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Ein prickelnder lesbischer Liebesroman, in der ein ehrgeiziges Hollywood-Starlet auf eine vorsichtige Butch trifft – und Funken sprühen. Amanda, eine Femme aus Überzeugung, hat endlich eine Rolle in einer beliebten Fernsehserie ergattert. Sie ist wild entschlossen, sich ganz auf ihre Karriere zu konzentrieren und sich durch nichts und niemanden ablenken zu lassen. Erst recht nicht durch eine Butch wie Michelle. Nachdem ihre letzte Beziehung in einem Desaster geendet ist, hat Michelle geschworen, sich nie wieder mit einem Hollywoodstarlet einzulassen. Eine Möchtegerndiva ist das Letzte, was sie in ihrem Leben gebrauchen kann, und das erste Zusammentreffen lässt sie glauben, dass Amanda genau zu dieser Sorte Schauspielerin gehört. Aber nach einem Date, das eigentlich keines ist, und angestachelt durch Amandas neugierige Großmutter, fragen sich beide, ob es nicht an der Zeit ist, einer Liebe à la Hollywood doch eine Chance zu geben.
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Seitenzahl: 286
Veröffentlichungsjahr: 2014
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DANKSAGUNG
Wie bei den meisten kreativen Projekten gab es auch bei diesem mehrere Personen, die mich während des Schaffensprozesses unterstützt und begleitet haben, allen voran Erin und Astrid, die mir kräftig in den Hintern getreten haben, als ich die Geschichte nach dem ersten Kuss enden lassen wollte.
Ein besonderes Dankeschön geht an meine Kritikpartnerin Alison Grey für ihre geduldige Rückmeldung, an Susanne fürs Korrekturlesen und an Devin Sumarno für ihr kompetentes Lektorat.
Danke!
VORWORT
Liebe à la Hollywood entstand aus der Kurzgeschichte Der Morgen danach, die ebenfalls im Ylva Verlag erschienen ist. Meine Muse hat mich nicht in Ruhe gelassen, ehe ich Amandas und Michelles Geschichte nicht in voller Länge erzählt hatte. So ist aus einer Kurzgeschichte ein Kurzroman geworden. Ich hoffe, meine Leserinnen genießen die Lektüre dieser Liebesgeschichte ebenso sehr, wie ich das Schreiben genossen habe!
INHALT
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
EPILOG
ÜBER JAE
LESEPROBE CABERNET UND LIEBE
EBENFALLS IM YLVA VERLAG ERSCHIENEN
DEMNÄCHST IM YLVA VERLAG
KAPITEL 1
Eine von uns beiden wird den Nachtisch nicht überleben. Da war sich Amanda sicher. Sie wusste nur noch nicht wer. Entweder würde sie sich zu Tode langweilen oder ihre Verabredung würde mit dem Gesicht voran in ihrem geräucherten Lachsmousse landen, Amandas Gabel in der Halsschlagader.
Nichts von Amandas mörderischen Absichten ahnend, plapperte Val weiter. »… und deshalb haben meine Eltern vereinbart, dass mein Vater den Namen des ersten Kindes aussuchen würde und meine Mutter den des zweiten. Oh, und weißt du, was richtig klasse ist?« Sie klatschte in die Hände.
»Nein«, sagte Amanda und schaffte es unter Aufbietung all ihres schauspielerischen Könnens, wenigstens halbwegs interessiert zu erscheinen. »Was denn?« Sie hob ihre Gabel mit einer in Kokosnussraspeln panierten Garnele, um ein Gähnen zu verbergen.
»Val ist die Abkürzung für Valentina, deshalb ist der Valentinstag schon immer mein Glückstag gewesen. Als ich dich vorhin zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich sofort, dass wir füreinander bestimmt sind.«
Amanda verschluckte sich an der Garnele. Sie hustete, bis sie das Gefühl hatte, dass ihr Gesicht scharlachrot angelaufen war. Mit zwei großen Schlucken leerte sie ihr Weinglas und sah sich nach dem Ober um. Wenn sie dieses Date überleben wollte, brauchte sie ein wenig alkoholische Unterstützung. »Füreinander bestimmt? Ähm, Val, das ist unsere allererste Verabredung. Meinst du nicht, das ist ein wenig überstürzt, selbst für zwei Lesben?«
»Oh, nein, keineswegs.« Val streckte die Hand aus und ließ einen pink-lackierten Fingernagel Amandas Arm hinabgleiten. »Wahre Liebe kennt keine Zeitbegrenzung.«
Vals Berührung jagte Amanda eine Gänsehaut über den Rücken. Zu blöd, dass es nicht die angenehme Sorte Kribbeln ist, die sie bei mir auslöst. Unter dem Vorwand, ihr Glas zu leeren, das der Kellner eben aufgefüllt hatte, zog Amanda ihren Arm weg. Okay, nichts wie weg hier.
Bevor Amanda sich eine höfliche Ausrede einfallen lassen konnte, unterbrach sie der Ober. Er platzierte die Champignon-Pasta vor Amanda und umrundete dann den Tisch, um Vals Ricotta Ravioli zu servieren.
Immer noch ohne Punkt und Komma quasselnd, griff Val nach ihrer Gabel und schnitt damit ihre Ravioli in kleine, herzförmige Stücke.
Amanda starrte auf Vals Teller. Oh mein Gott, sie ist ein Liebespsychopath. Es war, als wäre sie gefangen in einer der billigen Seifenopern, für die sie vorgesprochen hatte, aber hier gab es niemanden, der »Schnitt« rief, wenn es nicht gut lief.
»Du wirst meine Eltern lieben«, sagte Val. »Ich bin sicher, sie werden sich genau wie ich auf den ersten Blick in dich verlieben. Wir könnten sie am Wochenende besuchen. Sie leben in Carmel. Die Fahrt dahin ist ungeheuer romantisch, direkt an der Küste entlang.« Sie warf Amanda verliebte Blicke zu.
Jeden Moment würde sie vermutlich beginnen, mit Amanda unter dem Tisch zu füßeln.
Amanda reckte den Hals und sah sich suchend nach dem Ausgang um.
»Mist.« Val tupfte wild an einem Klecks Tomatensoße herum, der auf ihre Bluse gespritzt war. Sie rubbelte und schrubbte und verteilte den Fleck dadurch nur noch mehr. Ihr Stuhl schabte über den Boden, als sie aufsprang. »Entschuldige mich bitte für eine Sekunde. Ich muss …« Sie deutete auf ihre Brust und eilte davon.
Ja! Amanda stand ebenfalls auf. Das war ihre Chance, abzuhauen. Aber sollte sie wirklich genug Geld auf den Tisch legen, um ihre Hälfte des Essens zu bezahlen, und dann einfach verschwinden? Sie warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Ausgang, bevor sie seufzte und wieder Platz nahm. Zu dumm, dass meine Großmutter mich anständig erzogen hat. Val war ja vielleicht ein bisschen plemplem, aber Amanda wollte ihr nicht für immer und ewig ihren Glückstag verderben, indem sie mitten in ihrer Verabredung einfach ohne Erklärung verschwand.
Sich selbst verfluchend, kramte sie ihr Handy aus der Handtasche und drückte auf die Schnellwahltaste zwei.
Das Telefon klingelte dreimal, bevor abgenommen wurde. »Hallo«, sagte Kathryn. »Was kann ich für meine Lieblingsklientin tun?«
»Du kannst mir versprechen, mich nie wieder zu einem Blind Date zu überreden.«
»Oh.« Kathryn war einen Moment lang still. »Kann ich davon ausgehen, dass dein Date nicht allzu gut läuft? Rob hat aufs Grab seines Bruders geschworen, dass sie genau dein Typ ist.«
Amanda schnaubte. »Rob ist ein Einzelkind.«
Papier raschelte am anderen Ende der Leitung. »Also ist Val nicht dein Typ?«
Amanda unterdrückte den Reflex, Würggeräusche von sich zu geben, und zwang sich, fair zu sein. »Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, sie wäre es.« Um ehrlich zu sein, war Val genau ihr Typ – wenigstens, was das Aussehen betraf. Welliges, rotes Haar fiel in eleganten Locken bis knapp unterhalb ihrer schmalen Schultern. Eine schicke Bluse und ein schwarzer Minirock ließen sie sexy und zugleich stilvoll erscheinen. Außerdem bewegte sich Val anmutiger als die meisten von Amandas Schauspielkolleginnen.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Kathryn.
»Sie hat den Mund geöffnet.« Amanda nahm einen weiteren Schluck Rotwein.
»Ach, komm schon. Sei kein Snob. So schlimm kann sie ja wohl nicht sein.«
»Ach nein? Wie würde dir eine Verabredung gefallen, bei der dein Date dir ihre komplette Lebensgeschichte erzählt – inklusive der jedes ihrer Familienmitglieder – und das alles, bevor ihr auch nur das Essen bestellen konntet? Und dann fährt sie damit fort, eure gemeinsame Zukunft zu planen, weil sie überzeugt ist, dass ihr füreinander bestimmt seid.« Amanda leerte ihr Glas und schüttelte sich. »Ich wette, noch bevor wir den Nachtisch bestellen, wird sie den Werdegang unserer Kinder bis ins Detail festgelegt haben.«
Kathryn lachte. »Das ist kein Scherz, oder?«
»Schön wär’s.« Amanda hob die Hand, um den Ober heranzuwinken. Sie wartete, bis er ihr Glas nachgeschenkt hatte, und nickte ihm anschließend dankend zu.
»Wo ist deine Albtraumfrau?«, fragte Kathryn. »Bist du zur Toilette geflüchtet?«
»Nein, da hat sie sich gerade hinverzogen. Sie hat sich was von ihren herzförmigen Ravioli auf die Bluse gekleckert.« Amanda behielt die Tür zur Damentoilette im Auge. Val konnte jeden Moment zurückkommen. »Kath, du musst mir helfen. Ich muss hier raus, bevor sie niederkniet und mir vor allen Leuten im Restaurant einen Heiratsantrag macht.«
Kathryns unterdrücktes Kichern drang durch den Hörer. »Sag ihr doch einfach, dass Steven Spielberg angerufen hat und dich für seinen nächsten Film haben will – unter der Bedingung, dass du dich jetzt sofort mit ihm triffst.«
»Spielberg.« Amanda schnaubte. »Ja, klar. Das glaubt sie mir sofort. Er hat mich in meinem letzten Werbespot gesehen und war so beeindruckt von der Art und Weise, wie ich das Geschirrspülmittel in die Höhe hielt, dass er mich jetzt vom Fleck weg engagieren will.«
»Es sind schon merkwürdigere Dinge passiert«, sagte Kathryn.
»Mir nicht.«
Die Tür zur Damentoilette wurde geöffnet.
Amandas Herzschlag beschleunigte sich.
Eine ältere Dame verließ die Toilette.
Amanda ließ den Atem entweichen. »Das Merkwürdigste, was mir je passiert ist, ist dieses Date. Man könnte es auch das Rendezvous des Grauens nennen.«
»Es kann wohl kaum schlimmer sein als meine erste Verabredung mit meinem zweiten Ehemann«, sagte Kathryn. »Er …«
»Kath, ich würde mir deine Geschichte liebend gern anhören, aber Val kommt jeden Moment zurück. Hilfe!«
»Okay, okay. Ich lass mir was einfallen und ruf dich dann zurück.« Kathryn legte auf.
Sekunden nachdem Amanda das Handy wieder in der Handtasche verstaut hatte, verließ Val die Toilette und kehrte an den Tisch zurück. Offenbar hatte sie versucht, den Fleck mit Wasser und Seife vom Toilettenvorraum zu beseitigen, sodass ihre nasse Bluse nun fast durchsichtig war und an ihrem üppigen Busen klebte.
Aus, Weib, befahl Amanda ihrer Libido. Die Frau ist wie Zuckerwatte. Sie mag ja zuckersüß aussehen, aber sie ist ungesund und klebt an dir wie eine Klette.
Val setzte sich und griff erneut zu ihrer Gabel. Innerhalb von höchstens einer Minute hatte sie ein halbes Dutzend weiterer Ravioli-Herzen produziert. »Entschuldige bitte, dass es so lange gedauert hat. Also, erzähl mir doch ein bisschen von dir«, sagte sie. »Was hast du gedacht, als du mich zum ersten Mal gesehen hast?«
Ein Stück Champignon blieb fast in Amandas Hals stecken. Ich glaube, ich bin diejenige, die heute Nacht sterben wird. Vermutlich einen grausamen Erstickungstod. Sie nahm einen Schluck Rotwein. Oder vielleicht auch an Leberzirrhose.
Ihr Handy klingelte zur Melodie von Madonnas Hollywood.
Rettung naht! »Tut mir leid. Da muss ich rangehen. Es ist meine Agentin.« Amanda stellte einen neuen Geschwindigkeitsrekord im Handy-Abnehmen auf.
»Oh, Amanda, ich bin ja so froh, dass du zu Hause bist.« Kathryn wimmerte mit der gekünstelten Verzweiflung einer Möchtegern-Schauspielerin ins Telefon.
»Ähm, du hast auf meinem Handy angerufen. Ich bin nicht zu Hause.« Amanda schielte zur anderen Seite des Tisches.
Val beobachtete sie mit erwartungsvoller Miene, so als vermutete sie, dass Amandas Agentin wegen eines großartigen Angebots aus Hollywood angerufen hatte.
Mist. Vielleicht hätte ich’s doch mit der Spielberg-Ausrede versuchen sollen. »Was ist los?«, fragte Amanda und verlieh ihrer Stimme eine besorgte Note.
Kathryn war weniger subtil. Geräuschvolles Weinen drang aus dem Telefonhörer, mit Sicherheit laut genug, dass auch Val es hören konnte. »Mein Ehemann hat eben die Scheidung eingereicht.«
Welcher denn? wollte Amanda fragen. Kath hatte bereits drei Scheidungen hinter sich und war momentan genauso single wie Amanda. »Oh, Gott, Kath, das tut mir so leid. Das ist ja furchtbar. Was für ein Arschloch.« Amanda schlug die Faust auf den Tisch. Ihr Weinglas wackelte und sie griff eilig zu, um es vor dem Umfallen zu bewahren. »Warte nur, bis ich diesen lügenden, betrügenden Ganoven in die Hände kriege!«
Das laute Weinen wurde zu erbarmungswürdigem Schluchzen.
»Bitte weine nicht. Ich komm gleich rüber zu euch und dann werde ich ihn entweder umbringen oder umstimmen.«
Kathryn schnäuzte sich. Es klang wie das Trompeten eines Elefanten. »Das würdest du für mich tun?«
»Natürlich. Ich komme so schnell ich kann.« Amanda legte auf und steckte das Handy zurück in ihre Handtasche.
Als sie aufsah, starrte Val sie an, die rot geschminkte Unterlippe zu einem Schmollen nach vorne geschoben. »Musst du wirklich gehen?«
»Ja. Tut mir schrecklich leid. Es war ein wunderschöner Abend, aber leider muss ich ihn vorzeitig beenden.« Wow. Ich verdiene wirklich einen Oscar dafür, dass ich das sagen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aber meine Agentin braucht mich heute Abend wirklich. Ihr Ehemann hat eben die Scheidung eingereicht.«
»Oh mein Gott! Am Valentinstag?« Val presste beide Hände gegen ihre Brust. »Glaub mir, so was würde ich dir nie antun.«
So viel ist mal sicher. Weil ich es so weit erst gar nicht kommen lasse. Amanda rang sich ein Lächeln ab, legte ein paar Geldscheine auf den Tisch und erhob sich.
Val sprang auf. »Soll ich mitkommen? Ich könnte …«
»Oh, nein, nein«, sagte Amanda so schnell, dass sie sich fast verhaspelte. »Bleib ruhig sitzen und genieß den Rest des Abendessens. Kathryn würde sicher nicht wollen, dass irgendjemand sonst sie in diesem Zustand sieht.«
Langsam sank Val zurück auf ihren Stuhl. »Du könntest zu mir nach Hause kommen, wenn du dich um deine Agentin gekümmert hast.«
Schweiß perlte auf Amandas Stirn. Mist. Wie kann ich mich da rauswinden? »Geht nicht«, sagte sie. »Ich werde vermutlich bei Kathryn übernachten. Ich will sie heute Nacht auf keinen Fall allein lassen.«
»Du bist so rücksichtsvoll.« Wäre Val eine Comicfigur gewesen, hätte ihr Blick jetzt lauter kleine, pinkfarbene Herzen in Amandas Richtung geschleudert.
»Ähm, ja. So war ich schon immer.« Ehe Val sie um eine zweite Verabredung bitten konnte, winkte Amanda ihr zu und eilte zum Ausgang.
Amanda lehnte sich gegen die Fahrertür ihres Wagens und atmete tief ein und aus. So musste sich ein verurteilter Häftling fühlen, der kurz vor Vollstreckung des Todesurteils begnadigt wurde. Sie fischte ihr Handy aus der Handtasche und drückte auf die Schnellwahltaste zwei.
»Bist du dem Rendezvous des Grauens entkommen?«, fragte Kathryn, ohne auch nur Hallo zu sagen.
»Ja. Gott sei Dank.« Amanda wischte sich imaginären Angstschweiß von der Stirn. »Übrigens, deine schauspielerischen Fähigkeiten sind geradezu furchterregend schlecht.«
Kathryn schnaubte. »Was hast du erwartet? Es hat schon seinen Grund, dass ich die Agentin bin und du die Schauspielerin.«
»Ja, weil man als Agentin deutlich mehr verdient«, sagte Amanda.
»Das ist einer der attraktivsten Gründe.«
Amanda angelte den Autoschlüssel aus der Handtasche. »Falls du Rob triffst, sag ihm, er schuldet mir was.«
»Mach ich. Oh, Amanda? Schönen Valentinstag.« Kathryn legte auf, bevor Amanda antworten konnte.
Kopfschüttelnd steckte Amanda das Handy ein. Als sie die Hand ausstreckte, um das Auto aufzuschließen, fiel ihr Blick auf einen Werbeflyer, der unterm Scheibenwischer hing. Sie lehnte sich vor und zog ihn darunter hervor.
Beim Anblick von kleinen, roten Herzchen auf der Werbebroschüre schloss sie die Finger zur Faust, um den Flyer zusammenzuknüllen. Im letzten Moment ließ ein Bild von Amor sie innehalten. Anstatt Pfeile auf potenzielle Liebende abzuschießen, lag er bäuchlings auf einem blutbesudelten Fußboden. Ein Pfeil hatte seinen Rücken genau zwischen den kleinen, weißen Flügeln durchbohrt. Unter dem Bild kündigten neongrüne Buchstaben eine Anti-Valentinstag-Party an.
Amanda lachte und las weiter: »Haben Sie schnulzige Karten, billige Schokolade und den Druck, eine Verabredung zu finden, satt?«
Sie nickte heftig. »Oh, ja, und wie!« Die Party klang gar nicht mal so schlecht. Sie sah auf ihre Armbanduhr.
Kurz nach neun.
Auf dem Flyer stand, dass die Anti-Valentinstag-Party um acht begonnen hatte. Und sie war hier gleich ums Eck.
Amanda wog den Autoschlüssel in der Hand, bevor sie ihn zurück in die Handtasche schob.
Nach dem Date, das sie gerade überlebt hatte, war die Aussicht auf ein paar Stunden Party in Gesellschaft von Leuten, die nicht auf eine Beziehung aus waren, extrem verlockend. Vor allem, wenn es sich dabei um Heteros handelte. Sie hatte die Nase voll von Frauen, die nach ihrer Seelengefährtin suchten. Ein Cocktail, dann würde sie ein Taxi rufen und nach Hause fahren. Nach den zwei oder drei Gläsern Wein, die sie während des Abendessens getrunken hatte, war es ohnehin besser, nicht mehr selbst zu fahren.
Zufrieden mit ihrer Entscheidung, überquerte sie die Straße und pfiff No More I Love You’s vor sich hin.
Amanda schwang sich auf den letzten freien Barhocker, drehte sich um und ließ ihren Blick durch die Bar schweifen.
Gebrochene Herzen, schwarze Rosen und Poster aus dem Film Der Rosenkrieg zierten die Wände. Männer und Frauen, die meisten zwischen Anfang zwanzig und Ende dreißig, tanzten zu This Is Not a Love Song. Amanda fiel auf, dass niemand rote oder pinke Kleidung trug. Stattdessen wimmelte es von T-Shirts mit Sprüchen wie single und glücklich oder Amor kann mich mal.
Jemand räusperte sich direkt hinter ihr.
Amanda drehte sich um.
Der Barkeeper, ein muskelbepackter Hüne mit Tätowierungen auf jedem Zentimeter entblößter Haut, nickte ihr zu. »Was darf’s denn sein?«
Amanda beäugte die Cocktailkarte, die hinter der Bar hing, und rieb sich das Kinn. Auf der Karte standen Cocktails mit Namen wie One-Night-Stand, Liebes-Aus und Free Love neben einigen mehr traditionellen Mischungen. Normalerweise trank sie keine harten Alkoholika, sondern hielt sich an Rotwein, aber nach einem Tag wie diesem brauchte sie etwas Stärkeres. »Was können Sie empfehlen?«
»Wie wär’s mit einer Bissigen Braut?«, fragte der Barkeeper. »Das ist eine Mischung aus Campari, Rum, Orangen- und Zitronensaft.«
»Bissige Braut? Nein, danke«, murmelte Amanda. »Davon hatte ich heute schon genug.«
»Wie bitte?«
»Ich sagte, das ist mir zu sauer. Haben Sie auch was Süßeres?«
Ein breitschultriger Mann in einem Es-liegt-an-dir-nicht-an-mir-T-Shirt schlenderte zur Bar und quetschte sich zwischen Amanda und die Frau auf dem Barhocker zu ihrer Rechten. »Ich glaube, die Lady braucht einen Slow Fuck.«
Der Barkeeper sah zu Amanda herüber. Seine Hände verharrten über dem Cocktailshaker.
Amanda drehte sich zu dem breitschultrigen Kerl um. Mit seinen roten Haaren und einem Perlweiß-Lächeln hätte er fast als Vals Zwillingsbruder durchgehen können. »Das ist ein lahmer Anmachspruch, sogar für eine Anti-Valentinstag-Party.«
Er zuckte mit den Schultern. »Du könntest mir ein paar neue beibringen.«
Sein Grinsen hätte die gewünschte Wirkung auf sie verfehlt, selbst wenn sie hetero gewesen wäre. »Nein, danke.« Sie war Schauspielerin, keine Souffleuse für Möchtegern-Casanovas. Sie drehte sich zum Barkeeper um. »Jetzt brauch ich definitiv was Stärkeres.«
»Egal, was sie möchte, es geht auf mich«, sagte der rothaarige Mann.
Amanda ignorierte ihn und legte einen Zehndollarschein auf die Theke.
Der Barkeeper nahm das Geld und füllte Eiswürfel in ein Glas. »Wie wäre es mit einer Mischung aus Wodka, Kaffeelikör und Tonic Water? Das nennt sich Mind Eraser.«
Amanda hatte seit Jahren keinen Wodka mehr getrunken, aber irgendwie schien es ein passender Abschluss für diesen Tag zu sein, deshalb nickte sie. »Warum nicht?«
Als der Alkohol in ihrer Kehle brannte und sie zu husten begann, schoss ihr der Gedanke Berühmte letzte Worte durch den Kopf, aber dann bedeutete der rothaarige Mann dem Barkeeper, ihr noch einen Cocktail zu mixen, und sie vergaß alles andere.
KAPITEL 2
Wer behauptet hatte, von Wodka würde man keinen Kater kriegen, war ein verdammter Lügner. Amandas Kopf hämmerte wie ein Tamburin, auf dem ein hyperaktives Kindergartenkind herumtrommelte. Stöhnend presste sie die Hände gegen ihre Schläfen, aber die Bewegung machte alles nur noch schlimmer. Ihr Magen fühlte sich an wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Sie lag da, ohne sich zu rühren, bis die Übelkeit etwas abebbte.
Oh, Gott, wollte sie sagen, aber ihre Zunge klebte am Gaumen fest. Mühsam befeuchtete sie ihre trockenen Lippen und verzog das Gesicht. Der Geschmack in ihrem Mund ähnelte dem von Socken, die jemand fünf Tage lang in Gummistiefeln getragen hatte, und ihre Zunge fühlte sich auch genauso pelzig an.
Ohne die Augen zu öffnen, griff sie nach der Flasche Mineralwasser, die immer auf ihrem Nachttisch stand.
Sie war nicht da.
Ebenso wenig wie der Nachttisch.
Was zum …? War sie gefangen in einem alkoholinduzierten Albtraum wie der, in dem sie einen Oscar gewann, aber wenn sie die Bühne betreten wollte, um ihn entgegenzunehmen, feststellte, dass sie nackt war? Sie öffnete die Augen.
Grelles Sonnenlicht ließ sie zusammenzucken. Zu dem Kindergartenkind mit dem Tamburin gesellte sich ein zweites, das ihren Kopf als Trampolin missbrauchte.
Sie schloss die Augen und zog sich das Kissen übers Gesicht, um das Sonnenlicht auszublenden. Der Geruch eines Männerparfüms haftete am Kissenbezug.
Quatsch. Wie viel von dem teuflischen Zeug hatte sie gestern Nacht getrunken? Jetzt funktionierte nicht mal mehr ihr Geruchssinn. Der Baumwollbezug ihres Kissens konnte nicht nach Männerparfüm riechen, schließlich war ihr Bett eine männerfreie Zone.
Moment mal. Baumwolle? Sie hatte das Bett doch vor ein paar Tagen mit der Satinbettwäsche bezogen, die Kathryn ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Ruckartig setzte sie sich auf und umklammerte dann ihren Kopf. Durch halb geöffnete Augen spähte sie in dem fremden Schlafzimmer umher. Zu ihrer Linken war ein großes Fenster. Ihr wurde schwindelig, als sie die Steinterrasse, umgeben von Zitronen- und Orangenbäumen, anstarrte. Das war ganz sicher nicht der Anblick, der sie begrüßte, wenn sie in ihrer kleinen Einzimmerwohnung die Augen öffnete.
Riesige Schwarz-Weiß-Drucke hingen an den Wänden – eine Harley mit einer halb nackten Frau, eine Nahaufnahme von einem fauchenden Tiger und das wettergegerbte Gesicht eines alten Mannes, der in die Sonne blinzelte.
Eine Herren-Armbanduhr lag auf dem Nachttisch auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes. Daneben stapelten sich Klamotten auf einem weißen Leder- und Chrom-Stuhl: Socken, ein Los Angeles Lakers Sweatshirt und ein Paar Boxershorts. Turnschuhe, die mindestens nach Größe einundvierzig aussahen, lagen unter dem Stuhl.
Amandas Blick hetzte hin und her zwischen dem Harley-Druck, der Uhr und den Boxershorts. Der Geruch von Männerparfüm hing in der Luft. Oh, Scheiße. Was hab ich nur getan? Nie im Leben wär ich mit dem Typen von der Bar nach Hause gegangen … oder doch? Nicht mal ein halbes Dutzend von diesen grauenhaften Cocktails konnte eine Lesbe heterosexuell machen. Vielleicht dumm, aber nicht hetero.
Ihr Blick glitt ihren Körper hinab. Puh! Sie atmete geräuschvoll aus. Gott sei Dank. Wenigstens trug sie immer noch ihren Slip und den BH. Sie rieb sich die schmerzenden Schläfen in der Hoffnung, dass das ihrer Erinnerung an letzte Nacht auf die Sprünge helfen würde.
Nichts dergleichen geschah. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie an der Bar einen Cocktail nach dem anderen getrunken hatte. Sie hatte eine ihrer Schultern entblößt, um die Narbe von dem Werbespot mit dem Kamel herumzuzeigen.
Ihr rothaariger Saufkumpan hatte gegrölt und geklatscht.
Danach war ihr Gedächtnis wie leer gefegt.
Gott, ich hasse Valentinstag. Und Mind Eraser. Und wenn ich wirklich mit einem Mann geschlafen habe, dann hasse ich mich selbst am allermeisten. Sogar als Jugendliche hatte sie gewusst, dass ihre Interessen woanders lagen, und auch später hatte sie nie dem Druck Hollywoods nachgegeben, sich mit Männern zu verabreden. Darauf war sie immer stolz gewesen, aber jetzt …
Als das Hämmern in ihrem Kopf einen Moment lang nachließ, wurde ihr bewusst, dass nebenan eine Dusche lief. Im Badezimmer pfiff jemand viel zu fröhlich vor sich hin.
Amandas Magen krampfte sich zusammen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was den Kerl in diese postkoitale Stimmung versetzt hatte.
Das Wasser wurde abgestellt. Jeden Moment würde er das Badezimmer verlassen.
Es war an der Zeit, abzuhauen. Den Trommelwirbel in ihrem Kopf ignorierend, sprang Amanda aus dem Bett. Ihre Füße verhedderten sich in etwas Weichem und sie stolperte beinahe. Fluchend sah sie zu Boden.
Ihre Hose, Bluse und Socken waren ums Bett herum verstreut, so als hätte sie sich ihre Kleidung in leidenschaftlicher Hast vom Leib gerissen. Als sie sich bückte und nach der Hose griff, begann alles um sie herum, sich zu drehen. Sie wartete, bis das Karussell stoppte, und schob erst einen, dann den anderen Fuß durch ein Hosenbein. Mühsam zog sie die Hose nach oben.
Ein Geräusch ließ sie aufsehen, während die Hose auf Höhe ihrer Kniekehlen schlabberte.
Eine Dampfwolke strömte durch die nun offene Badezimmertür.
Amanda erstarrte und begaffte die Gestalt im Türrahmen. Ihr Blick wanderte muskulöse Beine in abgetragenen Jeans hinauf. Sie wollte die Augen schließen, zwang sich aber, das schwarze Muskelshirt zu betrachten, das an feuchter Haut klebte. Als Nächstes sah sie …
Brüste! Sie waren nicht übermäßig groß, aber das war definitiv nicht die Brust des rothaarigen Kerls – oder überhaupt irgendeines Mannes. Nur ihr schmerzender Schädel und ihre Hose, die noch immer ihre Beine aneinander fesselte, hielten sie davon ab, einen Freudentanz aufzuführen. Ich hab’s doch gewusst! Ich würde nie im Leben mit … Ihr Blick wanderte höher und traf auf kurzes Haar und ein ausdrucksstarkes Gesicht … einer Butch schlafen?
Sie hatte noch nie ein Date und schon gar nicht Sex mit einer Butch gehabt.
Als sie einen Schritt rückwärts machte, stolperte sie über die Hose, in der sich ihre Füße verheddert hatten, und fiel.
Sie landete auf dem Bett und blieb dort liegen, um an die Decke zu starren.
Besorgte braune Augen schoben sich in ihr Gesichtsfeld. »Alles in Ordnung mit dir, Mandy?«
»Mandy?«, krächzte Amanda. Nur ihre Großmutter durfte sie so nennen.
Mit einem Knie neben ihr auf dem Bett, viel zu nah für Amandas Empfinden, sah die Butch auf sie herab. »Ja. Gestern Nacht hast du gesagt, ich soll dich Mandy nennen.«
Großer Gott. Was hatte sie gestern Nacht noch alles angestellt? Sie traute sich nicht zu fragen.
»Warum?«, fragte die Butch, als Amanda nichts sagte. »So heißt du doch, oder?«
»Ja, schon, aber … Ach, ist ja auch egal. Ich muss gehen.« Sie rollte sich zur Seite und stand auf, dieses Mal vorsichtiger, um nicht wieder über die Hose zu stolpern.
»So, wie du aussiehst?« Die Butch trat vom Bett zurück und zeigte auf die Kleidung, die Amanda trug – oder besser gesagt nicht trug. »Du kannst gern erst mal duschen und dann fahr ich dich zurück zu deinem Auto.«
Na, wenigstens hatte sie sich gestern Nacht nicht betrunken hinters Steuer gesetzt. Nicht, dass es besser war, mit einer Wildfremden mitzufahren. Amanda zögerte, aber der Gedanke an eine heiße Dusche war einfach zu verlockend. »Na gut.« Sie zog die Hose hoch, hob ihre Bluse auf und presste sie gegen ihre Brust, als sie an der Fremden vorbei zum Badezimmer ging. Als hätte sie nicht eh schon alles gesehen.
»Ich hab dir saubere Handtücher und eine Zahnbürste hingelegt«, sagte die Butch. »Brauchst du was zum Anziehen?«
»Ähm, nein, danke.« Boxershorts und Muskelshirts waren nicht ihr Stil. Die Klamotten vom Vortag würden noch mal herhalten müssen. Schnell zog Amanda die Badezimmertür hinter sich zu und schloss ab. Dann sank sie auf den Badewannenrand, rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und stöhnte in ihre Handflächen. Als sie die Hände sinken ließ, fiel ihr Blick auf den Spiegel über dem Waschbecken.
Ihr Spiegelbild sah genauso schlecht aus, wie sie sich fühlte. Gut, dass heute kein Drehtag war. Nicht mal der beste Maskenbildner der Welt konnte die Ringe unter ihren Augen oder ihre grünliche Gesichtsfarbe verbergen. Ihre Haare sahen aus, als ob ein Vogel darin genistet hatte – oder ein ganzer Schwarm.
Sie gab sich einen Ruck. Beeil dich, bevor sie denkt, du durchstöberst gerade ihr Kosmetikschränkchen, oder bevor sie reinkommen will, um dich vor dem Ertrinken in der Wanne zu retten. Sie schlüpfte aus ihrer noch immer nicht zugeknöpften Hose, streifte ihre Unterhose ab und öffnete den BH, bevor sie unter die Dusche trat. Das heiße Wasser fühlte sich himmlisch an.
Während sie sich wusch, nahm sie eine Inventur ihres Körpers vor. Abgesehen vom zweitschlimmsten Kater ihres Lebens schien alles normal zu sein. Keine Knutschflecke. Keine Kratzer auf dem Rücken. Keine überempfindlichen Körperteile. Nichts, was auf eine Nacht voller leidenschaftlichem, wildem Sex hingedeutet hätte – und mit der athletischen Butch wäre es bestimmt wild gewesen. Vielleicht warst du nicht fit genug für mehr als einen Quickie, so betrunken, wie du warst.
Sie drückte ein wenig Shampoo aus der Flasche und schnüffelte daran. Statt des süßlichen Honigdufts, den sie bevorzugte, roch das Shampoo ihrer Gastgeberin nach Kräutern. Als sie das Shampoo in ihre Kopfhaut einmassierte, zuckte sie zusammen. Sogar ihre Haarwurzeln schienen zu schmerzen.
Das Seifenwasser lief ihren Rücken hinab. Ein Bild schoss ihr durch den Kopf: Die Butch legte ihre muskulösen Arme um Amanda und zog sie gegen ihren warmen Körper. Amanda vergrub ihre Finger in kurzen, seidenweichen Haaren. Zwei Hände glitten hinab zu ihrem Hintern. Sie hob den Kopf und küsste die Butch.
Trotz ihrer mörderischen Kopfschmerzen reagierte ihr Körper auf die Erinnerung. Hör auf damit. Du hast dich doch noch nie zu androgynen Frauen hingezogen gefühlt. Wodka macht dich nur geil wie Nachbars Lumpi. Sie drehte den Wasserhahn zu, trat aus der Dusche, trocknete sich ab und schlüpfte wieder in die Kleidung von gestern.
Wie versprochen wartete auf dem Waschbecken eine original-verpackte Zahnbürste auf sie.
Im Gegensatz zu Amanda, die nichts von One-Night-Stands hielt, hatte die Butch scheinbar öfters mal Gäste, die über Nacht blieben. Aber als sie die Zahnbürste aus der Verpackung fummelte, stellte sie fest, dass der Griff kürzer war als gewöhnlich. Winzige Pandabären waren darauf abgebildet. Sie gibt mir ’ne Zahnbürste für Kinder?
Sie zuckte mit den Schultern und drückte ein wenig Zahnpasta auf die pink-weiß-gestreiften Borsten, begierig darauf, endlich den Alte-Socken-Geschmack in ihrem Mund loszuwerden. Als sie sich endlich wieder halbwegs menschlich fühlte, verließ sie das Badezimmer und machte sich auf die Suche nach ihrer Gastgeberin.
In Socken tapste sie über den Holzboden und sah sich im Haus um. Der Flur ging in einen geräumigen Wohnbereich über. Amanda blieb stehen, um durch die offene Terrassentür den Ausblick auf die Hollywood Hills zu bestaunen.
Na ja, wenigstens hatte sie Geschmack. Scheinbar hatte sie letzte Nacht mit einer berühmten oder reichen Person geschlafen.
Zwei Stufen führten vom Wohnzimmer hinauf zur Küche, die mit sämtlichen Kochutensilien ausgestattet war, die je erfunden worden waren.
»Wie viele Pfannkuchen möchtest du?«, rief die Butch vom Herd.
Warum etablieren Lesben immer sofort so eine harmonische Häuslichkeit? War sie etwa an eine androgyne Version von Val geraten? Ihr Magen beschwerte sich bei dem bloßen Gedanken an Essen. »Nein, danke. Für mich keine Pfannkuchen.«
Die Butch drehte sich um und lehnte sich gegen die Anrichte. Sie war barfuß. Ihr dunkelbraunes Haar war verstrubbelt und noch immer feucht von ihrer Dusche. Amanda mochte Frauen normalerweise lieber in Röcken als in Jeans, aber selbst sie musste zugeben, dass ihre Gastgeberin einen sexy Hintern hatte.
»Wirklich nicht? Ich hab bisher noch niemanden vergiftet, falls du deshalb ablehnst.« Die Butch wandte sich wieder dem Herd zu. Mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk drehte sie den Pfannkuchen. Er landete in der Pfanne, ohne dass Teig oder Öl daneben spritzte.
Amanda hob eine Augenbraue. Die meisten Butches, die sie kannte, verfügten über die Kochkünste eines zweijährigen Kindes. Nicht, dass sie viele gekannt hätte.
»Du wirst dich besser fühlen, wenn du etwas im Magen hast«, sagte die Butch. »Ich kann dir auch Toast machen. Oder möchtest du lieber Haferflocken?«
»Nein, nicht nötig. Ich werde frühstücken, wenn ich nach Hause komme.«
Die Butch schaltete den Herd aus und drehte sich zu Amanda um. Ihr Bizeps wölbte sich, als sie die Arme vor der Brust verschränkte und Amanda betrachtete. »Es ist Samstag. Hast du irgendwelche dringenden Termine?«
Amanda sah auf die Uhr. Es war kurz vor acht. Sie hatte sieben Stunden Zeit, ehe ihre Schicht in der Saftbar begann. »Ähm, nein, das nicht, aber …«
»Aber …?«
Was sollte sie sagen? Nein, danke, normalerweise frühstücke ich nicht mit Leuten, deren Namen ich nicht kenne? Sie seufzte. Nachdem sie die Nacht mit der Fremden verbracht hatte, konnte sie sich schlecht weigern, mit ihr zu essen. »Okay. Dann hätte ich gerne ein Stück Toast, wenn’s nicht zu viel Mühe macht.«
»Nicht im Geringsten.« Die Butch bewegte sich geschmeidig durch die geräumige Küche und schob zwei Scheiben Toastbrot in den Toaster. »Setz dich doch. Ich beiße nicht.«
Amanda errötete und biss sich auf die Lippe. Mensch, du bist doch kein fünfzehnjähriger Teenager. Normalerweise brachten Frauen sie nicht so durcheinander. Sie ging die beiden Stufen zur Küche hinauf und nahm an einem Ende des Frühstückstresens Platz, bemüht, der Butch dabei nicht in die Quere zu kommen. Als der Toaster die zwei Scheiben Toast in die Höhe schleuderte, zuckte sie zusammen und rügte sich dann selbst.
Die Butch platzierte zwei perfekte, goldbraune Scheiben Toast auf Amandas Teller. »Butter?«
»Äh, nein, danke.« Amanda war sich nicht mal sicher, ob ihr Magen den Toast vertragen würde.
Die Fremde betrachtete Amanda einen Moment lang und schaltete den Wasserkocher ein.
Das Schweigen in der Küche, während sie darauf warteten, dass das Wasser kochte, schien ohrenbetäubend. Amanda zappelte auf dem Hocker herum, aber selbst wenn sie in der richtigen Laune für eine Unterhaltung gewesen wäre, hätte sie nicht gewusst, was sie sagen sollte.
Einige Minuten später stellte die Butch eine dampfende Tasse vor Amanda ab.
»Danke.« Amanda schnüffelte vorsichtig. Der frische, würzige Geruch erinnerte sie an ihr Lieblingsgericht vom Chinesen. »Was ist das?«
Ein Lächeln brachte die Fältchen um die Augen der Butch zum Vorschein. Sie konnte kaum älter als Amanda sein, also einunddreißig, aber die Falten in ihrem Gesicht zeigten, dass sie gerne lachte. »Nur keine Sorge. Ich hab doch gesagt, dass ich dich nicht vergiften werde. Das ist frischer Ingwertee. Mein Großvater hat den immer für mich gemacht, wenn ich ein bisschen … unpässlich war.«
Unpässlich. Fast automatisch erwiderte Amanda das Lächeln. So nannte ihre Großmutter das auch, wenn jemand einen ordentlichen Kater hatte. Sie nahm die Tasse in beide Hände und ließ die Wärme ihre angeschlagenen Nerven beruhigen.
Die Butch setzte sich neben Amanda an den Frühstückstresen und begann, ihren Stapel Pfannkuchen zu essen. Ihr Knie berührte Amandas, aber sie schien es entweder nicht zu bemerken oder fühlte sich vollkommen wohl damit.
Kein Wunder. Letzte Nacht hat sie weit mehr berührt als nur dein Knie und kann sich sicher an jede Sekunde davon noch lebhaft erinnern. Ganz im Gegensatz zu Amanda. Unter dem Vorwand, sich bequemer hinzusetzen, zog sie ihr Knie weg.
In der Stille, die zwischen ihnen herrschte, klang das knuspernde Geräusch des Toastes wie eine ins Tal donnernde Lawine. Sollte sie etwas sagen? Aber was? Soweit sie das beurteilen konnte, hatten sie nichts gemeinsam. Irgendwann fiel Amanda endlich etwas ein. »Hast du Kinder?« Aus irgendeinem Grund hatte sie die Butch nicht als den mütterlichen Typ gesehen. Amanda rollte mit den Augen. Nicht, dass du etwa Vorurteile hättest.
Die Butch schluckte einen Bissen Pfannkuchen herunter und sah auf. »Oh, du meinst, weil ich dir eine Kinderzahnbürste hingelegt habe? Entschuldige, aber das war die Einzige, die ich hatte. Ich hab immer ein paar für meine Nichten und Neffen da, wenn sie mal über Nacht bleiben. Ich hab keine Kinder, aber ich bin eine gefragte Babysitterin.«
»Oh.«
»Du klingst überrascht. Auch so manche Butch kann super mit Kindern umgehen. Wir haben sogar eine voll funktionstüchtige Gebärmutter, weißt du?« Sie klang nicht beleidigt, sondern lediglich amüsiert.
Hitze schoss durch Amandas Wangen. Sie versteckte sich hinter ihrer Teetasse. »Ich weiß. Es ist halt nur … Das hier … Du hast mich einfach überrascht.« Na prima. Wenn ihr Schauspiellehrer sie jetzt hören könnte, hätte er seine letzten paar Haare auch noch verloren. Da hatte sie jahrelanges Stimmtraining absolviert und nun stotterte sie nach einer einzigen Nacht mit dieser Fremden herum wie ein hirnloser Idiot. »Normalerweise bin ich nicht … Du bist nicht … Ich meine, für gewöhnlich stehe ich mehr auf …«
»Femininere Frauen«, sagte die Butch und nickte. »Ich weiß. Das hast du mir gestern Nacht schon gesagt.«
»Oh, hab ich das?« War das bevor oder nachdem ich ihre Mandeln mit meiner Zunge erforscht habe?
Die Butch legte ihre Gabel beiseite und drehte sich zu Amanda um. »Du kannst dich nicht an letzte Nacht erinnern, oder?«
Um ein Haar hätte Amanda Ingwertee quer über den Frühstückstresen gespuckt. Ihr wildes Husten weckte das Kindergartenkind auf, das daraufhin enthusiastisch auf ihren Schläfen herumtrommelte. Keuchend schielte sie zu der Frau neben sich hinüber. Was nun? Sollte sie lügen, dass sich die Balken bogen, oder alles gestehen? Sie entschied sich dafür, die Wahrheit zu sagen. Zumindest teilweise. »Nach den ersten paar Drinks wird meine Erinnerung ein wenig schemenhaft.«
Die Butch hob eine perfekt geformte Augenbraue.
