Krimi-Klassiker - Band 14: Schlagschatten - Irene Rodrian - E-Book
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Krimi-Klassiker - Band 14: Schlagschatten E-Book

Irene Rodrian

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Beschreibung

Eine Frau zwischen zwei Männern, eine tiefe Freundschaft und eine tödliche Entscheidung: Irene Rodrians „Schlagschatten“ jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn aus großer Leidenschaft tödliche Gefahr wird: Gina ist mit dem erfolgreichen und attraktiven Kurt glücklich verheiratet. Doch auch zu Robert, den besten Freund ihres Mannes fühlt sie sich hingezogen. Zunächst scheint die Dreiecksbeziehung zu funktionieren. Doch wenn es um die Liebe geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Plötzlich befinden sich die Drei auf einem Weg, der nur ein Ende haben kann: den Tod. Und es gibt kein Zurück ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Schlagschatten“ von Irene Rodrian. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 224

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Über dieses Buch:

Wenn aus großer Leidenschaft tödliche Gefahr wird: Gina ist mit dem erfolgreichen und attraktiven Kurt glücklich verheiratet. Doch auch zu Robert, dem besten Freund ihres Mannes fühlt sie sich hingezogen. Zunächst scheint die Dreiecksbeziehung zu funktionieren. Doch wenn es um die Liebe geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Plötzlich befinden sich die Drei auf einem Weg, der nur ein Ende haben kann: den Tod. Und es gibt kein Zurück ... 

Über die Autorin:

Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, erhielt für ihren Roman Tod in St. Pauli 1967 den begehrten Edgar-Wallace-Preis. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von mehreren Millionen und als Drehbuchautorin (Tatort, Ein Fall für Zwei) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München.

Bei dotbooks erschienen bereits Irene Rodrians Barcelona-Krimis über das Ermittlerinnen-Team Llimona 5 (Meines Bruders Mörderin, Im Bann des Tigers, Eisiges Schweigen und Ein letztes Lächeln) sowie Finderlohn, ein weiterer Roman in der Reihe Krimi-Klassiker. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

Die Autorin im Internet: www.irenerodrian.com und www.llimona5.com

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Neuausgabe August 2014

Copyright © der Originalausgabe by Irene Rodrian und Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler

Titelbildabbildung: © gebphotography – Fotolia.com

ISBN 978-3-95520-681-9

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Irene Rodrian

Schlagschatten

Kriminalroman

dotbooks.

1

Sie hatte den Körper eines jungen Mädchens.

Lange schmale Beine, ein runder Knabenarsch und Brüste wie Apfelhälften. Gleichmäßig dunkel gebräunt, das lange Haar von der Sonne ausgebleicht. Sie lief vor ihm in das Wasser, Lichtreflexe im kristallklaren Türkis. Drehte sich zu ihm um und lachte. Er rannte hinter ihr her, packte sie, balgte mit ihr herum, küßte sie. Hob sie hoch, trug sie an den Strand zurück und liebte sie im heißen Sand.

Robert wachte schweißgebadet auf und wußte im ersten Moment nicht, wo er war. Düstere Hitze. Der Gestank von billigem Gin und kaltem Zigarettenrauch. Sandkörner auf dem verkrumpelten Laken und etwas Pelziges in seiner Kniekehle. Vincent, der Kater. Schnurrte erfreut, als Robert sich bewegte und knabberte liebevoll an seiner Wade. Robert gab ihm einen Fußtritt, was Vincent jubelnd als Aufforderung zum Spiel verstand. Robert trat ihn so heftig, daß er durch das Zimmer flog. War endgültig wach, und der Ständer war auch weg. Robert hatte Durst. Das Vichy neben seiner Matratze war lauwarm und schmeckte widerlich. Vincent hockte beleidigt in einer Ecke und beobachtete ihn. Das im Kampf mit einem anderen Kater zerbissene Ohr warf einen grotesken Schatten auf die weiß gekalkte Wand. Robert bewegte sich nicht. Hatte Mühe, die verklebten Augen offenzuhalten. Staubwolken auf dem Boden, schmutziges Geschirr und ein zusammengeknülltes Handtuch. Trübe Gläser, leere Flaschen, übervolle Aschenbecher. Robert beugte sich halb aus dem Bett, kramte eine letzte Zigarette aus der Celtaspackung und goß sich einen Rest Mahon-Gin auf das Vichy. Hustete, ließ sich auf die Matratze zurückfallen.

Vincent griff zur letzten Waffe, Robert dazu zu bringen, daß er sich mit ihm beschäftigte. Er machte sich mit Krallen und Zähnen über die Farbtuben her. Robert sah nicht hin. Er hörte das metallene Knirschen und Schmatzen und das triumphierende Grrr, es war ihm egal. Alles war egal und unwichtig.

Gina, verdammt noch mal.

Als er sie kennengelernt hatte, war sie siebzehn und dürr wie ein Zahnstocher. Und er war einundzwanzig und liebte sie. Und heute war er beknackte zweiunddreißig und liebte, sie immer noch. Lag in einer verwanzten Dreckbude im heißen Spanien und träumte von ihr als Wichsvorlage, und sein Kater zerstörte soeben sein Lebenswerk. Vincent, der Einohrige. Recht hatte er. Robert mußte kichern und bekam einen Hustenanfall. Stand auf, ging in den Hof und holte sich einen Eimer Wasser aus dem Brunnen. Eiskalt. Noch einen. So ein Schwachsinn. Nach zehn Jahren noch von Gina zu träumen. Träumen, haha. Wo es auf der Insel willige Weiber in allen Größen zuhauf gab. Er rasierte sich und zog ein sauberes T-Shirt zu seinen speckigen Jeans an. Zählte seine Peseten. 800, mehr als genug.

Die Abendsonne glühte über rot ausgedörrten Feldern und blendete ihn. Das Fahrrad quietschte wie ein asthmatischer Bergsteiger. Oder waren das seine Lungen? Sollte vielleicht weniger rauchen. Was denn sonst als Tabak und Rum, das war wenigstens noch billig hier. Er schnaufte bei der Steigung vor dem Dorf. Schwitzte. Fühlte sich wie neunzig. Entweder Boutiquen-Gabi oder die blonde Helga aus Düsseldorf oder Jacqueline. Die standen doch schon Schlange nach ihm. Gabi würde ihn unter Garantie anpumpen, Helga hatte selber Mäuse und fuhr vor allem bald weg. War nur leider über vierzig. Und bei Jacqueline war man nie sicher, wer der Vorgänger gewesen war. So ein penicillinresistenter Marokkotripper war nun wirklich das Allerletzte, was er noch zu seinem Glück brauchte. Lieber so eine von diesen hungrigen Neckermannzuschen, die das ganze Jahr nichts anderes machten, als das Alpenveilchen im Büro vom Chef zu gießen, und sich dann für drei Wochen mit jedem Kellner ins Bett knallten. Ein Hauch von Romantik und eine Rolex als Andenken. Manolo und Juanito, Miguel, Pepe, Paco und Antonio, am Ende der Saison konnten sie alle kaum noch laufen. Schwarze Haare hatte er selber. Er schaffte die Steigung nicht. Stieg ab und pinkelte gegen die niedrige Natursteinmauer, als wäre das der einzige Grund, abzusteigen. Schob die letzten dreihundert Meter bis zu dem kleinen Bauernhaus am Straßenrand, in dem die Post war. Lehnte sein Rad an die Wand und stellte sich in der Reihe an.

Gimmelmann, Forster, Dupont, Haidenrath, Mueller, Crommelin und Mayans. Klein. Robert Klein. Es geschehen noch Zeichen und Wunder, ein Brief für ihn. Großes Kuvert, teures Papier, Schreibmaschine. Absender Galerie. Er riß das Kuvert gleich vor der Post auf. Brockmann, die beste Galerie in München. Und denen hatte er nicht mal geschrieben, die wandten sich von selbst an ihn. Seine Finger zitterten leicht.

Ein doppelt gefalteter Prospekt auf Kunstdruckpapier. Glanzkaschiert, Vierfarbendruck. Eine Häuserschlucht in Blau, am Ende ein nacktes Mädchen. Gina mit kurzem Haar. VERNISSAGE. Wir laden Sie herzlich ein. Und darüber handbreit in Versalien: KURT HOMBERG.

Robert fuhr in die nächste Kneipe und bestellte sich einen Killer. Palo con Ginebra. Soff zwei davon und machte dann mit Gin pur weiter. Zerschmiß etliche Gläser, beschimpfte die Weiber und bedrohte sowohl die Kellner als auch die Rentnertouristen mit Kastration, Folter und Mord.

Einzelausstellung bei Brockmann.

Kurt Homberg.

Sein bester Freund.

Ginas Mann.

2

Um fünf Uhr war es schon stockdunkel. Eisiger Westwind klatschte Schneeregen gegen die Fenster. Gina überlegte, was sie anziehen sollte.

Sie stand vor dem Schrank und kramte in den Kleidern herum. Der neue Folkrock war idiotisch bei dem Wetter, und die bestickten Stiefel würden die zehn Meter vom Auto zur Galerie nicht überleben. Die grünen Lurexhosen hatte sie schon zweimal angehabt. Das violette Samtkleid. Sie holte es heraus und hielt es vor den Spiegel. Unmöglich mit dem hennaroten Punkhaar. Sie ließ das Kleid fallen und starrte sich an. Die Hüften waren zu breit. Und die Oberschenkel. Das Höschen schnitt Falten ins Fleisch. Der Bauch war noch flach, die Taille schmal. Die Klarsichtbluse ohne BH. Gina klemmte sich den Augenbrauenstift unter den linken Busen. Er dachte nicht daran, runterzufallen. Löste sich erst, als sie sich streckte und die Arme hob. Mist. Die schwarzen Piratenhosen mit dem Samtwestchen. Netzstrümpfe. Sie zog sich an und schaute wieder in den Spiegel. Schnitt sich eine Grimasse. Setzte sich vor den Spiegel und legte das Make-up auf. Bürstete das streichholzkurze Haar hoch. Falten auf der Stirn. Strich das Haar wieder runter. Was hatte Coco Chanel mal gesagt? Eine Frau ist mit neunzehn zauberhaft, mit neunundzwanzig hinreißend und mit neununddreißig unwiderstehlich. Und eine Frau, die jemals in ihrem Leben unwiderstehlich war, wird nie älter als neununddreißig. Und Gina war erst achtundzwanzig. Sie dachte an Robert und hätte gern geheult.

»Bist du endlich soweit?« Kurt stand in der Tür und war schön. Nachtblauer Samtanzug, weißes Rüschenhemd und ein roter Seidenschal. Dunkelblonde Locken und Solariumbräune. Lang und dünn und Mick-Jagger-Mund. Er sah aus wie ein Poet im Kostümfilm; oder wie ein Einserschüler bei der Abiturfeier. »Willst du etwa so gehen?«

»Was dagegen?« Sie stand auf und wedelte an ihm vorbei zum Schrankspiegel. »Oder ist es dir nicht seriös genug? Ich dachte, wir gehen auf eine Vernissage. Aber sag mir's, wenn ich das Datum verwechselt habe und wir heute in die Oper gehen.«

»Ach, hör auf.« Er stand hinter ihr und zupfte seinen Schal zurecht. Im rosaroten Rüschenrock hätte sie besser zu ihm gepaßt, zugegeben. Sie stubste ihn mit dem Hintern an, und er umarmte sie. Küßte sie auf den Nacken und sah dabei in den Spiegel.

Die Scheibenwischer schafften den Matsch kaum, und Kurt mußte fast Schritt fahren. Böige Schneeklumpen unter den Straßenlaternen. Geduckte Gestalten hinter Regenschirmen. Er schaltete, das Getriebe kreischte auf. Der Volvo war neu, Kurt war ihn noch nicht gewöhnt. Er war nervös. »Wir kommen zu spät.« Gina schwieg und trocknete ihre Schnallenschuhe an der Heizung.

Natürlich waren sie viel zu früh dran. Hinter den hellerleuchteten Fenstern der Galerie nur ein paar Leute wie einsame Fische im Aquarium. Die Witwe, die Tochter, der Schwiegersohn vom alten Brockmann. Ein paar Journalisten am kalten Büfett und die üblichen Bildungsabhaker, die nichts ausließen. Kurt bremste und schaute in die Fenster. Zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Das liegt an dem Scheißwetter, da kommt keine Sau!« Gina sah mit Befriedigung die scharfe Linie neben seinem Mund. Bei dem Licht sah er nun aus wie vierzig.

»Die kommen schon noch alle«, sagte sie sanft. Er entspannte sich etwas und ließ sie direkt vor der Tür aussteigen. Lächelte und zeigte seine weißen Nichtraucherzähne. Aber kein Pressefotograf war draußen, kein Blitzlicht flammte auf.

Sie kamen tatsächlich noch alle. Die Politik und die Industrie, die Schönen und die Reichen, die Eitlen und die Neugierigen. Und alle hatten sich fein gemacht, weil das Fernsehen kommen sollte. Und es kam. Die Abendschau, immerhin. Sie waren aufgehalten worden und brauchten zwei Stunden, um die Scheinwerfer aufzustellen. Bis dahin waren Hummersalat, Kaviar und Smörrebröd weggefressen. Auch der Rentierbraten mit Preiselbeergelee und die Palmherzen überlebten nicht. Smokings und Abendkleider drängten sich an der Theke wie die Ortsarmen im St.-Anna-Stift.

Gina merkte, daß sie zuviel trank, und tauschte ihr leeres Glas bei einem der Frackboys gegen ein volles aus. Grinste eingefroren in die Kameras. Schultz, der Schwiegersohn, hielt die obligate Ansprache. Vergaß sein Manuskript und redete sich heiß in Rage. Farbrausch und endlich wieder Emotionen. Die Jungen Wilden vorweggenommen und mit meisterhaftem Können, verbunden. Sie hörte nicht hin, schon seit Jahren nicht mehr. Beobachtete Kurt. Knabenhaft jung im schattenlosen Scheinwerferlicht und mit dem bescheiden-schüchternen Lächeln, auf das auch sie mal reingefallen war.

Der Abend wurde ein Erfolg. Rundum ein Erfolg. Der Abendschauredakteur nahm Kurt zu einem Interview mit ins Nebenzimmer, Schultz hätte es auch geschafft, aus leeren Bierdosen ein hochinteressantes Investitionsobjekt zu machen, und Gina benahm sich nicht daneben. Das war sie Kurt schließlich schuldig. Sie holte sich einen Teller mit Maissalat, um nicht völlig betrunken zu werden, und lächelte und flirtete charmant und plauderte witzig und geistreich. Als ihr schlecht wurde, ging sie aufs Klo, steckte sich den Finger in den Rachen und erneuerte ihr Make-up.

Das war's doch, was sie sich immer gewünscht hatte.

Allein an dem Abend verkaufte Schultz das Triptychon und vier andere große Bilder und ein gutes Dutzend Lithos. Er strahlte. Der Kunstmarkt stagnierte, aber Homberg war in. Achtzig Mille mindestens, und die Ausstellung sollte einen Monat laufen. Sie saßen noch zusammen, als die anderen längst gegangen waren, und feierten. Die Presse würde gut werden, das ZDF hatte sich für eine eigene Sendung angemeldet, und sogar die Franzosen zeigten Interesse. Guggenheim war noch nicht fest, aber das ließ sich alles machen, das Telex war so gut wie bares Geld. Paris, New York, die Welt lag Kurt zu Füßen. Er soff sich einen an, entspannte sich und küßte im Überschwang Brockmanns Tochter.

Auf der Heimfahrt war er schweigsam.

Der Regen hatte nachgelassen, die Straßen glänzten im bunten Schaufensterlicht. Er war müde. Geld, Erfolg, Anerkennung. Alles da. Eine Gartenwohnung in Schwabing und ein Sommerhaus am Mittelmeer. Und eine schöne Frau, die ihn liebte. Er berührte ihr Knie, und sie schmiegte sich an ihn. Zehn Jahre, und Hunderte von rauschenden Festen. Wirkliche Feste. In Jeans und Karohemden mit Brotzeit oder Linsensuppe aus dem Topf. Livemusic, Jazz und Swing. Er wurde melancholisch und hielt an, um Gina zu küssen.

Der Kriminalbeamte wartete vor der Wohnungstür.

Er sah aus wie ein alerter Steuerberater und entschuldigte sich für die späte Störung. Er habe verschiedentlich versucht, sie anzurufen. Sie baten ihn in die Wohnung; bemüht, verwirrt. Kribbeln im Magen. Er hieß Hofer oder so ähnlich und wollte sich nicht setzen. Trinken wollte er auch nichts. Das war ein schlechtes Zeichen.

»Kennen Sie einen Robert Klein?«

»Ja«, kurze Erleichterung, dann messerscharf der Schreck. »Was ist mit ihm?«

»Er wohnt in Spanien?«

»Ist ihm was passiert?!«

»Sie kennen ihn gut?«

»Er ist unser Freund.« Gina vermied es, zu Kurt zu sehen.

Es ging um Geld.

Der Anruf war aus Spanien gekommen, sehr. schlechte Verbindung. Robert saß im Gefängnis, er hatte einen Mann niedergeschlagen. Oder erschlagen? Polizei, Anwalt, Konsulat. Kaution. Hofer war längst wieder weg, als Gina einen Anfall bekam. Sie heulte und schrie und war nicht mehr ansprechbar.

Kurt lehnte am Barschrank und ließ die Eiswürfel in seinem Whiskyglas klirren. Beobachtete Gina. Schwarze Schminkstreifen liefen ihr über das Gesicht. Sie plärrte wie ein Kind. Was erwartete sie eigentlich von ihm, verdammt. Robert war schon immer ein undisziplinierter Choleriker gewesen. Irgendwann mußte es ja soweit kommen. »Ich dachte, Robert verachtet Geld.«

Sofort jaulte sie wieder auf. Sabberte unverständliche Beschimpfungen. Er ging zu ihr hinüber, setzte sich neben sie, legte ihr den Arm um die Schultern und flößte ihr einen Schluck Whisky ein. Sie hustete, er klopfte ihr auf den Rücken, stellte, das Glas weg und umarmte sie. »Du mußt ihm helfen«, schluchzte sie, »er ist doch dein Freund!« Er drückte ihren Kopf so fest an sich, daß sie nicht mehr sprechen konnte. Küßte ihr Haar.

Ja, dachte er, Robert ist mein Freund. Und Gina liebt ihn immer noch. Und beide halten mich für blöd genug, von ihrem Verhältnis nichts zu merken.

3

Die Zelle war ein ursprünglich einmal weiß gekalkter Raum von drei mal drei Metern mit einer offenen Gittertür, die auf den Innenhof des Cuartel hinausging. Früher war hier auch die Polizeiwache gewesen, aber die war jetzt im neuen Verwaltungsbau neben der Kirche untergebracht. Niemand goß die staubigen Geranien, die zwischen Sand und Zigarettenstummeln vor sich hinkümmerten. Ab und zu kamen zwei Arbeiter und hackten die Mauern auf, um neue Zellen einzurichten. Mit dem Touristenstrom nahm nicht nur das Geld zu, auch das Verbrechen. Der eine Arbeiter hieß Paco, ein zahnloser alter Mann mit einem verwitterten Kasperlegesicht. Am zweiten Tag kam er an Roberts Zelle vorbei und ließ ein kleines Päckchen aus zusammengeknülltem Zeitungspapier fallen. Ein Krümelchen Afghan. Gabi vermutlich. Gute alte Gabi, er hatte sie doch unterschätzt.

Das Essen brachte ihm Toni, der jüngste Guardia. Ein freundlicher, etwas tumber Bauernjunge, der einzige, der sich bei Roberts Verhaftung nicht an der Prügelei beteiligt hatte. Mehr wußte er nicht. Nur, daß sie plötzlich über ihm waren, ihn zusammenschlugen und im Rover ins Cuartel karrten. Aber es war keine Razzia gewesen, sie waren nur wegen ihm gekommen. Das war nicht das erstemal. Einmal hatte er nach der Polizeistunde noch die Internationale gesungen. Aber daran konnte er sich erinnern. Diesmal volles Blackout. Robert trank einen Schluck von dem abgestandenen Zisternenwasser, drehte sich einen Joint und legte sich auf das Feldbett zurück. Fliegen, Mücken, Flöhe. Er schloß die Augen und zog den Rauch in die Lungen. Er war auf der Post gewesen, hatte die Glanzpapiereinladung von Kurt bekommen und hatte sich dann systematisch besoffen. Blende. Als er in der Zelle aufgewacht war, hatte er Blut an den Kleidern. Das konnte nicht allein von ihm stammen. Sie sagten ihm nichts. Aber irgend etwas war passiert. Am vierten Tag kam dieser Advokat. Wenn er überhaupt einer war. Jacquelines Idee vermutlich, diese Anglos glauben unerschütterlich an die Allmacht der Botschaften und Konsulate. Der Advokat ließ ihm eine angeschmuddelte Visitenkarte da und verlangte erst mal Geld. Viel Geld.

Robert gab ihm Namen, Telefonnummer und Adresse von Kurt. Kurt war reich. Kurt war sein Freund. Robert kratzte einen Flohstich auf und kicherte vor sich hin. Das war aber auch zu komisch. Ein Jammer, daß er Kurts Gesicht nicht sehen konnte. Falls sie ihn überhaupt verständigten. Und was würde er tun. Zahlen oder nicht zahlen, das war hier die Frage.

Am letzten Zug verbrannte Robert sich die Fingerspitzen. Es tat nicht weh. Auf seinem Arm saß eine dicke grüne Schmeißfliege. Schimmernd. Funkelnd. Violett und golden. Wie eine riesige Kupferkuppel im Sonnenlicht. Zarte Seidenflügel mit einem Filigrangerüst drin. Drachenflieger. Schwarz glänzende Facettenaugen, die alles verstanden, was er dachte.

Wir zwei, dachte Robert, ließ den Jointstummel fallen und schlief ein. Er wachte auch nicht auf, als Toni ihm den Alutopf mit dem Fischreis neben das Bett stellte und das Wasser erneuerte. Er träumte. Gina. Ihre Haare, ihre Brüste, ihre kinderweiche Samthaut und ihr Geruch. Ihr großer Zeh, der ein bißchen zu lang war, und ihre Hände. Das Moosbett im Wald unter schattigen Tannen. Und er. Und alles in Eastman Supercolor.

4

Robert hatte auf der Akademie nichts zu suchen. Er hatte weder Abitur, noch war er eingeschrieben oder zahlte Gebühren. er hatte seine Arbeiten auch nie dem Prüfungsausschuß vorgelegt. Er ging einfach hin, weil er ein paar Leute kannte und glaubte, dort Handwerk zu lernen. Und Mädchen aufzureißen natürlich. Weder noch. In den Ateliers wurden Spruchbänder geschrieben, Diskussionsgruppen, Agitationsgruppen und feste Kader legten die Strategie für die nächste Demo fest. Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren. Ein mickriges Kerlchen, dessen Vater eine Keramikfabrik in Friesland hatte, setzte einen großen Scheißhaufen vor die Tür des Direktors. Bisher war er nur durch seine feinen Federzeichnungen von Rehen, Bisons und Auerhähnen aufgefallen. Die Akademie gehört jedem. Kunst ist Gesellschaft, und jeder ist ein Künstler.

Die Mädchen liefen mit blanken Hängetitten durch die herbstkühlen Gänge und waren so erotisch wie Tempotaschentücher.

Es war eine gute Zeit.

Das Gefühl, eins zu sein mit der Masse, dazuzugehören. Lange Abende in verräucherten Arbeiterkneipen und ab und zu Schlägereien. Robert war einsneunzig, und wenn er zuschlug, dann akzeptierten sie auch, was er vorher gesagt hatte. Er war kein Intellektueller, er war ein Mann.

In den Sälen tat er, als würde er hingehören, er benützte das Material und machte das Maul auf. Erst, als sie ihn zum Sprecher wählen wollten, merkten sie, daß er nicht mal eingeschrieben war.

Aktzeichnen. Das Modell war eine Soziologiestudentin mit Birnenarsch und Blaubeerbrüsten. Gänsehaut. Sie hockte wie eine zusammengerollte Menükarte auf dem abgewetzten Podest und hielt die Hände vor die Möse. Winter. Eisiger Nordwind pfiff durch die klapprigen Atelierfenster, und Robert fror sogar in seinem Norwegerpullover. Der Professor trug Schafwolle unter einem blauen Künstlerkittel und hatte die schütter weißen Haare bis auf die Schultern hängen. »Entspann dich endlich«, dröhnte er, »nimm die Hände da weg, spreiz dich, gib dich den Blicken hin!«

Robert stand auf, zog den Pullover aus und legte ihn dem Mädchen über die Schultern. Nannte den Professor einen verklemmten Schleimscheißer und hatte alle auf seiner Seite. Der Kurs wurde abgebrochen. Jemand hatte eine Zweiliterflasche algerischen Rotwein dabei. Auch ein Modell ist ein Mensch.

Robert bekam Akademieverbot.

Da lernte er Kurt kennen.

Er hatte ihn schon oft gesehen, er fiel jedem auf, weil er die Haare kurz trug und graue Gabardinehosen statt Jeans. Er mischte sich nie ein, hielt sich aus allem raus und war zu jedermann höflich. Pinselte vor sich hin und machte nicht mal die Weiber an.

Robert saß an dem Tag mit seiner Mappe und einem Kasten mit allen Farben und Werkzeugen, die er hatte mitgehen lassen können, in einem Cafe an der Leopoldstraße, trank Bier und fühlte sich als Ausgestoßener, Underdog, Proletarier und Robin Hood. Der Rächer der Enterbten.

Da kam Kurt herein, schaute sich kurz um, sah ihn und kam an den Tisch. »Entschuldige, ich hab dich gesucht, kann ich mich kurz setzen?«

»Wieso? Hast du Hämorrhoiden?«

Kurt glotzte verständnislos. Robert gab dem nächsten Stuhl einen Tritt. »Weil du nur kurz sitzen willst.« Kurt grinste dünn und klemmte eine halbe Arschbacke auf die Stuhlkante. Bestellte sich einen Kaffee und schaute Robert nicht an.

»Ich wollte dir nur sagen, daß ich das unheimlich gut fand. Und daß ich genau dasselbe gedacht hab, aber ich hab mich nicht getraut, was zu tun. Oder was zu sagen.« Er sah plötzlich auf. »Ich schäm mich richtig, verstehst du. Und das wollte ich dir sagen.«

Robert sah ihn an.

Blonde Kringellocken und ein glattes unschuldiges Gesicht mit zwei blauen Augen drin. Er grinste. »Trinkst du ein Bier mit mir?« Kurt nickte eifrig, und Robert konnte ihm ansehen, daß er Bier nicht mochte.

Von da an waren sie unzertrennlich.

Sie hatten beide kein Geld und jobbten nebenher in Kneipen und bei der Zeitung. Austragen war Streß, aber die Pakete für die Post zusammenschnüren, das war Akkord und gut bezahlt. Sie standen die halbe Nacht nebeneinander am Band und hockten sich dann in eine der Kneipen. Und Kurt trank Tee und Saft und schaffte Robert heim, wenn der besoffen war. Sie rollten die Weltgeschichte auf und erfanden den Dadaismus. Sie waren sich einig, und Robert war stark genug, um das auch den anderen klarzumachen, wenn sie Kurts Beredsamkeit zu widerstehen wagten. Kurt hatte Marx und Engels gelesen, zitierte Adorno, Marcuse und Horkheimer und konnte jeden in Grund und Boden quatschen, der so vermessen war, sich mit ihm auf eine Diskussion einzulassen. Einmal machte Robert eine Bemerkung, Kurt sah ihn an und meinte anerkennend: »Du denkst wie ein Marxist.« Robert hatte längst vergessen, was er da gesagt hatte, aber diesen Satz von Kurt trug er wie eine Auszeichnung über der Brust.

Roberts Vater war Beamter bei der Bundesbahn. Er stilisierte ihn zum Eisenbahner hoch, die Vierzimmerwohnung in Perlach zur Wohnküche und das Wochenendhäuschen zur Arbeiterklitsche. Nicht Begonien, Astern und Rosen zog seine Mutter, sondern Salat, Kartoffeln und Blumenkohl. Kurt imponierte das. Er hatte das Pech, in einem Akademikerhaushalt mit Büchern und den üblichen Verklemmungen aufgewachsen zu sein, und hatte eine abgebrochene Psychoanalyse hinter sich. Er konnte Klavier und Geige spielen und schämte sich dessen; Mozart und Beethoven verschwanden im Schuhschrank. Aber wenn Robert heiser und falsch zur geliehenen Gitarre Songs von Woody Guthrie oder Pete Seeger grölte, dann kannte seine Bewunderung keine Grenzen.

Aber ein Problem hatten sie beide gemeinsam. Sie waren aufgewachsen mit den Expressionisten, Kubisten, Surrealisten. Bei Kurt waren es sonntägliche Pflichtbesuche im Museum gewesen, bei Robert die fanatische Sammelleidenschaft seiner Mutter nach allem, was bunt war und glänzte. Kunstdruckbände, einen jedes Weihnachten, und Kunstkalender in Superformat. Als er das erstemal in die Pinakothek kam, war er enttäuscht. Nur die Faszination blieb und die wachsende Verachtung für seine Eltern. Der Vater sah ihn schon als >mein Sohn, der Herr Doktor<, als Robert ein halbes Jahr vor dem Abitur den Krempel hinschmiß und zu Hause auszog, um Maler zu werden. Der Vater bekam einen Tobsuchtsanfall, geiferte von Hippies, Gammlern und Gosse und verweigerte von Stunde an jede finanzielle Zuwendung. Die Mutter war viel schlimmer, sie war glücklich. Ihr Sohn würde ein berühmter Künstler werden.

Robert fand ein Zimmer in einer WG und zwei Jobs. Vormittags bei Tengelmann Dosen und Gläser auspacken, etikettieren und einordnen, nachmittags und abends Bademeister im Hallenbad. Das war perfekt, Gesundheit und Ernährung waren gesichert, und ab und zu fiel ihm noch eine pummelige Bademütze auf die Matratze. Malen konnte er nachts. Er brauchte das Tageslicht nicht; seine düsteren Tusche- und Kohlezeichnungen, seine monströsen Szenerien und seine frimeligen Schattierungen wucherten nur so im kahlen Licht der Hundertwattbirne. Bis sie ihn rausschmissen. Vielmehr rausdiskutierten. Sie arbeiteten alle tagsüber und konnten nachts keine Rockmusik vertragen, weil sie ihren wohlverdienten Proletarierschlaf brauchten. Elli studierte Sinologie, Chris Soziologie, Mike Psychologie, und ihre gemeinsamen Schecks von daheim beliefen sich auf fast zwei Mille. Und Robert nahm nicht an den abendlichen Gesprächen teil und wusch das Geschirr nie ab und kochte immer nur dann, wenn er Lust dazu hatte; und nicht, wenn er an der Reihe war. Die Säcke mit Würsten, Käsen, Gemüsedosen und Seifenpaketen, die er aus dem Mehrwert abzweigte und mit heimbrachte, wurden nicht angerechnet. Robert zog aus und zu einer WG, die einen weniger reglementierten Tagesablauf hatte. Aber das Zimmer war so winzig, daß er seine Klamotten kaum unterbringen konnte, es kostete Mühe, den zwei knochigen WG-Mädchen klarzumachen, daß man freie Liebe auch außerhalb der Wohnung erproben kann, und den drei Typen, daß er, selbst, wenn er unbewußt schwul und mutterfixiert war, es halt im Moment verdammt noch mal lieber mit vollbusigen Weibern trieb. Das Schlimmste aber war, daß er seinen Tengelmannjob verlor, weil die Wohnung am anderen Ende der Stadt lag.

Kurt wohnte immer noch zu Hause. Er hatte einen ausgebauten Dachboden für sich allein. Glasziegel und eigener Eingang. Die Eltern waren verständnisvoll und taten alles für ihn, in der Hoffnung, daß er immer noch Kunsterzieher werden konnte. Viel Geld hatten sie nicht übrig, Kurt hatte Geschwister. Aber es war angenehm, unter den dunkel gebeizten Dachbalken auf Fellkissen zu liegen und über die Veränderung der Welt und insbesondere der Malerei zu reden.

Franz Marc, Picasso und selbst Salvatore Dali waren out. Der Dadaismus, wenn man unter sich war, auch. Happenings und die Mülltüten von Franz Beckenbauer hatte auch schon ein anderer erfunden, Margarine auf Stühlen und Heftpflaster in Badewannen brachte nur einem was ein, und Hundertwasser trat sogar schon im Fernsehen auf.

Es mußte etwas völlig Neues sein.

Publikum stört, da waren Kurt und Robert sich einig. Kurt sprach von der Reinheit einer Idee, Robert dachte an seine Mutter, wenn man ihr nur die Gelegenheit geben würde, in Bildern rumzukritzeln. Video. Kurt brachte seine Eltern dazu, eine Anlage zu kaufen, und sie filmten die Entstehung eines Kunstwerkes in allen Phasen. Fanden heraus, daß sie by far nicht die ersten mit dem Einfall gewesen waren, und überließen das Gerät Kurts Vater zum Aufzeichnen von Krimis und Fußballspielen. Straßenzirkus. Die Idee stammte von Robert, und er kotzte literweise Petroleum, bis er endlich Feuer spucken konnte. Weiter kamen sie nicht, die Polizei schritt ein. Robert überlegte, ob er sich nackt, in Plastiktüten verpackt, dem Haus der Kunst anbieten sollte, scheiterte aber an seinem kleinbürgerlichen Schamgefühl, noch bevor er eine Ablehnung riskierte.