Marriage on Madison Avenue - Lauren Layne - E-Book
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Marriage on Madison Avenue E-Book

Lauren Layne

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Beschreibung

Audrey Tate weiß, was die New Yorker Gesellschaft in ihr sieht: die verwöhnte Tochter einer der reichsten Familien des Landes. Zum Glück gibt es Menschen, die Audrey wirklich kennen. Darunter Clarke West. Seit der Grundschule ist der charmante Frauenheld ihr bester Freund. Und so zögert sie nicht, Clarkes Verlobte zu spielen, um ihren besten Freund vor den aufdringlichen Bemühungen seiner Mutter zu bewahren, die ihn erneut mit der attraktiven Elizabeth verkuppeln möchte. Doch je intensiver die vorgetäuschten Küsse werden und je näher die falsche Hochzeit rückt, desto richtiger fühlt sich das Zusammensein mit Clarke an …

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Buch

Audrey Tate weiß, was die New Yorker Gesellschaft in ihr sieht: die verwöhnte Tochter einer der reichsten Familien des Landes. Zum Glück gibt es Menschen, die Audrey wirklich kennen. Darunter Clarke West. Seit der Grundschule ist der charmante Frauenheld ihr bester Freund. Und so zögert sie nicht, als Clarkes Vater ihm ein Ultimatum stellt: Entweder er heiratet, oder er verabschiedet sich von seinem Traum, das Familienunternehmen zu leiten. Audrey willigt ein, Clarkes Verlobte zu spielen. Doch je intensiver die vorgetäuschten Küsse werden und je näher die falsche Hochzeit rückt, desto richtiger fühlt sich das Zusammensein mit Clarke an …

Weitere Informationen zu Lauren Layne

sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin

finden Sie am Ende des Buches.

Lauren Layne

Marriage on

Madison Avenue

Roman

Übersetzt von

Nicole Hölsken

Die englische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Marriage on Madison Avenue« bei Gallery Books, A Division of Simon & Schuster, Inc., New York.

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Deutsche Erstveröffentlichung August 2020

Copyright © der Originalausgabe by Lauren LeDonne

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2020

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Redaktion: Antje Steinhäuser

MR · Herstellung: kw

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-25351-6V001

www.goldmann-verlag.de

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Prolog

Samstag, 21. Juli

Von diesem Augenblick hatte Audrey Tate Dutzende von Malen geträumt. Vielleicht sogar Hunderte von Malen.

Vor einer Kirche stehen? Check.

Ein bisschen atemlos? Definitiv.

Ein wenig zittrig? Yep.

Ihr Herz klopfte, als sie sich wappnete, um die Stufen zu erklimmen und das Kirchenschiff hinabzuschreiten, jenem Mann entgegen, der ihr Herz im Sturm erobert und es ihr gestohlen hatte? Absolut.

Aber in ihren Träumen hatte sie Weiß getragen. In ihren Träumen war der Mann, auf den sie zuging, nicht der Ehemann einer anderen gewesen.

In ihren Träumen war er nicht tot gewesen.

Audrey spürte, wie jemand im Vorbeigehen mitfühlend ihren Arm drückte. Jemand anderes gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie rang sich ein zerstreutes Lächeln ab, sah die freundlichen Menschen um sie her aber nicht einmal an. Viel zu sehr musste sie sich darauf konzentrieren, es allen anderen gleichzutun: die Stufen hinaufzusteigen, um endgültig Abschied von Brayden Hayes zu nehmen.

Audrey holte tief Luft und zwang ihren rechten Fuß einen Schritt vor.

Und er gehorchte. Aber nicht in die Richtung, die sie beabsichtigt hatte. Bevor Audrey sich noch über die Folgen klar werden konnte, setzte sie sich in Bewegung, und zwar nicht in die Kirche hinein, sondern von ihr fort. Fort von ihm. Fort von seiner Ehefrau.

Fort von ihren Träumen.

Sie bekam kaum mit, wie sie im Central Park landete, und als sie ohne zu überlegen nach links abbog, merkte sie auch nicht, dass ihre zehn Zentimeter hohen Louboutins für diesen sandigen Weg kaum geeignet waren.

Wütend wischte sie sich die Tränen ab. Sie hatte schon immer nah am Wasser gebaut, aber das hier sprengte jedes Maß. Ihre Augen schienen chronisch undicht zu sein, seit die Nachricht sie erreicht hatte.

Brayden war tot. Brayden war verheiratet.

Verheiratet gewesen.

Vor lauter Anstrengung, ihre widerstreitenden Gefühle von Trauer und Zorn in den Griff zu bekommen, registrierte sie zunächst gar nicht, auf was für eine Bank sie gerade zuging. Sie blieb ruckartig stehen, blinzelte hastig und hoffte, dass ihre Fantasie ihr nur einen verdammten Streich spielte. Aber egal, wie lang oder intensiv sie hinsah, die Frauen, die darauf saßen, waren real.

Und eine der Frauen war ausgerechnet diejenige, an die Audrey quasi stündlich dachte, seit sie erfahren hatte, dass ihr Freund im Vollrausch von seinem Segelboot gefallen und ertrunken war.

Sie blinzelte noch einmal, aber es konnte kein Zweifel darüber bestehen. Vor Audrey saß Brayden Hayes’ Witwe. Keine Ahnung, wer die andere Frau war – ein atemberaubend aussehender Rotschopf. Die Fremde kam Audrey zwar vage bekannt vor, aber im Moment fehlte Audrey die mentale oder emotionale Energie, um sich näher mit der Frage zu befassen, wo sie sie schon einmal gesehen hatte.

Was soll ich jetzt tun?

Audreys Selbsterhaltungstrieb riet ihr, die Flucht zu ergreifen, während ihr Gewissen von ihr verlangte, ihre Pflicht zu tun und die Witwe anzusprechen. Aber sie musste die Entscheidung gar nicht treffen. Während Audrey sich noch das Hirn darüber zermarterte, wie sie sich verhalten sollte, wandte Claire Hayes den Kopf, und obwohl sie eine Sonnenbrille trug, spürte Audrey, wie sich ihr Blick in sie hineinbohrte.

»Audrey.«

Sie spürte, wie sie die Augen aufriss. »Sie wissen, wer ich bin?«

Die blonde Frau nickte knapp. »Sie sind Audrey Tate. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt, nachdem Sie neulich Abend bei uns zu Hause angerufen haben.« Es entstand eine längere Pause, bevor sie leise hinzufügte. »Ich weiß, dass Sie mit meinem Mann geschlafen haben.«

Der Kopf der Rothaarigen wirbelte zu ihrer Sitznachbarin herum, dann sah sie Audrey wieder an. Da auch diese Frau eine Sonnenbrille trug, konnte Audrey ihre Augen nicht sehen; dennoch spürte sie, dass die Fremde von Claires Erklärung genauso schockiert war wie sie selbst.

Braydens Frau wusste Bescheid.

Audrey schluchzte auf und ging zu der Bank hinüber, setzte sich hin, vornehmlich, weil sie keineswegs sicher war, ob ihre zitternden Beine sie noch viel länger tragen würden. Sie sah Claire Hayes an, und dann platzte es aus ihr heraus: »Ich hatte keine Ahnung«, sagte sie in bittendem Ton. »Bis Sie an jenem Abend ans Telefon gingen, hatte ich keine Ahnung, dass er nach wie vor mit Ihnen zusammenwohnte. Ich schwöre Ihnen, er hat behauptet, seine Frau habe ihn verlassen, dass er getrennt lebe … Ich hätte niemals – Sie müssen mir glauben. Ich wusste nicht …«

»Ach, Liebes«, unterbrach Naomi ihren Redefluss. Sie war offenbar entsetzt über diesen Ausbruch. »Reißen Sie sich zusammen.«

Verärgerung mischte sich in Audreys Elend, und sie warf dem Störenfried einen eisigen Blick zu. »Bei allem Respekt, aber Sie haben doch gar keine Ahnung, was hier los ist.«

»Na ja«, widersprach Naomi und sah auf ihre eigenen Nägel hinunter. »Irgendwie weiß ich das doch.«

Claire zuckte vor Überraschung zusammen und sah genauso schockiert aus, wie Audrey sich fühlte. Audrey ging auf, dass diese beiden Frauen sich gar nicht kannten. Wobei sie auch gestört haben mochte, ganz sicher nicht dabei, wie eine Freundin die andere tröstete. Die beiden waren einander fremd.

Claires nächste Äußerung bestätigte das: »Wer sind Sie?«, fragte sie ihre Banknachbarin.

Doch der Rotschopf gab keine Antwort, sondern musterte Audrey nur weiterhin unverhohlen, und obwohl Letztere normalerweise gar nicht allzu mutig war, hielt sie dem Blick stand. Trotz der riesigen Sonnenbrille sah sie, dass die andere Frau fantastisch aussah, und das nicht nur wegen des flammend roten Haars. Ihre ganze Gestalt schien zu glühen, sprühte förmlich Funken vor Energie und Selbstvertrauen, was perfekt zu ihrem Designerkleid, ihrem makellosen Make-up und den keineswegs unauffälligen Diamantsteckern in ihren Ohren passte. Audrey hätte ihre Lieblings-Chanel-Tasche darauf verwettet, dass die echt waren. Wieder kam ihr die Frau irgendwie bekannt vor.

Der Rotschopf schob sich die Sonnenbrille hoch und sah Claire direkt in die Augen. »Ich bin Naomi Powell. Die andere andere Frau.«

Audrey spürte, wie ihr der Mund offen stehenblieb, nicht nur, weil sie jetzt wusste, wer die Frau war, sondern auch wegen der Bombe, die sie hatte platzen lassen. Brayden Hayes hatte seine Frau nicht nur mit Audrey betrogen. Anscheinend hatte er auch mit einer der bekanntesten Unternehmerinnen New Yorks geschlafen. Dem personifizierten Girlboss.

Audrey war Naomi Powell niemals persönlich vorgestellt worden, aber alles, was in Manhattan Rang und Namen hatte, kannte den Namen der in der Bronx aufgewachsenen Senkrechtstarterin, die sich ein äußerst erfolgreiches Schmuckimperium aufgebaut hatte.

Claire hingegen schien ihr Name nichts zu sagen. Vielleicht war sie auch einfach nur fassungslos, weil ihr Mann mit gleich zwei Frauen geschlafen hatte. Die jetzt mit ihr auf einer Parkbank saßen. Am Tag seiner Beerdigung.

Die ganze Situation war derart absurd, dass Audrey sich ein Kichern verkneifen musste.

Claire starrte Naomi weiter unverwandt an. »Was?«

Die Rothaarige seufzte. »Ihr Mann hat seine Gurke in ein Sandwich zu viel gesteckt. Na ja, eigentlich in zwei Sandwiches zu viel, wenn Sie sie mitzählen.« Sie deutete mit dem Kinn auf Audrey.

Diesmal kicherte Audrey tatsächlich und legte sich die Hand auf die Stirn, als versuche sie, ihre Gedanken zu ordnen. »Haben Sie gerade einen Vergleich gezogen zwischen … einer Gurke … oh mein Gott … und Sandwiches …?«

Claire ließ das Kinn auf die Brust sinken, und Audrey blieb das Lachen im Halse stecken. Plötzlich schämte sie sich. Was war sie doch für ein schlechter Mensch, wenn sie in einer solchen Situation lachte. Immerhin saß sie neben der Witwe jenes Mannes, dessen Trauerfeier gerade ganz in der Nähe stattfand. Instinktiv wollte sie nach Claires Hand greifen, hielt sich aber gerade noch zurück, als ihr einfiel, dass sie selbst wahrscheinlich der letzte Mensch war, von dem Claire sich trösten lassen wollte.

Na ja, aber eigentlich stand es unentschieden, dachte Audrey und warf Naomi einen schnellen Blick zu. Immerhin gab es zwei andere Frauen.

Naomi sah ebenso beunruhigt aus, wie Audrey sich fühlte, als sie bemerkte, dass Claires Schultern bebten. Doch sie schluchzte nicht, sondern schien stumm vor sich hin zu lachen. Schließlich warf Claire den Kopf in den Nacken, sah zum Himmel hinauf und machte ihrer Belustigung lauthals Luft.

Gut. Gut. Also war sie nicht gebrochen. Nur ein bisschen angeknackst.

»Ich sage es Ihnen nicht gern«, bemerkte nun Audrey an Claire gewandt. »Aber ich glaube nicht, dass er da oben ist.«

Jetzt lachte Naomi überrascht auf, und sie lächelten einander zögerlich zu. Dies war sicherlich einer der seltsamsten Augenblicke in Audreys ganzem Leben. Er wäre sicher jedem absonderlich vorgekommen. Und doch kam es ihr nicht annähernd so merkwürdig vor, wie es hätte der Fall sein müssen.

»Sollten wir nicht vielleicht doch bei der Beerdigung sein?«, fragte Claire leise, wobei sie immer noch zum Himmel hinaufsah.

»Ach was«, widersprach Naomi und winkte ab. »Ich bin vornehmlich deshalb hingegangen, um Gott zu bitten, ihn keinesfalls durch die Himmelspforte zu lassen, und das hatte Gott – wie Audrey schon gesagt hat – mit Sicherheit sowieso nicht vor.«

»Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas eines Tages erleben könnte«, meinte Claire. Ihre Stimme klang erschöpft, und Audrey fragte sich, ob sie ebenso wenig Schlaf gefunden hatte wie sie selbst. Die Art und Weise, mit der sie sich die Schläfen rieb, deutete darauf hin, dass der Kummer auch ihr heftige Kopfschmerzen beschert hatte, genau wie Audrey selbst.

Vielleicht rührten die Kopfschmerzen ja auch gar nicht vom Kummer, sondern vom Zorn. Um die Wahrheit zu sagen, Audrey wusste immer noch nicht so genau, was sie jetzt empfand. Sie trauerte. Offensichtlich. Ein Mann war gestorben. Ein Mann, den sie geliebt hatte, war gestorben, und das in viel zu jungen Jahren.

Und dennoch. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, dann war sie auch wütend. Auf Brayden, natürlich wegen seiner Lügen. Aber auch auf sich selbst. So wütend auf sich selbst.

»Sie meinen, auf einer Parkbank mit den Geliebten Ihres Mannes zu sitzen, während ein paar Straßen weiter seine Beerdigung stattfindet?«, fragte Naomi.

Claire lachte. Sie schien von Audreys innerem Aufruhr nichts zu bemerken. »Ja. Genau. Ich denke andauernd, dass ich doch eigentlich traurig sein müsste, aber mir kommt immer wieder in den Sinn, wie dumm ich doch war, und zwar schon bevor ich wusste, dass es sogar zwei von Ihnen gab. Wie konnte ich das nur übersehen?«

»Wir waren genauso dumm«, versicherte Audrey. Diesmal gab sie ihrem Impuls, die andere Frau trösten zu wollen, nach und legte Claire die Hand auf den Arm. »Er war seit einem Jahr mein Freund. Er hat mir weisgemacht, ständig auf Reisen zu sein.«

»Drei Monate«, fügte Naomi hinzu und deutete mit der sorgfältig manikürten Hand auf sich selbst. »Mir hat er erzählt, dass er die meisten Geschäfte in Hongkong tätigte und nachts häufig arbeiten müsse. Ich habe es ihm voll und ganz abgekauft.«

Die drei Frauen schwiegen lange, und Audrey erkannte, dass außer der Wut und dem schlechten Gewissen sich noch ein anderes Gefühl durch die schmerzende Taubheit hindurchkämpfte, die sich ihrer bemächtigt hatte: Erleichterung. Erleichterung, dass sie nicht ganz allein in diesem komplizierten Gefühlschaos war.

Eine seltsame Art der Kameradschaft keimte zwischen ihnen auf. Sie wusste nicht genau wie, aber sie spürte es so deutlich wie die Sonne New Yorks, die erbarmungslos auf ihren Schädel herabbrannte.

Naomi richtete sich auf und wandte sich an die anderen. »Ich muss etwas gestehen.«

Claire wölbte die Augenbrauen. »Schlimmer als die Tatsache, dass Sie mit meinem Mann geschlafen haben?«

»Von dem ich schließlich nicht wusste, dass er Ihr Mann war«, stellte Naomi klar und wedelte mit ihrem Finger vor Claires Gesicht hin und her. »Aber nein. Ich will Folgendes beichten: Ich bin zwar stinksauer auf Brayden, aber noch wütender bin ich auf mich selbst. Weil ich zugelassen habe, dass er mich hinters Licht geführt hat.«

Audreys Funken der Erleichterung wurde zur lodernden Flamme – da verstand jemand, was sie fühlte. »Geht mir ähnlich. Ich meine, bei mir sind es eher Selbstvorwürfe als Wut, glaube ich, aber … ich grübele unaufhörlich darüber nach, wieso ich es nicht gesehen habe. Und wenn ich mich von ihm hinters Licht habe führen lassen, wie soll ich verhindern, dass mir so etwas noch einmal passiert?«

Claire blickte auf ihre Hände in ihrem Schoß hinab. »Darüber mache ich mir keine Gedanken. Nach alldem bin ich fest entschlossen, mich in eine einsame alte Lady mit Katzen zu verwandeln.«

»Nope«, rief Naomi entschlossen. »Wir werden nicht zulassen, dass er uns das antut. Ich gehöre eigentlich nicht zu den Frauen, die sich auf langfristige Beziehungen einlassen, aber männliche Gesellschaft gefällt mir durchaus, und ich habe nicht die Absicht, mir von Brayden den Appetit verderben zu lassen auf …«

»… Gurken?«, schlug Audrey vor.

»Ich wollte eigentlich Sex sagen, aber ja. Gurken.«

Audrey rang sich ein Lächeln ab, aber ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie die Wahrheit aussprach. »Ich bin eigentlich durchaus der Typ für langfristige Beziehungen. Ich wünsche mir den Ring und die Babys, und den …«

»Sagen Sie jetzt bitte nicht den Lattenzaun.«

»Oh Gott, nein!« Audrey schauderte, dann deutete sie auf ihre Schuhe. »Rote Sohlen wie diese passen nur auf die Fifth Avenue, nicht in die Vororte. Aber ich wünsche mir trotzdem das Märchen, und ich wünsche mir einfach …« Sie schluckte. »Aber heutzutage fällt es immer schwerer, daran zu glauben.«

»Dass wir uns nicht missverstehen.« Naomi wandte sich an Claire. »Sie wollen sich in eine Katzenfrau verwandeln, und Sie wollen Ihre Disney-Prinzessinnen-Träume aufgeben«, sagte sie zu Audrey gewandt. »Und das alles nur wegen eines Mannes.«

Wenn man es so formulierte, klang es tatsächlich … lächerlich. Sie warf Claire, die sie beobachtete und ebenfalls sehr nachdenklich wirkte, einen Blick zu.

Naomi ließ nicht locker. »Ladys, ich weiß, dass wir uns gerade erst kennengelernt haben, aber blicken wir den Tatsachen ins Auge: Wir tragen die gleichen Schuhe, und wir sind vom gleichen Typen gelinkt worden. Was mich angeht, haben wir dadurch ein paar Schritte im weiblichen Bonding-Prozess übersprungen.«

»Perfekt. Ich werde Sie zu einer Übernachtungsparty einladen«, meinte Claire in schneidendem Ton und stand auf. Anscheinend hatte sie jetzt die Nase voll. Wovon auch immer.

»Warten Sie!« Naomi legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich schlage damit ja nicht gleich vor, dass wir uns auf der Stelle die gleichen Tattoos stechen lassen, sondern nur, dass wir einander helfen.«

Audrey war skeptisch, gleichzeitig aber auch fasziniert, und Claire schien es ähnlich zu ergehen, denn sie setzte sich tatsächlich wieder hin. »Sie wollen, dass ich den Geliebten meines Mannes helfe – wobei genau?«

»Wir alle haben einen blinden Fleck, wenn es um Männer geht. Nach dem halten wir gegenseitig Ausschau. Allein sind wir offensichtlich nicht in der Lage, einen Kerl als denjenigen – oder das – zu erkennen, was er ist. Aber was, wenn wir unsere Kräfte bündeln? Uns dabei helfen, weitere Braydens zu entlarven und vom Hals zu halten.«

Audrey biss sich auf die Lippe und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während sie diesen Vorschlag mit unverhohlener Skepsis überdachte. »Bei allem Respekt, ich kenne Sie überhaupt nicht. Ich kapiere, worauf Sie hinauswollen, aber warum sollte ich zulassen, dass zwei fremde Frauen einen Typ abschätzen, den ich mag, und nicht meine Freundinnen?«

Noch als sie es sagte, erkennte sie den logischen Fehler ihrer Argumentation. Sie hatte viele Freunde und Freundinnen. Aber niemand hatte sie vor Brayden beschützt. Nicht einmal Clarke West, ihr bester Freund seit Kindheitstagen, hatte sie vor dem Schmerz bewahren können, und sie wusste, dass er alles für sie getan hätte. Audrey zuckte zusammen, denn zu spät fiel ihr ein, dass der arme Clarke in der Kirche auf sie wartete und sich vermutlich Sorgen machte, wo zum Teufel sie blieb.

Naomi trieb ihren Plan weiter voran. »Aus einem ganz einfachen Grund: Wer könnte ein besseres Gefühl dafür haben, wenn eine andere Frau übers Ohr gehauen wird als drei Frauen, die gerade das erlebt haben, was wir mit Brayden durchmachen mussten?«

Verdammt. Gutes Argument. Wirklich gut. Und immerhin hatte Audrey keinen blassen Schimmer, ob sie etwas wie die letzte Woche noch ein zweites Mal würde überleben können. Sie biss sich auf die Lippe und sah Claire an. »Wissen Sie, eigentlich finde ich diesen Plan gar nicht so übel.«

Claire war sich da nicht ganz so sicher. Das sah Audrey an ihrem weiterhin misstrauischen Blick und der Art, wie sie an ihrer Uhr herumnestelte, als wolle sie Zeit schinden, um sich anschließend höflich zurückzuziehen.

Auch Naomis Blick blieb an Claires Uhr haften. »Cartier.«

Audrey hatte der Uhr bislang nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber bei dieser Feststellung fuhr sie zusammen. Sie war zwar nicht im Schmuck- und Accessoire-Geschäft wie Naomi, aber eine Cartier-Uhr kannte sie dennoch.

Und zwar, weil sie selbst eine zu Hause hatte. Sie sah sich Claires Uhr genauer an. Sie wusste, wie sie aussehen würde, aber dennoch versetzte ihr der Anblick einen Stich. Sie hatten nicht nur beide Cartier-Uhren. Sie hatten die gleiche Cartier-Uhr.

Claire blickte zu Naomi auf. Ihr verwirrter Blick zeigte deutlich, dass sie noch nicht zu der gleichen Erkenntnis gelangt war wie die beiden anderen Frauen. Oder wollte es nur noch weniger wahrhaben. »Ja. Woher wissen Sie …?«

Naomi wandte den Blick nicht von Claire ab. »Ich kenne mich mit Designern aus. Und ich weiß auch, dass ich genau die gleiche Uhr zu Hause habe.«

Claire atmete scharf ein, und ihre Augen weiteten sich. »Brayden …?«

Naomi nickte.

»Ich auch«, fügte Audrey beinahe unhörbar hinzu.

Claire starrte auf die Uhr an ihrem linken Handgelenk hinab, und Audrey spürte, wie sie einknickte – wie sie das verstand, was Audrey und Naomi bereits verstanden hatten. Sie brauchten einander.

Naomi streckte die Hand aus. »Schlagt ein, Mädels, wir schließen einen Pakt wie damals auf der Highschool. Möge keine von euch jemals wieder auf so einen betrügerischen Mistkerl reinfallen. Nicht, solange ich aufpasse.«

Audrey zögerte nicht einen Augenblick und legte ihre Hand auf Naomis. »Und darauf, dass wir einander helfen, den Richtigen zu finden. Darauf passe ich auf.«

Und das meinte sie ernst. Sie war es vielleicht nicht wert, glücklich bis an ihr Lebensende zu sein, aber sie war fest entschlossen, diesen Frauen dabei zu helfen, ihr Glück zu finden. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.

Claire zögerte noch einen Augenblick länger, doch dann legte auch sie ihre Hand oben auf. »Oh, was zum Teufel. Darauf, dass wir nie wieder auf Arschlöcher hereinfallen.«

Irgendetwas machte in diesem Moment Klick. Audrey spürte eine Verbundenheit mit diesen Frauen, die über Freundschaft hinausging, hatte das Gefühl, dass dies einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellte. Der nicht durch Braydens Tod markiert wurde, sondern durch das, was danach kam.

Langsam lösten sie ihre Hände voneinander, und Audrey seufzte tief, bevor sie über den Park hinweg in Richtung Kirche blickte, die sie alle gemieden hatten. »Ich glaube, wir sollten zumindest mal kurz auftauchen, hm?«

Naomi schnaubte verächtlich, stand auf und schob sich die Sonnenbrille mit einem Finger wieder auf die Nase zurück. »Scheiß drauf. Gehen wir lieber shoppen.«

»Ich bin dabei«, antwortete Claire und erhob sich ebenfalls. »Und schauen wir vorher bei Sugarfina vorbei und kaufen ein paar von diesen vollkommen überteuerten, aber köstlichen Weingummis. Brayden hasste Weingummi.«

»Ach ja?«, sagte Naomi. »Das wusste ich nicht. Aber zum Teufel, kaufen wir gleich den ganzen Laden leer.«

Audrey stand ebenfalls auf, wenn auch langsamer. Sie hatte es gewusst. Sie hatte gewusst, dass Brayden kein Weingummi mochte. Genau wie sie gewusst hatte, dass sie beide Schokolade liebten. Und sie wusste, dass sein Lächeln auf der rechten Seite stärker ausgeprägt war als auf der linken, dass er nichts für schwarzen Pfeffer übrighatte und die Kellner dennoch immer bat, etwas auf sein Essen zu geben, als wollte er damit seine Männlichkeit unter Beweis stellen. Sie wusste, dass sein Lieblingscocktail ein Tito’s Martini mit einer Gorgonzolaolive war und dass er gerne auf der rechten Seite des Bettes schlief.

Sie wusste alles, was eine Ehefrau auch gewusst hätte. Würde aber niemals seine Frau werden. Oder die Frau eines anderen Mannes. Nicht, weil sie zynisch geworden war. Audrey glaubte immer noch ans Happy End. Sie glaubte von ganzem Herzen daran. Sie glaubte, dass ein Mann und eine Frau heiraten und für alle Zeiten glücklich miteinander sein konnten, zumindest solange nicht irgendjemand anders vorbeikam und dieses Glück zerstörte.

Und genau das hatte Audrey getan.

Sie hatte geglaubt, ihr eigenes Märchen zu leben, aber in Claires Geschichte war sie der Bösewicht gewesen. Bei ihrer Suche nach dem eigenen Prince Charming hatte sie sich den einer anderen Frau ausgeliehen. Vielleicht sogar den Mann von zwei Frauen, erkannte sie mit einem Blick auf Naomi.

Im Stillen schloss Audrey also einen weiteren Pakt, diesmal mit sich selbst. Sie würde diesen beiden anderen Frauen dabei helfen, ihre zweite Chance auf Glück zu finden. Sie glaubte nach wie vor an die Liebe. Nur nicht mehr für sich selbst. Sie war sich auch gar nicht sicher, ob sie sie verdient hatte.

1

Eineinhalb Jahre später – Sonntag, 5. Januar

Naomi betrachtete das Glas mit dem braungrünen Matsch vor ihrer Nase und sah dann zu Audrey auf.

»Aber warum bekomme ausgerechnet ich so etwas vorgesetzt?«

Audrey schwenkte das Glas hin und her. »Du hast nicht einmal probiert.«

Zögernd nahm Naomi das Getränk in die Hand und schnüffelte daran. »Riecht wie Furz mit Dreck.«

»Das kommt vom Rosen- und Grünkohl«, antwortete Audrey und reichte ein weiteres Glas an Claire weiter, die es beinahe ebenso zögerlich wie Naomi entgegennahm.

»Cheers!«, rief Audrey, hob ihren eigenen Smoothie an die Lippen und nippte daran.

Naomi trank einen winzig kleinen Schluck und gab einen Würgelaut von sich. Claire hingegen schüttelte nur den Kopf, ohne davon zu kosten, und stellte das Gefäß mit einem entschiedenen Nope auf den Tisch zurück.

»Ja, schon gut«, räumte Audrey ein und ließ ihr Glas in der Hand kreisen. Die zähe Masse darin bewegte sich kaum. »Toll schmeckt es nicht.«

»Warum hast du diesen Schleim überhaupt?«, fragte Naomi und schob ihr Getränk so weit wie möglich von sich fort.

»Warum existiert dieses Zeug überhaupt?«, fügte Claire hinzu.

Audrey kehrte in ihre Küche zurück und hielt das Trockenpulver in die Höhe. »Super Fuel. Es enthält ungefähr neun Millionen Vitamine und Antioxidantien und eine Jahresration Ballaststoffe. Ich habe ihnen gesagt, ich würde es ausprobieren, und wenn es gut ist, bei meinen Followern erwähnen.«

So war das Leben als influencer. Keineswegs ein Job im traditionellen Sinne. Zum Teufel, in den Augen der meisten anderen Leute war es wahrscheinlich überhaupt kein Job. Unternehmen stellten ihr kostenlos ihre Produkte bereit, sie bewertete sie und teilte das, was gut war, mit ihrer riesigen Instagram-Gemeinde. Damit war sie vielleicht kein Härtefall, leistete aber harte Arbeit. Wann immer Audrey nach den üblichen Einleitungsfloskeln und der Frage Was machen Sie denn beruflich? ein abfälliges Schnauben erntete, lächelte sie nur. Ja, sie bekam die Sachen kostenlos zur Verfügung gestellt. Ja, sie verdiente ein Heidengeld durch Bewertungen und Partnerschaften. Ja, und von außen betrachtet schien ihr Job ganz einfach zu sein: einfach ein Selfie mit dem neuesten Schrei von mattem Lippenstift aufnehmen.

Was die Leute dabei aber nicht wahrnahmen, war die stundenlange Arbeit hinter den Kulissen: das Checken ihrer E-Mails, ihrer Instagram-DMs und ihrer Facebook Messages. Sie sahen nicht die Hunderte von Anfragen, die sie an einem einzigen Tag bekam. Sie hatten keine Ahnung, wie viel Zeit es sie kostete, ihren Blog zu pflegen, ihr Stativ aufzubauen, ihre Fotos aufzubereiten, Vorträge zu halten, in ihren Facebook-Gruppen aktiv zu bleiben, die Kommentare zu lesen, Spam und Trolle zu löschen, etc.

Audrey liebte ihren Job, aber Arbeit war es tatsächlich – ein Vollzeitjob eben.

Naomi zog die Nase kraus. »Wenn du deine Follower nicht eindeutig hasst, dann wirf das hier in den Müll und sprich nie wieder davon.«

»Nein, nicht!«, protestierte Claire. »Dieses Zeug verwandelt sich womöglich in einen Ziegelstein und macht mir meinen Abfallzerkleinerer kaputt und damit diese fantastische Küche.«

»Ach Süße«, sagte Naomi und tätschelte Claires Hand. »Abfallzerkleinerer? Für eine Innendesignerin bist du eine waschechte Vollblutehefrau.«

Claires Lächeln war gleichzeitig bezaubernd und selbstgerecht. »Ja, nicht wahr?«

Audrey lächelte ebenfalls, als sie ihren wenig schmackhaften Smoothie in den Abfluss goss. Es gab nur wenig, was sie fröhlicher machte, als ihre Freundinnen glücklich zu sehen, und Claire war definitiv glücklich. Frisch vermählt mit dem ruppigen, Flanellhemden tragenden, großherzigen Scott Turner. Nur Naomi konnte mit dem verliebten Glühen mithalten, das Claire umgab. Sie lebte mit ihrem Freund Oliver Cunningham zusammen, der sämtliche Eigenschaften in sich vereinte, die Brayden Hayes nicht besessen hatte: Er war loyal, liebevoll und gut.

Audrey holte eine Karaffe mit Orangensaft und Champagner aus dem Kühlschrank.

»Ja!«, rief Naomi begeistert und sprang von ihrem Stuhl auf. »Wo sind die Champagnerflöten? Ich wusste, dass du uns nicht nur zu schlammigen Smoothies eingeladen hast.«

»Hmm.« Audrey musterte die Schränke der Küche, in der sie sich nicht auskannte. »Keine Ahnung, wo die Champagnerflöten sind. Musst du wohl suchen.«

»Schon dabei.« Naomi machte sich auf die Jagd, öffnete und schloss verschiedene Schränke, bis sie entdeckt hatte, wo die von Audrey engagierten Umzugshelfer die Gläser hingepackt hatten.

»Ich liebe diese neue Wohnung«, meinte Claire, während Audrey O-Saft und Champagner auf den Tisch stellte und die unberührten Smoothies der Freundinnen forträumte.

»Ich auch«, sagte Audrey, sah sich um und bewunderte ihre neue Küche.

»Vermisst du den Palast?«, fragte Naomi, die nun mit drei von Audreys Lieblings-Champagnerflöten in der Hand an den Tisch zurückkehrte. Die roséfarbenen Gläser mit Goldrand hatte sie bei Anthropologie gefunden und sie waren in einem von Audreys bislang beliebtesten Posts aufgetaucht.

Audrey verdrehte die Augen, als Naomi auf das Familiendomizil anspielte, in dem sie bis vor ein paar Wochen gewohnt hatte. Aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben … der Hauptsitz der Tates war in der Tat eine Art Palast, wenn auch in der Manhattan-Variante. Ein mit Marmorböden ausgestattetes Penthouse, von dem aus man einen atemberaubenden Blick über die Stadt hatte, und das so riesig war, dass Audrey sich ganz verloren gefühlt hatte, nachdem ihre Eltern nach Kalifornien gezogen waren, um näher bei ihrer Schwester und deren Familie zu wohnen.

»Kam mir so langsam ein bisschen lahm vor, dass ich immer noch bei meinen Eltern lebte, obwohl ich zügig auf die dreißig zugehe«, bekannte Audrey, während Claire die Mimosas eingoss. »Obwohl sie hier eigentlich gar nicht mehr wohnen, hatte ich doch dauernd das Gefühl, von diesem verhätschelten Luxusprinzesschen-Vibe umgeben zu sein, solange ich in dem – wie hast du es doch formuliert? – Palast wohnte.«

»Der sich doch sehr von dieser Bruchbude hier unterscheidet«, sagte Naomi sarkastisch und meinte damit dieses geräumige, prächtige Stadthaus, das nur wenige Hausnummern von der Familienwohnung auf der Madison Avenue entfernt lag.

»Ja, aber dieses Haus habe ich mir ganz allein gekauft«, erwiderte Audrey leicht angesäuert. »Riesenunterschied.«

»Riesenunterschied«, stimmte Naomi zu und hob ihr Glas, um einen Toast auszusprechen. »Auf Neuanfänge.«

Die drei Frauen stießen miteinander an, und Claire lächelte. »Ist euch eigentlich aufgefallen … ich habe gerade bemerkt, dass wir in den anderthalb Jahren, seit wir uns im Park kennenlernten, alle drei ein neues Heim bezogen haben? Naomi ist in die Park Avenue gezogen und dann wieder nach Tribeca. Und ich bin vielleicht nicht wirklich umgezogen, aber durch die Renovierung fühlt sich mein Haus an, als sei es neu. Und jetzt Audrey.«

»Und«, stimmte Naomi ein, »kurz nach dem Einzug fand ich Oliver. Du hast Scott bei der Renovierung gefunden. Was bedeutet …« Sie sah zu Audrey hinüber.

»Hmmm, ja«, sagte Audrey und nippte an ihrem Drink. »Offensichtlich meint ihr gerade meinen romantischen Erfolg bei Randy.«

»Zu unserer Verteidigung«, bemerkte Claire, »Wir haben dir deutlich geraten, dich nicht mit einem Typen zu treffen, der Randy heißt.«

»Und ihr hattet recht«, sagte Audrey schaudernd. Sie war jetzt noch entsetzt, dass sie geschlagene drei Wochen mit Randy Weaver hatte ausgehen müssen, bevor ihr aufgegangen war, was für ein Widerling er war. Zugegeben, immerhin hatte sie sich nach der Brayden-Geschichte überhaupt mal wieder regelmäßig mit einem Mann getroffen, aber in diesem Fall waren drei Wochen eindeutig drei Wochen zu viel.

»Zumindest hast du das von den Videokameras herausgefunden, bevor du tatsächlich in einem seiner, hmm, Filmchen auftauchtest«, sagte Claire.

»Ja, na ja, die Kameras konnte man ja kaum übersehen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Schlafzimmer ganz und gar mit deckenhohen Spiegeln ausgekleidet war.«

Naomi lachte sich halb kaputt. »Das ist echt der Brüller. Zu wissen, dass es Typen wie den tatsächlich gibt.«

Audrey warf ihr einen gespielt wütenden Blick zu, konnte aber ihr eigenes Grinsen nicht verbergen. Im Rückblick betrachtet war es tatsächlich witzig. Bis zu diesem Punkt war es mit Randy eigentlich durchaus gut gelaufen. Er hatte ihr Herz nicht wirklich im Sturm erobert, und es hatte auch keinerlei Schmetterlinge gegeben. Aber er war freundlich gewesen. Aufmerksam. Ein Gentleman. Audrey hatte beschlossen, dass er so gut wie jeder andere geeignet war, um ihre Dürreperiode zu beenden.

Und dann hatte sie sein Schlafzimmer betreten, das wirklich und wahrhaftig aus Spiegeln bestanden hatte – an den Wänden und an der Decke. Und als sei das nicht schon pervers genug gewesen, hatte sie überdies noch die Kameras entdeckt. Plural. Und dazu einen verborgenen Großbildschirm in einem der Spiegel.

Randy trieb es nicht nur vor laufender Kamera, er genoss es auch, sich selbst während des Akts bei früheren Darbietungen zu betrachten. Er hatte ihr versichert, dass dies ungeheuer antörnend sein konnte. Sie musste es nur zulassen. Sie wiederum hatte ihm versichert, dass er ihre Telefonnummer für immer streichen sollte.

Audrey seufzte und kam zu dem Schluss, dass es Zeit wurde, den Freundinnen den wahren Grund zu verraten, warum sie sie eingeladen hatte und sie um 11 Uhr morgens mit alkoholischen Getränken bezirzte.

»Ich muss euch etwas erzählen.«

Sofort hatte sie ihre Aufmerksamkeit, also stürzte sie sich sogleich mitten hinein. »Also, ich habe Randy von Brayden erzählt. Nicht alles, aber … genug. Ich sagte, dass ich mit Brayden zusammen war, dass ich wusste, dass er verheiratet war, ihm aber geglaubt hatte, als er mir versichert hatte, er habe sich getrennt und die Scheidung stehe kurz bevor. Ich berichtete ihm, wie schockiert ich war, als ich nach seinem Tod erfuhr, dass seine Frau von einer ›Trennung‹ gar nichts wusste. Und ich habe ihm von euch beiden erzählt«, sagte sie und sah die Freundinnen entschuldigend an.

»Okay …?«, soufflierte Claire und runzelte verwirrt die Stirn.

»Ich habe ihm vertraut«, fügte Audrey leise hinzu und griff nach ihrem Handy. »Und … wie sich herausstellte, war dieses Vertrauen fehl am Platze.«

Wahrscheinlich würde alles klarer, wenn sie es ihnen nicht erzählte, sondern zeigte. Also rief Audrey Instagram auf und legte das Handy zwischen sie.

Claires Kopf neigte sich ebenso darüber wie Naomis Rotschopf, während sie den Instagram-Post lasen.

»Wer ist ScandalBoy?«, fragte Claire.

»Billigkopie von Gossip Girl«, antwortete Naomi an Audreys Stelle, den Blick immer noch aufs Handy gerichtet. »Irgend so ein kleiner anonymer Scheißer, dem es Spaß macht, Gerüchte über die Elite Manhattans zu verbreiten. Ich bin da bestimmt schon ein Dutzend Mal aufgetaucht, kein Mal im guten Sinne, und das meiste war gelogen.«

»Ich auch«, antwortete Audrey. »Der Typ schien mich immer zu hassen, aber so schlimm wie jetzt war es noch nie.«

Sie nagte nervös am Nagel ihres Ringfingers herum, bis ihre Freundinnen aufblickten. Ihr sank das Herz, als sie die Wut auf ihren Gesichtern las. »Es tut mir so leid. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Randy mich verraten würde und der ganzen Welt von Brayden erzählen würde, oder dass ScandalBoy davon erfahren würde.«

»Kannst du ihn nicht verklagen?«, fragte Claire. »Wegen Verleumdung oder so etwas?«

»Verleumdung lässt sich nur anführen, wenn es nicht stimmt«, sagte Naomi, nahm das Handy zur Hand und las einen Auszug von ScandalBoys Post vor: »Die Lieblingsprinzessin der Upper East Side hat ein schmutziges kleines Geheimnis. Die Gerüchteküche im Hinblick auf Audrey Tates Verbindung mit dem verstorbenen Brayden Hayes kocht ja schon seit Langem, aber dieser Boy hat soeben erfahren, dass die Madison Avenue Prinzessin keineswegs ein Opfer war – sie wusste die ganze Zeit über, dass ihr Prinz verheiratet war und hat ihn sich trotzdem gekrallt.«

Naomi senkte mit angewidertem Blick das Handy. »Gekrallt? Wer ist dieser Kerl?«

»Ein kleiner Blödmann, nichts weiter«, sagte Claire, nahm Naomi das Handy aus der Hand, schaltete es aus und legte es mit dem Bildschirm nach unten vor Audrey auf den Tisch. »Vergiss ihn. Er hat es nicht verdient, dass du auch nur eine weitere Sekunde deiner Zeit mit ihm verschwendest.«

»Stimmt genau«, rief Naomi zustimmend.

Audrey blickte zwischen beiden hin und her. »Wartet. Das war’s? Ihr seid nicht wütend?«

»Oh, fuchsteufelswild«, antwortete Claire. »Wenn ich wüsste, wer er ist, würde ich ihm die Eier in einen Schraubstock stecken …«

»Nein, wütend auf mich«, stellte Audrey gereizt klar.

Sie starrten sie an. »Warum sollten wir denn wütend auf dich sein?«

»Weil ich Randy unsere … Geschichte erzählt habe.«

»Ich habe sie Oliver doch auch erzählt«, erklärte Naomi.

Claire nickte. »Und ich Scott. Na ja, zugegeben, er wusste es bereits von Oliver und Naomi. Aber ich habe nie den Versuch gemacht, sie zu verheimlichen.«

»Ja, aber das sind gute Typen«, sagte Audrey. »Man kann ihnen vertrauen.«

Naomi lächelte verschämt. »Ja, Liebes. Und dein Typ war keiner von den Guten. Hätten wir doch nur einen Pakt geschlossen, durch den wir beide dir gleich ganz offen hätten sagen können, dass Randy beschissen war … oh Moment …«

»Naomi«, rief Claire warnend. »Willst du wirklich, dass wir an dieser Stelle Dylan zur Sprache bringen.«

»Uff«, machte Naomi und atmete kurz aus bei der Erinnerung an den Mann, mit dem sie kurz geflirtet hatte, bevor ihr klar wurde, dass Oliver der Richtige für sie war. »Touché.«

»Wartet, ihr seid echt nicht wütend?«, fragte Audrey ihre Freundinnen immer noch verdutzt.

»Nein, aber wir werden gleich wütend, wenn du nicht aufhörst, dich so aufzuführen«, sagte Naomi. »Das ist nämlich ätzend. Keiner von uns gefällt es, dass dieser Vollidiot so über dich redet. Aber was uns beiden anderen betrifft?« Sie zuckte mit den Schultern. »Mir ist das egal.«

»Mir auch«, versicherte Claire. »Ist schließlich ewig lange her.«

Anderthalb Jahre. Ein Jahr und sechs Monate seit Brayden gestorben war und ihre Freundinnen ein neues Leben begonnen hatten.

Das war der entscheidende Unterschied, erkannte Audrey. Ihnen war dieser Dreck gleichgültig. Dass Brayden jetzt nochmals zur Sprache kam, konnte ihnen nichts mehr anhaben. Sie hatten neue Männer, eine neue Liebe. Und Audrey …

Ging es gut. Es ging ihr schlicht und einfach gut.

Naomi sah jetzt auf ihr eigenes Handy herab. Ihr Mimosa schwebte wie erstarrt vor ihren Lippen, und plötzlich wirkte sie erheblich entsetzter über das, was sie da auf ihrem eigenen Gerät las, als über das, was sie auf Audreys gelesen hatte. »Ähm. Audrey.«

»Hmm?«, fragte diese und goss sich noch etwas Champagner ein.

Naomis blaue Augen musterten sie. »Hast du abseits dieser ScandalBoy-Geschichte schon mal ins Internet geschaut?«

Audrey gab ein undamenhaftes Schnauben von sich. »Nicht wirklich. Seit diesem zwielichtigen Post war ich meist offline. Ich brauchte eine Pause vor dem falschen Mitleid und den neugierigen Fragen. Ich finde es reicht, wenn ich mich morgen wieder damit herumschlage.«

»Jaaaa, ich denke, da gibt es dann noch etwas, mit dem du dich auseinandersetzen musst. Etwas … Größeres.«

Sie reichte Audrey das Handy. »Lies mal Deenas Nachricht und dann geh auf den Link.«

Audrey überflog die Textnachricht von Naomis Assistentin.

OMG, STIMMT DAS ECHT?! KREISCH!

Mit dem Daumen tippte Audrey auf die URL darunter. Sie brauchte nur die Überschrift zu lesen, um Naomis Sorge zu verstehen.

PROMI AUDREY TATE VERLOBT MIT LANGZEITBEGLEITER CLARKE WEST.

»Oh verdammt«, murmelte Audrey seufzend und gab Naomi das Handy zurück. »Nicht das schon wieder.«

2

Sonntag, 5. Januar

SCHON GEHÖRT? EINE GEWISSE MADISON AVENUE DIVA HAT SICH ANGEBLICH EINEN NEUEN GEANGELT. DIE EIGENTLICHE FRAGE LAUTET DOCH, WIE LANGE ER WOHL BLEIBEN WIRD. DEN GERÜCHTEN ZUFOLGE IST UNSER LIEBLINGSGIRL IN DER LIEBE VERFLUCHT – SIE KÖNNTE AUCH DANN KEINEN MANN HALTEN, WENN SIE IHN AN IHRE BOTTEGA VENETA KROKODILLEDER-TASCHE KETTEN WÜRDE.

–@SCANDALBOYNYC

Clarkes Wohnung lag nur zehn Minuten zu Fuß von Audreys entfernt, was nicht annähernd genug war, um sich die Wut aus dem Körper zu laufen. Nicht, dass sie wütend auf Clarke gewesen wäre – ihn kannte sie wie ihre Westentasche.

Nein, Audrey war immer noch stinksauer auf diesen idiotischen @ScandalBoyNYC, der, noch bevor sie und ihre Freundinnen die Mimosas geleert hatten, einen weiteren Schlag gegen Audrey auf Instagram gelandet hatte. Der Junge, Mann, Frau, was auch immer, verfügte offenbar über eine gut informierte Quelle, was mehr als nur ein bisschen ärgerlich war. Allerdings sollte der Typ lieber mal vorsichtiger sein, mit wem er über sie sprach. Niemand in Audreys Bekanntenkreis hätte es gewagt, auch nur im Scherz anzudeuten, eine Kette an einer Bottega zu befestigen.

So unbedeutend und haltlos die Anschuldigungen auch sein mochten, einen Stachel hinterließen sie dennoch. Audrey kannte Internet-Trolle in den Social Media durchaus, aber es war beschämend, ihr Liebesleben der Öffentlichkeit preisgegeben zu wissen. Nicht einmal ihren engsten Freundinnen vertraute sie an, wie es in ihrem Herzen wirklich aussah – dass also Fremde im Internet ihren Single-Status bewerteten, war schlicht und ergreifend ätzend.

Aber darum würde sie sich später kümmern müssen. Zunächst einmal war da die nicht ganz so geringfügige Kleinigkeit ihres Verlobten.

Wie Audrey lebte Clarke West in der Nähe der Madison Avenue, wenn auch etwas weiter downtown. Als Audrey auf die Sixty-Fourth einbog, bemerkte sie lächelnd, dass er ironischerweise sogar direkt neben einem Bottega Veneta-Laden wohnte. Im Geiste zeigte sie ScandalBoy den Mittelfinger, während sie den Luxus-Laden passierte und erklomm dann die Treppenstufen, die zu Clarkes Stadthaus hinaufführten.

Sie klopfte und wartete ungeduldig. Als niemand öffnete, holte sie ihren Zweitschlüssel heraus und schloss auf. Sie würde es sich hier einfach für eine Weile bequem machen und warten, bis ihr bester Freund nach Hause kam. Als sie die Wohnungstür öffnete, dröhnte die Musik aus dem Obergeschoss zu ihr herunter.

Er war also doch zu Hause. Gut. Audrey stellte die Tasche auf den Beistelltisch, den sie mit ihm zusammen ausgesucht hatte, und hängte ihren Mantel neben die Eingangstür, wie sie es im Laufe der vergangenen Jahre schon bestimmt hundertmal getan hatte.

Clarkes Haus war fantastisch, und Audrey fand, dass dies auch ihr selbst zu verdanken war. Natürlich galt das nicht für die Vorkriegsarchitektur. Das war der Geniestreich eines anderen gewesen. Aber Audrey hatte nicht zugelassen, dass eine so atemberaubende Wohnung durch Clarkes nüchternen Höhlenmensch-Geschmack verschandelt wurde. Mit Hilfe eines der Topinnendesigner Manhattans hatte Audrey diesem Haus ein eindeutig männliches Country-Club-Flair verliehen. Die Böden und die Treppe bestanden aus leuchtendem Mahagoni, die Wände waren in tiefen Blau- und Grüntönen gehalten. Das Mobiliar war ein beabsichtigtes Sammelsurium aus abgenutztem Leder und ausgefallenen schottischen Accessoires, die Wände zierten Bilder von Pferden und Jagdhunden, an denen Clarke gern herummeckerte, sich aber nie die Mühe machte, sie abzunehmen. Letzteres vermutlich, weil seine Mutter diese Kunstwerke hasste.

Sie folgte dem Klang von »We Will Rock You« die Treppenstufen hinauf und wusste bereits, dass sie ihn in dem einen Raum vorfinden würde, an den sie nicht Hand angelegt hatte – in seinem heimischen Fitnessstudio. Sie lehnte sich an den offenen Türrahmen, weil sie Clarke nicht während des Bankdrückens aufschrecken wollte. Er hatte eines der größeren Schlafzimmer mit Laufband, Squat Rack, Hanteln und – wie an der Tatsache, dass er von ihrer Ankunft immer noch nichts mitbekommen hatte, deutlich ersichtlich war – einem erstklassigen integrierten Soundsystem ausgestattet.

Er trug graue Jogginghosen und ein enges schwarzes Sport-Shirt und absolvierte gerade die letzte Wiederholung, bevor er die Hantel wieder auf das Rack wuchtete. Dann schnappte er sich ein Handtuch vom Boden, setzte sich auf und erstarrte einen Augenblick überrascht, als er sie dort stehen sah.

Grinsend hielt er einen Finger hoch. Warte. Er griff nach seinem Handy und wischte mit dem Daumen darüber, um die Musik leiser zu stellen.

»Hey, Dree!«

Dree. Nicht gerade ihr Lieblings-Spitzname, aber er nannte sie schon seit ihrer Kindheit so, und diesem Playboy konnte man nun mal keine neuen Tricks beibringen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, die Schulter immer noch am Türrahmen. »Willst du mir irgendwas sagen?«

Er lächelte noch breiter. »Dein Haar sieht heute wundervoll aus?«

Audrey zog die Augenbrauen hoch und wartete.

Clarke wischte sich mit dem Handtuch die Stirn ab und grinste nur noch breiter.

»Du weißt doch, dass das bei mir nicht wirkt.«

»Was?«

Sie deutete mit einer Handbewegung auf seine ganze Gestalt. »Dieses Grinsen. Die perfekten weißen Zähne, der genau bemessene Dreitagebart, die Supermann-Muskeln.«

Er verengte ganz leicht die Augen. Mit seinem dichten braunen Haar, dem klassisch guten Aussehen, dem großen, breitschultrigen Körper und – was am ärgerlichsten war – ausgerechnet dem Namen Clarke, waren ihm die Supermann-Metaphern sein Leben lang auf Schritt und Tritt gefolgt. Er liebte derlei Vergleiche genauso sehr wie sie den Namen Dree.

»Genau bemessener Dreitagebart«, wiederholte er. »Glaubst du etwa, wir Männer hätten Einfluss auf das Wachstum unserer Barthaare?«

»Na ja, meine Güte, was weiß denn ich!«, antwortete sie nachdenklich. »Vielleicht finde ich das ja heraus, wenn wir verheiratet sind.«

»Ah.« Er fuhr sich mit dem Handtuch übers Gesicht. »Das.«

»Ja. Das. Wieder?«

»Du sagst das, als geschähe es andauernd«, meinte er und stand auf. »Ist doch erst das zweite Mal.«

»Das dritte. Und das sind drei falsche Verlobungen zu viel. Was war es diesmal, wieder so eine Debütantin, die dich mit der Behauptung, ihr Baby sei von dir, zum Altar schleifen will?«

Dieser Aspekt ihrer Freundschaft mit einem so charmanten Mann wie Clarke behagte ihr so gar nicht. Er mochte Frauen, und sie mochten ihn sehr. Tatsächlich hätte es Audrey nicht überrascht, wenn es ganze Buchclubs oder Mädelsabende gab, in denen über nichts anderes gesprochen wurde als darüber, wie man ihm einen Ehering unterjubeln konnte. Der Titel Mrs Clarke West war heiß begehrt, und die wagemutigeren unter den Kandidatinnen hatten ihn im Laufe der Jahre immer mal wieder einzufangen versucht.

Und wenn es brenzlig wurde, dann behauptete er eben, verlobt zu sein. Mit Audrey.

»Ich treffe mich nicht mit Debütantinnen«, grummelte er. »Ich weiß nicht mal so genau, was eine Debütantin ist.«

»Ich warte immer noch auf eine Erklärung.«

Er seufzte und sah sie an. »Elizabeth ist wieder in der Stadt.«

Audrey brauchte einen Augenblick, um das zu verstehen. »Du meinst, deine Ex? Die Superstar-Anwältin, die nach D.C. gezogen ist?«

Clarke ließ den Kopf kreisen, um die Nackenmuskulatur zu lockern. »Linda hat mich irgendwie überredet, mich am Freitag mit ihr zum Mittagessen zu treffen. Nur als ich im Restaurant auftauchte, dreimal darfst du raten, wer am Tisch auf mich wartete.«

»Ich nehme an, es war nicht deine Mutter?«

Er zuckte mit den Schultern. Jeder andere hätte geglaubt, dass es ihm nichts ausmachte, dass seine Mutter ihn zu einem Lunch mit der Ex-Freundin gelockt hatte. Aber Audrey kannte ihn gut. An seinem harten Kinn erkannte sie, wie sehr ihn das ärgerte. Alles an seiner Mutter ärgerte ihn. Deshalb nannte er sie auch meist Linda und nur selten Mom.

»Manchmal glaube ich allen Ernstes, dass Linda Elizabeth mehr mochte, als ich es tat«, grummelte er.

Audrey lächelte. »Natürlich. Immerhin ist Elizabeth eine Miniausgabe ihrer selbst.«

Clarkes Mutter war für Audrey immer so etwas wie ein Mysterium gewesen. Irgendwie schaffte es die Frau, eine sich ständig einmischende Vollzeit-Mutter, eine kontrollsüchtige Vollzeit-Ehefrau und eine Vollzeit-Vorsitzende-Richterin von irgendwas für den Staat New York zu sein.

Was Clarkes Ex anging: Elizabeth Milsap war, soweit es Audrey bekannt war, bislang weder Ehefrau noch Mutter, aber eine höchst erfolgreiche Anwältin, die wegen politischer Ziele, bei denen Clarke keine Rolle gespielt hatte, vor ein paar Jahren New York verlassen hatte und nach D.C. gezogen war. Audrey vermutete, dass seine Mutter über die Trennung unglücklicher gewesen war als Clarke selbst, und es überraschte sie nicht im Geringsten, dass Linda jetzt den Versuch unternahm, Elizabeth und Clarke erneut miteinander zu verkuppeln.

Linda liebte ihren Sohn. Das äußerte sich nur auf sehr manipulative Weise.

»Okay, aber was hat die Tatsache, dass Elizabeth wieder in der Stadt ist, damit zu tun, dass die Klatschspalte der Post anscheinend glaubt, wir beide seien wieder verlobt?«

»Na ja.« Er schlang sich das Handtuch um den Nacken und zog beide Enden herunter. »Nach dem Lunch …«

»Warte, du bist tatsächlich geblieben und hast mit Elizabeth zu Mittag gegessen?« Audrey war überrascht. Clarke war meist sehr unbekümmert, aber nicht, wenn es um die Machenschaften seiner Mutter ging. Wenn Linda ihm befahl, rechts abzubiegen, ging er nach links. Wenn sie eine blaue Krawatte zum Ball vorschlug, trug er sicher eine rote. Und als sie ihm vorgeschlagen hatte, nach Yale zu gehen, hatte er sich für Dartmouth entschieden. Als sie ihm geraten hatte, Elizabeth nach D.C. zu folgen, hatte er sich ein Stadthaus in Manhattan gekauft.

Die Tatsache, dass er sich an irgendetwas hielt, das seine Mutter für ihn eingefädelt hatte, war ungewöhnlich.

Er grunzte. »Was hätte ich denn tun sollen? Elizabeth einfach da sitzen lassen?«

»Hätte das zur Folge gehabt, dass du und ich dann nicht verlobt wären? In diesem Falle Ja.«

»Ach was, es lag nicht an diesem Lunch. Das was nach dem Lunch passierte, als ich das Restaurant verließ, war entscheidend. Tilda Covey kam zufällig herein, als Elizabeth und ich hinauskamen.«

Audrey stöhnte. Tilda Covey war eine der berüchtigsten Klatschbasen New Yorks und eine von Linda Wests besten Freundinnen.

»Genau«, antwortete Clarke. »Sie berichtete mir, sie hätte gehört, dass man wohl bald gratulieren könne und summte dann dieses verdammte Hochzeitsgedudel.«