars’ Begleiter heißt.«

Eve selbst ging wieder zu der Toten und wandte sich DeWinter zu. »Ich kann sie zwar noch nicht genauer untersuchen, aber ich und die Geschäftsführerin wissen, wer sie ist. Sie heißt Larinda Mars.«

»Wusste ich es doch, dass ich sie schon mal irgendwo gesehen hatte«, stimmte DeWinter ihr zu. »Und zwar im Fernsehen.«

»Und mein Rekorder hat dazu noch aufgenommen, wie Sie und Dr. Sterling festgestellt haben, dass sie nicht mehr am Leben ist.«

»Sie haben uns aufgenommen?«

»Meine Güte, regen Sie sich ab. Ich habe den Rekorder eingeschaltet, als sie auf mich zugetaumelt ist. Dr. Sterling, was meinen Sie als Mediziner, wie lange es dauert, bis jemand von ihrer Größe und ihrem Gewicht nach einem Schnitt in seine – Was genau? Die Oberarmarterie? – verblutet ist?«

»Kommt ganz drauf an. Vielleicht nur zwei Minuten, vielleicht hält er auch ein paar Minuten länger durch. Im Grunde aber war sie bereits tot, bevor wir sie gesehen haben, denn sie hatte schon so viel Blut verloren, dass sie nicht mehr zu retten war.«

»In Ordnung. Dann hat also jemand ihre Oberarmarterie verletzt. Was war ihre unmittelbare Reaktion darauf?«

»Kommt ebenfalls drauf an. Obwohl das Blut mit jedem Herzschlag aus der Öffnung schießt, würde es bei einem kleinen Kratzer oder einem kleinen Schnitt trotz allem ziemlich langsam gehen. Wenn man die Wunde nicht gleich abdrückt, ist man erst einmal verwirrt, orientierungslos, steht unter Schock, bis man am Schluss bewusstlos wird und stirbt.«

»In Ordnung. Vielen Dank. Ich schreibe mir noch schnell Ihre Adresse auf, dann können Sie nach hinten in die Küche und sich sauber machen, wenn Sie wollen. Danach dürfen Sie gehen.«

»Meine Frau ist auch hier. Sie …«

»Ich werde dafür sorgen, dass sie umgehend vernommen wird, damit sie Sie begleiten kann.«

In diesem Augenblick erschienen ihre Partnerin und deren Schatz.

Detective Peabody trug eine bunte Pudelmütze auf dem momentan kinnlangen, dunklen Haar, und Elektronikass McNab erhellte den gesamten Raum mit seinen karierten Airboots und der leuchtend roten Jacke, die er trug.

Eve lief eilig auf die beiden zu und wehrte ihre Fragen mit erhobenem Zeigefinger ab. »Peabody, Sie nehmen erst mal die Kontaktdaten und Aussage des Mannes auf, der bei der Toten steht. Er ist Arzt, und seine Frau ist irgendwo da drüben in der Menge. Also sprechen Sie danach mit ihr und lassen dann die beiden gehen. Als Nächste nehmen Sie sich die Angestellten vor. Wenn jemand etwas gesehen hat, dann wahrscheinlich sie. McNab, die junge Frau hinter der Theke heißt Emily Francis und wird Ihnen sagen, wo die Aufnahmen der Kameras zu finden sind. Leider gibt es hier nur Kameras über dem Eingang draußen.«

Sie schnappte sich den Untersuchungsbeutel, den er in den Händen hielt. »Ich habe Stellwände geordert, um unsere Tote abzuschirmen. Stellen Sie sie auf, sobald sie kommen, ja? Ich selber gehe jetzt in den Keller, weil sie dort wahrscheinlich angegriffen worden ist.«

»Nur eine Frage«, meinte Peabody und reckte einen Finger in die Luft. »Was in aller Welt ist hier passiert?«

»Sieht aus, als hätte jemand keine Lust mehr auf die Klatschgeschichten aus der High Society gehabt. Und jetzt halten Sie die Leute hier in Schach«, fügte sie noch hinzu und folgte dann der Blutspur bis zur Tür hinter der Bar.

Von dort aus ging es weiter einen kurzen Flur hinab zu einer Treppe und dann zu den Toiletten – einer Tür mit einer stilisierten Frauensilhouette und der Aufschrift Femmes und einer Tür mit einer maskulinen Silhouette und der Aufschrift Hommes.

Die Blutspur führte bis zum Frauenklo, dort blieb Eve kurz stehen, um ihre Hände und die Stiefel einzusprühen.

Sie schob die Tür behutsam auf und sah sofort die Blutspritzer entlang der goldfarben gestrichenen Wand und an dem breit gerahmten Spiegel oberhalb des lang gezogenen, silberfarbenen Beckens mit den elegant geschwungen Armaturen.

Auch auf dem Boden fand sich eine Lache, die bereits ein wenig eingetrocknet war.

Eve bahnte sich den Weg daran vorbei und öffnete die große, pinkfarbene Tasche, die unweit des Waschbeckens an einem Haken hing.

»Dem Ausweis in der Tasche nach gehörte sie dem Opfer. Außer den Papieren enthält sie einen Panikknopf und Pfefferspray und – sieh mal einer an – einen illegalen Stunner. Entweder litt die Frau unter Verfolgungswahn oder sie wusste, dass ihr irgendwer aus welchem Grund auch immer auf den Fersen war.«

Eve sah sich um. »Dieser Lippenstift auf dem Regal unter dem Spiegel ist wahrscheinlich auch von ihr.«

Die Fingerabdrücke, die auf der Hülle prangten, stammten tatsächlich von Mars. Sie tütete sie ein, versiegelte den Beutel und beschriftete ihn fürs Labor.

»Sie war also auf der Toilette, dann hat sie sich die Lippen nachgezogen und sich vielleicht noch die Haare aufgebauscht. Wahrscheinlich ist der Angreifer ihr bis hierher gefolgt. Ich glaube nicht, dass er bereits auf der Lauer lag, als sie hereingekommen ist. Er brauchte eine Waffe, auch wenn dieser Angriff vielleicht nicht von langer Hand geplant war. Dann ist er auf sie losgegangen und hat ihr kurzerhand die Schlagader durchtrennt. Der ersten Untersuchung nach hat sie nur diese eine Schnittwunde am Arm, das heißt, er wusste, wo er sie erwischen musste, oder hatte Riesenglück. Wobei ich eher denke, dass er wusste, was er tat.«

»Hat sie geschrien?« Eve stellte sich Larinda Mars beim Händewaschen vor.

Die Tür wurde geöffnet, und das Opfer konnte den Angreifer im Spiegel sehen.

Dem Spritzmuster des Bluts nach hatte sie sich ihrem Mörder zugewandt.

»Falls sie geschrien hat, war es auf jeden Fall nicht laut genug, dass dieser Schrei für uns zu hören war. Wie es aussieht, hat der Angreifer genau gewusst, wie er sich stellen musste, damit er das Blut, das aus der Wunde schießt, nicht abbekommt. Oder er hat die Blutspritzer an seinen Kleidern unter einem Mantel oder so versteckt und entweder Handschuhe getragen und dann ausgezogen oder sich das Blut an einem von den Becken hier von seinen Händen abgewaschen, ehe er verschwunden ist.«

Sie schloss kurz die Augen und stellte sich das Treiben oben vor. Sie selber hatte dort vor einem gottverdammten Drink gesessen, während hier jemand ermordet worden war.

Kopfschüttelnd schlug sie ihre Augen wieder auf und sah sich abermals auf der Toilette um.

»Vier Kabinen. Alle makellos. Kein Zeichen einer Auseinandersetzung oder eines Kampfs. Abgesehen von dem Blut ist alles sauber, ordentlich und aufgeräumt.«

Vielleicht hatte Mars ja Streit mit jemandem. Mit ihrem Begleiter, einem anderen Gast oder jemandem, der sie verfolgt hatte und nach ihr ins Lokal gekommen war.

Eve konnte noch nicht sagen, wie es abgelaufen war.

Sie nahm eine Probe von dem Blut, das auf dem Boden klebte, und überließ den Rest der Spurensicherung.

Dann tat sie, was sie bisher vor sich hergeschoben hatte, was jetzt aber nicht mehr zu vermeiden war.

Nach dreimaligem Läuten tauchte das Gesicht mit den unglaublich blauen Augen und den wundervoll geschwungenen Lippen auf dem Bildschirm ihres Handys auf.

»Lieutenant«, grüßte Roarke und lächelte sie an. »Wie läuft’s mit dir und Garnet?«

»Wir sind zusammen im Du Vin.«

»Ein Hauch von Frankreich. Also hat wahrscheinlich sie den Treffpunkt ausgesucht«, stellte er mit einer Spur von Irland in der Stimme fest. »Wie gefällt’s dir dort?«

»Es war okay, bevor ein neuer Fall dazwischenkam.«

»Oje. Das tut mir für das Opfer und mich selber leid, weil es jetzt sicher dauern wird, bis du nach Hause kommst.«

»Das stimmt. Wobei ich die Ermittlungen erst einmal hier in deiner schicken Bar durchführen kann. Ich habe nämlich selbst das Opfer aufgefangen, als es zusammengebrochen ist.«

Sein Lächeln schwand, und die blauen Augen wurden kalt. »In einem meiner Läden wurde jemand umgebracht?«

»Ich bin gerade auf dem Frauenklo und fürchte, dass du hier neu streichen lassen musst.«

»Ich komme.«

»Der Form halber muss ich dir sagen, dass du nicht zu kommen brauchst. Aber natürlich ist mir klar, dass du jetzt nicht zu Hause bleiben willst. Das heißt, wir sehen uns hier. Es tut mir leid.«

»Mir auch.«

Er legte auf, und während sie ihr Handy wieder in die Tasche schob, öffnete Peabody die Tür und schaute sich mit braunen Augen um.

»Tja nun, auf alle Fälle wissen wir, wo man sie angegriffen hat.«

»Das stimmt.«

»Die Stellwände sind da und wurden auch schon aufgestellt. Es hilft den Leuten, dass sie jetzt die Tote nicht mehr sehen, trotzdem sind sie noch entsetzlich aufgeregt. Soll ich mich um die Leiche kümmern oder um die Gäste und das Personal?«

»Am besten nehmen Sie erst einmal die Aussagen der Gäste auf. Die beiden Streifenpolizisten haben die Leute rausgesucht, die in Mars’ Nähe saßen, am besten fangen Sie mit denen an. Sie selber saß mit einem Mann am Tisch. Mitte dreißig, farbig, blaue Augen und gewelltes, braunes Haar. Er schien nicht gerade arm zu sein, denn er trug einen teuren dunkelgrauen Maßanzug, ein blaues Hemd und einen blau-grau gestreiften Schlips mit einem Hauch von Rot. Auch seine Uhr sah teuer aus. Das Armband war aus Silber oder Weißgold, was von beidem, weiß ich nicht genau.«

»Wie nahe waren Sie den beiden?«

»Eindeutig nicht nah genug, obwohl sie beide gut zu sehen waren. Er sah während ihrer Unterhaltung alles andere als glücklich aus.«

»Sie wissen, wer die Tote ist, nicht wahr?«

»Larinda Mars, die Königin des Klatschs und Tratschs. Auch wenn das noch nicht offiziell bestätigt ist. Inzwischen hat die Frau, die hier den Laden schmeißt, bestimmt den Namen ihres Begleiters für mich herausgesucht. Nehmen Sie also die Aussagen der Leute auf, dann überprüfe ich den Kerl.«

»Was ist mit der Spurensicherung?«

»Bestellen Sie die Techniker und auch die Leute aus dem Leichenschauhaus ein.«

Eve schaute sich ein letztes Mal auf der Toilette um und griff dann nach der Handtasche der toten Frau. »So große Beutel, um sie einzutüten, haben wir nicht.« Das hieß, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als sie zu leeren und den Inhalt und die Tasche auf zwei Beutel zu verteilen.

Dann trug sie die Sachen hinauf und wandte sich direkt an Emily. »Haben Sie einen Karton mit einem Deckel?«

»In meinem Büro. Ich werde Ihnen einen holen«, bot die Geschäftsführerin an. »Der Mann, der mit Miss Mars an einem Tisch saß, heißt Fabio Bellami. Ich habe Ihnen die Kontaktdaten notiert.«

Eve nahm den Zettel an. »Vielen Dank, das hilft mir sehr.«

»Dann hole ich jetzt den Karton.«

Eve schob den Zettel in die Tasche, um sich endlich Mars genauer anzusehen.

DeWinter glitt geschmeidig von dem Barhocker, auf dem sie Platz genommen hatte, während Eve im Souterrain gewesen war.

»Kann ich etwas tun?«

Eve blickte auf die Stellwand, hinter der ihr Opfer lag. »Ich glaube nicht, dass dies ein Job für eine forensische Anthropologin ist.«

»Ich war dabei, als sie ermordet worden ist, und habe gerade erst ihr Blut von meinen Händen abgewaschen. Deshalb hoffe ich doch sehr, dass ich Ihnen auf irgendeine Weise helfen kann.«

Eve blickte auf die Gäste, die noch immer auf der anderen Seite des Lokals zusammengedrängt verfolgten, was geschah. »Sterling ist noch hier.«

»Er und seine Frau haben die Erlaubnis, heimzufahren, aber als dann jemand völlig panisch wurde und eine der anderen Frauen umgefallen ist, hat er gesagt, dass er noch bleibt und nach den beiden sieht. Er scheint ein wirklich guter Arzt zu sein. Vielleicht hätte er sogar das Opfer retten können, wenn es fünf Minuten eher wieder heraufgekommen wäre. Wobei das natürlich reine Mutmaßungen sind.«

»Die können manchmal durchaus nützlich sein.« Eve hielt ihr eine Dose hin. »Sprühen Sie sich die Hände und die Stiefel ein.«

»Verzeihung, was?«

»Wenn Sie mir helfen wollen, sprühen Sie sich die Hände und die Stiefel ein. Auch wenn bereits ein bisschen Blut an Ihren schicken Tretern klebt.«

DeWinter sah an sich herab. »Verdammt.« Dann aber sprühte sie gehorsam ihre Hände und die Stiefel ein und trat hinter die Stellwand, wo Eve ihren Identifizierungspad gegen den Daumen des Opfers hielt. »Das Opfer ist Larinda Mars, siebenunddreißig Jahre alt …«

»Ich glaube nicht«, fiel Garnet ihr ins Wort und handelte sich einen bösen Blick des Lieutenants ein. »Ich kann sie gerne untersuchen, doch ich schätze, dass sie eher so um die Mitte vierzig war.«

»Okay. Nur steht in ihrem offiziellen Ausweis eben, dass sie siebenunddreißig war. Wohnhaft in der Park Avenue 265, Penthouse 3. Ledig, ohne eingetragene Partnerschaft und kinderlos. Jetzt geben Sie mir das Messgerät, mit dem ich ihren offiziellen Todeszeitpunkt feststellen kann.«

Während Garnet danach suchte, schaute Eve sich Mars noch einmal genauer an. »Sie hat nur diese eine Schnittwunde am Arm. Wobei der Pathologe sie sich noch genauer ansehen wird.« Sie nahm das Messgerät und las den Todeszeitpunkt ab. »Todeszeitpunkt achtzehn dreiundvierzig, was zu meiner Live-Aufnahme des Geschehens passt. Das Aussehen der Wunde deutet auf ein scharfes Instrument hin, das den Ärmel ihres Catsuits und das Fleisch durchdrungen hat.«

Sie richtete sich auf den Fersen auf. »Sie ist von hier aufs Klo gegangen, wo sie dann angegriffen wurde. Sie ist durch einen Gang zur Treppe in den Keller gegangen, dort aufs Klo, kam wieder rauf, lief wieder durch den Gang und ein paar Schritte durchs Lokal, bevor sie umgefallen ist.«

»Wollen Sie meine Meinung wissen?«

»Deshalb sind Sie schließlich hier.«

»Sie war nicht gleich orientierungslos. Je nach Schwere der Verletzung hat sie es wahrscheinlich noch problemlos aus dem Waschraum bis zur Treppe und vielleicht sogar noch rauf geschafft, bevor ihr schwindlig wurde und sie orientierungslos herumgetorkelt ist.«

»Die Blutspur ist am Fuß der Treppe dicker, und die Wände links und rechts der Stufen sind mit Blut verschmiert.«

»Wahrscheinlich hat sie sich dort mit den Händen abgestützt. Vielleicht war ihr nicht klar, in welche Richtung sie am besten gehen sollte, bevor sie instinktiv in das Lokal zurückgekommen ist. Schließlich hat in dem Moment die Blutzufuhr zu ihrem Hirn und ihrem Herzen nicht mehr richtig funktioniert.«

»Wie viele Leute kämen Ihrer Meinung nach auf die Idee, die Oberarmarterie eines Menschen zu durchtrennen? Ich meine außer Ihnen selber, anderen Medizinern, Leuten von der Army oder Cops? Mit einem scharfen Gegenstand zielt man normalerweise doch eher auf den Hals oder das Herz, wenn man jemanden töten will. Dann fällt der andere auf der Stelle um, und einem selbst bleibt noch genügend Zeit, um abzuhauen.«

»Ist das eine Frage oder denken Sie nur laut?«

»Sowohl als auch.«

»Jemandem die Kehle durchzuschneiden, ist natürlich äußerst effektiv, aber zugleich auch eine Riesensauerei, die man an einem öffentlichen Ort vielleicht vermeiden will. Und ein Stich ins Herz erfordert große Präzision. Die Oberarmarterie ist lang, das heißt, die Chance ist größer, dass man sie mit einem Stich erwischt. Selbst wenn der Täter ein, zwei Zentimeter weiter oben oder unten zugestochen hätte, hätte er sie sicher umgebracht. Das sieht beim Herzen anders aus.«

»Verstanden. Gut. Wahrscheinlich haben Sie recht.«

»Zu der Frage, wer das alles wissen könnte: Es gibt da ein wirklich interessantes Werkzeug namens Internet …«

»Ja, ja, da findet jeder alles heraus. Aber man müsste extra danach suchen oder nicht?«

»Das hat der Killer ja vielleicht gemacht. Denn schließlich gehen Sie davon aus, dass er sie vorsätzlich ermordet hat«, stellte DeWinter fest und sah noch einmal zu der Toten.

»Bisher sieht es auf jeden Fall so aus. Ihr Handy, ihre Brieftasche und die Kreditkarten waren noch in ihrer Handtasche, und sie hat eine sicher ziemlich teure Kette um den Hals hängen. Das hat den Täter offenbar nicht interessiert, das heißt, dass es ihm um etwas anderes gegangen ist.«

Mit einem leisen Seufzer stand Eve wieder auf. »Wir werden sehen, was sie Morris zu erzählen hat. Jetzt gehen Sie zu Peabody und machen Ihre Aussage.«

»Ich?«

»Sie sind schließlich eine Zeugin, also ja. Wir sollten möglichst gründlich sein. Danach fahren Sie heim. Wahrscheinlich fragt sich Ihre Tochter langsam, wo Sie sind.«

»Ich habe ihr geschrieben, dass es später wird. Und nein, ich habe nicht gesagt, warum.«

»Gut. Dann sprechen Sie jetzt noch mit Peabody und fahren danach nach Hause, denn Sie haben für die Frau getan, was möglich war. Ich bin der Blutspur aus dem Keller bis hierher gefolgt und Sterlings Meinung, dass sie schon so gut wie tot war, als sie umgefallen ist. Nur hatte diese Nachricht ihr Gehirn noch nicht erreicht.«

»Das ist das erste Mal, dass ich dabei war, als jemand gestorben ist«, räumte DeWinter ein. »Es ist was völlig anderes, als sich draußen auf dem Feld oder auf dem Tisch in meinem Labor die Überreste eines Menschen anzusehen. Ich werde jetzt auf jeden Fall nach Hause fahren und meine Tochter in den Arm nehmen. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wie’s bei Ihren Ermittlungen weitergeht?«

»Das kann ich tun.«

Nachdem DeWinter sie allein gelassen hatte, sah sich Eve die Tote noch einmal an.

Sie hatte schon seit Jahren nicht mehr an Larinda Mars gedacht, auch schon damals hatte sie kaum etwas anderes als Verachtung für die Tätigkeit und einen leichten Widerwillen gegenüber der Person verspürt.

Doch offensichtlich hatte Mars in jemand anderem viel stärkere Gefühle wachgerufen, die dann zu ihrem Tod geführt hatten.

»Wem hast du so ans Bein gepisst, dass er dich umbringen wollte, Mars?«

Sie zerrte ihren Handcomputer aus der Tasche, überprüfte Fabio Bellami, drehte sich um und stieß beinah mit Roarke zusammen, der direkt in ihre Richtung gelaufen kam.

»Na, du warst aber schnell. Moment noch, ja?«

Sie trug die vollen Asservatentüten zu dem Pappkarton, der auf dem Tresen stand.

»Larinda Mars«, bemerkte Roarke.

Sie sah sich um und stellte fest, dass höchstens noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Zeugen auf der anderen Raumseite versammelt war und ihre Partnerin jetzt Garnet gegenübersaß. »Ich werde dir sofort erzählen, was passiert ist, aber vorher muss ich noch mit ein paar Zeugen sprechen, damit ich sie gehen lassen kann. Danach fürchte ich, dass das Lokal vorübergehend geschlossen bleiben muss.«

»Das ist mir klar.«

»Inzwischen hat McNab bestimmt die Aufnahmen der Kamera am Eingang, die ich mir noch ansehen muss. Es hätte mir wahrscheinlich sehr geholfen, hättet ihr auch Kameras hier drinnen installiert.«

»Die Gäste mögen keine Kameras in einem so teuren Lokal, für gewöhnlich werden hier auch nicht irgendwelche Leute umgebracht«, erklärte er ihr kalt.

»Ich weiß. Ich muss jetzt noch die letzten Aussagen der Zeugen aufnehmen. Du wirst dich also etwas gedulden müssen, doch die SpuSi und der Leichenwagen sind inzwischen unterwegs.«

Sie ließ die Leute selber rein, erklärte ihnen, was sie machen sollten, und bis sie sich an die Arbeit machten, war nur noch die Handvoll Angestellter, die sie noch vernehmen musste, da.

Sie setzte sich mit Cesca hin.

»Es tut mir leid. Ich habe Sie nicht gleich erkannt …«

»Weswegen hätten Sie mich auch erkennen sollen? Kannten Sie Miss Mars, auch wenn Sie heute Abend nicht für ihren Tisch zuständig waren?«

»Ja, natürlich, schließlich war sie praktisch jeden zweiten Abend hier. Sie mag den Tisch, an dem sie heute Abend saß – und sie mag Kyle, der für gewöhnlich dort bedient.«

»Haben Sie sie vorhin in den Keller gehen sehen?«

»Nein. Ich habe nur gesehen, wie Kyle die leeren Gläser an die Bar getragen hat. Wir hatten ziemlich viel zu tun. So ist es immer zwischen fünf und sieben, wenn die Leute nach der Arbeit etwas trinken wollen. Dr. DeWinter und Sie selbst haben zwar nicht viel bestellt, aber die meisten anderen Leute hatten jede Menge Wünsche, deshalb war ich ständig unterwegs.«

»Das ist mir aufgefallen. Haben Sie vielleicht trotzdem zufällig gesehen, wie Miss Mars von unten kam? Bevor sie umgefallen ist?«

»Ich habe nur den Lärm gehört. Sie wissen schon, als sie im Fallen das Tablett mit all den Gläsern mitgerissen hat. Da habe ich mich umgedreht, genau wie Sie, und habe sie gesehen. Dann hat irgendwer geschrien, und Sie sind losgerannt. Im Grunde konnte ich nicht wirklich sehen, was … ich nehme an, ich habe nicht verstanden, was da vor sich ging. Das Blut und dass sie umgefallen und von Ihnen aufgefangen worden ist … Mir wurde etwas übel, denn ich habe nie zuvor in meinem Leben so viel Blut gesehen. Dann schrien alle durcheinander und in meinem Kopf …« Sie kreiste mit den Fingern links und rechts von ihren Haaren durch die Luft. »Mir wurde schwindlig, und ich habe meinen Kopf zwischen die Knie gelegt. Dann haben Sie gesagt, dass ich die Tür bewachen soll. Das hat mir geholfen. Es hat mir geholfen, etwas zu tun zu haben.«

»Sie haben Ihre Sache wirklich gut gemacht. Haben Sie Miss Mars auch vorher schon mal mit dem Mann gesehen, mit dem sie heute Abend hier gesessen hat?«

»Ich glaube, nicht. Er kam mir nicht bekannt vor, und ich könnte mich bestimmt an ihn erinnern, wenn er vorher schon mal hier gewesen wäre, weil er wirklich gut aussah. Aber wenn man viel zu tun hat und es nicht der eigene Tisch ist …«

»Alles klar. Ihre Kontaktdaten stehen hier in Ihren Unterlagen, oder?«

»Sicher. Schließlich brauchen sie die, um mir mein Gehalt zu zahlen und falls ich mal eine Schicht von jemand anderem übernehmen soll.«

»Dann können Sie jetzt gehen. Sobald der Laden wieder aufmacht, kriegen Sie Bescheid.«

»Kann ich noch auf Sherry warten? Sie ist eine von den Köchinnen und meine Mitbewohnerin. Ich will jetzt nicht allein nach Hause gehen. Die ganze Sache hat mir nämlich ziemlich zugesetzt.«

»Sicher. Soll ich Sie nach Hause fahren lassen?«

»Bis zu unserer Wohnung sind es nur vier Blocks. Aber ich werde trotzdem noch auf Sherry warten, wenn das möglich ist.«

»Na klar. Möchten Sie ein Wasser oder etwas anderes?«

Cesca blickte sie aus tränenfeuchten Augen an. »Ich sollte Sie bedienen und nicht andersrum.«

»Sie haben sich gut gehalten, Cesca. Sie haben Ihre Sache wirklich gut gemacht.«

Sie wischte sich die Tränen fort und stieß mit leiser Stimme aus: »Ich hätte gerne eine Cola, wenn das möglich ist.«

»Natürlich ist es das.«

Entschlossen stand Eve auf und wandte sich an Roarke. »Siehst du das Mädchen mit den violetten Haaren? Sie heißt Cesca und bedient hier im Du Vin. Sie ist grundsolide und sie könnte eine Cola brauchen.«

»Alles klar. Ich kümmere mich darum.«

Eve selber setzte sich zu Kyle, der heute Abend für den Tisch, an dem Larinda Mars gesessen hatte, zuständig gewesen war.

»Ich bin Lieutenant Dallas.«

»Ja, das haben Sie schon gesagt. Und ich bin Kyle. Kyle Spinder.«

Als die Bahre mit dem schwarzen Leichensack an ihm vorüberrollte, wandte er sich stöhnend ab.

»Oh Mann, oh Gott, oh Mann.«

»Atmen Sie langsam ein und aus.«

»Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Tote sehe, und es ist ganz anders als im Fernsehen, Kino oder irgendwelchen Videospielen. Es tut mir leid.«

»Schon gut. Sie haben Miss Mars und Mr. Bellami vorhin bedient.«

»Sie hat wie immer einen Kir Royal bestellt. Er wollte nur ein Mineralwasser mit Eis und mit Zitrone. Dazu hat Miss Mars noch Toastspitzen mit Kaviar bestellt, aber er meinte, dass er keinen Hunger hat.«

»Haben Sie die beiden vorher schon einmal zusammen hier gesehen?«

»Ihn habe ich vorhin zum ersten Mal bedient und vorher auch noch nie gesehen. Aber Miss Mars kommt regelmäßig ins Du Vin. Sie trifft sich jedes Mal mit irgendwelchen Leuten, ist immer nett zu mir und steckt mir regelmäßig etwas Bargeld zu. Obwohl sie nie die Rechnung zahlt. Sie lässt die Leute zahlen, mit denen sie sich hier trifft, aber mir steckt sie trotzdem manchmal etwas zu.«

»Worüber haben die zwei geredet?«

Jetzt verzog er schmerzlich das Gesicht. »Über die Gespräche unserer Gäste soll ich eigentlich nicht reden.«

»Diesmal ist es anders, weil es schließlich um Ermittlungen zu einem Mordfall geht.«

Er riss entsetzt die Augen auf. »Sind Sie sicher, dass es nicht ein Unfall war? Vielleicht hatte sie ja einen Unfall. Könnte schließlich sein.«

»Es ist mein Job, dass ich mir sicher bin. Wo waren wir stehen geblieben?«

»Bei der Unterhaltung zwischen diesem Typ und Miss Mars. Ich glaube, es ging um sein Stück. Normalerweise schalte ich bei diesen Dingen einfach ab, denn die Gespräche unserer Gäste gehen uns nichts an. Aber sie haben von diesem Stück gesprochen, das er produziert. Und von irgendwelchen Mädchen, irgendwelchen illegalen Sachen und vielleicht von seiner Frau. Im Grunde habe ich nicht wirklich etwas mitbekommen, denn als ich zu ihnen an den Tisch kam, hat sie aufgehört zu reden, so wie sie es immer macht. Manchmal hat die andere Person dann einfach weiter auf sie eingeredet, aber der Mann heute Abend nicht.«

»Wie haben die zwei auf Sie gewirkt? Wie gute Freunde?«

»Nein.« Kyle schüttelte den Kopf. »Sie hat die ganze Zeit gelächelt, aber er hat alles andere als glücklich ausgesehen. Er wirkte total angepisst – Entschuldigung – verärgert, und ich hatte das Gefühl, als ob sie sich gestritten hätten, auch wenn keiner von den beiden laut geworden ist.«

»Wer von beiden hat den Tisch zuerst verlassen?«

»Sie. Ich hatte ihren Tisch die ganze Zeit im Auge, weil ich dachte, dass sie vielleicht noch etwas bestellen will. Wir hatten viel zu tun, aber ich habe sie beobachtet, deshalb habe ich gesehen, als sie aufgestanden und aufs Klo gegangen ist. Das macht sie jedes Mal, bevor sie geht. Dann hatte ich zu tun, und als ich wieder zu dem Tisch sah, war er nicht mehr da. Ich habe nachgesehen, ob er bezahlt hat, und da das der Fall war, habe ich die leeren Gläser weggeräumt.«

»Wie lange war Miss Mars verschwunden, nachdem der Mann gegangen war?«

»Das weiß ich nicht genau. Aber besonders lange kann es nicht gewesen sein. Ich schätze, fünf bis zehn Minuten, eher fünf. Dann wurde an einem anderen Tisch von mir bezahlt, also habe ich auch dort die Gläser weggeräumt, als ich damit an die Bar kam und dort kurz mit Bent – mit Bentley – reden wollte, stieß Miss Mars mit mir zusammen, ich verlor das Gleichgewicht, und dabei fiel mir das Tablett mit all den Gläsern aus der Hand. Dann sah ich das Blut und wäre beinah selber umgefallen.«

»Ist Ihnen vorher jemand aufgefallen, der in den Keller runtergegangen oder von dort wieder raufgekommen ist?«

»Ich glaube, nicht. Ich lasse meine Tische niemals länger aus den Augen und ich weiß, dass keiner meiner anderen Kunden in der Zeit aufs Klo gegangen ist. Miss Mars war in der Zeit die Einzige, die unten war. Als sie wieder heraufkam und mich angerempelt hat, habe ich was von ihrem Blut aufs Hemd bekommen. Hier, sehen Sie? Mein Hemd ist voll mit ihrem Blut.«

»Das sehe ich. Wir geben Ihnen gleich ein frisches Hemd und nehmen das, das Sie anhaben, mit ins Labor.«

»Aber ich habe sie nicht umgebracht!« Er wurde kreidebleich mit hektisch roten Flecken im Gesicht. »Das schwöre ich!«

»Ich glaube auch nicht, dass Sie auf sie losgegangen sind. Sie haben einfach Ihren Job gemacht. Ich hole Ihnen jetzt noch schnell ein neues Hemd, dann können Sie gehen.«

»Ich mochte sie, denn sie war immer nett zu mir.«

»Bleiben Sie hier sitzen, ja?«

Auch dieses Mal wandte sie sich an Roarke. »Der Junge braucht ein sauberes Hemd und einen Raum, wo er sich umziehen kann. Das Hemd, das er jetzt anhat, nehme ich mit ins Labor. Das Opfer ist mit ihm zusammengeprallt, deshalb hat er das Blut an seinem Hemd, und das setzt ihm ein bisschen zu.«

»Ich kümmere mich um ihn.«

»Und könntest du auch noch deine Geschäftsführerin bitten, nachzusehen, welche Gäste ihre Rechnungen zwischen halb und Viertel vor sieben bezahlt haben?«

»Alles klar.«

Sie räumten das Lokal, bis nur noch Cops und Leute von der SpuSi übrig waren, leise seufzend nahm Eve ihrem Mann die riesengroße weiße Tasse dampfend heißen Kaffees aus der Hand. »Danke.«

Sie setzte sich an einen Tisch, um ihre Gedanken zu sortieren, als Roarke ihr gegenüber Platz nahm, meinte sie: »Du bist doch sicher mit dem Wagen da.«

»Wie sonst?«

»Würdest du den Peabody und McNab vorübergehend anvertrauen?«

»Auf jeden Fall.«

»Peabody!«