Leg die Karten auf den Tisch, Philipp - Toni Waidacher - E-Book

Leg die Karten auf den Tisch, Philipp E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Philipp war innerlich total aufgewühlt. In diesen Minuten würde Nicole den Bergpfarrer über sein gemeines Doppelspiel bei den Deiningers aufklären. Er, Philipp, würde nur auf Verachtung, Unverständnis und Abneigung stoßen. Der Gedanke brachte sein Herz zum stolpern. Total unschlüssig und innerlich zerrissen starrte er das Pfarrhaus an, in dem Nicole vor wenige Minuten verschwunden war. ›Du musst dich deiner Schuld stellen! ‹, mahnte ihn eine innere Stimme. ›Nur wenn du deinen Fehler zugibst und ihn bereust, kannst du etwas retten. Es kostete ihn große Überwindung, um an der Tür des Pfarrhauses zu klingeln. Sein Herz pochte in einem harten Rhythmus. Als nicht sogleich jemand öffnete, überlegte er, ob er nicht einfach davonlaufen sollte. Da war aber etwas, das ihn bannte. ›Davonlaufen ist keine Lösung, Philipp! Er erschrak regelrecht, als die Tür aufging. Sophie Tappert trat in den Türrahmen, den überraschten, um nicht zu sagen verblüfften Blick auf Philipp gerichtet. »Sie!« Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder gehorchten nicht. Er räusperte sich und brachte schließlich mit einer ihm selbst fremden Stimme hervor: »Ich würde gern mit dem Herrn Pfarrer sprechen. Es … es ist sehr wichtig. Ich …«

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Der Bergpfarrer Extra – 1 –

Leg die Karten auf den Tisch, Philipp

Seine Zukunft sieht nicht rosig aus …

Toni Waidacher

Philipp war innerlich total aufgewühlt. In diesen Minuten würde Nicole den Bergpfarrer über sein gemeines Doppelspiel bei den Deiningers aufklären. Er, Philipp, würde nur auf Verachtung, Unverständnis und Abneigung stoßen. Der Gedanke brachte sein Herz zum stolpern. Total unschlüssig und innerlich zerrissen starrte er das Pfarrhaus an, in dem Nicole vor wenige Minuten verschwunden war.

›Du musst dich deiner Schuld stellen!‹, mahnte ihn eine innere Stimme. ›Nur wenn du deinen Fehler zugibst und ihn bereust, kannst du etwas retten.‹

Es kostete ihn große Überwindung, um an der Tür des Pfarrhauses zu klingeln. Sein Herz pochte in einem harten Rhythmus. Als nicht sogleich jemand öffnete, überlegte er, ob er nicht einfach davonlaufen sollte. Da war aber etwas, das ihn bannte. ›Davonlaufen ist keine Lösung, Philipp!‹

Er erschrak regelrecht, als die Tür aufging.

Sophie Tappert trat in den Türrahmen, den überraschten, um nicht zu sagen verblüfften Blick auf Philipp gerichtet. »Sie!«

Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder gehorchten nicht. Er räusperte sich und brachte schließlich mit einer ihm selbst fremden Stimme hervor: »Ich würde gern mit dem Herrn Pfarrer sprechen. Es … es ist sehr wichtig. Ich …« Seine Stimme versagte. Seine Kehle war wie zugeschnürt, etwas schien seine Brust einzuengen.

»Bei Hochwürden ist die Nicole«, sagte Sophie. »Und wenn ich ihre Worte richtig gedeutet hab’, dann haben Sie ein gewaltiges Problem am Hals, Philipp.«

»Gerade deswegen muss ich zum Pfarrer. Ich muss mit ihm – und auch mit Nicole – reden. Ja, ich hab’ Mist gebaut, aber ich war dabei, diese ganze unsägliche Angelegenheit zu beenden. Das müssen der Pfarrer und Nicole wissen.«

Forschend und nachdenklich musterte Frau Tappert sein Gesicht. Seine Augen brachten Verzweiflung, Angst und Verunsicherung zum Ausdruck. »Kommen S’ herein«, murmelte sie. »Ich werd’ Hochwürden Bescheid sagen.«

Philipp wartete im Flur, während Sophie ins Wohnzimmer ging, wo Nicole in einem der schweren Sessel und der Pfarrer auf der Couch Platz genommen hatten.

Nicole, die gerade sprach, verstummte. Ihr Gesicht war bleich, ihre Augen waren gerötet. Sie hatte schon auf dem Weg von Waldeck nach St. Johann im Auto ihres Schulkameraden Andreas eine Menge Tränen vergossen.

Fragend schauten sowohl Nicole als auch der Bergpfarrer die Haushälterin an.

»Der Philipp steht draußen, Hochwürden«, sagte Sophie. »Er scheint völlig verzweifelt zu sein und will mit Ihnen, aber auch mit dir, Nicole, reden. Er hat zu mir gesagt, dass es etwas gibt, das Sie unbedingt wissen müssen.«

Nicole schien noch mehr in sich zusammenzusinken. Sie war traurig, enttäuscht, frustriert, aber auch wütend und unversöhnlich. All diese Gemütsbewegungen wirbelten im Chaos durcheinander, das keinen klaren Gedanken zuließ.

»Wir sollten uns anhören, was er zu sagen hat«, schlug Sebastian vor. »Es sei denn, du hast ein Problem damit, dich jetzt mit ihm an einen Tisch zu setzen, Nicole.«

»Nein«, versetzte die junge Frau, für die eine Welt eingestürzt war, mit belegter Stimme. »Er hat das Recht, sich zu rechtfertigen und zu verteidigen. Es wär’ unfair, ihn net zu Wort kommen zu lassen.«

»Genauso seh’ ich das auch«, gab der Bergpfarrer zu verstehen und nickte Sophie zu. »Er soll hereinkommen.«

Betreten, mit einem Gesicht, das­ Weltuntergangsstimmung ausdrückte, betrat Philipp gleich darauf das Wohnzimmer. Seine Augen­ flackerten unruhig, nervös knetete er seine Hände. »Grüß Gott«, sagte er an Sebastian gewandt. »Ich …«

Er verstummte, weil der Pfarrer abwinkte. »Stehen S’ net rum wie ein begossener Pudel, Philipp. Nehmen S’ Platz. Dann sammeln S’ sich, und wenn S’ ihre Nervosität überwunden haben, dann reden S’. Was ich eben von der Nicole gehört hab’, gefällt mir gar net. Was mich noch ärgert an der ganzen Angelegenheit, ist die Tatsache, dass mich bei Ihnen meine Menschenkenntnis so schmählich im Stich gelassen hat.«

Philipp ging zu einem Sessel und nahm unbeholfen Platz. Mit gesenktem Blick begann er: »Dass ich mich mit meiner Familie in Landshut zerstritten hab’, war eine Lüge. Mein Großvater, mein Vater und Onkel Vinzenz haben mich mit dem Auftrag hierhergeschickt, sie über Onkel Jürgens Pläne und die Ziele, die er sich gesetzt hat, zu informieren. Überhaupt wollte vor allem mein Großvater über jeden Schritt des Onkels und auch Pauls Bescheid wissen. Er kann es Jürgen einfach nicht verzeihen, dass der die Brauerei in Landshut verlassen hat.«

»Mit dieser Lüge haben S’ sich in Jürgen Deiningers Vertrauen eingeschlichen«, brachte es Sebastian auf den Punkt. »Das ist etwas, das Ihnen Ihr Onkel möglicherweise net verzeihen wird.«

»Sie können sich nicht vorstellen, Herr Pfarrer, wie sehr ich das bedauere und bereue.«

»Es geht gar net so sehr darum, dass Sie hier spioniert haben. Es geht einzig und allein darum, dass Sie Ihren Onkel, aber auch Paul, Katrin und Tanja und jeden anderen, mit dem Sie zu tun hatten, belogen haben. Jeder hat Vertrauen zu Ihnen gefasst. Und dieses Vertrauen haben Sie in infamer Art und Weise missbraucht.« Es waren ziemlich ungnädige Worte, die der Pfarrer gebrauchte. Für dieses Verhalten fehlte sogar ihm, der sonst viele menschliche Schwächen akzeptierte, das Verständnis.

Nicole, die Philipp nicht aus den Augen ließ, nickte.

Philipp legte beide Hände gegen die Schläfen, krümmte den Oberkörper nach vorn und starrte zu Boden. »Ich bin mir dessen voll und ganz bewusst.« Jetzt hob er den Blick, schaute Nicole an und fuhr fort: »Als ich heute vor der Kletteranlage in Waldeck mit meinem Vater telefoniert hab’, wollte ich einen Schlussstrich ziehen.« Seine Stimme hatte an Festigkeit und Sicherheit gewonnen. »Ich hab’ ihm klipp und klar gesagt, dass ich mich nicht mehr länger für diese Spitzeldienste hergebe. Einen Teil dieses Gesprächs hast du aufgeschnappt, Schatz … – Nicole. Bitte, glaub’ es mir, wenn ich dir versichere, dass ich deinetwegen sogar in Kauf genommen hab’, dass mich mein Vater als Versager bezeichnet und der Opa nicht mehr mit mir spricht. Ich hab’ meinem Vater sogar gedroht, dass ich, wenn es nicht anders geht, Landshut den Rücken kehre und in St. Johann bleibe.«

»Du hast auch mein Vertrauen missbraucht, Philipp«, erklärte Nicole mit kühler Stimme. Aus ihr sprach die Enttäuschung. Auch der Blick, mit dem sie Philipp anschaute, signalisierte kein Entgegenkommen.

Philipp zog den Kopf ein, als hätte sie nach ihm geschlagen. »Ich hätte dir mein Fehlverhalten gebeichtet, Nicole«, beteuerte er, und gleichzeitig flehte er sie mit den Augen an. »Bei meiner Seele, ich wollte die Sache heute beenden, und zwar selbst auf die Gefahr hin, dass mich meine Familie in Landshut verachtet hätte.«

»Du hättest dich erst gar nicht darauf einlassen dürfen«, stieß Nicole hervor.

»Das ist mir in dem Moment klar geworden, in dem ich mich in dich verliebt hab’«, versetzte er. »Da hab’ ich begriffen …«

»Sprich nicht von Liebe!«, fiel sie ihm ins Wort. »Den Menschen, den man echt und ehrlich liebt, belügt man nicht.«

»Ich weiß das doch«, erwiderte Philipp mit brüchiger Stimme. Hilfe suchend schaute er den Pfarrer an. »Bitte, Herr Pfarrer, geben Sie mir doch einen Rat, wie ich die ganze Sache wieder, zumindest ein bisschen, zurechtrücken kann. Ich selber weiß mir nimmer zu helfen.«

»Gehen S’ zu Ihrem Onkel, bitten S’ ihn um ein Gespräch und schenken S’ ihm reinen Wein ein. Legen S’ Ihre Karten offen auf den Tisch. Das schafft vielleicht neues Vertrauen. Es kann natürlich auch das Gegenteil bewirken. Ihr Onkel ist ein herzensguter Mensch, er kann aber auch ziemlich konsequent sein. Wie immer er Ihr Geständnis aufnehmen wird – Sie werden’s akzeptieren müssen.«

Philipp nickte wiederholt. »Dazu bin ich bereit. Und ich will keine Zeit verlieren. Ich gehe auf der Stelle zu Onkel Jürgen und erzähle ihm alles. Es wird kein leichter Gang, aber ich werde ihn machen.« Philipp erhob sich. Ein entschlossener Zug hatte sich um seinen Mund festgesetzt.

»Eine lobenswerte Entscheidung«, sagte der Pfarrer. »Ich wünsch’ Ihnen, dass es Ihr Onkel net ganz so tragisch sieht.«

Philipps Blick heftete sich auf Nicole.

Diese aber schaute weg. Zu groß war ihre Enttäuschung, als dass sie so tun könnte, alles wäre gut, nur weil er Reue zeigte und seinem Onkel alles beichten wollte.

Die Entschlossenheit, die Philipps Miene gezeigt hatte, verwandelte sich in hilflose Resignation. ›Du hast sie verloren!‹, durchfuhr es ihn siedendheiß. ›Der Fluch der bösen Tat …‹

*

Es war für Philipp ein schwerer Gang.

Eine zentnerschwere Last schien auf ihm zu lasten. Er fürchtete sich vor dem vorwurfsvollen und gleichzeitig geringschätzigen Blick seines Onkels und der Verachtung in seiner Stimme, wenn er ihn mit Schimpf und Schande vom Moserhof wies.

›Du musst da durch!‹, drängte eine innere Stimme. ›Es ist die einzige Chance, Nicole vielleicht doch nicht zu verlieren. Sie muss deinen guten Willen sehen, dann kann sie dir vielleicht verzeihen.‹

Philipp wollte die Hoffnung nicht aufgeben, doch echte Zuversicht wollte sich bei ihm nicht einstellen.

Jürgen Deininger telefonierte gerade.

Philipp zog sich der Magen zusammen, als er vermutete, dass am anderen Ende der Leitung Pfarrer Trenker sein könnte, der seinen Onkel auf das Gespräch mit ihm vorbereitete.

Jürgen nickte seinem Neffen zu und wies mit dem Kinn auf einen Sessel.

Philipp ließ sich mit weichen Knien nieder.

»Okay, dann weiß ich Bescheid«, sagte Jürgen Deininger. »Danke für den Anruf. Auf Wiederhören.« Er legte das Telefon auf ein Sideboard und schaute Philipp an. »Die Lieferung der Sudkessel verzögert sich um ein paar Tage. Aber mit solchen kleinen Pannen muss man leben. Daran, dass wir im Mai die Produktion aufnehmen, wird das nichts ändern. Was ist los, Junge? Du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Hast du ein Problem?« Jürgen warf sich salopp in einen der anderen Sessel und schlug die Beine übereinander. »Wenn ja, raus mit der Sprache. Wir werden es lösen.« Der Anflug eines Lächelns spielte um seinen Mund. Er schien trotz der Nachricht über die Verzögerung bester Stimmung zu sein.

Philipp registrierte es und sagte sich voller Verbitterung, dass er in den nächsten Minuten wohl dafür verantwortlich sein würde, wenn die Laune seines Onkels unter den Nullpunkt fiel. Sein Entschluss, dem Onkel mit der ungeschminkten Wahrheit zu konfrontieren, geriet für einen Moment ins Wanken. Er überwand sich, weigerte sich jedoch, über die Folgen seiner Beichte nachzudenken. Er dachte an Nicole und daran, dass er sie unter keinen Umständen verlieren wollte, und stieß hervor: »Ich habe dich angelogen, Onkel.«

Das Lächeln in Jürgens Gesicht verschwand. »Inwiefern?« Dunkle Ahnungen kamen auf ihn zu, sein Blick wurde durchdringend.

»Ich hab’ mich nicht mit meiner Familie in Landshut zerstritten.« Es kostete Philipp Mühe, es zuzugeben.

»Mein anfänglicher Verdacht …«, entfuhr es Jürgen. Er vollendete den Satz nicht, sondern starrte seinen Neffen nur fassungslos an.

Philipp nickte. »Ich sollte dich und deinen Betrieb ausspionieren und deinen Vater sowie deine Brüder über jede deiner privaten und betrieblichen Aktivitäten unterrichten.«

»Das – ist – ja – bodenlos«, brach es über Jürgens Lippen, als er das Geständnis verarbeitet hatte. »Das – ist …« Mit einem Ruck erhob er sich und nahm eine unruhige Wanderung auf. Drei Schritte hin, drei zurück. »Und dir hab’ ich vertraut«, presste er hervor.

Philipp atmete durch. Mit zittriger Stimme sagte er: »Ich hab’ dein Vertrauen missbraucht. Mein Verhalten war schäbig. Das hab’ ich eingesehen und ich bereue es zutiefst. Ich habe heute mit meinem Vater …«

Mit einer schroffen Handbewegung schnitt Jürgen seinem Neffen das Wort ab. Er hatte angehalten und sich Philipp zugewandt. »Auf deine Reue pfeife ich. Sicherlich sind es auch wieder nur Lügen, mit denen du mir jetzt kommen willst. Du kannst dir alle weiteren Worte sparen, Philipp, denn wir sind geschiedene Leute. Verlass’ auf der Stelle den Moserhof! Geh mir aus den Augen und lass dich nie wieder bei mir blicken. Und meinem Vater und meinen Brüdern kannst du bestellen, dass ich ihnen ein solches Verhalten noch mehr ankreide als dir. Sie waren die Initiatoren. Du warst nur das Werkzeug, wenn auch ein williges. Raus mit dir, Philipp.«

»Bitte, Onkel, hör’ mir zu …«

»Raus!« Mit dem ausgestreckten Arm wies Jürgen auf die Tür. In seinen Augen loderte ein gefährliches Feuer. Er war außer sich und nicht bereit, sich irgendwelche Entschuldigungen oder gar Rechtfertigungen anzuhören.

Wie von Schnüren gezogen erhob sich Philipp. Er legte die Hände zusammen wie zum Gebet und streckte sie seinem Onkel beschwörend entgegen. »Lass’ mich dir wenigstens noch sagen, dass …«

»Verschwinde!« Jürgen zeigte sich unversöhnlich. Es sah aus, als würde er sich im nächsten Moment auf seinen Neffen stürzen. Seine Hände öffneten und schlossen sich und er atmete hart durch die Nase.

Philipp begriff, dass es wohl besser war, zu gehen. Er wollte nichts herausfordern, denn er spürte ganz deutlich, dass sein Onkel nahe davor war, die Beherrschung zu verlieren. »Gut, ich gehe«, murmelte er. »Du hast doch nichts dagegen, dass ich meine persönlichen Sachen noch aus dem Gästezimmer hole?«

»Hol’ sie, und dann mach’ dich vom Acker!«

Mit gesenktem Kopf ging Philipp zur Tür, verließ den Raum und begab sich auf das Zimmer, das ihm auf dem Moserhof zur Verfügung gestellt worden war. Er packte seine wenigen Habseligkeiten in die Reisetasche, trug sie aus dem Haus, warf sie auf den Rücksitz seines Autos und fuhr gleich darauf vom Hof.

Ihm war klar, dass er sich diese Tür selbst zugeschlagen hatte. Er befand sich in einer ausgesprochen erbärmlichen seelischen Verfassung.

*

Es war Zufall, dass Katrin gerade in dem Moment aus dem Fenster eines der Behandlungsräume ihrer physiotherapeutischen Praxis schaute, als Philipp vom Hof fuhr. Sie verließ den Behandlungsraum, gleich darauf auch das Gebäude, überquerte den Hof und betrat ihre Wohnung.

Sie fand Jürgen im Wohnzimmer in einem Sessel sitzend vor, die Hände vor das Gesicht geschlagen und den Rücken gekrümmt.

»Liebster, was war los?«

Jürgen ließ die Hände sinken, schaute Katrin an wie einer, der aus dem Albtraum erwacht, setzte sich gerade und antwortete mit kratziger Stimme: »Philipp hat uns alle belogen. Er war als Spion meiner Familie bei uns. Soeben hat er es mir gestanden.« Er seufzte. »Mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht. Aber der elende Lügner hat uns allen Sand in die Augen gestreut. Sogar den Pfarrer konnte er täuschen.«

Katrin war gleichermaßen betroffen wie fassungslos. »Und jetzt?«, fragte sie.

»Ich hab’ den Kerl rausgeworfen und ihm geraten, mir niemals mehr wieder unter die Augen zu treten.«

Katrin ließ sich auf die Lehne des Sessels nieder, in dem Jürgen saß, und legte einen Arm um seine Schultern. »Es hat dich schwer getroffen, gell?«

»Das ist gelinde ausgedrückt, Schatz. Es ist, als hätte man mir das Herz aus der Brust gerissen. Ausgerechnet Philipp, auf den ich immer so große Stücke gehalten habe.«

»Vielleicht ist er sich der Tragweite seines Handelns gar net bewusst gewesen, als er sich darauf eingelassen hat«, gab Katrin zu bedenken.