Wolfes of Wall Street - Ian - Lauren Layne - E-Book

Wolfes of Wall Street - Ian E-Book

Lauren Layne

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Beschreibung

Eine toughe Agentin eröffnet die Jagd auf den heißesten Broker der Wall Street - und verbrennt sich die Finger!

Ian Bradley hat es geschafft: hohes Einkommen, Designeranzüge und ein Eckbüro mit Fensterfront. Er gilt als der erfolgreichste Broker der Wall Street. Doch dann kommen Gerüchte über Insiderhandel auf, und das SEC beginnt zu ermitteln - in Gestalt von Lara McKenzie. Als Tochter von zwei FBI-Agenten verachtet die junge Frau alles, was der smarte Playboy verkörpert. Und doch hat sie Schmetterlinge im Bauch, wenn sie Ian nur ansieht ...

"Dieser Enemies-to-Lovers-Roman lässt die Wall Street gut aussehen!" USA TODAY’S HAPPY EVER AFTER

Auftakt der prickelnden und romantischen WOLFES-OF-WALL-STREET-Serie von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Lauren Layne

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Seitenzahl: 387

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

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Epilog

Nachwort der Autorin

Die Autorin

Die Romane von Lauren Layne bei LYX

Leseprobe

Impressum

Zu diesem Buch

Ian Bradley hat es geschafft: hohes Einkommen, Designeranzüge und ein Eckbüro mit Fensterfront. Er gilt als der erfolgreichste Broker der Wall Street. Doch dann kommen Gerüchte über Insiderhandel auf, und das SEC beginnt zu ermitteln – in Gestalt von Lara McKenzie. Als Tochter von zwei FBI-Agenten verachtet die junge Frau alles, was der smarte Playboy verkörpert. Und doch hat sie Schmetterlinge im Bauch, wenn sie Ian nur ansieht …

Für Kristi Yanta – die als Lektorin das Beste aus meinem Geschriebenen und als Freundin das Beste aus mir macht.

1

Ian

Unter uns, ich bin ein Arschloch. Ja, ich sage es selbst, damit Sie es nicht tun müssen.

Sie glauben mir nicht? Hier ist ein Crashkurs in Sachen Ian Bradley:

Der anthrazitgraue Anzug, den ich gegenwärtig trage, kostet mehr als mein erstes Auto. Ich bin einen Meter fünfundachtzig groß, schwarzes Haar, blaue Augen, und ich trainiere jeden Tag, also bin ich der Passende für diesen Anzug, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Mit zweiunddreißig bin ich Investmentbanker – Führungsebene, was sonst – bei Wolfe Investments. Und sagen wir einfach Arbeite hart, feiere wild ist hier das unausgesprochene Firmenmotto.

Ich habe ein Eckbüro, ein siebenstelliges Einkommen, eine protzige Wohnung im Finanzdistrikt von Manhattan, und ich schlafe niemals zweimal mit derselben Frau – denn ich muss es nicht.

Habe ich erwähnt, dass ich in Yale war? Es ist mir gelungen, meinen Abschluss als einer der Jahrgangsbesten meines Fachs zu machen und all die üblichen Collegesünden zu begehen. Sowohl ein blühendes Gesellschaftsleben zu führen als auch eine gefeierte Sportskanone in der Ivy League zu sein ist kein einfaches Unterfangen, lassen Sie sich das gesagt sein.

Also, wie bereits erwähnt – ich bin im Großen und Ganzen ein Wall-Street-Arschloch vom Feinsten.

Aber hassen Sie mich nicht schon jetzt, denn Folgendes steht nicht auf dem Ian-Bradley-Poster:

Im Gegensatz zum Rest meiner Mannschaftskameraden habe ich diese Ivy-League-Ausbildung keinem Treuhandvermögen und vier Generationen von Yale-Alumni zu verdanken, die mich durch die Tür bugsiert haben. Es waren eher drei Jobs auf einmal, ein akademisches Stipendium und ungefähr eine Tonne Kredite.

Als ich ein kleiner Junge war, war mein Löffel aus Plastik, nicht aus Silber, und er wurde mir von einer launenhaften, aber freundlichen Tankstellenbediensteten in South Philly gereicht, weil die meisten meiner Pflegeeltern einen Scheiß darauf gaben, ob ich etwas aß oder nicht.

Das kuschelige Eckbüro, von dem ich Ihnen gerade erzählt habe? Dass es meins ist, verdanke ich schierer Willenskraft und ungefähr einem Jahrzehnt ohne Schlaf.

Und obwohl dieses siebenstellige Einkommen mir ein protziges Dach über dem Kopf in Manhattan beschert, unterstützt es auch Pflegekinder in Philly bei einer Collegeausbildung, wenn sie bereit sind, dafür zu arbeiten.

Haben Sie schon angefangen, spöttisch und langsam Beifall zu klatschen? Ja, das ist fair. Aber der Punkt ist, dass es niemals eine einzige verdammte Sache gegeben hat, die ich nicht durch gnadenlos harte Arbeit und Mordsstress bekommen habe.

Bis sie kam.

Und da beginnt meine Geschichte wirklich.

Woche 1: Montagnachmittag

Es ist nachmittags um drei am »Tag der Fusionen«, und ich brauche mehr Koffein.

Montag ist der Tag der Woche, an dem ein Haufen Firmenfusionen angekündigt werden. Für meine Kollegen und mich bei Wolfe Investments bedeutet das eine Menge Arbeit. Wir müssen uns die Liste vornehmen, Anrufe tätigen und versuchen herauszufinden, was riesig ist, was Beachtung erfordert und was keinen Menschen zu kümmern braucht unter all den Deals. Mit anderen Worten, es ist notwendig, aber eine Arbeit, bei der man ganz benommen vor Langeweile wird, vor allem nach einer langen Nacht und, nun … in meiner Welt gibt es nur lange Nächte.

Ich verlasse mein Büro, um zu Starbucks zu laufen, und sobald ich das tue, wird die Bürotür gegenüber geöffnet, und eine atemberaubende Brünette in einem engen roten Kleid schenkt mir ein träges Lächeln. »Hi Ian.«

Ich erwidere das Lächeln meiner Kollegin. »Joss.«

Sie lehnt am Türrahmen und kreuzt strategisch die Arme vor der Brust, um ihr Dekolleté zu betonen, bevor sie mich einer langsamen Musterung unterzieht. »Viel zu tun?«

Subtilität ist nicht ihre starke Seite. Scheiße, es ist niemandes starke Seite hier bei Wolfe.

»Ich fürchte, ja.«

Ihre Augen werden schmal. »Ich habe dich länger nicht gesehen.«

Sie hat mich täglich gesehen. Sie meint nur, dass sie mich nicht nackt gesehen hat seit dem einem Übermaß an Gin geschuldeten Fehler letzte Woche, den zu wiederholen ich nicht die Absicht habe. Nicht weil sie nicht heiß ist, sondern weil ich so was nun mal nicht wiederhole.

Sobald die Herausforderung vorüber ist, erstirbt auch der Reiz.

Ich bin nicht stolz darauf, ich war einfach schon immer so – eine fehlerhafte Verdrahtung, nehme ich an.

»Tut mir leid, hatte viel zu tun.« Ich zwinkere ihr zu, dann wende ich mich ab und gehe durch den Flur davon.

»Ist Kennedy da?«, ruft sie mir nach.

Ich grinse schwach über die allzu durchschaubare Frage. Wenn sie versucht, mich eifersüchtig zu machen, irrt sie sich in zwei Punkten. Ich werde nie eifersüchtig, und Kennedy Dawson fängt mit niemandem aus dem Büro etwas an. Selbst wenn er es täte, fasst mein Freund niemals eine Frau an, die ich abgelegt habe. Die Männer an der Wall Street haben einen Ehrencodex.

»Ich habe keinen Schimmer«, antworte ich über meine Schulter.

Ich schicke meiner Montagsbarista bei Starbucks eine Nachricht, um sie wissen zu lassen, dass ich in fünf Minuten da bin (es ist völliger Quatsch, in der Schlange zu warten, wenn einem ein Zwanzigdollartrinkgeld gewährleistet, dass das gewünschte Getränk für einen bereitsteht), als ein Paar exzellenter Frauenbeine im Pausenraum meine Aufmerksamkeit erregt.

Ich verlangsame meine Schritte und versuche festzustellen, womit ich es hier zu tun habe. Ich erkenne die Waden nicht. Auch den Hintern und die schlanke Taille nicht, und ich würde mich definitiv an den langen, blonden Pferdeschwanz erinnern, der genau das Richtige ist, um Cheerleader-Fantasien bei einem Erwachsenen zu nähren.

Heiß. Sehr heiß.

Trotzdem, ich habe eine Menge zu erledigen, und ich will gerade vorbeigehen, als ich die Frau mit sich selbst sprechen höre. »Wie kann es acht Wahlmöglichkeiten für Milch geben?«

Ich lächele über die aufrichtige Verwunderung in ihrer Stimme. Dann schiebe ich beide Hände in die Taschen und trete in den Pausenraum, um mich aus erster Hand davon zu überzeugen, ob das Gesicht so toll ist wie der Körper. »Nun, ich bin kein Experte, aber spontan fallen mir Vollmilch ein, entrahmte Milch, magere Sojamilch, ungesüßte Mandelmilch, gesüßte Mandelmilch mit Vanille, Kokosnuss …«

Beim Klang meiner Stimme wirbelt sie herum, und ich zucke unwillkürlich zurück, als ich sie von Angesicht zu Angesicht sehe.

Nicht weil ich sie kenne, sondern weil ich sie kennenlernen will. Für einen ziemlich bizarren Moment fühlt diese Frau sich so an, als sei sie für mich bestimmt.

Das Merkwürdige? Sie ist nicht mal mein Typ.

Ich mag Frauen mit kokettem Lächeln, schnellem Lachen, großartigen Körpern und vollstem Verständnis für das, wonach ich suche: Spaß für nur eine Nacht.

Diese Frau … ich weiß nicht recht, ob sie es als Spaß verstehen würde, wenn ich ihr auf den Hintern schlüge. Ihr blondes Haar ist in der Mitte gescheitelt, und aus ihrem Braves-Mädchen-Gesicht zurückfrisiert. Sie ist in der oberen Etage nicht besonders gut ausgestattet, und obwohl der Schwung ihrer Hüften einen zweiten Blick wert ist, sind ihre Bluse und ihr adretter Rock ganz geschäftsmäßig, ihr BH wahrscheinlich weiß und aus Baumwolle. Oder schlimmer noch, beige und aus Baumwolle. Von ihrer Handtasche, die riesig und braun und hässlich ist, will ich hier gar nicht reden.

Nichts an ihr bis auf die tollen Beine erklärt, warum es mich in allen zehn Fingern juckt, sie Zentimeter für Zentimeter auszupacken.

Wenn da nicht die Brille gewesen wäre.

Ja, es ist definitiv die Brille, die die Sache für mich besiegelt.

Ein sexy schwarzes Gestell mit einer vagen Ausstrahlung von nicht immer brave Bibliothekarin – pures Fantasiefutter. Die Brille betont den sexy Blick ihrer großen blauen Augen, und in diesen Augen steht ein Ausdruck, der durch und durch …

… argwöhnisch ist.

Sie hält einen Aktenordner in einer Hand und tippt damit gegen ihre andere Hand, sagt kein Wort, sondern unterzieht mich nur einer gründlichen Musterung.

Als sie den Blick hebt, erwarte ich das bewundernde Lächeln, das ich normalerweise von Frauen bekomme, aber sie wirkt … gelangweilt?

Was mich aus dem Gleichgewicht wirft. So sehr, dass ich statt einer glatten Anmache mit dem Kopf auf die Maschine auf der Theke deute. »Brauchen Sie Hilfe damit?«

Sie zieht die Brauen hoch. »Brauche ich Hilfe womit? Auf Knöpfe zu drücken?«

Du darfst jederzeit auch meine Knöpfe drücken.

Ihre Augen werden schmal, und ich gewinne den Eindruck, dass sie mir meinen unausgesprochenen Gedanken angesehen und ihn für mangelhaft befunden hat. Ich bin verärgert. Und fasziniert. Es ist viel zu lange her, seit ich das letzte Mal vor einer Herausforderung gestanden habe.

Ich schiebe mich einen Schritt näher an sie heran und gehe auf die Espressomaschine zu. Die Frau wirkt nicht im Mindesten durcheinander wegen meiner Nähe, daher lehne ich mich an die Maschine und tätschele den Deckel mit der Hand. »Sie brauchen bloß ein Wort zu sagen. Ich wäre überglücklich, Ihnen den heißen Automaten hier erklären zu dürfen, kleine Lady«, füge ich übertrieben gedehnt hinzu.

Sie zahlt mir das mit gleicher Münze heim und klimpert mit den Wimpern, eine Geste, die durch die Brille noch spöttischer wirkt. »Oh, könnten Sie das tun?«

Ich lächele und genieße sie mehr, als ich erwartet habe. »Was trinken Sie denn?«

»Kaffee.«

Ich verdrehe die Augen. »Welche Art?«

»Mit Koffein«, sagt sie, zieht einen der Firmenbecher hervor, stellt ihn unter die Düse und drückt auf die standardmäßige Kaffeevariante.

»Langweilig«, erkläre ich.

»Klassisch«, kontert sie.

Ich schenke ihr ein träges Lächeln. »Ich bin auf dem Weg zum nächsten Starbucks. Erlauben Sie mir, Ihnen einen richtigen Kaffee zu spendieren.«

Sie hebt ihren Becher. »Der hier reicht mir.«

»Sie würden mit etwas anderem besser fahren«, sage ich und senke die Stimme.

Sie überrascht mich mit einem Lachen, und sie lacht nicht kokett oder atemlos, sie lacht mich aus. »Ernsthaft? Funktionieren diese Sprüche sonst bei Ihnen?«

»Ehrliche Antwort?« Ich schenke ihr ein kleines Lächeln. »Ja.«

»Nun«, sie nippt an ihrem Kaffee, »lassen Sie es mich wissen, wenn ich Betörung heucheln soll.«

Bei mir würdest du gar nichts heucheln, Süße.

Ich strecke meine rechte Hand aus. »Ian Bradley.«

Sie ignoriert die Hand und nickt. »Schön, Sie kennenzulernen.«

Ich beuge mich vor und flüstere: »Das ist der Punkt, an dem Sie mir Ihren Namen nennen.«

Sie beugt sich vor und flüstert zurück: »Das ist der Punkt, an dem Sie den Fingerzeig kapieren, dass ich nicht interessiert bin an dem, was Sie anbieten.«

Herausforderung angenommen.

Sie macht Anstalten, um mich herumzugehen, und hat offensichtlich vor, sich zu entfernen, aber das werde ich nicht zulassen. Ich trete einen Schritt nach vorne. »Gehen Sie mit mir was trinken.«

»Nein, danke.« Sie klingt beinahe erheitert in ihrer Zurückweisung.

»Warum nicht?« Ich halte den Tonfall unbeschwert, aber die Wahrheit? Ich will es wissen. Es kommt nicht oft vor, dass eine Frau Nein zu mir sagt, und noch seltener ist es, dass mich das kümmert. Aber ich stelle mir gerade vor, wie sie nackt vor mir steht, und sie könnte beim besten Willen nicht desinteressierter wirken.

»Oh, aus so vielen Gründen«, entgegnet sie mit einem hinterhältigen Lächeln, während sie ihren Ordner benutzt, um auf meinen Hals zu zeigen. »Zum Beispiel dieser frische Knutschfleck.«

Ich widerstehe dem Drang, das Mal mit der Hand zu verdecken. Zum Teufel mit der kleinen Barkeeperin von gestern Nacht mit dem Hang zum Vampirismus.

»Hm«, überlege ich laut. »Sind Sie sicher, dass es ein Knutschfleck ist? Vielleicht ist es eine Reaktion auf was immer meine Reinigung mit diesem Hemd gemacht hat.«

Die mysteriöse Blondine hebt ihre Kaffeetasse. »Nun, das ist ein weiterer Grund. Ich mag Männer mit Ausschlag nicht.«

Ich lache, faszinierter denn je von ihrer scharfen Zunge. »Wer sind Sie?«

»Jemand, bei dem Sie es bedauern werden, dass Sie ihn auf einen Kaffee eingeladen haben«, antwortet sie mit einem kleinen Ich-habe-ein-Geheimnis-Lächeln.

»Warum …«

»Ian.«

Ich drehe mich zu der Störung um und mäßige meinen Ärger, als ich Kate sehe, meine Assistentin. Sie wirkt …

Entsetzt.

Ich richte mich auf und vergesse Blondie einen Moment lang. »Kate, was liegt an?«

Sie schluckt und wirft einen nervösen Blick auf die Frau neben mir. »Ich habe überall nach Ihnen gesucht. Sie gehen nicht an Ihr Telefon …«

»Scheiße, ich habe vergessen, nach meinem letzten Meeting die Stillschaltung zurückzudrücken«, sage ich und hole mein Handy aus meiner Tasche. Und tatsächlich, ich habe vier versäumte Nachrichten und drei versäumte Anrufe, alle von Kate.

Bei ihrer ersten Nachricht rutscht mir der Magen in die Kniekehlen; bei der zweiten setzt mein Herz einen Schlag aus.

Ich sehe Kate an und verstehe jetzt ihren entsetzten Gesichtsausdruck. »Die Börsenaufsichtsbehörde ist hier?«

Scheiße.

Die Securities and Exchange Commission, kurz SEC, ist der Wachhund der Regierung gegen Finanzvergehen, nur dass es kein hilfreicher, nützlicher Wachhund ist.

Nein, die SEC ist wie ein kläffender kleiner Köter, ein Wadenbeißer, der das ganze Haus vollscheißt und unterm Strich eine riesige Nervensäge ist mit null Wertschätzung gegenüber jedermann außer dem eigenen Ego.

»Hinter wem sind sie her?«, frage ich.

Aber ich weiß es bereits. Ich habe lange genug mit Kate zusammengearbeitet, um diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu deuten, um zu wissen, dass irgendetwas nicht stimmt.

Sie sind hinter mir her.

Und als die namenlose Blondine hinter mir lässig an ihrem Kaffee nippt, wird mir plötzlich klar, warum Kate so entsetzt wirkt.

Es liegt nicht nur daran, dass die SEC gegen mich ermittelt …

Es liegt daran, dass ich gerade mit der zuständigen Ermittlerin geflirtet habe.

Ich drehe mich langsam zu der Frau um, und sie macht sich nicht einmal die Mühe, ihre Erheiterung zu verbergen, als sie sich den Ordner unter den Arm klemmt und endlich die Hand ausstreckt, um sich vorzustellen.

Gewohnheitsmäßig schüttele ich ihre Hand, obwohl sich Eiseskälte in mir ausbreitet, als unsere Blicke sich treffen. Sie ist dahin, meine Fantasie von dem braven Mädchen und der Bibliothekarin, und an ihre Stelle rückt mein Albtraum: die Börsenaufsichtsbehörde.

Mein offensichtliches Unbehagen entlockt ihr ein noch breiteres Lächeln. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Bradley. Ich bin Lara McKenzie von der SEC. Und ich bin hier, um Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass gegen Sie ermittelt wird, und zwar wegen Insidergeschäften.«

2

Lara

Woche 1: Montagnachmittag

Ist es falsch von mir, dass ich das so sehr genossen habe? Vielleicht.

Ist es richtig, dass ich es mit Champagner feiern will?

Jedenfalls nicht, wenn ich ihn nicht allein trinke.

Ich hole mein Handy hervor und schreibe meine beste Freundin/Mitbewohnerin an, die nicht nur immer Lust auf Champagner hat, sondern deren Zeitplan als Freelancerin bedeutet, dass mindestens eine Fifty-fifty-Chance besteht, dass sie um halb vier an einem Montag Zeit hat.

Happy Hour?

Ich füge obendrein das Champagner-Emoji hinzu.

Gabby reagiert sofort.

Wer sind Sie, und wie haben Sie meiner besten Freundin das Handy gestohlen?

Ich verdrehe die Augen.

Ich bin’s, Gab.

Beweis es. Wie haben wir uns kennengelernt?

Unter der Wand der Toilettenkabine im Boca durchgereichter Tampon.

Super oder Mini?

OMG, willst du nun was trinken oder nicht?

Heute ist das erste MAL, dass du mir JEMALS eine Nachricht geschickt hast, um vor sechs Uhr abends etwas zu trinken. Du verstehst meine Skepsis.

Sie hat nicht ganz unrecht. Mein Job als Ermittlerin für die SEC bringt nicht gerade flexible Arbeitszeiten mit sich oder Drinks tagsüber.

Tatsächlich ist es, wenn ich ehrlich bin, durchaus möglich, dass meiner der am wenigsten erotische Job auf dem Planeten ist. Aber ich bin gut darin, und es ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu meinem großen Ziel:

Das FBI.

Das FBI liegt mir im Blut – Dad ist Agent, Mom ist Agentin.

Ich werde eines Tages Agentin sein, sobald ich meine Zeit bei der SEC abgeleistet habe. Und obwohl Dad bei der National Security ist und Mom in der Abteilung für Wissenschaft und Technologie, ist keiner von ihnen besonders hilfreich, was meine eigenen Karriereambitionen betrifft.

Ich will in die Abteilung für Wirtschaftskriminalität. Ich will mich um Kunstdiebstahl und Schneeballsysteme kümmern und um diese aalglatten Verbrecher, die jeden Tag Tausende von Menschenleben auf den Kopf stellen, ohne auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens.

Aber … ich will mir meine Eintrittskarte dafür verdienen – nicht meine Eltern ein Telefongespräch machen lassen. Meine Zeit bei der SEC abzuarbeiten, ist eine ebenso gute Eintrittskarte. Ich brauche lediglich meinen einen großen Fall, um die Aufmerksamkeit von Quantico zu erregen.

Und Gerüchten in der SEC zufolge wird der Ian-Bradley-Fall derjenige sein, der alles ändert.

Daher der Champagner.

Gabby und ich verabreden uns in einer halben Stunde in einem Weinlokal um die Ecke unserer Wohnung in der Lower East Side.

Ich lasse mein Handy zurück in meine Handtasche gleiten und lächele immer noch über den unerwarteten Bonus, Ian Bradleys Gesicht sehen zu dürfen, als er von der Neuigkeit erfahren hat. Ich weiß, das klingt schrecklich, jemandes Oh-Scheiße-Moment zu genießen, aber die Sache ist die: Diese Wall-Street-Typen … es ist, als … ich weiß nicht einmal, wie ich es erklären soll.

Es ist, als seien sie nicht real.

Objektiv gesehen weiß ich natürlich, dass sie Luft atmen und rotes Blut durch ihre Adern fließt (obwohl es mich nicht überraschen würde, wenn einige von denen, die ich an einem Freitagabend kennengelernt habe, statt Blut Single-Malt-Scotch da drin hätten). Sie sind einfach so verdammt selbstbewusst, so fest davon überzeugt, dass sie auf einem anderen Planeten leben als der Rest der Welt.

Hier ist ein Beispiel:

Letzte Woche ist Gabby mit einem Broker nach Hause gegangen, der im Wohnzimmer seines Penthouses einen Konzertflügel von Steinway hatte. Als Gabby ihn gefragt hat, ob er Klavier spiele, sagte er, er habe die Tasten niemals auch nur berührt. Seine Innenarchitektin habe den Flügel als Statussymbol empfohlen.

Tut mir leid, aber können wir darüber für eine Sekunde nachdenken?

Es gibt Menschen in meiner eigenen Stadt, deren Statussymbole mehr als das Doppelte meines Jahreseinkommens kosten.

Ich kapiere, dass das Snobismus nur andersherum ist, aber bitte.

Wie dem auch sei.

Ich fange mit meinen Ermittlungen offiziell erst später in dieser Woche an, aber statistisch gesprochen ist Ian wahrscheinlich genau so schuldig an Insidergeschäften, wie unsere Quelle es behauptet. Er ist so ziemlich die wichtigste Person in einer der größten Firmen. Das bedeutet, er macht das meiste Geld. Das meiste Geld bedeutet, dass man das meiste zu verlieren hat … und das meiste zu gewinnen. Was wiederum die größte Versuchung liefert, um zu betrügen.

Ian ist außerdem ein Abbild dessen, was ich erwartet hatte. Das Bild des Mannes auf der Firmenwebsite ist so ziemlich das klassische Äquivalent eines Wall-Street-Brokers – teurer Haarschnitt, teure Zähne, teurer Anzug, teure Bräune.

In der persönlichen Begegnung war er noch mehr …

Nun, er war einfach … zu viel. Zu groß. Zu charmant. Zu maskulin.

Außerdem … zum Anbeißen. Wirklich, ein irrwitziger Augenschmaus.

Aber er weiß es.

Selbst wenn ich nicht gegen den Kerl ermitteln würde, wäre ich seinen Anmachsprüchen ausgewichen. Männer wie er sind einfach nichts für mich. Ich habe nicht die Geduld für ihre Protzerei, Effekthascherei und das sich Brüsten, und sie haben keine Zeit für meine Regeln und meine Strukturiertheit.

Also, ist Ian Bradley heiß? Ja. Sehr heiß. Aber ich brauche nichts Heißes. Ich würde mich mit jemandem zufriedengeben, der ein wenig reizlos ist, sogar ein wenig langweilig, solange er nur loyal ist. Jemand, dem es nichts ausmacht, wenn ich über einen neuen Fall bei der Arbeit fachsimple oder meine Samstage damit verbringe, meine Bewerbung für Quantico auf den neuesten Stand zu bringen.

Berufsleben an erster Stelle, Privatleben danach. Es ist ein kleiner Pakt, den ich mit mir selbst geschlossen habe, seit ich weiß, dass ich anscheinend nicht in der Lage bin, mit beidem zu jonglieren.

Ich mache gerade die ersten Schritte in Richtung U-Bahn, als ich eine Männerstimme meinen Namen rufen höre.

Ich wende mich um und sehe Ian durch die Drehtüren von Wolfe Investments treten und direkt auf mich zukommen. Ich presse die Lippen aufeinander und finde den Stich, den es mir überraschenderweise versetzt und der mich erstarren lässt anstatt weiterzugehen, nicht so toll.

Ich mag keine Überraschungen.

Im Allgemeinen gehen mir die Menschen, gegen die ich ermittle, um jeden Preis aus dem Weg. Die Tatsache, dass er bereits die Regeln bricht, bedeutet nichts Gutes für den berechenbaren Fortgang der Ermittlungen.

Und ich mag Berechenbarkeit.

Trotzdem, Job ist Job, also setze ich ein professionelles Lächeln auf, auch wenn ich ein seltsames Flackern meiner Wahrnehmung verspüre, als er näher kommt. Der Ian Bradley im Büro war ganz auf Witzelei und Anmache aus gewesen, voll oberflächlichen Charmes und Playboy-Selbstbewusstseins. Doch dieser Ian … sagen wir einfach, ich kann verstehen, warum Ian Bradley und seine Crew von Wolfe Investments den Spitznamen »Wolfes of Wall Street« tragen – sie sind superheiß, irrsinnig reich und dafür bekannt, genau das zu bekommen, was sie wollen, und zum Teufel mit den Konsequenzen.

Ian setzt eine Sonnenbrille auf und versteckt Augen, von denen ich weiß, dass sie durchdringend blau sind. Er bleibt vor mir stehen, um Haaresbreite näher als üblich, aber ich denke nicht daran zurückzutreten.

Gott, er riecht gut. Männlich und teuer. Wie ärgerlich.

»Noch mal hallo«, sage ich ihm und schenke ihm mein aufrichtigstes »SEC-Lächeln«.

Er erwidert das Lächeln nicht, und trotz der Sonnenbrille vor seinen Augen weiß ich todsicher, dass ich es mit einer ganz anderen Version von Ian Bradley zu tun habe als der, die ich vor zehn Minuten kennengelernt habe. Es ist eine gefährlichere Version.

»Fanden Sie das gut?«, fragt er mit leiser Stimme.

Mein Lächeln erstirbt. »Wie bitte?«

»Ihr kleines Spiel dort drinnen.« Er deutet mit dem Kopf auf das Bürohaus. »Amüsiert Sie so was?«

»Durchaus, ja«, bestätige ich und hebe trotzig das Kinn.

Er tritt näher, und ich spüre den Zorn, den er verströmt. »Warum haben Sie mich angemacht? Sie kommen in mein Büro, flirten …«

»Flirten?«, unterbreche ich ihn wütend. »Ich habe lediglich versucht, einen blöden Kaffee zu bekommen. Sie sind derjenige, der sich wie ein verdammter Don Juan aufgeführt hat.«

»Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, eine attraktive Frau auf einen Kaffee eingeladen zu haben«, blafft er mich an.

Ich schnaube. »Sparen Sie sich die Schmeicheleien für jemanden, der daran interessiert ist.«

Er schüttelt den Kopf. »Sie haben ein trauriges Liebesleben, wenn Sie denken, das sei Schmeichelei gewesen, Ms McKenzie.«

Sein Widerhaken trifft ein wenig zu sehr ins Schwarze, aber ich ignoriere den Stachel und trete näher an ihn heran. »Lassen Sie uns eins klarstellen, Mr Bradley, um unser beider willen. Glauben Sie, Sie seien der erste Anzugträger der Wall Street, der denkt, breite Schultern und ein guter Spruch würden mich dermaßen umhauen, dass ich meinen kleinen weiblichen Kopf verliere und jedwedes Unrecht übersehe? Glauben Sie, Sie seien der Erste, der denkt, dies sei ein Spiel, das man mit schleimiger Verführung gewinnen kann?«

Ihm klappt der Unterkiefer herunter. »Was zum …? Schleimige Verführung, dass ich nicht lache!«

Ich ignoriere seinen Protest und setze meine Tirade fort. »Es ist nicht einfach, in der heutigen Welt eine Frau zu sein, und eine Frau in der SEC zu sein, ist noch viel schwerer. Aber ich möchte, dass Sie sich Folgendes ganz genau anhören, Mr Bradley. Ich schätze es, für eine Agentur zu arbeiten, die Gerechtigkeit sucht. Ich schätze die Tatsache, dass niemand über dem Gesetz steht, wenn es um die Welt von Handel, Aktien und Geld geht. Keine verdammte Martha Stewart, und ganz eindeutig nicht Sie.«

Er tritt einen kleinen Schritt zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. »Schuldig bis zum Beweis der Unschuld, funktioniert das so?« Ich kann seine Augen durch die dunklen Gläser nicht sehen, aber ich spüre den Zorn seines Blicks.

Ich öffne den Mund zu einer Erwiderung, doch seine Bemerkung bohrt sich in mein Gewissen wie ein ganz feiner Splitter. Er hat vielleicht ein klein bisschen recht. Meiner Erfahrung nach sind Gerüchte über Insidergeschäfte fast immer zutreffend, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn vorverurteilen darf.

»Mein Job ist es, die Wahrheit aufzudecken«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Und was ist, wenn die Wahrheit nicht das ist, was Sie hören wollen?«

»Was da wäre?«

Er beugt sich zu mir vor, und ich sehe den Hauch eines Bartschattens auf seiner entschieden halsstarrigen Kinnpartie.«

Verdammt, er riecht wirklich gut. Was ist das, Sandelholz? Zeder? George-Clooney-Schweiß?

»Nun, ich denke, dass Sie wollen, dass ich schuldig bin«, sagt er mit einem leisen Knurren.

»Warum sollte ich das wollen?«

»Sie haben einen Heldenkomplex«, fährt er fort. »Sie sind entschlossen, die Welt zu retten, selbst wenn Sie Ihre eigenen Schurken erfinden müssen.«

Ich lache spöttisch. »Das ist lächerlich.«

»Ist es das?«

Ist es das?

Ich kenne diesen Mann ganze drei Minuten, und irgendwie hat er mich zweimal dazu gebracht, an mir selbst zu zweifeln. Das Gefühl ist fremd und überaus ärgerlich.

Genau wie der Mann vor mir.

Ich bedenke ihn mit einem kühlen, geringschätzigen Lächeln. »Ah. Ich verstehe. Es hat nicht funktioniert, mich auf einen Kaffee einzuladen, also versuchen Sie jetzt, den Spieß umzudrehen. Und mein Denken zu beeinflussen.«

Zu meiner Überraschung grinst er, und alle Spuren seiner sturen Willenskraft lösen sich in Luft auf. »Funktioniert es?«

»Mein Denken zu beeinflussen? Nein.«

»Sind Sie in Versuchung geraten?«

Ich strecke die Arme zur Seite aus und widerstehe dem Drang, die Augen zu verdrehen. »Noch einmal, Flirt ist Fehlanzeige. Mutmaßliche Verbrecher sind nicht mein Typ.«

Ich erwarte, dass er mich anknurrt, aber sein Lächeln wird nur noch breiter, obwohl eine gewisse Schärfe darin liegt. »Dann freue ich mich auf den Tag, an dem Sie mir in die Augen sehen und mir sagen müssen, dass ich unschuldig bin.«

»Falls Sie unschuldig sind, werde ich das gewiss tun«, versichere ich ihm.

»Aber Sie glauben nicht, dass ich es bin.«

»Ich habe es Ihnen gesagt, es ist mein Job, das herauszufinden.«

»Wunderbar. Wenn diese Sache sich also zu meinen Gunsten entwickelt, dürfen Sie vielleicht mir einen Drink spendieren.«

»Oh, natürlich«, antworte ich und gebe mir keine Mühe, meinen Sarkasmus zu verbergen.

Er reibt sich das Kinn und mustert mich, dann schüttelt er den Kopf und wendet sich ab. »Man sieht sich, Ms McKenzie.«

Ich werde es bis zum Tag meines Todes abstreiten, sogar mir selbst gegenüber, aber ich bin enttäuscht, dass er sich nicht noch einmal umdreht und zu mir herüberschaut, denn ich scheine außerstande zu sein, den Blick von seinem entschwindenden Rücken abzuwenden.

Einem Rücken, der zu breit ist, zu muskulös, zu …

Gah!

Ich wirbele auf dem Absatz herum und marschiere davon, und ich brauche diesen Champagner jetzt dringender denn je.

Ein Drink mit Ian Bradley, in der Tat. Können Sie sich das vorstellen?

Selbst wenn er nicht schuldig ist, wird das nicht passieren.

Und wenn er schuldig ist …

Sagen wir einfach, ich werde ihn ganz bestimmt nicht im Gefängnis besuchen, obwohl ich weiß, dass er in einem orangefarbenen Overall wirklich gut aussehen würde.

3

Ian

Woche 1: Dienstagmorgen

»Ian. Alles bereit für Sie.«

Zur Hölle. Das hier ist eine Premiere – das erste Mal in meinem Leben, dass ich es verabscheue, von einer Frau Bereitschaft signalisiert zu bekommen.

Ich stehe auf und bringe ein kokettes Augenzwinkern für Carla zustande, die langjährige persönliche Assistentin von Wolfes CEO. Sie zwinkert zurück, aber es trägt wenig dazu bei, meine Nerven zu beruhigen, als ich das Büro betrete.

Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Chefs hätte. Ich weiß nicht, ob ich Probleme mit Autorität habe – das ist eher die Macke meines Freundes Matt Cannon. Und was meinen Vorgesetzten betrifft, ist der Mann, dem ich direkt unterstellt bin, ein guter. Joe Schneider, mein Management-Direktor, ist knallhart, aber er ist anständig. Na schön, er ist der Typ Mann, den bei Cocktailpartys niemand besonders mag, weil er nicht weiß, wie man über etwas anderes redet als die Arbeit. Aber im Büro bringt man ihm Respekt entgegen, und das reicht mir.

Doch heute habe ich es nicht mit Joe zu tun. Oder zumindest nicht nur mit Joe.

Heute habe ich es mit seinen Bossen zu tun – den CEOs der Firma.

Ich bin Sam und Sam Wolfe (ja, Sie haben richtig gelesen) mehrere Male begegnet. Die CEOs mögen mich. Ich bin ihr heißester Aktivposten. Sie wissen es, und ich weiß es. Bei Weihnachtsfeiern, Benefizveranstaltungen und vierteljährlichen Meetings habe ich jede Menge persönlicher Gespräche mit den Vertretern der höheren Ränge geführt.

Doch diesmal ist es etwas vollkommen anderes. Es gibt kein Frotzeln, kein Schulterklopfen, kein Grinsen bei meinem Eintreffen. Ich bin mir ihrer ernsten Gesichter nur allzu bewusst, der Art, wie der Raum nach Anspannung riecht.

Und genauso sollte es sein. Die SEC vermittelt gern die Illusion, sie hätte die Wall Street an den Eiern gepackt, aber Wolfe steht im Ruf, ihre Aufmerksamkeit von sich abzulenken – überwiegend jedenfalls. Ich ärgere mich schwarz, dass ich derjenige bin, der Wolfe zum ersten Mal seit Jahren auf den Radar der SEC bringt.

Das Ärgerlichste von allem ist, dass ich nicht einmal weiß, worum zum Teufel es dabei geht.

Ich hatte die Chance, es in Erfahrung zu bringen – wenn ich gewappnet in dieses Meeting gegangen wäre, bewaffnet mit den Details des Falles und vielleicht sogar mit einer Strategie, wie ich kämpfen kann. Ich hätte Lara McKenzie nur auf dem richtigen Fuß erwischen müssen, als ich sie gestern auf dem Gehweg gesprochen habe.

Ich habe es vermasselt.

Ich habe ihr nicht nur nicht die Details des Falles abgeschwatzt, ich habe ganz vergessen, es auch nur zu versuchen. Diese großen Augen hinter ihren Brillengläsern haben mich total kirre gemacht. Dazu der kesse Mund, der enge Rock …

Jemand räuspert sich, und ich nicke Joe zu und setze mich den beiden Sams gegenüber an den Tisch.

Sie sind ein Furcht einflößendes Duo.

Zum einen sind sie verheiratet.

Nur Tage, nachdem er den Titel des CEO von seinem Dad geerbt hatte, hat Samuel Wolfe junior Samantha Barry geheiratet, Partnerin in einer konkurrierenden Firma, und auf diese Weise entstand eins der reichsten und mächtigsten Paare der Welt.

Es folgt ein langer Moment der Stille, dann steht Sam – der weibliche Sam – auf. »Zum Teufel damit. Wer will einen Whiskey?«

Whiskey, Gin, was auch immer. Sie hätte mir eine verdammte Weißweinschorle anbieten können, und ich hätte Ja gesagt.

Joe und Samanthas Ehemann nicken ebenfalls zu dem angebotenen Drink. Anscheinend bin ich nicht der Einzige, der gestresst ist.

Vier großzügige Spritzer Bourbon später kommen sie direkt zur Sache.

»Wir denken, sie sind hinter J-Conn her«, verkündet Samantha.

Ich brauche eine Sekunde, um zu verstehen, wovon sie redet, und als ich es begreife, erfüllen mich Ärger und Überraschung zu gleichen Teilen.

J-Conn ist eine Softwarefirma, die total abgestürzt ist und jede Menge Leute und jede Menge Geld ins Trudeln gebracht hat. Aber nicht mich. Oder meine Klienten. Ich habe J-Conn-Aktien verkauft, bevor alles zum Teufel gegangen ist, und dadurch habe ich keinen Tritt in die Eier bekommen wie alle anderen.

Wie man sich vorstellen kann, hatte es eine Menge Bemerkungen gegeben wie: »Woher zum Teufel hast du das gewusst?« Aber niemand hat mir direkt vorgeworfen, einen Tipp bekommen zu haben.

Bis jetzt.

Joe teilt meine Ungläubigkeit. »J-Conn? Das war vor fast einem Jahr. Warum jetzt?«

Mir schwirrt der Kopf.

Ich verstehe, warum die Leute nach J-Conn gefragt haben, als die Firma den Bach runtergegangen ist – selbst Matt und Kennedy haben dabei Geld eingebüßt, und sie sind die Besten im Business.

In diesem speziellen Fall war ich einfach … besser.

Nachdem ich mit allen anderen zusammen monatelang nach Gerüchten über eine bahnbrechende neue Entwicklung von J-Conn auf deren Bekanntgabe gewartet hatte, hatte ich die Sache als Schwachsinn abgetan. Ich hatte verkauft, als alle anderen zu hohen Preisen kauften.

Höllisch riskant, aber das Risiko hatte sich ausgezahlt.

Nennen Sie es Intuition, nennen Sie es Hirn – Hölle, ich würde sogar das Glück des Dummen akzeptieren. Aber was ich nicht akzeptieren werde, ist Betrug.

»Wir können nur vermuten, dass die SEC neue Informationen erhalten hat«, sagt Sammy, der seine Worte mit Bedacht zu wählen scheint, ohne mich direkt anzusehen. »Wir wissen nicht sicher, dass es um J-Conn geht, aber es wird seit Monaten über Ian und diesen Deal getuschelt.«

»Nichts als Spielplatztratsch«, blaffe ich. »Es gibt keine neuen Informationen, weil es keine Informationen geben kann. Ich habe nicht …«

Samantha hält schnell die Hand hoch. »Hören Sie schon auf.« Sie stößt den Atem aus. »Ian, Sie sind einer der Besten, aber wenn wir aussagen müssten …«

Ich schließe die Augen. Aussagen. Das kann unmöglich passieren.

»Kapiert«, antworte ich leise. »Glaubhafte Abstreitbarkeit.«

So weit sind wir noch nicht, aber … es könnte so weit kommen, und das macht mir Sorgen.

Der einzige Silberstreif bei alldem ist, dass die SEC sich immer noch im zwanglosen Untersuchungsstadium befindet. Wenn es anders wäre, wäre Lara McKenzie gestern mit einer Vorladung zu mir gekommen statt mit einem Höflichkeitsbesuch. Informell ist gut, weil es bedeutet, dass sie noch nicht die Beweise haben, die sie brauchen, um einen ausgewachsenen Fall gegen mich aufzubauen.

Aber es ist auch schlecht, weil sie mir die Details meines »Verbrechens« nicht zu erläutern brauchen.

Ich fahre mir mit einer Hand durchs Haar. »J-Conn?«, frage ich abermals. »Ernsthaft?«

Samantha seufzt und zuckt die Achseln, und es gelingt ihr, einen Hauch Verachtung in die kleine Geste zu packen. Wenn ich Samantha Wolfe mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es Autorität. Sie ist in den Fünfzigern, attraktiv auf eine polierte, von perfektem Lippenstift geprägte Art und Weise.

Ihr Mann ist genau das Gegenteil, zumindest dem Aussehen nach. Er ist von kleiner Statur, hat einen langsam kahl werdenden Kopf, und ganz gleich, wie gerade die Krawatte sitzt, wie teuer der Anzug ist, er sieht immer ein wenig zerknittert aus.

Sam räuspert sich. »Wir werden es schon bald mit Sicherheit wissen. Ihnen ist klar, wie diese Dinge laufen. Wir können herausfinden, worauf sie aus ist, durch die Leute, mit denen sie redet, und die Fragen, die sie stellt.«

»Wir haben Ms McKenzie unsere volle Kooperation zugesichert. Ich bin davon überzeugt, Sie werden unsere Kooperationspolitik mittragen«, fährt Samantha mit einem vielsagenden Blick auf mich fort.

Die Anweisungen sind klar: Seien Sie nett.

Ich fahre mir mit den Händen übers Gesicht. Was für ein scheiß Tiefschlag. Objektiv betrachtet weiß ich, dass die SEC einen Job zu erledigen hat. Ich verstehe ihre Funktion; ich kann sie sogar respektieren. Aber das hier fühlt sich an wie eine gottverdammte Hexenjagd. Sie können hier hereinspazieren und uns um Kooperation bitten, und das alles, ohne uns zu sagen, warum oder wann oder was …

Ich will nicht nett sein.

Ich will verdammt noch mal dagegen ankämpfen.

Joe scheint meine Gedanken zu lesen. »Wir müssen diese Sache vom Tisch haben, bevor eine formelle Untersuchung eingeleitet wird, Ian. Die beste Möglichkeit, das zu tun, ist …«

»Sich auf den Rücken drehen? Ihnen alles zu überreichen, was sie wollen, basierend auf ihren unbegründeten Anklagen?« Ich mache mir nicht die Mühe, meinen Zorn zu verbergen.

Sie machen sich nicht die Mühe, mich zu beruhigen.

Es folgt eine unheilschwangere Pause, bevor wieder jemand das Wort ergreift.

»Ian, Sie sind schon lange bei uns«, sagt Sam und nimmt einen Schluck Whiskey. »Wir mögen Sie. Betrachten Sie sich als einen Freund.«

»Ganz meinerseits«, grunze ich mit einem Nicken.

»Wir haben die besten Anwälte im Business«, ergänzt Samantha. »Sie sind dazu da, die Firma und jeden darin zu schützen, und das schließt Sie mit ein.«

Ich sehe ihr in die Augen. »Aber?«

»Aber«, fügt sie mit dem Hauch eines Lächelns hinzu, »wenn es auf eine Entscheidung zwischen Ihnen und der Firma hinausläuft …« Sie sieht ihren Mann an.

»Sie müssen sich einen unabhängigen Rat suchen, Ian. Um Ihrer selbst willen«, stellt Sam fest.

Das klingt vernünftig. Ganz gleich, wie gut die Anwälte von Wolfe sind, wenn die SEC beschließt, mir etwas anzuhängen, würde – und sollte – die Firma mit mir brechen und mir damit den Zutritt zu ihren Anwälten abschneiden.

Ich brauche meinen eigenen Anwalt.

Ich hab’s gewusst. Ich habe es seit der Sekunde gewusst, als Lara McKenzie die Worte »SEC« und »ermittelt« benutzt hat. Aber es von meinen Chefs zu hören, macht alles realer. Und ernster.

Joe schlägt mir zum Zeichen seiner Solidarität auf die Schulter, aber es ist eine leere Geste. Ich weiß nicht, was mich mehr ärgert, die Tatsache, dass keiner von ihnen von meiner Unschuld überzeugt ist, oder dass ich das deutliche Gefühl habe, dass sie mich opfern werden, wenn ich nicht beweisen kann, dass ich unschuldig bin.

Sam räuspert sich, und mir wird klar, dass das Meeting vorbei ist. Sie haben alles getan, was sie tun können, alles gesagt, was zu sagen war. Sie haben außerdem ihre eigenen Ärsche abgesichert und mir eine faire Vorwarnung gegeben, was ich einigermaßen zu würdigen weiß.

Ich stelle mein Glas beiseite und stehe auf. »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geschenkt haben. Und danke für den Whiskey.«

»Wir würden in dieser Situation jedem das Gleiche sagen«, erklärt Samantha, erhebt sich und beugt sich über den Tisch, um mir die Hand zu reichen.

Ich nicke, schüttele ihr die Hand und dann die von Sam.

»Ich komme nachher bei Ihnen im Büro vorbei«, verspricht Joe, der offensichtlich vorhat hierzubleiben, um mit den Sams zu sprechen.

»Alles klar.«

»Ian.« Ich drehe mich wieder zu Sam um, zu der weiblichen Version. »Wir haben Ms McKenzie vollen Zugang zum Westkonferenzraum in Ihrem Stockwerk gegeben, und das für die gesamte Dauer ihrer Untersuchung. Es wäre zu Ihrem Besten, sich bei ihr beliebt zu machen.«

Ich mache mir nicht die Mühe, darauf zu antworten. Erst als ich wieder in meinem Büro bin und die Tür geschlossen habe, kommt der Zorn.

Nicht auf einen der Sams. Und nicht auf Joe.

Nein, mein Zorn hat einen sehr spezifischen Fokus. Einen blonden, bebrillten SEC-Focus und auf das verlogene Arschloch, das Ms McKenzie erst auf mich gehetzt hat.

Ich presse die Augen zusammen und versuche, die Panik abzuwehren. Ich kann gegen diese Sache nicht ankämpfen, wenn ich nicht weiß, gegen wen ich kämpfe oder warum. Ich habe nicht so hart gearbeitet und bin so weit gekommen, nur um zuzusehen, wie alles um mich herum zusammenbricht, weil irgendeine blonde Tusse sich von einem Lügner verarschen lässt, der ihr was ins Ohr geflüstert hat.

Mein Handy summt in meiner Tasche, und ich habe die feste Absicht, den Anrufer zu ignorieren, wer immer es ist, aber dann sehe ich den Namen, und es ist die einzige Person, die ich niemals zu ignorieren imstande war.

Ich hole tief Luft, um meine aufgewühlten Gefühle zu beruhigen, dann nehme ich den Anruf entgegen. »Dave. Hey.«

»Hiya, Junge.«

Ich lächele. Es sind fast zwei Jahrzehnte vergangen, seit Dave Coving mich aufgenommen hat, als ich vierzehn war, aber für ihn bin ich immer nur der »Junge« gewesen.

»Was liegt an?«, frage ich, lasse mich auf meinem Stuhl nieder und drehe ihn zum Fenster, um in den verregneten Morgen zu schauen. Natürlich regnet es. Alles, was noch fehlt, ist ein Unheil verkündender Donnerschlag, dann wäre ich mitten in einem dieser verdammten Film-Dramen.

»Der Fernseher ist kaputtgegangen.«

Ich reibe mir die Stirn. »Ist etwas draufgefallen?«

Er hustet, und der Laut verwandelt sich in ein abscheuliches Raucherbellen, bei dem ich zusammenzucke. »Eine Flasche«, sagt er, als der Husten sich legt.

Ich verdrehe die Augen gen Himmel. Schockierend. »Die Phillies haben verloren, hm?«

»Sie sind auf Talfahrt«, brummt er. »Mein Temperament ist mit mir durchgegangen beim letzten Spiel.«

Ich unterdrücke einen Seufzer. Sagen wir einfach, dies ist nicht das erste Mal, dass Dave einen Kampf gegen sein Temperament verloren hat und dass eine Flasche Bier und der Fernseher den Preis dafür bezahlt haben.

Und ich bezahle den neuen Fernseher. Immer.

Es ist das Mindeste, das ich tun kann. Der Mann hat mir vier Jahre lang ein Dach über dem Kopf gegeben, einen Ort, an den ich heimkehren konnte, wenn im College die Weihnachtsferien anfingen, und er hat niemals die Geduld mit mir verloren, was mehr ist, als ich über die sechs Pflegefamilien sagen kann, die vor ihm an der Reihe waren.

»Ich besorge dir einen neuen«, verspreche ich und greife bereits nach einem Stift, um es mir zu notieren.

»Danke«, sagt er schroff. »Ich brauche nichts Großes und Tolles. Ein kleiner Billiger ist in Ordnung.«

»Natürlich.« Wir wissen beide, dass man ihm morgen den größten Flachbildschirmfernseher in sein Mobilheim liefern wird, der dort hineinpasst.

»Also, was gibt es Neues bei dir?«, fragt er.

Ich zögere. Zu Daves Ehren sei gesagt, dass er normalerweise nur anruft, wenn er etwas braucht, aber nicht auflegt, sobald er es bekommt. Er bleibt lange genug am Telefon, um sich nach mir zu erkundigen. Und scheiß drauf, ich gestatte mir, so zu tun, als würde es ihn wirklich interessieren.

Im Allgemeinen spule ich meine Erfolge ab, halte mich an meinen letzten Coup im Job oder beschreibe meine Logensitze im Baseballstadion Citi Field. Aber heute höre ich mich ihm die Wahrheit sagen.

»Die SEC sitzt mir im Nacken.«

»Die Ess-Ee-was?«

»SEC. Es ist ein Kürzel für … sagen wir einfach, das ist der Wachhund der Wall Street.«

»Was hast du angestellt?«

»Ich wünschte, ich wüsste es«, sage ich und reibe mir den Nacken. »Angeblich habe ich vor einer Weile einen Insidertipp wegen einer Softwarefirma bekommen, aber das wäre mir neu.«

Dave grunzt. »Also, kein Grund zur Sorge.«

»Doch, wenn die Person, die diese Scheiße mit dem ›Insidertipp‹ fabriziert hat, besser im Lügen ist als ich im Sagen der Wahrheit.«

»Blödsinn«, entgegnet Dave, bevor der nächste Hustenanfall durchs Telefon schallt. »Seit wann ziehst du den Schwanz ein, wenn die Kacke am Dampfen ist?«

Ich zucke zusammen. »Das ist hübsch, Dave. Sehr introspektiv.«

»Intro-was?«

»Vergiss es.« Ich kneife mir in den Nasenrücken.

»Hör mal«, sagt Dave mit einem tiefen Seufzer. »Ich bin nicht deine Familie. Ich habe kein Recht, dir Vorträge zu halten, aber du bist der sturste Hurensohn, den ich kenne. Du hast immer alles bekommen, was du wolltest – nicht wahr?«

Fast. Fast alles.

Doch ich spreche den Gedanken nicht aus. Ich bin mir nicht sicher, ob es jemals einen guten Zeitpunkt geben wird, Dave zu sagen, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, dass er mich adoptiert.

Ich lächele ein wenig bei der Erinnerung. Ich war ein dummer Junge und dachte, wenn ich mich halbwegs anständig benehme und niemals aufgebe, wäre ich das Generve wert, das mit einer Adoption einhergeht.

Nichts da.

Aber es ist cool – mit uns beiden läuft es gut.

»Hallo?«, fragt Dave mürrisch.

»Ja, ich bin noch da.«

»Also, wirst du gegen diese SPT kämpfen, oder was?«

Ich lächele. »SEC. Und ja, ich nehme an, sie hätte nichts lieber als einen guten Kampf.«

»Sie?«