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Anne Becker taumelt aus dem Gerichtssaal, in dem gerade die Scheidung von ihr und ihrem Ehemann Werner vollzogen wurde. Sie will einfach nicht glauben, was sie gerade als Urteil hinnehmen musste: Ihr kleines Töchterchen, ihre geliebte Heidi, darf nicht bei ihr bleiben, sondern wurde dem Vater zugesprochen, der im Elternhause mit seiner Mutter lebt und so der Kleinen ein besseres Zuhause bieten könne. Das Haus, aus dem Anne ausgezogen ist, weil sie die Tyrannei der Schwiegermutter nicht mehr ertragen konnte. Doch Anne hat keine Wahl - und so gibt sie all die übrige Mutterliebe, die sie Heidi nur bei kurzen Besuchen zeigen darf, an die kleinen Patienten auf der Kinderstation weiter, auf der sie als Krankenschwester arbeitet. Eines Tages wird die kleine Silke eingeliefert, ein besonders schwerer Fall, um den sich Anne intensiv kümmert. Immer enger wird ihre Bindung zu dem Mädchen - und dann ist da ja auch noch dessen alleinerziehender Vater ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Fast am Leid zerbrochen
Vorschau
Impressum
Fast am Leid zerbrochen
Roman um ein geprüftes Frauenherz
Von Eva Berger
Anne Becker taumelt aus dem Gerichtssaal, in dem gerade die Scheidung von ihr und ihrem Ehemann Werner vollzogen wurde. Sie will einfach nicht glauben, was sie gerade als Urteil hinnehmen musste: Ihr kleines Töchterchen, ihre geliebte Heidi, darf nicht bei ihr bleiben, sondern wurde dem Vater zugesprochen, der im Elternhause mit seiner Mutter lebt und so der Kleinen ein besseres Zuhause bieten könne. Das Haus, aus dem Anne ausgezogen ist, weil sie die Tyrannei der Schwiegermutter nicht mehr ertragen konnte.
Doch Anne hat keine Wahl – und so gibt sie all die übrige Mutterliebe, die sie Heidi nur bei kurzen Besuchen zeigen darf, an die kleinen Patienten auf der Kinderstation weiter, auf der sie als Krankenschwester arbeitet. Eines Tages wird die kleine Silke eingeliefert, ein besonders schwerer Fall, um den sich Anne intensiv kümmert. Immer enger wird ihre Bindung zu dem Mädchen – und dann ist da ja auch noch dessen alleinerziehender Vater ...
»Es ist geschafft«, murmelte Anne.
Sie fühlte sich erschöpft, aber auch gleichzeitig erleichtert. Endlich war sie Werners Mutter und deren Haus entronnen!
Es war ein sehr hübsches Haus, in dem ihr Mann aufgewachsen war, und es war von einem gepflegten Garten umgeben. Dennoch hatte Anne immer das Gefühl gehabt, in dem schönen Haus zu ersticken.
»Heidilein«, flüsterte sie und drückte ihr Kind zärtlich an sich. »Es musste sein, meine Kleine. Später, wenn du älter und verständiger bist, wirst du mich begreifen. Du sollst einmal unbeschwert in einer heiteren Umgebung aufwachsen.«
Ein paar bittere Tränen fielen auf das Kinderköpfchen.
Anne hoffte am Abend stark, dass sich Werner einstellen würde. Werner, ihr Mann, den sie verlassen hatte. Er musste doch endlich eingesehen haben, wie ernst es ihr war, nicht mehr mit seiner Mutter unter einem Dach zu leben.
Ihr war durchaus klar, dass sie Werner nicht mehr liebte und wahrscheinlich niemals so geliebt hatte, wie sie es sich einmal eingebildet hatte, aber sie würde dennoch alles tun, um mit ihm eine gute Ehe zu führen. Das musste doch bei zwei vernünftigen Menschen möglich sein.
Heidi brauchte Vater und Mutter, und Heidis wegen musste es einen Weg zur Verständigung geben. Ohne den dauernden Einfluss seiner Mutter würde Anne sicher gut mit Werner auskommen. Nein, nie wieder mit seiner Mutter unter einem Dach!
Doch sie wartete vergeblich ...
***
Werner hatte wirklich sofort zu seiner Frau und seinem Kind fahren wollen, doch seine Mutter hielt ihn davon ab.
»Tu es nicht, sie kriecht von allein reumütig zurück. Sie will nur ihren Dickkopf durchsetzen, aber es wäre verkehrt, sie damit durchzulassen!«, zischte sie giftig.
Werner Becker glaubte es und hörte auf seine Mutter. Aber er rutschte heute öfter einmal unruhig in seinem Sessel hin und her und konnte sich nicht so recht auf das Fernsehprogramm konzentrieren.
Am nächsten Abend, als er von der Arbeit nach Hause kam, wollte er sofort wissen, ob sich Anne gemeldet habe.
»Nein, aber sie wird schon weich werden. Sie hat ja gar kein Geld, sich mehr als wenige Tage in einem Hotelzimmer aufzuhalten. Lass sie nur sehen, wie es in der Fremde ist, dann kann sie ein Zuhause viel mehr schätzen«, beschied ihn seine Mutter.
»Ja, du hast recht«, stimmte ihr Werner zu.
Aber er wartete den ganzen Abend vergebens auf das Läuten des Telefons.
Nach acht Tagen war er nicht mehr so hoffnungsfroh, dass Anne reumütig zurückkommen würde. Er mochte aber auch seiner Mutter nicht zeigen, wie viel Sorgen er sich um Anne und seine kleine Tochter machte.
Da begann die alte Dame von allein von dem Thema, das so lange zwischen ihnen tabu gewesen war.
»Ich wette, dahinter steckt ein anderer Mann!«, behauptete sie und kniff die Augen zusammen.
»Nein«, murmelte Werner und wurde um einen Schein blasser. »Das kann ich nicht glauben!«
»Du bist ja schon dein ganzes Leben lang hereingelegt worden, erinnere dich«, bemerkte die Mutter mitleidig.
Werner errötete. Bevor er Anne kennengelernt hatte, hatte er als junger Mann zweimal eine Freundin gehabt. Jede hatte ihn betrogen und dann verlassen. Dieses traurige Kapitel seines Lebens hätte er jedoch gern vergessen.
»Es ist doch auch ganz augenscheinlich, dass sie so plötzlich an mir etwas auszusetzen hatte, während unser Familienleben doch vorher wirklich vorbildlich war«, führte Frau Luise weiter aus. »Des anderen wegen hat sie Streit gesucht. Ich finde es nur empörend, dass sie Heidi mit hineinzieht. Aus der Kleinen kann doch einmal nichts werden. Sie lernt keine Ordnung kennen, hat keine Häuslichkeit und wird mit dem liederlichen Lebenswandel ihrer Mutter täglich konfrontiert.«
Werner perlte der Schweiß auf der Stirn. Er wischte ihn sich hastig ab.
»Ich kann noch nicht so recht daran glauben«, widersprach er.
Er dachte an Annes Bitte, mit ihr zusammen eine Wohnung zu nehmen und ihre ernste Warnung, von ihm zu gehen, wenn er sich weiterhin weigerte, ohne seine Mutter zu leben. Das hätte sie doch nicht getan, wenn sie vorgehabt hätte, sich endgültig von ihm zu trennen.
»Du bist und warst immer viel zu gutmütig«, ereiferte sich Frau Luise weiter.
»Ich ... ich werde morgen Abend zu ihr fahren«, erklärte Werner abgehackt.
»Das wäre verkehrt. Sie wird glauben, du gibst nach.«
Werner duckte sich. »Und wenn schon«, sagte er. »Aber ich muss Klarheit haben!«
»Klarheit!« Die Stimme der Mutter überschlug sich. »Die kann ich dir auch geben. Du bist mit einer Schlampe verheiratet, und wenn du nicht aufpasst, erzieht sie dein Kind genauso.«
Der Hieb hatte gesessen. Werner duckte sich erneut. Er dachte die ganze Nacht über das nach, was ihm seine Mutter gesagt hatte. Sie mochte ja recht haben, aber – Anne war doch immerhin noch seine Frau und Heidi sein kleines Mädchen.
Er hielt es noch eine Woche aus, dann fuhr er zu der von Anne angegebenen Adresse. Er wunderte sich, dass er vor einem recht netten Mietshaus und nicht vor einer Pension stand. Nach kurzem Zögern klingelte er bei Annes Wirtin.
»Ich wollte zu Frau Becker«, erklärte er.
Die alte Frau war gerade bei einer spannenden Lektüre gestört worden und daher recht ungeduldig.
»Sie sind nun schon der zweite Mann, der sie sprechen will, und dabei habe ich ausdrücklich mit meiner Mieterin abgemacht, dass ich keine Herrenbesuche dulde.«
Werner war wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte nur daran denken, dass seine erfahrene Mutter offenbar doch wieder einmal richtig getippt hatte. Anne war kein unbeschriebenes Blatt. Er war der zweite Mann, der sie heute besuchen wollte?
»Entschuldigen Sie«, murmelte Werner und zog sich zurück.
Er setzte sich mit wackligen Knien und zitternden Händen in sein Auto, das etwa fünfzig Meter von dem Haus entfernt stand, in dem Anne wohnte. Er konnte es von hier aus beobachten ...
***
Anne arbeitete inzwischen seit knapp einer Woche wieder als Krankenschwester. Die Arbeit machte ihr viel Freude, aber die Trennung von Heidi fiel ihr schwer. Sie musste die Kleine morgens sehr früh in die Krippe bringen und holte sie abends wieder. Während jeder Pause dachte sie an Heidi und überlegte sich, ob sie die Mutter wohl sehr vermisse.
Karin, Annes Freundin, hatte mit ihrer Warnung recht behalten. Annes Leben war jetzt sehr anstrengend. Es bestand nur aus Eile. Aber irgendwie würde es sich einspielen. Wenn sie sparsam war, konnte sie sich bald eine richtige kleine Wohnung nehmen. Sie würde sich erst einmal billige oder gebrauchte Sachen kaufen.
Wenn sie erst eine eigene kleine Küche und ein kleines Badezimmer haben würde, wäre vieles für sie leichter, denn allein das Kochen auf dem kleinen elektrischen Kocher war sehr umständlich.
Mit diesen Gedanken tröstete sie sich, wenn sie mitunter verzweifeln wollte. Später würde ihr die Hausarbeit schneller von der Hand gehen. Es würde nicht mehr so lange dauern, bis sie für Heidi den Brei gekocht hatte, und sie brauchte die Kinderwäsche nicht auf dem kleinen Kocher in einem Topf zu kochen, sondern sie würde sich irgendwann sicher eine Waschmaschine kaufen können.
Sie hatte inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass sich Werner für sie und sein Kind entscheiden könnte. Seine Mutter und sein schönes Elternhaus bedeuteten ihm mehr. Anne war darüber nicht traurig. Sie hatte damit rechnen müssen. Sie hatte sich in Werner getäuscht.
Nun kam es also letzten Endes zur Scheidung, und es war vielleicht gut so. Sicher wäre sie niemals richtig glücklich mit ihm geworden.
Sie hatte wenige Tage nach ihrem Auszug aus Frau Luises Heim ihrer Freundin Karin geschrieben. Karin kannte als einzige ihre Verhältnisse, und es hatte Anne gutgetan, sich einmal brieflich auszusprechen.
***
Karin hatte den Brief mit einer gewissen Sorge gelesen.
Zwei Tage später legte ihr Verlobter die letzte Prüfung ab. Natürlich feierten sie das Ereignis. Anschließend wollte Ralf seine Eltern besuchen, und Karin hatte eigentlich mitfahren wollen, aber im letzten Moment waren gleich zwei Kolleginnen erkrankt.
»Ich kann unmöglich auch noch ausfallen, Ralf«, machte sie ihrem Verlobten klar.
»Schade, ich wäre lieber mit dir gefahren«, sagte er. »Aber ich sehe ein, dass du jetzt im Büro nicht fehlen kannst.«
Karin überlegte eine Weile. »Du könntest mir eigentlich einen großen Gefallen tun«, bat sie zögernd.
»Wenn ich kann – auf der Stelle!«
Karin gab ihm nach kurzem Überlegen Annes Brief.
»Ich habe dir schon von meiner Freundin erzählt. Weißt du – du fährst doch sowieso durch Brunsdorf. Sei so gut und suche Anne auf. Sieh dir an, wo sie gelandet ist, und überzeuge dich davon, was sie macht. Ich bin einfach in Sorge um sie und bin erst wieder ruhig, wenn ich weiß, dass es ihr gut geht.«
Ralf Binder nahm seine Braut liebevoll in seine Arme.
»Es ist doch selbstverständlich, dass ich dir den Gefallen tue. Ich werde sie herzlich betreuen und wenn du willst, lade ich sie sogar zum Essen ein.«
»Ich glaube, die Einladung schlägt sie dir aus. Wenn sie abends vom Dienst nach Hause kommt, ist sie froh, bei ihrem Kind zu sein, und hat gewiss noch genug zu tun.«
Aber sie gab ihm Annes Adresse und schrieb ihm auch auf, in welcher Klinik sie arbeitete.
Und so war es Ralf Binder, der vor Werner Becker bei Annes Wirtin nach ihr gefragt hatte. Und er war es auch, der daraufhin kurz entschlossen zu dem Krankenhaus gefahren war, in dem sie arbeitete. Man sagte ihm auch gleich, auf welcher Station Anne zu erreichen war.
***
Anne stand ganz perplex vor dem fremden Mann, der sie zu sprechen wünschte. Sie hatte gerade Feierabend. Natürlich war ihre Freude groß, als er sich ihr vorstellte.
»Ach, wie nett«, sagte sie herzlich und strahlte ihn an. »Nun lerne ich Sie endlich persönlich kennen. Karin hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
Natürlich nahm Ralf Binder sie in seinem Wagen mit und holte auf gleichem Wege Heidi von der Krippe ab. Er setzte Anne und die Kleine vor dem Hause ab.
»Sie kommen doch noch mit hoch?«, lud Anne ihn ein. »Ich lasse Sie nicht weiterfahren, bevor Sie mit mir eine Tasse Tee getrunken haben.«
»Ihre Wirtin schätzt keinen Herrenbesuch«, wandte Ralf Binder ein.
Anne lachte. »Wir können ihr ja anbieten, die Tür offen zu lassen, damit sie weiß, dass es zwischen uns höchst schicklich zugeht!«
Da lachte Ralf Binder herzlich und ging mit hinauf.
***
Werner Becker ließ keinen Blick von Anne und dem flotten jungen Mann, der sie offensichtlich irgendwo abgeholt hatte. Er sah sie beide zusammen lachen. Sie schienen ja in der Tat sehr vertraut miteinander zu sein. Als der junge Mann dann auch mit im Haus verschwand, stöhnte Werner schmerzlich auf.
Nun glaubte er, den wahren Grund von Annes Auszug zu kennen. Er bewunderte seine Mutter. Sie hatte wieder einmal alles richtig erkannt. Anne hatte einen anderen Mann, darum hatte sie ihn verlassen! Es fiel ihm schwer, den Rückweg ohne Schaden zu überstehen.
Seine Mutter hatte schon auf ihn gewartet und geahnt, wo er vom Dienst aus hingefahren war. Sie stand bereits an der Tür und öffnete, als er kam. Sie brauchte keine Frage zu stellen, sie wusste auch so, dass ihr Sohn tief erschüttert war.
»Sie hat einen anderen«, berichtete Werner dann bei Tisch.
Damit hatte die alte Frau nun eigentlich doch nicht gerechnet. Sie wirkte einen Moment auch verstört, dann aber nickte sie.
»Ich habe es gewusst, Werner, sie ist eine Schlampe, und du musst dich so schnell wie möglich von ihr scheiden lassen«, zischte sie hasserfüllt. »Das Kind behält sie nicht. Das kommt zu uns. Wir werden Heidi zu einem anständigen Menschen erziehen.«
»Ja«, sagte Werner und war froh, dass ihm seine Mutter wieder einmal alle Entscheidungen abnahm. »Ja«, wiederholte er.
Seine Mutter würde es schon gut machen, wie sie es immer getan hatte.
Er war nun auch davon überzeugt, dass Anne eine liederliche Person war, der man kein Kind anvertrauen durfte. Außerdem wäre es ihm schon recht, wenn er sich durch Heidi an Anne rächen könnte. Nicht eine Sekunde lang kam er darauf, die Schuld an dem Zerwürfnis bei sich zu suchen.
»Du warst dieser Person immer viel zu solide«, streute Frau Luise weiter Salz in die Wunde. »Du bist brav deiner Arbeit nachgegangen, wie es sich gehört, und hast dafür gesorgt, dass sie ein sorgenfreies Leben hatte. Du hast nicht getrunken und keine anderen Frauen gehabt. Du warst ihr ein Mustergatte, das konnte sie wohl nicht vertragen.«
Werner sah sich an diesem Abend selbst als Engel und nickte. Anne hatte ihm wirklich übel mitgespielt.
Am nächsten Abend hatte seine Mutter für ihn die Adresse eines Rechtsanwaltes besorgt.
»Er soll der beste Scheidungsanwalt der Stadt sein, Werner. Aber der ist für uns gerade gut genug. Fahre morgen vom Büro aus gleich zu ihm, melde dich aber vorher bei ihm an.«
Ihr Sohn nickte und steckte sich die Adresse und den Namen des Anwalts ein.
So kam es, dass Anne wenige Tage später bereits ein Schreiben von Werners Anwalt bekam, in dem ihr mitgeteilt wurde, ihr Mann habe die Scheidung eingereicht. Ihr wurde vorgeworfen, ihn böswillig verlassen zu haben. Anklage wegen Ehebruchs hatte der Anwalt allerdings nicht erhoben, Werners Schilderung des Nachhausebringens war ihm gar zu dünn gewesen.
Nach dem ersten Schreck atmete Anne erleichtert auf. Die Würfel waren nun also gefallen. Trotz aller Schwierigkeiten des Lebens, mit denen sie jetzt zu kämpfen hatte, bereute sie ihren Schritt nicht. Sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte.
Wohl oder übel musste sie nun auch einen Anwalt nehmen und ging zum ersten, den sie im Telefonbuch fand. Sie war der Meinung, ihre Scheidung werfe keinerlei Komplikationen auf.
Sie wollte von Werner nichts. Er musste nur für Heidi zahlen. Sollte er deswegen Schwierigkeiten machen – gut, so konnte sie auch darauf verzichten.
Allerdings wunderte sie sich, als wiederum nur wenige Tage später eine Postanweisung von Werner über achthundert Mark erfolgte. Sie fürchtete, das Geld habe sie irrtümlich erhalten und versuchte darum, Werner anzurufen.
Allerdings war Frau Luise am Telefon. Anne erklärte ihr, warum sie anrief. Natürlich war Werners Mutter bestens informiert.
»Glaubst du, mein Sohn ist so pflichtvergessen wie du? Noch bist du leider dem Gesetz nach seine Frau, und er weiß, was er dir und seinem Kind schuldig ist«, bekam Anne scharf zu hören.
»So ... danke«, würgte Anne hervor.
Sie konnte das Geld natürlich gut gebrauchen, aber irgendwie hatte sie dennoch Hemmungen, es auszugeben. So legte sie es erst einmal beiseite.
Sie schrieb Karin von der von Werner eingereichten Scheidung.
Kopf hoch, es wird schon schiefgehen. Du hast dir schließlich nichts zuschulden kommen lassen, antwortete die Freundin.
Der Meinung war Anne auch.
»Machen Sie es kurz und schmerzlos«, bat sie ihren Anwalt inständig.
Sie hatte jetzt keinen anderen Wunsch, als die endgültige Trennung von Werner. Vorher kam sie sicher nicht zur Ruhe.
Auf Anraten ihres Anwalts blieb sie dem Sühnetermin fern.
Dann bekam sie allerdings fast einen Schock. Bei einem neuen Besuch ihres Anwalts erfuhr sie, dass die gegnerische Partei darauf drang, Heidi zugesprochen zu bekommen.
»Das ist doch wohl nicht möglich«, rief sie entsetzt. »Ich bin die Mutter!«
»Natürlich sind Sie die Mutter«, beschwichtigte der alte, etwas zittrige Herr und lächelte dazu begütigend. »Sie versuchen es eben, aber damit kommen sie selbstverständlich nicht durch.«
Anne atmete erleichtert auf. Allerdings zitterten ihr noch die Knie, als sie das Anwaltsbüro wieder verließ.
»Mein kleiner Liebling, meine Heidi!«
Sie drückte das Kind in ihrem Zimmer zärtlich an ihr Herz und überschüttete ihr Gesichtchen mit unzähligen Küssen. Sie war davon überzeugt, dass Werners Mutter diese Forderung nach Heidi gestellt hatte, um sie zu ängstigen.
***
Die Zeit verging, und Werner schickte wieder achthundert Mark. Auch die legte Anne beiseite. Nach der Scheidung konnte sie sich vielleicht schon um eine Wohnung bemühen.
Endlich bekam sie den Termin des Hauptscheidungstermins mitgeteilt, was sie sehr erleichterte. Danach würde alles vorbei sein, und sie würde sicher wieder zur Ruhe kommen.
Sie bekam an diesem Tag dienstfrei, brachte Heidi jedoch wie sonst in die Krippe. Draußen stürmte und regnete es, und Anne schlug den Kragen ihres Mantels hoch, als sie den Weg zum Gericht zu Fuß zurücklegte.
Auf dem langen Flur vor dem Verhandlungssaal traf sie ihren Anwalt. Der alte Herr wirkte in dem schwarzen Talar irgendwie würdiger als sonst. Anne begrüßte ihn herzlich.
Dann fiel ihr Blick auf Werner und seine Mutter. Sie saßen auf einer Bank und unterhielten sich mit einem Herrn, der ebenfalls einen Talar trug, sicher Werners Anwalt.
Anne wollte auf ihren Mann zugehen, aber die abweisende Miene ihrer Schwiegermutter und Werners demonstratives Wegsehen ließen sie stehen bleiben.
Na gut, wenn Werner also Feindschaft wollte, so konnte sie ihn nicht daran hindern. Aber da sie ja wohl auch später durch Heidi immer mehr oder weniger mit ihm in Verbindung bleiben musste, war das natürlich sehr töricht und kindisch.
Kurz darauf rief ein Gerichtsdiener den Fall Becker gegen Becker auf. Alle betraten den Verhandlungssaal.
Wenn nur erst alles vorüber wäre!, dachte Anne müde. Die vielen Fremden störten sie, darum versuchte sie, sich Klein-Heidis Bild vorzustellen.
