LEO XIV. - Michael Hesemann - E-Book

LEO XIV. E-Book

Michael Hesemann

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Beschreibung

Nach zwölf Jahren im Amt verstarb am Ostermontag 2025 Papst Franziskus. Am 8. Mai, nach einem nur 24-stündigem Konklave, wählten die Kardinäle bereits seinen Nachfolger. Es ist Robert Francis Prevost, der erste US-Amerikaner auf dem Papstthron. Er wählt den Namen Leo XIV. Wer ist dieser Papst? Und was bedeutet seine Wahl für die Zukunft der katholischen Kirche? Der erfolgreiche Buchautor und Vatikankenner Michael Hesemann gibt exklusive Einblicke in das Leben des Pontifex' und lässt zahlreiche seiner Weggefährten sprechen.

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Seitenzahl: 387

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Einleitung 7

I. Habemus Papam! 13

II. Das schwierige Erbe von Papst Franziskus 36

III. Das Heilige Jahr 56

IV. Eine düstere Prophezeiung 81

V. Ein Papst namens Leo 103

VI. Die Mutter vom Guten Rat 119

VII. Welcome to Popetown 130

VIII. Im Zeichen des Kreuzes 138

IX. Ein Junge aus Chicago (1955–1973) 160

X. Auf den Spuren des heiligen Augustinus (1973–1982) 178

XI. Priester und Missionar (1982–1999) 195

XII. Generaloberer (1999–2013) 227

XIII. Bischof und Kardinal (2014–2025) 249

XIV. Der Brückenbauer 275

Epilog 297

Bildteil311

Dank 320

Literatur 323

Bildnachweis 325

Anmerkungen 327

Der neue Papst Leo XIV.

Einleitung

»Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« – diese Worte aus einem Gedicht Hermann Hesses gelten nirgends so sehr wie für den Beginn eines Pontifikats.

Es begann mit einer Überraschung – nicht ein einziger mir bekannter Vatikanjournalist hatte mit Robert Francis Prevost als 267. Nachfolger Petri gerechnet – und entwickelte sich zu einer Welle der Sympathie und Begeisterung, die man in dieser Einhelligkeit zuletzt bei Johannes Paul II. erlebt hatte – 1978, vor nahezu einem halben Jahrhundert.

Nur einen Monat nach seiner Wahl, am 8. Juni 2025, ­konnte der greise Kardinal Camillo Ruini (94), langjähriger Kardinal­vikar der Erzdiözese Rom, Erzpriester der päpstlichen Lateranbasilika und Präsident der italienischen Bischofskonferenz (1991–2007), resümieren, was in Rom viele denken: »Leo XIV. hat die Kirche wieder vereint.«

In kürzester Zeit hat der neue Papst ein kirchliches Klima der Einheit und des Friedens geschaffen. Es ist spürbar für die zehntausenden Pilger, die gerade jede Woche neu zu einem der zahlreichen Ereignisse im Rahmen des Heiligen Jahres in die Ewige Stadt strömen. Man geht anders miteinander um, respektvoller, herzlicher. Franziskus hatte durch seine, oft durchaus heilsamen, Provokationen polarisiert, Leo XIV. führt wieder zusammen, was eigentlich immer zusammengehörte: Die Herde, die einst dem heiligen Petrus anvertraut wurde.

»Petrus hat durch Leo gesprochen« ist in Rom ein geflügeltes Wort. Es erinnert daran, dass ein Machtwort aus Rom, von Papst Leo dem Großen, auf dem Konzil von Chalcedon 453 n. Chr. den Streit um die beiden Naturen Christi, ob er nun ganz Mensch und ganz Gott oder doch ein Gottmensch war, mit einem Schlag beendete. Ähnlich scheint Leo XIV. die Debatte, ob die ­Kirche des Dritten Jahrtausends sich nun dem Himmel (Benedikt XVI.) oder der Welt (Franziskus) öffnen solle, mit einer typisch katholischen »et – et« (»und – und«) Antwort beigelegt zu haben: Offen für die Nöte der Menschen, aber fest in Christus, seinem Evangelium und seinen Sakramenten verankert. Nicht Sozialarbeit oder Liturgie, sondern beides zu seiner Zeit – ganz wie er es als Ordensmann bei den Augustinern immer praktiziert hatte.

»Alle lieben Leo«, hört man seitdem überall in Rom und der Weltkirche, und es stimmt: Obwohl oder gerade weil er kein Mann fauler Kompromisse ist, fliegen dem neuen Papst die Herzen der konservativen wie der progressiven Katholiken zu, aber auch jener, die mit »Gott und der Kirche« bislang wenig anzufangen wussten. Auch sie erkennen, dass hier ein blitzgescheiter, sensibler, authentischer und demütiger Mensch am Werk ist, durch den ein Anderer durchscheint, der größer ist als er.

Der schönste Satz aus seiner ersten Predigt ist Mahnung und Selbstreflexion zugleich: Jeder, der in der Kirche ein Leitungsamt ausübt, müsse »verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein machen, damit Er erkannt und verherrlicht wird, sich ganz und gar dafür einsetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, Ihn zu erkennen und zu lieben.« Worte, nicht wie das Brüllen eines Löwen, sondern wie das Säuseln des Windhauches, in dem der Prophet Elias seinen Gott erkannte.

Doch wer ist dieser Robert Francis Prevost, mit dem vor dem Konklave niemand so wirklich gerechnet hatte? Sechs Wochen lang konnte ich seit seiner Wahl am 8. Mai 2025 über seine Hintergründe recherchieren und an die hundert Aus­sagen seiner Familie, Freunde und Wegbegleiter auswerten, um seinem Geheimnis ein wenig tiefer auf den Grund zu gehen.

Der Grund weshalb er trotz eindeutiger und nicht selten unbequemer Standpunkte so breite Zustimmung gefunden hat, liegt nicht nur in seiner unaufgeregten, oft geradezu lässigen, zugleich aber aufmerksamen, offenen Art. Es sind auch nicht die Äußerlichkeiten, die rote Mozetta und die prachtvolle ­Segensstola, mit der er auf dem Balkon des Petersdomes erschien und mit denen er sich gleich demütig in die Reihe so vieler großer Päpste stellte, statt demonstrativ anders sein zu wollen. Noch weniger sind es die Tränen der Rührung, die ihn gleich mehrfach überkamen, seine Ergriffenheit und Bescheidenheit.

Es ist sein ureigenes Charisma, bedingt durch seine Ab-­stammung und seinen Lebensweg, das ihn zu einem Brückenbauer macht. Natürlich, das ist jeder Papst, bedeutet doch der Titel »Pontifex Maximus« seit der Antike, selbst als er noch von heidnischen Hohepriestern und römischen Kaisern getragen wurde, »Oberster Brückenbauer«, womit die Verbindung zwischen Gott und Menschen, zwischen Himmel und Erde ­gemeint ist. Doch Leo XIV. trägt diesen Titel nicht, weil es die Tradition so will; er ist es schlichtweg wie kein anderer.

Ein Mann, dessen Vorfahren aus vier Kontinenten (Nord- und Süd­amerika, Europa und Afrika) stammen, der in drei Kontinenten heimisch war (Nord- und Südamerika sowie Europa), der den globalen Norden und den globalen Süden gleich gut kennt (er lebte 21 Jahre seines Lebens in Peru!), der Missionar in einem Entwicklungsland und Präfekt eines Dikasteriums der römischen Kurie war und zwischendurch noch zwölf Jahre lang eine weltweite Ordensgemeinschaft, die Augustiner, als Generalprior geleitet und dabei einige dutzend Länder bereist hat, der ist in der Tat für das Petrinische Amt, die Leitung einer Weltkirche mit 1,4 Milliarden Mitgliedern, prädestiniert wie kein anderer.

Nichts aber braucht diese durch Krieg und Zwietracht geteilte Welt ebenso wie die gespaltene Christenheit und die polarisierte Kirche mehr als Einheit und Frieden. Das Potenzial, Gräben zu überwinden, Feinde zu versöhnen und Menschen zusammenzuführen, das hat dieser Papst aus Chicago, der über einen peruanischen Pass verfügt, dieser Wanderer zwischen den Welten mit seiner tiefen Verwurzelung in den Lehren des Kirchenvaters Augustinus.

Papst Leo XIV. am 8. Mai 2025

Die Kirche behauptet, der Heilige Geist würde den Kardinälen im Konklave eingeben, welchen Mann an ihrer Spitze sie in diesem Augenblick der Geschichte am dringendsten braucht. Nach der Wahl von Kardinal Prevost zum Papst fällt es mir wieder leicht, daran zu glauben. Mit ihm scheint es möglich, einen neuen Anfang zu wagen, dessen Ziel Frieden und Einheit sind.

Rom, 29. Juni 2025

Fest der Apostel Petrus und Paulus

Michael Hesemann

II. Das schwierige Erbe von Papst Franziskus

Das erste Akt in jenem kirchengeschichtlichen Drama, das schließlich zur Wahl Leos XIV. führte, begann am 5. Januar 2023, dem Tag der Beisetzung Benedikts XVI.

Es war kalt an diesem Morgen, bitterkalt. Und das, obwohl die ersten Januartage des Jahres 2023 in Rom eher mild waren, am Vortag sogar die Sonne schien. Doch jetzt hatte sich eine Nebeldecke über die Ewige Stadt gelegt wie eine Wolke, die vom Himmel hinabgestiegen war und uns alle in sich aufnahm, die wir, noch im Schutze der Dunkelheit, nur ein einziges Ziel kannten: Den Petersplatz, um, nach dem Tod von Michail Gorbatschow und Queen Elizabeth II. im Spätsommer, Abschied zu nehmen von dem letzten Großen des 20. Jahrhunderts. Ausgerechnet am letzten Tag des Jahres, zu Silvester, war seine schwach gewordene Stimme für immer verstummt, konnte er endlich dem begegnen, den er sein Leben lang gesucht hatte.

Benedikt XVI. war tot. Knapp zehn Jahre nach seinem überraschenden Rücktritt im Februar 2013, zehn Jahre, die er zurückgezogen im Kloster »Mater Ecclesiae« in den vatikanischen Gärten verbracht hatte, um, wie es sein Sekretär Georg Gänswein einmal beschrieb, wie eine Kerze langsam zu verlöschen, hatte er diese Welt für immer verlassen. Am 1. Januar war sein Leichnam in der Hauskapelle seines Klosters aufgebahrt worden, am 2. Januar überführte man ihn in den Petersdom, wo er drei Tage lang auf einem Katafalk vor dem Papst­altar und dem Grab des heiligen Petrus verblieb.

Rund 200000 Gläubige standen in diesen Tagen oft stundenlang in einer endlos erscheinenden Warteschlange, um für ein paar Sekunden Abschied zu nehmen, bevor die Ordnungs­kräfte sie zum Weitergehen aufforderten. Nur wenige Privi­legierte, meist Kirchenmänner, Politiker und enge Vertraute, hatten das Glück, in eine der Stuhlreihen zu seiner Linken oder Rechten gelassen zu werden, wo man beten für und stille Zwiesprache mit dem Verstorbenen halten konnte.

Auch ich war an diesem Montag nach Rom aufgebrochen, wo ich am Dienstagabend, nach fünfzehnstündiger, durch eine Nacht in Mailand unterbrochener Autofahrt, endlich eintraf. Dort führte mein erster Weg in den Petersdom, um ein letztes Mal Abschied zu nehmen. Erst drei Wochen zuvor hatte ich Benedikt XVI. in seinem Klösterchen »Mater Ecclesiae« besucht, eine Stunde mit ihm verbracht, seinen mit schwacher Stimme eher gehauchten, aber klugen Antworten gelauscht, auf die, was mich alarmierte, stets ein hüstelndes Röcheln folgte. So klar sein Geist war, so erschöpft, ja verbraucht wirkte sein fragiler Körper. Seine Haut erschien fast durchscheinend, seine Hände, die ich zum Ringkuss ergriff, fühlten sich kalt und schwach an.

Ich empfand tiefe Dankbarkeit, aber auch Traurigkeit, denn ich wusste, dass es unsere letzte Begegnung sein würde. So dankte ich ihm noch einmal für alles, bat ihn, für mich zu beten, und versicherte ihn meiner Gebete. Erzbischof Gänswein brachte mich schließlich an die Tür und teilte meine Sorge: Nach menschlichem Ermessen wäre es wohl wirklich mein letzter Besuch. Fröstelnd und mit schwerem Herzen stieg ich die Treppen hinunter zur Auffahrt des Monastero, wo eine Limousine der Schweizergarde auf mich wartete. Und jetzt, nur drei Wochen später, lag er hier und schien die von Grabenkämpfen zerfurchte katholische Welt im Abschied und der Trauer zu vereinen.

Erst als ich abends mit Kollegen und Vatikan-Insidern zusammensaß, begriff ich, dass auch diese Einheit nur ein trügerischer Schein war. Während die einen Benedikt XVI. bereits als zukünftigen Kirchenlehrer feierten, arbeiteten andere an der Demontage des deutschen Papstes. Das zeigte sich auch in der Debatte, wie der erste »Papa emerito« der Geschichte denn beigesetzt werden sollte, schließlich gab es dafür keine Präzedenzfälle. Sollte es eine Papstbestattung sein