Kelly-Briefe - Wolf Wondratschek - E-Book

Kelly-Briefe E-Book

Wolf Wondratschek

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Beschreibung

Ist Liebe letztlich ein Ort, unmöglich sich dort zu treffen? Ein Briefwechsel, spontan entstanden, geschrieben von zwei Liebenden.   »Der beste Prosatext, den ich von Wondratschek kenne.« Patrick Süskind im SPIEGEL   »Wondratschek schreibt so, wie Glenn Gould spielte.« Stuttgarter Zeitung Nach diversen Ausschweifungen beschließt ein junger Mann eines Tages, sich in New York selbst in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Vom ersten Tag an fühlt er sich dort wohl und in Sicherheit, während seine Geliebte, und das schon allzu lange, in Europa auf seine Rückkehr wartet. Um sie nicht zu verlieren, versucht er sie mit rücksichtslos verrückten Liebesbriefen bei Laune zu halten. Er wird für sie zum Geschichtenerzähler, zum Erfinder ungeahnter, an Wahnsinn grenzender Zärtlichkeiten. Mit jedem seiner Briefe wirbt er um sie mit Worten, dass davon selbst die Liebe verrückt werden muss. Aber sie scheint ihm mehr und mehr zu entgleiten … Sein letzter Brief an die Geliebte, seine »Aprikosenkauende Pharaonin«, sein »Ungeheuer«, ist ein trunkener Schrei.

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Kelly-Briefe

Der Autor

Wolf Wondratschek wuchs in Karlsruhe auf. Von 1962 bis 1967 studierte er Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie an den Universitäten in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main. Seit 1967 lebte er als freier Schriftsteller zunächst in München. In den Jahren 1970 und 1971 lehrte er als Gastdozent an der University of Warwick, Ende der Achtzigerjahre unternahm er ausgedehnte Reisen unter anderem in die USA und nach Mexiko. Er lebt seit 1996 in Wien.

Das Buch

Ist Liebe letztlich ein Ort, unmöglich sich dort zu treffen? Ein Briefwechsel, spontan entstanden, geschrieben von zwei Liebenden.   »Der beste Prosatext, den ich von Wondratschek kenne.« Patrick Süskind im SPIEGEL  »Wondratschek schreibt so, wie Glenn Gould spielte.« Stuttgarter Zeitung

Wolf Wondratschek

Kelly-Briefe

Ullstein

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© Wolf Wondratschek (2022)Dieses Werk wurde erstmals veröffentlicht im Jahr1998, im Verlag Matthes & Seitz.© dieser Ausgabe by Ullstein Buchverlage GmbH,Berlin 2022Alle Rechte vorbehaltenAutorenfoto: © Kai TorstenUmschlaggestaltung: brian barth, berlinE-Book powered by pepyrus

ISBN 978-3-8437-2685-6

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kelly-Briefe

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Cover

Titelseite

Inhalt

Notiz zur Publikation

Notiz zur Publikation

Das einzig bestimmbare Reale ist das mir vorliegende Dokument eines Briefwechsels, spontan entstanden, geschrieben zwischen einer Frau und einem Mann, zwei Liebenden.

Der Austausch der Briefe ist also eine Liebesgeschichte. Sie ist, wie immer, vielfältig und sehnsuchtsvoll. Liebe findet wohl statt, leidenschaftlich und unaufschiebbar vom Verlangen der Frau – bezweifelt und distanziert wohl als »eine Sache ohne Wahrheit« von seiten des unschlüssigen Mannes.

Am Ende dieser Briefbegegnungen stehen rätselhafte Ankündigungen, die eine mögliche und doch wohl eher unmögliche konkrete Wiederbegegnung in Kairo verheißen – dorthin will sie reisen, dortselbst soll er sie liebend finden. Kairo als magisch-lustvoller Ort des Verschwindens, damals wie heute, Ort des Sich-nicht-mehr-Wiederfindens, des sphinxhaften Schweigens.

Zwischen den Orten und Gezeiten ist nun dieser schwierige Briefwechsel angesiedelt, fast über ein Jahr wohl. Sie aus Europa in einer chiffrenhaften Bildsprache mit mathematischen Andeutungen schreibend, stark und fordernd – er aus New York, zerstreut und abgelenkt zuerst, über Rückkehr phantasierend, dann zunehmend geistesabwesend, Ruhe suchend in einer psychiatrischen Klinik, in die er völlig zufällig gerät, jedoch schnell wahrnehmend, daß ihm etwas Besseres gar nicht hätte passieren können.

Er will seine »Liebste« keinesfalls sehen, sie darf nicht nach New York kommen. Sie verbleibt in Europa, äußert sich dann aus dem melancholischen Wien und später plötzlich aus Rom. Weniger eine Reise, fragt er sich, sondern eine Flucht?

Die folgenden Feststellungen entbehren weitgehend klarer und vernunftgemäßer Ordnungen, nach denen sich der durchaus intelligente Mann aber zu sehnen scheint. Die Ärzte der Klinik finden keine einheitliche Diagnostik, im Gegenteil zeugen wirre Mitteilungen von vielschichtigen Vermutungen, die der Schreiber seinerseits noch weiter ausmalt und seiner Freundin gegenüber reflektiert. So ist natürlich alles Unverständliche das Resultat einer Krankheit, z. B. die Art seiner »Selbsteinkerkerung« oder die Annahme, er würde mit sich selbst korrespondieren. Eine fingernägelkauende, angstmachende Ärztin, Frau Mitchell, phantasiert »Selbsthaß« eines »größenwahnsinnigen Versagers«? Herr Dr. Bagatella sucht wohl im Grunde einen freundschaftlichen Kontakt, selbst einsam, zu dem fraglichen Kranken, dessen Briefe aus Europa, von Kelly, er heimlich entwendet, um sie in eigenartiger Spannung erregt plötzlich lesen zu können. Er spekuliert über die vermeintliche Liebesunfähigkeit des Mannes, möglicherweise »Hinweis auf eine Schizophrenie«?

Was bewegt den Mann selbst, der weder »krank« noch »normal« zu sein scheint? Er sucht in der Klinik die vollkommene Ruhe des abgeschlossenen Zimmers, er will sich dadurch »wehrlos« fühlen, er philosophiert, »was mich von der Welt draußen trennt, das bin ich«. Er genießt »die Wonnen der Gleichgültigkeit«, den völligen Stillstand. Es bleibt rätselhaft offen, ob seine vermutete Liebesunfähigkeit – und was ist dies wohl in diesem Zusammenhang? – »ein Todesurteil« ist. Sein gegensätzliches Erleben äußert sich auch, fast schreiend, an Kelly gewendet, in dem Ausruf: »Leben, Leben, Leben, singen die Vögel.« Die Doppeldeutigkeit seiner Situation läßt die Vermutung zu, Kelly stärker zu vermissen, als er es sich eingestehen will.

Eines Tages, zusammen mit Dr. Bagatella Monet-Bilder im MoMA betrachtend, entweicht er später ohne Schwierigkeiten und taucht »genesen« in Miami Beach auf. Ist er genesen, von was ist er geheilt? Oder entspricht dies gar nicht der Wahrheit, seiner Wahrheit? Ist sein Leben im tiefsten Grunde nicht doch eine Katastrophe, die er durch Apathie und Gleichgültigkeit auszubalancieren scheint? Was war das wohl für eine Katastrophe? Ist Liebe letztlich ein Ort, unmöglich, sich dort zu treffen? Ist der Ort möglicherweise ein Ort poetischer Phantasie, wie ihn nur der Briefwechsel, wild und melancholisch, auch komisch und grotesk, zu spiegeln scheint?

Also: Real kann ich nur die Vorlage dieser unterschiedlichen Briefe bestätigen.

Christian d’Orville

»Und so wie üblich verwirrt über die Vielzahl der Dinge, die nach einer Erklärung verlangen und uns ihre Botschaft aufprägen, ohne einen Hinweis auf ihren Sinn zu hinterlassen, warf sie ihre Manila-Zigarre aus dem Fenster und ging zu Bett.«

Virginia Woolf, »Orlando«

NYC

Liebste,Du willst im Ernst nach NYC ziehen? Nun, dann mußt Du verrückt geworden sein! The city that never sleeps? Alles Quatsch! Natürlich schläft jeder. Es leben hier nur einfach zu viele, viel zu viele Menschen, so daß die Stadt keine andere Wahl hat: Die eine Hälfte schiebt die Tag-, die andere die Nachtschicht; sie würden sich sonst zu Tode trampeln. Es wimmelt hier nur so von Menschen, alle krank, sehr, sehr krank, was kein Wunder ist bei diesem Looping, das sich nicht einmal in den allerdunkelsten Ecken der Stadt verlangsamt. Du behauptest, Europa (ausgerottet durch Erinnerung!) sei wunderlich geworden, wunderlich alt und umständlich. Wie wunderlich? Wie ein Liebhaber mit zuviel Respekt vor frischer Bettwäsche? Na ja, russische Taxifahrer sind da sicher weniger zimperlich, das stimmt.

Du strebst jetzt die drastische Vereinfachung Deiner Ansprüche an? Kann es sein, daß Du auch noch indianische Anteile in Deinem Blut entdeckt hast, und das mit Hilfe mathematischer Gleichungen? Schön, daß es Zahlen gibt, nicht wahr? Auch eine Art abzurechnen!

Solltest Du aber inzwischen tatsächlich übergeschnappt sein, dann komm her. Hier bist Du dann unter Deinesgleichen. Aber ich warne: ein paar Quadratmeter Sand in der Sahara enthalten mehr Wahrheit als die ganze Fifth Avenue zusammen. Auch kann ich mir kaum vorstellen, daß Du in einer Stadt leben willst, in der Analverkehr der sichere Selbstmord ist. Ich kenne Dich doch.

NYC, meine Liebe, das ist die Kollision der Vergangenheit mit der Zukunft. Daß bei diesem Zusammenspiel so etwas wie eine Gegenwart entsteht, ist ein Irrtum.

Ich hoffe, Du warst nur ein wenig verwirrt, als Du mir diesen Brief geschickt hast, und fühlst Dich bereits besser und überlegst Dir das alles noch einmal.

Fahr ans Meer; und wenn es regnet, schau dem Regen zu, der draufregnet. Lehne Dich neben der Küstenstraße an einen krumm gewachsenen Baum. Und wenn Dir nach Schreien ist, tu’s; es ist ja bei diesem Sauwetter niemand unterwegs außer Dir. Aber erspar Dir diese Stadt (und damit die fürchterlichste Variante menschlicher Einsamkeit). Im übrigen bin ich drauf und dran, meinen Rückflug zu buchen. Warte also.

Aber zum Schluß muß ich Dir doch ein Kompliment machen. Du drückst Dich in Deinem Brief wenigstens klar und deutlich aus. Und deshalb eine klare Antwort auf Deine Frage, ob ich Dich liebe. Liebe ist eine Sache ohne Wahrheit. Suchen wir nicht danach.

W.