Mord ist ihre Leidenschaft - J.D. Robb - E-Book

Mord ist ihre Leidenschaft E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Eine erfahrene Polizistin kann wenig erschüttern. Doch diese Mordserie ist selbst für Lieutenant Eve Dallas ein Grenzfall. Nicht nur, dass der Täter besonders grausam vorgeht - die Spuren führen außerdem direkt in Eve Dallas´ Haus: Ist der Butler ihres Mannes Roarke etwa ein Mörder? Eve kann das nicht glauben und stellt eine drängende Frage: Was geschah damals vor zehn Jahren? Allerdings ist irgendjemand eher bereit zu töten, als ihr eine Antwort zu geben...

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J. D. Robb

Mord ist ihre Leidenschaft

Roman

Aus dem Amerikanischen von Uta Hege

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel »Vengeance in Death« bei Berkley Books, a member of Penguin Putnam Inc., New York
Copyright © der Originalausgabe 1997 by Nora Roberts Published by arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003 by Blanvalet Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, Garbsen. Umschlaggestaltung: www.buerosued.de Umschlagmotiv: Trevillion Images/Eve North Lektorat: Maria Dürig Redaktion: Petra Zimmermann Herstellung: Heidrun Nawrot Satz: Uhl + Massopust, Aalen E-Book-Umsetzung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-641-04038-3V004
www.blanvalet-verlag.de

Buch

 

Das erste Opfer findet Lieutenant Eve Dallas in einem luxuriösen Apartment. Sein Anblick erschüttert sogar eine abgebrühte Polizistin wie Eve. Schnell folgt ein zweiter, bald ein dritter Mord.Nur eines steht fest über den Serienkiller: Er muss ein Technologie-Experte sein – ein Wahnsinniger mit dem IQ eines Genies und dem Herzen eines Killers. Doch niemand weiß, warum er tötet. Nur in Eve Dallas erwacht langsam ein schrecklicher Verdacht, denn die Spuren führen direkt zu ihr nach Hause. Ausgerechnet Summerset, der steife, zurückhaltende Butler ihres Ehemannes Roarke gerät ins Visier der Fahndung. Aber selbst Eve, die einen schon fast legendären Kleinkrieg gegen das überaus korrekte und sie sehr missbilligende Faktotum ihres Mannes führt, kann in ihm keinen Mörder sehen. Ist das eigentliche Ziel des Wahnsinnigen Roarke selbst? Und zu welchem bitteren Geheimnis in Roarkes dunkler Vergangenheit werden die Spuren sie führen? Bald hat Eve Dallas nur noch eine Frage an ihren Mann und an den Mörder: Was geschah damals vor zehn Jahren – es ist eine Frage, die sie in tödliche Gefahr bringen wird…

 

Autorin

 

J. D. Robb ist das Pseudonym der internationalen Bestsellerautorin Nora Roberts. Ihre Kriminalromane mit der Heldin Eve Dallas finden seit der Veröffentlichung von »Rendezvous mit einem Mörder« auch in Deutschland immer mehr begeisterte Leser.

Vengeance is mine; I will repay, says the Lord.Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.

Römer 12,19

Vengeance is in my heart, death in my hand.Rache ist in meinem Herzen, der Tod in meiner Hand.

Shakespeare, Titus Andronicus

1

Für die Aufklärung eines Mordes brauchte man Zeit, Geduld, Engagement und Toleranz gegenüber dem täglichen trübsinnigen Einerlei. Lieutenant Eve Dallas war jemand, der all diese Dinge besaß.

Sie wusste, dass es nichts davon bedurfte, um einen Mord zu begehen. Allzu häufig wurde einem Menschen aus einem Impuls heraus, im Zorn, aus Spaß oder schlicht aus Dummheit das Leben geraubt. Letzteres war ihrer Meinung nach der Grund, weshalb ein gewisser Charles Michael Renekee von einem Typen namens John Henry Bonning aus dem Fenster einer Wohnung im zwölften Stock eines Hauses in der Avenue D geworfen worden war.

Sie hatte Bonning vor sich im Verhörraum und nahm an, dass sie in spätestens zwanzig Minuten ein Geständnis von ihm hätte und dass er nach einer weiteren Viertelstunde sicher hinter Schloss und Riegel säße und ihr Bericht fertig geschrieben bei ihrem Vorgesetzten läge. Vielleicht käme sie doch noch rechtzeitig nach Hause.

»Komm schon, Boner.« Dies war die Sprache, in der sich die erfahrene Polizistin mit dem altgedienten bösen Buben unterhielt. Auf möglichst niedrigem Niveau, doch damit kannte sie sich aus. »Tu dir selbst einen Gefallen, mach ein Geständnis und dann kannst du auf Notwehr und verminderte Schuldfähigkeit plädieren. Bis zum Abendessen können wir die Sache abgeschlossen haben. Wie ich höre, kommen heute Abend in der U-Haft Pasta Sorprese auf den Tisch.«

»Ich habe ihn nicht angerührt.« Bonning presste seine wulstigen Lippen aufeinander und trommelte mit seinen langen, fetten Fingern auf den Tisch. »Das Arschloch ist einfach gesprungen.«

Seufzend setzte sich Eve an den kleinen Metalltisch im Verhörraum A. Sie wollte nicht, dass Bonning einen Anwalt forderte und dadurch ihre Arbeit unnötig erschwerte. Sie musste ihn davon abhalten, die Worte auszusprechen, ihn weiter in die bereits eingeschlagene Richtung lenken und schon hätte sie die Sache unter Dach und Fach.

Zweitklassige Drogendealer wie Bonning waren alle gleichermaßen bescheuert, früher oder später jedoch würde er jammernd einen Rechtsbeistand verlangen. Es war stets das gleiche alte Spiel, ebenso zeitlos wie die Sünde des Mordes selbst. Während inzwischen das Jahr 2058 seinem Ende entgegenstolperte, verlief die Jagd auf Mörder grundlegend nach demselben Schema wie noch in grauer Vorzeit.

»Er hat also einfach einen Satz aus dem Fenster gemacht. Nur - aus welchem Grund?«

Bonning legte seine Affenstirn in nachdenkliche Falten. »Vielleicht weil er verrückt war?«

»Möglich, Boner, aber mit dieser Antwort bist du immer noch nicht für die zweite Runde des Spielchens Führ-die-Bullen-hinters-Licht qualifiziert.«

Es dauerte ungefähr dreißig Sekunden, bis er dämlich grinste. »Witzig. Wirklich witzig, Dallas.«

»Ja, ich habe bereits erwogen, mich nebenberuflich als Komikerin zu versuchen. Aber, um auf meinen Hauptberuf zurückzukommen, ihr beiden habt in deinem tragbaren Labor in der Avenue D irgendwelche Erotika zusammengebraut, und urplötzlich kam Renekee - verrückt, wie er nun einmal war - auf die glorreiche Idee, durch das geschlossene Fenster zu springen, zwölf Stockwerke tiefer auf dem Dach eines Taxis aufzuschlagen, dadurch dem auf der Rückbank sitzenden Touristenpaar aus Topeka einen Heidenschrecken einzujagen, und schließlich sein Hirn auf der Straße zu verspritzen.«

»Mann, war das ein Aufprall«, erklärte Bonning mit einem beinahe ehrfürchtigen Lächeln. »Wer hätte das gedacht.«

Sie hatte nicht die Absicht, ihn wegen vorsätzlichen Mordes dranzukriegen, und wäre bereits zufrieden, liefe die ganze Sache nach Verhandlung mit dem Pflichtverteidiger auf Totschlag hinaus. Drogendealer, die einander an die Gurgel gingen, entlockten Justitia nicht einmal ein erwartungsfrohes Schmunzeln. Sicher säße er wegen des Handels mit illegalen Drogen länger als wegen der von ihm begangenen Tötung. Selbst, wenn man beides zusammennähme, wanderte er bestimmt nicht länger als drei Jahre in den Kahn.

Sie kreuzte die Arme auf den Tisch und beugte sich nach vorn. »Boner, sehe ich vielleicht dumm aus?«

Bonning, der die Frage ernst nahm, sah ihr ins Gesicht. Sie hatte große braune Augen, doch ihr Blick war alles andere als weich, und auch ihr hübscher, voller Mund drückte statt warmer Sanftmut kühle Härte aus. »Wie ein Bulle«, stieß er schließlich widerstrebend aus.

»Gute Antwort. Also versuch am besten nicht, mich zu verarschen. Du hattest einen Streit mit deinem Partner, er hat dich genervt und, indem du seinen knochigen Arsch aus dem Fenster geworfen hast, hast du eure berufliche und private Beziehung ein für alle Mal beendet.« Ehe Bonning nochmals leugnen konnte, hob sie eine Hand. »So sehe ich die Sache. Ihr habt euch gezofft, eventuell wegen der Gewinne, wegen der Verkaufsmethoden, wegen irgendeiner Frau. Ihr beide seid immer wütender geworden. Möglicherweise hat er dich angegriffen. Da war es doch wohl logisch, dass du dich gewehrt hast, oder etwa nicht?«

»Man hat ja wohl das Recht, sich zu verteidigen«, stimmte Bonning ihr kopfnickend zu. Die Geschichte schien ihm zu gefallen. »Aber wir haben nicht gestritten. Er hat einfach versucht zu fliegen.«

»Und woher stammen deine blutige Lippe, dein blaues Auge und die aufgerissenen Knöchel?«

Bonning verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Ich hatte eine Schlägerei in einer Kneipe.«

»Wann? Wo?«

»Wer kann das jetzt noch sagen?«

»Du solltest es können. Und du weißt, dass du es sagen können solltest, denn wenn wir das Blut, das wir von deinen Knöcheln haben, untersuchen, finden wir bestimmt auch Blutspuren von Renekee darin. Und wenn wir seine DNA an deinen fetten Fingern finden, werde ich auf Mord plädieren - und das heißt lebenslangen Knast.«

Er blinzelte verwirrt, als wäre diese neuerliche, verblüffende Wendung zu viel für sein geplagtes Hirn. »Also bitte, Dallas, das ist doch totaler Schwachsinn. Sie werden niemanden davon überzeugen, dass ich dem alten Chuckaroo ans Leder gehen wollte. Schließlich waren wir beide alte Kumpel.«

Eve sah ihn reglos an und zog dabei ihr Handy aus der Tasche. »Dies ist deine letzte Chance. Wenn ich meine Assistentin die Untersuchungsergebnisse holen lasse, bringe ich dich wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht.«

»Es war kein Mord.« Er wollte dringend glauben, dass sie bluffte. Doch ihr Blick war unergründlich und so leckte er sich aufgeregt die Lippen. »Es war ein Unfall«, brachte er schließlich vor, doch Eve schüttelte den Kopf. »Ja, wir haben miteinander rumgeblödelt und dabei ist er… gestolpert und kopfüber aus dem Fenster gefallen.«

»Jetzt fängst du an mich zu beleidigen. Ein erwachsener Mann fällt nicht schlicht aus einem Fenster, das einen Meter über dem Boden anfängt.« Eve schaltete ihr Handy ein. »Officer Peabody.«

Innerhalb von Sekunden erschien auf dem kleinen Bildschirm Peabodys rundes, regloses Gesicht. »Ja, Madam.«

»Ich brauche die Ergebnisse der Blutuntersuchung von Bonning. Schicken Sie sie mir direkt in den Verhörraum - und melden Sie dem Staatsanwalt, dass ich einen Mordfall für ihn habe.«

»Halt, warten Sie, nicht so schnell.« Bonning fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Er schien ein paar Sekunden mit sich zu kämpfen. Sie brächte ihn ganz sicher nicht wegen vorsätzlichen Mordes hinter Gitter. Doch er wusste, dass Dallas in dem Ruf stand, auch wesentlich größere Fische als ihn erfolgreich aus dem Wasser zu ziehen.

»Du hast deine Chance bekommen, Boner. Peabody.«

»Er hat mich angegriffen, genau, wie Sie gesagt haben. Ging einfach auf mich los. Ich werde Ihnen sagen, wie's passiert ist, Scheiße. Ich will eine Aussage machen.«

»Peabody, warten Sie noch etwas. Informieren Sie den Staatsanwalt, dass Bonning eine Scheißaussage machen will.«

Peabodys Miene blieb so reglos wie zuvor. »Sehr wohl, Madam.«

Eve schob ihr Handy zurück in die Tasche, faltete die Hände auf dem Tisch und bedachte Bonning mit einem beinahe warmen Lächeln. »Okay, Boner, und jetzt erzählst du mir schön langsam, was passiert ist.«

Fünfzig Minuten später schlenderte Eve in Richtung ihres winzigen Büros auf der Hauptwache der New Yorker Polizei. Sie sah aus wie eine Polizistin - nicht nur wegen des umgehängten Waffenhalfters, der ausgelatschten Stiefel und der verblichenen Jeans, sondern vor allem wegen ihres Blicks, eines Blicks, dem nur selten etwas verborgen blieb. Ihre Augen hatten die Farbe alten Whiskeys und blinzelten nur selten. Ihr Gesicht war kantig, mit vorstehenden Wangenknochen, einem überraschend vollen Mund und einem kleinen Grübchen mitten auf dem Kinn.

Sie hatte einen langgliedrigen, weichen Gang - denn jetzt hatte sie Zeit. Zufrieden mit dem erfolgreichen Abschluss des Verhörs fuhr sie sich mit den Fingern durch die kurz geschnittenen Haare und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz.

Sie würde den Bericht erstellen, Kopien an die zuständigen Stellen schicken und dann endlich Feierabend machen. Es hatte sie noch nie gestört, dass durch das streifige, schmale Fenster hinter ihrem Rücken um diese Zeit des Tages unablässig das Rumpeln der altersschwachen Lufttaxis und das Rattern der Hubschrauber der Verkehrswacht an ihre Ohren drang. Schließlich waren diese Geräusche typisch für New York.

»Computer an«, befahl sie und zischte, als der Bildschirm schwarz blieb. »Verdammt, fang nicht schon wieder damit an. Computer an. Geh endlich an, du Drecksding.«

»Sie müssen Ihre persönliche Zugangsnummer eingeben«, erklärte Peabody, die gerade durch die Tür kam.

»Ich dachte, die Dinger wären wieder auf Stimmidentifizierung eingestellt.«

»Waren sie auch. Aber es hat nicht funktioniert. Ende der Woche soll es wieder klappen.«

»Scheißdinger«, beschwerte sich ihre Chefin. »Wie viele Zahlen sollen wir uns eigentlich merken? Zwei, fünf, null, neun.« Als die Kiste hustend ansprang, atmete sie auf. »Ich will nur hoffen, dass wir bald die versprochenen neuen Geräte kriegen.« Sie schob eine Diskette in den dafür vorgesehenen Schlitz. »Speichern unter Bonning, John Henry, Aktenzeichen 4572077-H. Kopie des Berichts an Commander Whitney.«

»Bei Bonning haben Sie hübsche, schnelle Arbeit geleistet, Dallas.«

»Der Typ hat ein Gehirn von der Größe einer Pistazie. Hat seinen Partner aus dem Fenster geworfen, weil sie sich über einen stinkenden Zwanziger-Kreditchip in die Haare bekommen haben. Und dann hat er tatsächlich noch versucht mir weiszumachen, er hätte sich aus Angst um sein Leben lediglich gegen den Angriff des anderen gewehrt. Der Kerl, den er aus dem Fenster geschmissen hat, war gute fünfzig Kilo leichter und fünfzehn Zentimeter kleiner. Arschloch«, erklärte sie mit einem resignierten Seufzer. »Und Boner hatte nicht mal so viel Grips, um zu behaupten, dass sein Gegner mit einem Messer oder einem Knüppel auf ihn losgegangen ist.«

Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, ließ den Kopf auf ihren Schultern kreisen und bemerkte freudig überrascht, dass sie kaum verspannt war. »Wäre schön, wenn sie es einem immer so leicht machen würden.«

Mit halbem Ohr lauschte sie auf den Luftverkehr hinter dem Fenster. Einer der Pendelflieger warb lautstark für die Spartarife seines Unternehmens.

»Bei uns können Sie Wochen-, Monats- und Jahresabonnements bekommen! Kommen Sie zu EZ TRAM, Ihrem freundlichen und zuverlässigen Lufttransportunternehmen. Beginnen und beenden Sie den Arbeitstag mit Stil.«

Wenn einem der Schwitzende-Sardinen-in-der-Büchse-Stil gefiel, dachte Eve, denn sicher herrschte in dem kühlen, seit dem Vormittag fallenden novemberlichen Regen sowohl auf den Straßen als auch in der Luft das totale Chaos. Die perfekte Art, um den Feierabend zu beginnen.

»So, das wär's«, erklärte sie und nahm ihre abgewetzte Lederjacke von der Lehne ihres Stuhls. »Zur Abwechslung mache ich heute einmal pünktlich Schluss. Und, Peabody, haben Sie irgendwelche heißen Pläne für das Wochenende?«

»Wie immer werde ich mich von den Männern wie von den Fliegen umschwärmen lassen und zahllose Herzen brechen.«

Eve blickte grinsend in das ernste Gesicht ihrer Assistentin. Die gedrungene Peabody war vom Scheitel ihres dunkles Pagenschnitts bis zu den Spitzen ihrer blank geputzten Schuhe durch und durch Polizistin. »Sie sind wirklich ein wildes Weibsbild. Ich verstehe einfach nicht, wie Sie dieses Tempo auf Dauer beibehalten können.«

»Was bleibt mir als Königin der Partymiezen anderes übrig?« Mit einem trockenen Lächeln wandte sich Peabody zum Gehen. Als plötzlich das Tele-Link auf Eves Schreibtisch piepste, blickten beide Frauen stirnrunzelnd auf das Gerät. »Dreißig Sekunden später und wir wären nicht mehr hier gewesen.«

»Wahrscheinlich ist es nur Roarke, der mich daran erinnern will, dass wir heute Abend diese blöde Dinnerparty geben.« Eve schaltete den Bildschirm ein. »Morddezernat, Dallas.«

Außer düsteren, verschwommenen Farben war nichts auf dem Monitor zu sehen. Aus dem Lautsprecher drang dunkle, getragene Musik.

Automatisch gab Eve den Befehl zur Anruf-Rückverfolgung ein und las auf dem unteren Rand des Bildschirms, dass eine Identifizierung nicht durchzuführen war.

Peabody riss ihr Handy aus der Tasche, trat ein Stück zur Seite und rief eilig die Überwachungszentrale an.

»Lieutenant Dallas, Sie gelten als die beste Polizistin der Stadt. Die Frage ist nur, wie gut sind Sie tatsächlich?«, begann der Anrufer mit dem Gespräch.

»Anonyme Anrufe und/oder Sendungen an Polizeibeamte sind verboten. Ich bin also verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass diese Übertragung aufgenommen und von der Computerüberwachung zurückverfolgt werden wird.«

»Das ist mir bewusst. Aber da ich soeben eine Tat begannen habe, die von der weltlichen Gesellschaft als vorsätzlicher Mord bezeichnet wird, mache ich mir über derartige Nebensächlichkeiten keine allzu großen Gedanken. Der Herr hat mich gesegnet.«

»Ach, ja?« Super, dachte sie, genau so etwas hatte ihr an diesem Abend noch gefehlt.

»Ich bin aufgerufen, sein Werk zu vollbringen und habe meine Hände in das Blut seines Feindes getaucht.«

»Hat er viele Feinde? Ich meine, man sollte meinen, dass er seine Feinde einfach vom Blitz erschlagen lässt, statt Sie die Drecksarbeit machen zu lassen.«

Es gab eine lange Pause, in der einzig die Klagemelodie durch die Lautsprecher drang. »Ich hätte mir denken sollen, dass Sie derart salopp auf meinen Anruf reagieren.« Die Stimme klang ein wenig härter und gereizter als zuvor. Sie verriet mühsam unterdrückten Zorn. »Wie sollten Sie als gottloses Wesen göttliche Vergeltung auch jemals verstehen? Also lasse ich mich besser auf Ihr Niveau herab. Wie wäre es mit einem Rätsel? Haben Sie Spaß an Rätseln, Lieutenant Dallas?«

»Nein.« Sie blickte Richtung Peabody, doch diese schüttelte frustriert den Kopf. »Aber ich wette, dass Sie ganz heiß auf Rätsel sind.«

»Sie entspannen das Hirn und besänftigen den Geist. Der Name dieses kleinen Rätsels lautet Rache. Sie finden den erstgeborenen Sohn des alten Hundes umgeben von Luxus in seinem Silberturm, unter dem sich Wasser aus großer Höhe in den dunklen Fluss ergießt. Erst hat er um sein Leben gebettelt, dann um seinen Tod. Da er seine große Sünde nie bereut hat, ist er bereits verdammt.«

»Warum haben Sie ihn getötet?«

»Weil ich für diese Aufgabe geboren worden bin.«

»Gott hat Ihnen gesagt, dass Sie zum Töten auf die Welt gekommen sind?« Wieder gab Eve den Befehl zur Anruf-Rückverfolgung ein und kämpfte gegen die in ihr aufsteigende Verärgerung. »Wie hat er Sie das wissen lassen? Hat er Sie auf Ihrem Handy angerufen, Ihnen ein Fax geschickt oder Sie in einer Bar getroffen?«

»Sie werden nicht mehr lange an mir zweifeln.« Sein Atem wurde unregelmäßiger und lauter. »Denken Sie, dass Sie mir, weil Sie eine gewisse Machtposition innehaben, überlegen sind? Wie gesagt, Sie werden nicht mehr lange an mir zweifeln. Ich habe mich mit Ihnen in Verbindung gesetzt, Lieutenant. Vergessen Sie nicht, wer von uns beiden die Kontrolle über alles hat. Frauen mögen Männer lenken und auch trösten, doch der Mann wurde geschaffen, um zu schützen, zu verteidigen, zu rächen.«

»Hat Ihnen Gott das ebenfalls erzählt? Ich schätze, das beweist, dass er ein Mann ist. Offenbar sogar ein Macho.«

»Sie werden vor ihm und mir erbeben.«

»Ja, genau.« In der Hoffnung, dass er sie sah, studierte sie betont gelangweilt ihre Nägel. »Ich zittere bereits.«

»Meine Arbeit ist heilig. Sie ist grauenhaft und göttlich. Sprüche 28,17: ›Wer schuldig ist am Blut eines Menschen, der wird flüchtig sein bis zum Grabe, und niemand helfe ihm!‹, Lieutenant. Niemand hat diesem Mann geholfen - seine Tage als Flüchtling sind vorbei.«

»Wenn Sie ihn getötet haben, wozu macht Sie das dann?«

»Zum Rächer Gottes. Sie haben vierundzwanzig Stunden Zeit, um sich als würdig zu erweisen. Enttäuschen Sie mich nicht.«

»Arschloch, ich werde dich garantiert nicht enttäuschen«, murmelte Eve, als die Übertragung abbrach. »Und, Peabody, haben Sie was gefunden?«

»Nichts. Er hat sämtliche Spuren gründlich verwischt. Die Computerüberwachung kann uns nicht mal sagen, ob er von der Erde oder von einem anderen Planeten aus gesendet hat.«

»Er ist hier auf der Erde«, murmelte Eve und setzte sich erneut auf ihren Stuhl. »Er will möglichst in der Nähe sein, um zu verfolgen, was wir tun.«

»Könnte auch ein blöder Witz gewesen sein.«

»Das glaube ich nicht. Ein Fanatiker, aber bestimmt kein Scherzbold. Computer, Auflistung sämtlicher Gebäude in New York City mit Blick auf den East River oder den Hudson, in deren Namen das Wort luxury oder Luxus vorkommt.« Sie trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. »Ich hasse Rätsel jeder Art.«

»Ich mache sie ganz gerne.« Als der Computer seine Arbeit aufnahm, blickte Peabody Eve stirnrunzelnd über die Schulter.

Luxury Arms Sterling Luxury Luxury Place Luxury Towers

Eve stürzte sich auf diesen Namen. »Visualisierung der Luxury Towers auf dem Bildschirm.«

Befehl erhalten.

Einige Sekunden später erschien auf dem Monitor das Bild eines über dem Hudson aufragenden, im Licht der Sonne silbrig schimmernden schlanken, stählernen Turms, westlich dessen sich ein eleganter Wasserfall über ein komplexes Arrangement aus Röhren und Kanälen in den Fluss ergoss.

»Erwischt.«

»So leicht kann das doch unmöglich sein«, hielt Peabody entgegen.

»Er wollte, dass es leicht ist.« Denn irgendjemand war längst tot. »Er will mit uns spielen und gleichzeitig will er sich brüsten. Das kann er beides nur, wenn wir auf ihn eingehen. Computer, ich brauche die Namen der Bewohner der obersten Etage der Luxury Towers.«

Befehl erhalten… Das Penthouse gehört der Brennen Group und ist der New Yorker Wohnsitz von Thomas X. Brennen aus Dublin, Irland, Alter zweiundvierzig, verheiratet, drei Kinder, Präsident und Vorstandsvorsitzender der Brennen Group, einer Kommunikations- und Entertainment-Agentur.

»Lassen Sie uns die Sache überprüfen, Peabody. Die Zentrale informieren wir von unterwegs.«

»Soll ich Verstärkung anfordern?«

»Erst sehen wir uns mal um.« Eve zog ihr Pistolenhalfter straff und schwang sich in ihre Jacke.

Der Verkehr war so schlimm wie befürchtet. Während sie im Schneckentempo durch die nassen Straßen krochen, schwirrten über ihren Köpfen die diversen Flieger wie ein Schwarm aufgeschreckter Bienen im kalten Niesel hin und her. Straßenverkäufer kauerten unter großen Schirmen hinter ihren Schwebekarren, ohne dass auch nur ein einziger Kunde bei ihnen erschien. Dichter Rauch stieg über ihren Grillgeräten auf, raubte einem die Sicht und verpestete die Luft.

»Besorgen Sie sich Brennens Nummer und rufen Sie ihn an, Peabody. Falls das Ganze nur ein dummer Witz war und ihm gar nichts passiert ist, wäre es doch schön, wenn es auch weiterhin so bliebe.«

»Okay«, antwortete die Assistentin und griff nach ihrem Handy.

Verbiestert über den schleichenden Verkehr, ließ Eve die Sirene ihres Wagens kreischen, was in etwa so viel nützte wie sich aus dem Fenster ihres Fahrzeuges zu lehnen und zu schreien. Immer noch drängten sich die Wagen dicht wie frisch Verliebte aneinander und ließen keinen Zentimeter Raum.

»Es geht niemand dran«, erklärte Peabody nach einer Weile. »Laut Anrufbeantworter ist er ab heute zwei Wochen unterwegs.«

»Dann lassen Sie uns hoffen, dass er gemütlich in irgendeinem Pub in Dublin rumhängt.« Wieder sah Eve prüfend aus dem Fenster und überlegte, welche Möglichkeit sie hatte, ihr Ziel noch vor Ende des Tages zu erreichen. »Ich muss es einfach tun.«

»Ah, Lieutenant, nicht mit diesem Vehikel.«

Dann biss Peabody, die unerschrockene Polizistin, die Zähne aufeinander und kniff entsetzt die Augen zu, als Eve den Wagen in die Vertikale gehen ließ. Die Kiste erbebte, quietschte, hievte sich ungefähr fünfzehn Zentimeter in die Höhe und krachte zurück auf den Asphalt.

»Verdammtes Stück Hundescheiße.« Dieses Mal ließ Eve die Faust so heftig auf das Kontrollbord krachen, dass ihre Knöchel schmerzhaft brannten, sie stiegen schwankend auf, gerieten leicht ins Trudeln, machten jedoch, als sie das Gaspedal bis auf den Boden durchtrat, einen Satz nach vorn. Um ein Haar hätte sie einen Regenschirm gerammt und wurde dafür von dem kreischenden Schwebekarreneigner über einen halben Block verfolgt.

»Um ein Haar hätte dieser verdammte Mistkerl den Stoßdämpfer erwischt.« Eher verwundert als erbost schüttelte Eve den Kopf. »Was ist nur aus der Welt geworden, dass ein Polizeiwagen langsamer ist als ein Typ in Luftboots?«

Peabody hielt die Augen weiter fest geschlossen. »Tut mir Leid, Madam, aber Sie stören mich gerade im Gebet.«

Mit unverdrossen kreischenden Sirenen lenkte Eve den Wagen vor dem Haupteingang der Luxury Towers zurück auf den Boden. Der Aufprall war so heftig, dass er ihre Zähne aufeinander schlagen ließ, doch das vor der Tür geparkte, nagelneue XRII-Airstream-Cabrio hatte sie um mindestens zwei Zentimeter verfehlt.

Wie ein geölter Blitz kam der Pförtner des Gebäudes angeschossen und riss gleichermaßen entgeistert wie beleidigt die Tür ihrer beigefarbenen Klapperkiste auf.

»Madam, Sie können dieses… Ding unmöglich hier parken.«

Eve stellte die Sirene ab und zückte ihren Ausweis. »O doch, ich kann.«

Seine Haltung wurde noch steifer, als er den Ausweis überflog. »Wenn Sie das Fahrzeug bitte in die Garage stellen würden.«

Vielleicht lag es daran, dass er war wie Summerset, der von Roarke geschätzte und von ihr gehasste Butler, denn sie erklärte rüde: »Das Ding bleibt genau hier stehen, Kumpel. Und wenn du nicht willst, dass ich von meiner Assistentin eine Anzeige wegen Behinderung der Polizeiarbeit gegen dich aufnehmen lasse, lässt du mich auf der Stelle rein und bringst mich zu Thomas Brennens Penthouse.«

Er atmete zischend durch die Nase ein. »Das ist vollkommen unmöglich, Mr. Brennen ist nicht da.«

»Peabody, lassen Sie sich Namen und Passnummer von diesem… Bürger geben und rufen Sie eine Streife, die ihn umgehend mit auf die Wache nimmt.«

»Sehr wohl, Madam.«

»Sie können mich nicht festnehmen.« Seine blank geputzten schwarzen Schuhe vollführten einen schnellen Stepptanz auf dem Gehweg. »Ich mache nur meine Arbeit.«

»Wodurch Sie mir meine Arbeit erschweren. Und was meinen Sie, wessen Arbeit der Richter als wichtiger einschätzen wird?«

Eve konnte verfolgen, wie seine Kiefer mahlten, ehe er die Lippen zu einem missbilligenden schmalen Strich zusammenkniff. O ja, er war genau wie Summerset, auch wenn er gute zehn Kilo schwerer und siebeneinhalb Zentimeter kleiner als ihr heimischer Quälgeist war.

»Also gut, aber seien Sie versichert, dass ich den Polizeichef von Ihrem Verhalten in Kenntnis setzen werde.« Wieder blickte er auf ihren Ausweis. »Lieutenant.«

»Das können Sie gerne machen.« Sie winkte Peabody heran und folgte dem steifen Rücken des Pförtners Richtung Eingang, wo er seinen Droiden aktivierte, damit dieser ihn während seiner Abwesenheit vertrat.

Das Foyer hinter den schimmernden silbrigen Türen der Luxury Towers war mit seinen hoch aufragenden Palmen, dem blühenden Hibiskus und den zwitschernden Vögeln das reinste Tropenparadies. In der Mitte eines großen Beckens erhob sich ein Brunnen in Gestalt einer wohl gerundeten, bis zur Hüfte nackten Frau, die einen goldenen Fisch wie eine Trophäe in ihren Händen hielt.

Der Pförtner rief den gläsernen Fahrstuhl und winkte Eve und Peabody schweigend durch die Tür. Eve, die große Höhen nicht vertrug, stand wie angewurzelt in der Mitte, Peabody hingegen drückte sich begeistert die Nase an der Scheibe platt.

In der zweiundsechzigsten Etage glitt die Tür des Fahrstuhls lautlos auf, sie betraten ein kleineres, doch nicht weniger üppig ausgestattetes Foyer, und der Pförtner trat vor den Überwachungsbildschirm neben einer Flügeltür aus auf Hochglanz poliertem Stahl.

»Pförtner Strobie in Begleitung von Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei und ihrer Assistentin.«

»Mr. Brennen ist momentan außer Haus«, antwortete eine Stimme in melodischem irischen Singsang.

Eve schob Strobie mit dem Ellbogen zur Seite. »Dies ist ein Notfall.« Sie hielt ihren Ausweis vor das elektronische Auge. »Wir müssen dringend in die Wohnung.«

»Eine Sekunde, Lieutenant.« Leise summend verglich das Gerät ihr Gesicht mit dem Bild in ihrem Ausweis und dann ging die Tür mit einem diskreten Klicken auf. »Zutritt gestattet. Bitte beachten Sie, dass diese Wohnung durch SCANEYE überwacht wird.«

»Schalten Sie Ihren Rekorder an, Peabody. Strobie, treten Sie zurück.« Eve zückte ihre Waffe und öffnete die Tür.

Als Erstes traf sie der Geruch, und sie fluchte leise auf. Allzu häufig schon hatte sie den gewaltsamen Tod gerochen. Da gab es für sie kein Vertun.

Die blauen Seidentapeten im Wohnzimmer wurden durch ein grässliches, unverständliches Blut-Graffiti verunziert und auf dem himmelblauen Teppich winkte die abgetrennte, umgedrehte Hand von Thomas X. Brennen Eve mit ihren gebogenen Fingern lockend - oder vielleicht flehend - dichter an sich heran.

Sie hörte, wie Strobie hinter ihr würgte. Er stolperte zurück in das Foyer und die blumig frische Luft. Sie hingegen trat mitten in den Gestank und sah sich mit gezückter Waffe gründlich um. Instinktiv war ihr bewusst, dass es bereits vorbei, dass, wer auch immer diese Tat begangen hatte, längst verschwunden war. Doch sie hielt sich an die Vorschrift und bahnte sich, vorbei an großen Lachen frisch geronnenen Bluts, langsam einen Weg durch den ausladenden Raum.

»Wenn Strobie fertig ist mit Kotzen, fragen Sie ihn, wo sich das Schlafzimmer befindet.«

»Den Flur runter nach links«, erklärte Peabody eine Minute später. »Aber er ist noch beim Würgen.«

»Suchen Sie ihm einen Eimer und dann sichern Sie den Fahrstuhl und die Tür.«

Eve schob sich vorsichtig den Korridor hinunter. Der Geruch wurde zunehmend süßlicher und dicker, und sie atmete, um sich nicht ebenfalls zu übergeben, nur noch flach durch den Mund. Die Tür des Schlafzimmers stand einen Spaltbreit offen und durch die schmale Öffnung drangen das Licht von einer hellen Lampe und die majestätischen Klänge einer Symphonie von Mozart zu ihr in den Flur.

Die Überreste Brennens waren auf einem großen Doppelbett unter einer eleganten Spiegeldecke ausgestreckt. Ein Arm war mit silbernen Handschellen an den Bettpfosten gefesselt. Eve nahm an, sie fände seine Füße irgendwo hübsch arrangiert in dem geräumigen Apartment.

Die Wände der Wohnung schienen schallgeschützt zu sein, denn ohne jeden Zweifel hatte der Mann vor seinem Ende laut und anhaltend geschrien. Sie fragte sich, wie lange es gedauert hatte, als sie die Leiche betrachtete. Wie viel Schmerz konnte ein Mensch ertragen, ehe erst das Hirn und dann der Körper aufgab?

Thomas Brennen hätte die Antwort auf diese Frage eindeutig gewusst.

Er war splitternackt, eine seiner Hände und beide Füße waren amputiert, und das eine ihm verbliebene Auge starrte in blindem Entsetzen auf das Spiegelbild seines eigenen verstümmelten Leibs. Auch die Eingeweide waren ihm herausgerissen worden.

»Gütiger Himmel«, wisperte Peabody aus Richtung Tür. »Heilige Mutter Gottes.«

»Ich brauche mein Untersuchungsset. Wir werden die Wohnung versiegeln und die Sache melden. Finden Sie heraus, wo sich seine Familie zurzeit aufhält. Rufen Sie auch bei der Abteilung für elektronische Ermittlungen an und bitten Sie Feeney, falls er da ist, die Leitung zu sichern, bevor Sie irgendwelche Einzelheiten nennen. Wir sollten die Details dieses Falles so lange wie möglich geheim halten.«

Peabody musste zweimal heftig schlucken, um ihr Mittagessen bei sich zu behalten. »Sehr wohl, Madam.«

»Und sorgen Sie dafür, dass Strobie ebenfalls die Klappe hält.«

Eve drehte sich um und Peabody entdeckte einen Hauch von Mitgefühl in ihrem Blick, ehe sie wieder kühl und reglos auf den malträtierten Leichnam sah. »Machen wir uns an die Arbeit, damit ich diesem Hurensohn so schnell wie möglich den Arsch aufreißen kann.«

Es war beinahe Mitternacht, bis Eve sich endlich die Stufen hinauf zum Eingang ihres Hauses schleppen konnte. Ihr Magen schmerzte, ihre Augen brannten und ihr Schädel drohte zu platzen. Der Gestank des gewaltsamen Todes klebte noch an ihrem Körper, obgleich sie sich unter der Dusche auf der Wache eine ganze Hautschicht abgerubbelt hatte, ehe sie heimgefahren war.

Wonach sie sich am meisten sehnte, war Vergessen. Sie sprach ein verzweifeltes Gebet, dass sie, wenn sie die Augen schlösse, nicht erneut die Überreste Thomas Brennens vor sich sah.

Ehe sie die Tür erreichte, ging diese bereits auf, und Summerset stand, eingehüllt in das glitzernde Licht des Kronleuchters der Eingangshalle, zitternd vor Empörung auf der Schwelle.

»Sie sind unverzeihlich spät, Lieutenant. Ihre Gäste brechen bereits auf.«

Gäste? Ihr überlastetes Gehirn kämpfte mit dem Wort, bevor sie sich entsann. Eine Dinnerparty? Nach dem Abend, den sie hinter sich hatte, sollte sie sich für eine Dinnerparty interessieren?

»Ach, lecken Sie mich gefälligst am Arsch«, erwiderte sie schroff und wollte sich an ihm vorbei in die Eingangshalle schieben, als er seine dünnen Finger in ihrem Oberarm vergrub und sie unsanft zurückhielt. »Als Roarkes Frau haben Sie bestimmte gesellschaftliche Verpflichtungen, wie zum Beispiel, dass Sie ihm bei einer wichtigen Angelegenheit wie dem Essen heute Abend assistieren.«

Im Bruchteil einer Sekunde wurde die Erschöpfung durch heißen Zorn ersetzt und sie ballte eine Faust. »Gehen Sie zur Seite, ehe ich -«

»Meine liebe Eve.«

Roarkes Stimme, die sowohl herzlich, amüsiert als auch warnend klang, hielt die geballte Faust in Zaum. Stirnrunzelnd drehte sich Eve zu ihm um. Es war nicht der elegante schwarze Anzug, der ihn so atemberaubend machte. Eve wusste, er hatte einen geschmeidigen, muskulösen Körper, der ungeachtet dessen, was er trug - oder auch nicht trug - das Herz einer Frau zum Stillstand brachte. Sein rabenschwarzes, beinahe schulterlanges Haar rahmte ein Gesicht, das aussah, als hätte da Vinci es gemalt. Er hatte fein gemeißelte Knochen, Augen blauer als kostbares Kobalt und einen Mund, der gleichermaßen angetan war, um Gedichte vorzutragen, Befehle auszusprechen und eine Frau wahnsinnig zu machen.

In weniger als einem Jahr hatte er ihren Verteidigungswall durchbrochen, ihr Herz erobert und - was sie am meisten überraschte - nicht nur ihre Liebe gewonnen, sondern auch ihr Vertrauen.

Und nach wie vor gelang es ihm, sie maßlos zu verärgern.

Er war das erste und einzige Wunder, das ihr in ihrem bisherigen Leben widerfahren war.

»Ich bin zu spät. Tut mir Leid.«

Er quittierte ihren herausfordernden Ton mit einem leichten Lächeln und einer hochgezogenen Braue.

»Ich bin sicher, es war unvermeidbar.« Er streckte einen Arm aus, sie durchquerte das Foyer und legte ihre steifen, kalten Finger in seine warme Hand. In ihren whiskeybraunen Augen fochten Zorn und Erschöpfung einen ergebnislosen Kampf. An beides hatte er sich im Verlauf der Zeit gewöhnt, die Blässe ihres Gesichts jedoch rief ernste Sorge in ihm wach. Die Flecken auf ihrer Jeans waren eindeutig Blut. Er konnte nur hoffen, dass es nicht das ihre war.

Er drückte ihr die Hand, hob sie an seine Lippen und sah sie reglos an. »Du bist müde, Lieutenant«, murmelte er, wobei der irische Singsang seiner Stimme eine geradezu magische Anziehungskraft verlieh. »Ich bringe unsere Gäste nur schnell an die Tür. Nur noch ein paar Minuten, ist das für dich okay?«

»Sicher, ja. In Ordnung.« Ihr Zorn nahm langsam wieder ab. »Entschuldige, dass ich dir den Abend verdorben habe. Ich weiß, wie wichtig dieses Essen für dich war.« Hinter ihm entdeckte sie in dem wunderbar eingerichteten Salon die geladenen Gäste. Die Männer trugen Anzüge, die Frauen Gewänder aus sanft raschelnder Seide und blitzende Juwelen.

Etwas von ihrem Widerwillen gegen diese Art von Menschen schien in ihren Augen aufzublitzen, denn ihr Gatte lachte leise auf.

»Fünf Minuten, Eve. Ich bezweifle, dass es so schlimm sein kann wie das, was du bereits an diesem Abend durchgestanden hast.«

Er selber war ein Mann, der mit Privilegien und Reichtum ebenso problemlos umzugehen verstand wie mit dem Gestank der Gosse und mit körperlicher Gewalt. Mühelos schob er sie vor sich in den Raum, stellte sie den Menschen vor, die sie bisher noch nicht getroffen hatte, flüsterte ihr die Namen ihr bereits bekannter Gäste unauffällig ins Ohr und drängte die Besucher gleichzeitig diskret in Richtung Tür.

Eve roch den Duft teurer Parfüms, edlen Weins sowie der Apfelscheite, die mit leisem Knistern in dem offenen Kamin an der Längsseite des Raums verbrannten. Durch keins dieser Aromen jedoch wurde der Gestank von Blut und menschlichem Verfall aus ihrer Erinnerung verdrängt.

Roarke fragte sich, ob sie überhaupt wusste, wie wunderbar sie war, als sie in ihrer abgewetzten Jacke und der verschmutzten Jeans, mit ihrem kurzen, wild zerzausten Haar, kreidebleichem Gesicht, dunklen, müden Augen, einzig aus reiner Willenskraft überhaupt noch aufrecht, inmitten all des Glamours stand.

Sie war Mut und Tapferkeit in menschlicher Gestalt.

Als sich jedoch die Tür hinter dem letzten Gast geschlossen hatte, schüttelte sie unglücklich den Kopf. »Summerset hat Recht. Ich bin für die Rolle der Ehefrau von Roarke nicht geschaffen.«

»Trotzdem bist du meine Frau.«

»Was jedoch nicht heißt, dass ich meine Sache besonders gut mache. Ich habe dich im Stich gelassen. Ich hätte -« Sie hörte auf zu sprechen, denn plötzlich lag sein Mund auf ihren Lippen und löste durch seine besitzergreifende Wärme die Verspannung in ihrem Nacken auf wundersame Weise auf. Ohne sich dessen bewusst zu sein, schlang sie ihm die Arme um den Hals und klammerte sich an ihm fest.

»So«, murmelte er zufrieden. »So ist es schon besser. Bei dem Essen heute Abend ging es um mein Geschäft.« Er hob ihr Kinn und strich mit einem Finger über das dort platzierte Grübchen. »Um meinen Job. Du hast deinen eigenen Job, den du nicht vernachlässigen kannst.«

»Trotzdem war das Essen heute Abend wichtig. Schließlich ging es um irgendeine bedeutende Fusion.«

»Mit Scottoline - wobei es sich eher um eine Übernahme handelt, die, obwohl wir während des Essens auf deine angenehme Gegenwart verzichten mussten, sicher bis Mitte nächster Woche abgeschlossen ist. Trotzdem hättest du anrufen können. Ich habe mir nämlich ernste Sorgen um dich gemacht.«

»Ich habe es vergessen. Ich kann nicht immer daran denken. Ich bin das nicht gewohnt.« Sie stopfte die Hände in die Hosentaschen und stapfte in der Eingangshalle auf und ab. »Ich bin es einfach nicht gewohnt. Jedes Mal, wenn ich denke, ich hätte mich daran gewöhnt, merke ich, dass das nicht stimmt. Wie zum Beispiel eben, als ich mit all diesen megareichen Leuten zusammengetroffen bin und ausgesehen habe, als käme ich direkt aus der Gosse.«

»Ganz und gar nicht. Du siehst aus wie eine Polizistin. Ich glaube, mehrere unserer Gäste waren ziemlich beeindruckt von der Waffe, die unter deiner Jacke hervorgelugt hat, und von den Blutflecken auf deiner Jeans. Ich nehme an, sie stammen nicht von dir?«

»Nein.« Plötzlich konnte sie nicht mehr stehen. Sie wandte sich zur Treppe, setzte sich erschöpft auf eine Stufe und vergrub den Kopf zwischen den Händen.

Er setzte sich neben sie, legte einen Arm um ihre Schulter und erklärte leise: »Es war offenbar sehr schlimm.«

»Man kann fast regelmäßig sagen, man hätte schon ebenso Schlimmes oder gar Schlimmeres gesehen. Und meistens ist das wahr. Heute aber nicht.« Immer noch hatte sich ihr Magen nicht vollständig beruhigt. »Nie zuvor in meinem Leben habe ich etwas so Furchtbares erlebt.«

Er wusste, womit sie lebte, hatte bereits vieles davon mit eigenen Augen gesehen. »Willst du mir davon erzählen?«

»Nein, gütiger Himmel, nein. Ich will in den nächsten Stunden nicht mal daran denken.«

»Dabei kann ich dir helfen.«

Zum ersten Mal seit Stunden verzog sie den Mund zu einem Lächeln. »Ich wette, dass du das kannst.«

»Am besten fangen wir so an.« Er erhob sich und zog sie sanft auf seine Arme.

»Du brauchst mich nicht zu tragen. Ich kann durchaus noch alleine gehen.«

Er setzte sich grinsend in Bewegung. »Vielleicht fühle ich mich dadurch ja besonders männlich.«

»Wenn das so ist…« Sie schlang ihm die Arme um den Hals und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. Es war ein gutes, nein, ein herrliches Gefühl. »Ist das Mindeste, was ich als Wiedergutmachung für die vermasselte Dinnerparty leisten kann, dich in deinem Männlichkeitsbestreben zu bestärken.«

»Jawohl, das Mindeste«, pflichtete er ihr bei.

2

Als sie schweißgebadet erwachte, blinzelte sie durch das Oberlicht über dem Bett in den noch nächtlich schwarzen Himmel. Die Bilder aus ihrem Traum waren unscharf und verschwommen. Froh, ihnen durch das Aufwachen entkommen zu sein, vermied Eve, gedanklich noch einmal auf den Alptraum einzugehen.

Da sie alleine in dem breiten Bett lag, gestattete sie sich einen kurzen Schauder, ehe sie gedämpftes Licht befahl und erleichtert seufzte, als die Dunkelheit verschwand. Sie lehnte sich zurück gegen das Kissen und schaute auf die Uhr.

Fünf Uhr fünfzehn. Super, dachte sie, da sie wusste, dass sie unmöglich weiterschlafen könnte, solange Roarke nicht da war, um die schlimmen Träume zu vertreiben. Sie fragte sich, ob es ihr wohl jemals nicht mehr peinlich wäre, dass sie ihn derart brauchte. Noch vor einem Jahr hatte sie nicht einmal gewusst, dass er existierte. Nun jedoch war er so sehr ein Teil ihres Lebens wie ihre eigenen Hände. Und wie ihr eigenes Herz.

Sie stieg müde aus dem Bett, schnappte sich einen der Seidenmorgenröcke, die Roarke ihr ständig kaufte, hüllte sich darin ein, trat vor das elektronische Wandpaneel und fragte: »Wo ist Roarke?«

Am Pool in der unteren Etage.

Ein paar Runden zu schwimmen wäre keine schlechte Idee. Allerdings müsste sie sich erst etwas bewegen, um die Steifheit und die Reste des Alptraums zu vertreiben.

Um Summerset nicht zu begegnen, nahm sie statt der Treppen vorsichtshalber den Lift. Der Mann war einfach überall, glitt lautlos aus irgendwelchen Schatten, stets bereit, die Stirn zu runzeln oder erbost zu schnauben, sobald er sie nur sah. Und eine Fortsetzung der Streiterei vom Vorabend wäre sicher nicht der angenehmste Weg den Tag zu beginnen, dachte sie knurrig.

In Roarkes Fitness-Studio gab es alles, was das Herz begehrte. Sie könnte mit einem Droiden boxen, freihändig Gewichte stemmen oder sich einfach auf den Rücken legen und die gesamte Arbeit irgendwelchen Maschinen überlassen. Sie legte den Morgenmantel ab und schlüpfte in einen eng sitzenden schwarzen Anzug. Sie wollte laufen, möglichst weit, und nachdem sie ein Paar bequeme Schuhe angezogen hatte, programmierte sie das Videogerät auf Strand.

Außer in der Stadt fühlte sie sich nur am Strand vollkommen daheim. All die ländlichen Gegenden und Wüstenlandschaften, die extraterrestrischen Szenarien, die das Gerät zu bieten hatte, riefen ein vages Unbehagen in ihr wach.

Sie begann mit einem leichten Trab. Die blauen Wellen schlugen leise plätschernd auf den Sand, am Horizont ging langsam die Morgensonne auf, Möwen zogen kreischend ihre Kreise am leuchtend blauen Himmel und sie sog begierig die Salzluft der Tropen in sich ein. Als ihre Muskeln geschmeidiger und wärmer wurden, lief sie etwas schneller.

Noch vor Ende der ersten Meile hatte sie ihr normales Lauftempo erreicht und ließ ihre Gedanken schweifen. Zusammen mit Roarke hatte sie inzwischen mehrere Male sowohl in Wirklichkeit als auch holographisch an diesem Strand gelegen. Vorher war der Hudson das größte Gewässer gewesen, dessen sie je persönlich ansichtig geworden war.

Ein Leben konnte sich verändern, dachte sie. Ebenso wie die Realität.

Nach vier Meilen, als ihre Muskeln anfingen, leicht zu schmerzen, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung in der Ecke des Raumes war. Mit vom Schwimmen feuchten Haaren stellte sich Roarke neben sie und passte sein Tempo an das ihre an.

»Läufst du irgendwohin oder vor irgendwas davon?«, wollte er wissen.

»Ich laufe einfach so.«

»Du bist früh auf den Beinen, Lieutenant.«

»Ich habe jede Menge zu tun.«

Als sie ihr Tempo steigerte, zog er eine Braue in die Höhe. Seine Frau besaß einen gesunden Sportsgeist, dachte er und passte sich erneut problemlos an die neue Geschwindigkeit an. »Ich dachte, du hast frei.«

»Das dachte ich auch.« Sie wurde langsamer, blieb stehen und beugte sich nach vorn. »Aber daraus wird nichts werden.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. Inzwischen war es nicht mehr nur ihr Leben und ihre Realität, erinnerte sie sich, inzwischen waren sie zu zweit. »Ich nehme an, du hattest irgendwelche Pläne?«

»Nichts, was nicht ein wenig warten könnte.« Der Besuch auf Martinique, mit dem er sie hatte überraschen wollen, fände halt einfach an einem anderen Wochenende statt. »Ich habe in den nächsten achtundvierzig Stunden keinerlei Termine, falls ich also etwas für dich tun kann…«

Sie seufzte leise auf. Auch dies war eine Veränderung in ihrem Leben. Früher hatte sie ihre Arbeit mit niemandem geteilt. »Vielleicht. Aber erst möchte ich ein paar Runden schwimmen.«

»Ich werde dich begleiten.«

»Ich dachte, du hast bereits geschwommen.«

»Zweimal kann nicht schaden.« Er strich mit dem Daumen über das Grübchen inmitten ihres Kinns. Von der Bewegung hatte sie rosige Wangen und eine vor Schweiß glänzende Haut. »Und schließlich ist das nicht verboten.« Er nahm ihre Hand und führte sie aus dem Fitnessraum hinüber in die nach Blumen duftende Luft des Schwimmbads.

Palmen und üppig blühende Ranken umgaben einen Pool im Stil einer Lagune, an dessen Rändern sich über Stufen aus blank polierten Steinen eine Reihe kleiner Wasserfälle in das Becken ergoss.

»Ich muss mir noch einen Badeanzug holen.«

Lächelnd streifte er die Träger ihres Laufanzugs von ihren Schultern. »Warum?« Seine schlanken Hände strichen über ihre Brüste und sie sah ihn fragend an.

»Was für eine Art von Wassersport hast du im Sinn?«

»Welche dir gefällt.« Er umfasste ihr Gesicht und küsste sie zärtlich mitten auf den Mund. »Ich liebe dich, Eve.«

»Ich weiß.« Sie schloss die Augen und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. »Es ist wirklich seltsam.«

Nackt wandte sie sich ab, tauchte in das dunkle Wasser und schwamm dicht über dem Boden. Als das Becken plötzlich in einem sanften hellen Blau erstrahlte, verzog sie den Mund zu einem Lächeln. Der Mann kannte ihre Stimmungen tatsächlich besser als sie selbst. Sie kraulte zwanzig Bahnen, drehte sich genüsslich auf den Rücken, streckte einen Arm aus und griff nach seiner Hand.

»Jetzt bin ich ziemlich entspannt.«

»Wirklich?«

»Ja, so entspannt, dass ich mich wahrscheinlich nicht mal gegen einen Perversen wehren könnte, der es auf mich abgesehen hätte.«

»Tja, dann.« Er umfasste ihre Taille und drehte sie zu sich herum.

»Tja, dann.« Sie schlang ihre Beine um seine schmale Hüfte und ließ sich willenlos treiben.

Als sich ihre beiden Münder trafen, schmolz auch noch der letzte Rest ihrer Anspannung. Sie fühlte sich locker und geschmeidig und war erfüllt von einem ruhigen, friedlichen Verlangen nach diesem wunderbaren Mann. Sie verwob ihre Finger mit der dichten, nassen Seide seiner Haare. Sein straffer Leib lag fest und kühl an ihrem Bauch und passte sich derart genau an ihre Formen an, dass sie darüber kaum noch Verwunderung empfand. Beinahe hätte sie geschnurrt, als seine Hände über ihren Körper strichen, wobei ein Hauch von Besitzgier in der Berührung lag.

Dann war sie unter Wasser, eng mit ihm verschlungen in jener schimmernd blauen Welt. Als er seine Lippen um einen ihrer starren Nippel schloss, begann sie, unfähig nach Luft zu ringen, zu erbeben. Und seine Finger waren an ihr, in ihr, trieben sie unbarmherzig immer weiter, bis sie, als sie kam, pfeilschnell in Richtung Wasseroberfläche schoss.

Orientierungslos, doch glücklich, rang sie erstickt nach Luft und spürte, wie sie zischend aus ihrer Lunge entwich, als sein geschickter Mund die Arbeit seiner Finger übernahm.

Genau einen derartigen Angriff auf alle ihre Sinne hatte sie sich gewünscht. Hatte sich gewünscht, seiner Gier nach ihrem Körper hilflos ausgeliefert zu sein. Dass er um ihr Verlangen wusste, dass er es verstand, dass er ihr gab, was sie so dringend brauchte, war ein Rätsel, dessen Ergründung ihr sicher niemals möglich war.

Sie ließ den Kopf gegen den Rand des Beckens sinken und aalte sich in dem Vergnügen, das er ihr bot.

Gemächlich wanderten seine straffen Lippen über ihren Bauch, ihren Torso, ihre Brüste bis hinauf zu der wild pochenden Ader an ihrem schlanken Hals.

»Du hast deine Atmung erstaunlich gut unter Kontrolle«, brachte sie mühsam hervor, ehe sie erneut erbebte, als er sich Zentimeter für Zentimeter vorsichtig in sie hineinschob. »Oh, Gott.«

Er sah ihr ins Gesicht, sah die Röte ihrer Wangen, sah das in ihren Augen aufflackernde Glück. Ihre zurückgestrichenen Haare ließen die Stirn völlig frei. Und ihr starrsinniger, allzu häufig viel zu ernster Mund zitterte für ihn. Er umfasste ihre Hüfte, hob sie ein wenig an und schob sich so weit in sie hinein, bis sie vor Wonne stöhnte.

Dann nagte er sanft an ihren Lippen und begann sich mit einer Langsamkeit in ihrem Innern zu bewegen, die sie beide quälte. »Eve, ich möchte, dass du kommst.«

Ihr klarer Blick wurde verschwommen und dann blind, sie rang erstickt nach Luft und atmete mit einem leisen Schluchzen wieder aus. Obgleich das Blut in seinen Adern kochte, bewegte er sich weiter schmerzlich langsam und schob die Erfüllung so lange hinaus, bis er statt des Schluchzens seinen Namen aus ihrem Mund vernahm.

Dann erst kam er selber, genüsslich, innig und rundum perfekt.

Sie hievte ihre Hände aus dem Wasser und umfasste seine Schultern. »Wenn du mich jetzt loslässt, gehe ich unter wie ein Stein.«

Mit einem schwachen Lachen presste er seine Lippen an die Seite ihres Halses, wo der Puls noch in schnellem Tempo schlug. »Dasselbe gilt für mich. Du solltest öfter so früh aufstehen.«

»Dann wäre es sicher bald um uns geschehen. Dass wir nicht ertrunken sind, ist das reinste Wunder.«

Er sog den Duft ihrer Haut und des warmen Wassers ein. »Vielleicht tun wir das ja noch.«

»Meinst du, wir schaffen es bis rüber zu den Stufen?«

»Wenn du es nicht eilig hast.«

Zentimeterweise schoben sie sich vorwärts und kletterten schließlich schwankend die Steintreppe zum Rand des Pools hinauf. »Kaffee«, bat Eve mit dünner Stimme und stolperte auf der Suche nach zwei dicken Frotteebademänteln durch den Raum.

Als sie, eingehüllt in einen Morgenmantel, den zweiten in den Händen, an den Pool zurückkam, tauchte die Sonne das geschwungene Fenster am Ende des Bades in ein blass goldenes Licht, und Roarke hatte bereits zwei Tassen schwarzen Kaffees beim AutoChef für sie bestellt.

»Hunger?«

Sie nippte an ihrem Kaffee und summte, angeregt vom Koffein, zufrieden vor sich hin. »Ich bin halb verhungert. Aber vorher will ich duschen.«

»Dann ab mit dir nach oben.«

Zurück im Schlafzimmer, trug Eve ihren Kaffee hinüber in die Dusche. Als Roarke hinter ihr in die Kabine trat, sah sie ihn mit zusammengekniffenen Augen drohend an. »Wenn du die Wassertemperatur absenkst, bist du ein toter Mann.«

»Kaltes Wasser öffnet die Poren und bringt das Blut in Wallung.«

»Dafür hast du bei mir bereits auf anderem Weg gesorgt.« Sie stellte ihre Tasse an die Seite und seifte sich unter dem dampfend heißen Wasser am ganzen Körper ein.

Sie war als Erste fertig, stieg schnell in den Trockner und schüttelte den Kopf, als Roarke das Wasser tatsächlich zehn Grad kälter werden ließ. Bereits der Gedanke ließ sie eine Gänsehaut bekommen.

Sie wusste, er wartete darauf, dass sie ihm von dem Fall erzählte, der sie von der Dinnerparty fern gehalten hatte und ihr heute ihren freien Tag nahm, und rechnete es ihm hoch an, dass er wartete, bis sie gemütlich auf dem Sofa Platz genommen hatte, vor sich eine zweite Tasse Kaffee sowie einen Teller mit einem Schinken-Käse-Omelett, das nur darauf wartete, dass sie es verschlang.

»Tut mir ehrlich Leid, dass ich gestern Abend nicht rechtzeitig daheim gewesen bin.«

Roarke schob sich ein Stück von seinem Buttermilchpfannkuchen in den Mund. »Muss ich mich von jetzt an auch jedes Mal entschuldigen, wenn ich durch Geschäfte davon abgehalten werde, etwas zu tun, was wir gemeinsam vorhatten?«

Sie öffnete den Mund, klappte ihn wieder zu und schüttelte den Kopf. »Nein. Die Sache war die: Ich war bereits auf halbem Weg zur Tür raus - ich hatte die Dinnerparty nicht vergessen - als plötzlich dieser Anruf für mich kam. Anonym. Wir konnten den Anrufer nicht finden.«

»Die Polizei hat wirklich erbärmliche Geräte.«

»So erbärmlich auch nicht«, murmelte sie verschämt. »Dieser Typ ist ein echter Profi. Möglicherweise hättest sogar du Schwierigkeiten mit ihm gehabt.«

»Das ist eine Beleidigung.«

Unweigerlich musste sie grinsen. »Tja, eventuell kriegst du ja die Chance, dich zu beweisen. Da er mich persönlich angerufen hat, wäre es durchaus möglich, dass er mich auch hier zu Hause kontaktiert.«

Roarke legte seine Gabel an die Seite und griff nach seinem Kaffee, wobei keine dieser Gesten seine abrupte Anspannung verriet. »Persönlich?«

»Ja, er wollte mich persönlich. Hat mich erst mit irgendwelchem Blödsinn von einem religiösen Auftrag zugetextet. Dass er das Werk des Herrn vollbringt und dass der große Boss gern mit Rätseln spielt.« Sie spielte die Übertragung für ihn ab, beobachtete, wie er die Augen zusammenkniff und aufmerksam den Kopf hob. Roarke war echt flink, denn er presste sofort grimmig die Lippen aufeinander.

»Und ihr habt die Luxury Towers überprüft.«

»Genau, und zwar das Penthouse. Einen Teil des Opfers haben wir im Wohnzimmer gefunden, den Rest hatte der Kerl im Schlafzimmer drapiert.«

Sie schob ihren Teller an die Seite, stand auf und raufte sich die Haare. »Es war schlimmer als alles, was ich bisher gesehen habe. Es hat von einer solchen Bösartigkeit gezeugt. Es sollte hässlich sein, es lag nicht nur an einem Mangel an Beherrschung. Der Großteil der Arbeit wurde präzise, wie von einem Chirurgen, durchgeführt. Dem vorläufigen Bericht des Pathologen zufolge wurde das Opfer während des Großteils der Verstümmelung am Leben erhalten. Er hat es mit Drogen voll gepumpt - genug, um es bei Bewusstsein zu erhalten, ohne jedoch die Schmerzen zu dämpfen. Und glaub mir, die Schmerzen müssen unaussprechlich gewesen sein. Selbst die Eingeweide sind ihm aus dem Leib gerissen worden.«

»Gütiger Jesus.« Roarke atmete hörbar aus. »Das ist eine alte Strafe für politische und religiöse Verbrechen. Ein schleichender und grauenhafter Tod.«

»Und ein verdammt schmutziger«, fügte Eve hinzu. »Eine Hand und beide Füße waren amputiert. Er hat immer noch gelebt, als ihm das rechte Auge rausgeschnitten wurde. Es war der einzige Körperteil von ihm, den wir nicht am Tatort aufgefunden haben.«

»Wirklich reizend.« Obgleich er einen starken Magen hatte, hatte Roarke den Appetit auf die Pfannkuchen verloren. Er stand auf und trat entschieden vor den Schrank. »Auge um Auge…«

»Dabei geht es um Rache, oder? Das ist aus irgendeinem Drama.«

»Aus der Bibel, Liebling. Dem größten aller Dramen.« Er nahm eine frisch gebügelte Hose von dem drehbaren Ständer.

»Damit wären wir abermals bei Gott. Okay, es geht also um Rache. Vielleicht ist es eine religiöse Sache, vielleicht aber auch nur eine persönliche. Könnte sein, dass wir bei der Überprüfung des Opfers auf ein mögliches Motiv stoßen. Ich habe eine Informationssperre verhängt, bis wenigstens seine Familie informiert ist.«

Roarke stieg in die Hose und griff nach einem schlichten weißen Hemd. »Kinder?«

»Drei.«

»Du hast tatsächlich einen elenden Beruf, Lieutenant.«

»Das ist der Grund, weshalb ich ihn so liebe.« Trotz dieser Worte fuhr sie sich mit den Händen durchs Gesicht. »Wahrscheinlich sind seine Frau und seine Kinder zurzeit in Irland. Ich muss sie dort heute noch finden.«

»In Irland?«

»Hmm. Sieht aus, als ob das Opfer ein ehemaliger Landsmann von dir war. Ich glaube nicht, dass du einen Thomas X. Brennen gekannt hast, oder?« Ihr halbes Lächeln schwand, als Roarke sie wie hypnotisiert ansah. »Du hast ihn gekannt. Das hätte ich niemals erwartet.«

»Anfang vierzig?«, fragte er tonlos. »Ungefähr eins fünfundsiebzig, sandfarbenes Haar?«

»Klingt, als könnte es passen. Hat sein Geld mit Entertainment und Kommunikation verdient.«

»Tommy Brennen.« Das Hemd noch in der Hand, nahm Roarke auf der Lehne eines Sessels Platz. »Verdammt.«

»Tut mir Leid. Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass er vielleicht ein Freund von dir gewesen ist.«

»War er auch nicht.« Roarke schüttelte den Kopf. »Zumindest nicht mehr in den letzten zehn Jahren. Ich kannte ihn aus Dublin. Er hat sich mit Computerbetrügereien über Wasser gehalten, während ich eher auf andere Methoden spezialisiert war. Ab und zu sind wir uns über den Weg gelaufen, haben ein paar kleine Geschäfte zusammen gemacht, ein paar Bier miteinander getrunken. Vor ungefähr zwölf Jahren hat Tommy eine junge Frau aus guter Familie kennen gelernt. Brave katholische Iren. Er hat sich bis über beide Ohren in sie verliebt und beschlossen, von heute auf morgen anständig zu werden. Und zwar durch und durch«, fügte Roarke mit einem schiefen Grinsen hinzu. »Er hat sämtliche Beziehungen zu den weniger… ehrenwerten Freunden abgebrochen. Ich wusste, dass er geschäftlich hier in New York zu tun hatte, aber wir sind einander aus dem Weg gegangen. Ich glaube, seine Frau hat keine Ahnung davon, womit er sich früher über Wasser gehalten hat.«

Eve ließ sich auf die zweite Sessellehne sinken. »Womöglich ist ja eins dieser früheren Geschäfte oder einer dieser weniger ehrenwerten Freunde verantwortlich für seinen Tod. Roarke, ich werde der Sache nachgehen, und wenn ich das tue, wie viel von dir werde ich dabei finden?«

Für ihn war diese Frage eine geringfügige Belastung, doch er wusste, für sie war es viel mehr. »Keine Sorge, Lieutenant, ich habe meine Spuren schon immer gut verwischt. Und, wie gesagt, wir waren keine engen Freunde. Ich habe seit Jahren keinen Kontakt zu ihm gehabt. Aber ich kann mich gut an ihn erinnern. Er hatte eine schöne Tenorstimme«, murmelte Roarke beinahe versonnen. »Ein angenehmes Lachen, einen wachen Geist und ewig die Sehnsucht nach einer richtigen Familie. Er hatte schnelle Fäuste, hat aber, soweit ich mich entsinne, Ärger nie gesucht.«

»Ob er ihn gesucht hat oder nicht, er hat ihn gefunden. Weißt du, wo ich seine Familie finden kann?«

Er schüttelte den Kopf, wobei er sich jedoch bereitwillig erhob. »Aber ich kann dir diese Information innerhalb kurzer Zeit besorgen.«

»Das wäre mir eine echte Hilfe.« Als er sich in sein elegantes Hemd warf, stand auch sie entschieden wieder auf.

»Roarke, was auch immer Thomas Brennen für dich war, tut es mir Leid, dass du ihn auf diesem Weg verloren hast.«

»Vielleicht war er ein Teil meiner Jugend. Wie ein Lied an einem regnerischen Abend in einem verrauchten Pub. Es tut mir auch Leid. Du findest mich in meinem Arbeitszimmer. Gib mir zehn Minuten Zeit.«

»Klar.«

Eve ließ sich beim Anziehen Zeit. Sie hatte das Gefühl, dass Roarke länger als zehn Minuten brauchen würde. Nicht, um die von ihr gewünschten Informationen zu bekommen. Mit seiner Ausrüstung und seinem Talent hätte er sie bestimmt in der halben Zeit gefunden. Doch sie dachte, dass er einen Moment bräuchte, um den Verlust des Liedes in dem rauchigen Pub halbwegs zu verarbeiten.

Sie selbst hatte noch nie einen ihr auch nur ansatzweise nahe stehenden Menschen verloren. Vielleicht, überlegte sie, lag es daran, dass sie vorsichtshalber nur sehr wenige nahe genug an sich herangelassen hatte, um ihr wirklich wichtig zu sein. Dann hatte sie Roarke getroffen und keine Wahl gehabt. Er hatte sie auf subtile, elegante Art erobert. Und jetzt… sie strich mit dem Daumen über den goldenen Ehering an ihrem Finger. Jetzt gab es einen Menschen, der so wichtig für sie war wie ihr eigenes Leben.

Dieses Mal nahm sie die Treppe und schlenderte durch die breiten Gänge des großen, wunderschönen Hauses. Sie brauchte an seinem Arbeitszimmer nicht zu klopfen, tat es aber trotzdem und wartete geduldig, bis die Tür lautlos zur Seite glitt.

Durch die offenen Jalousien fiel das schwache Licht der winterlichen Sonne in den Raum. Der graue Himmel zeigte, dass die Regenphase noch nicht zur Gänze abgeschlossen war. Statt hinter der modernen Konsole seines Computers saß Roarke hinter dem antiken Schreibtisch aus edel schimmerndem Holz. Ihre Schritte wurden durch die kostbaren alten Teppiche, die er von seinen Reisen mitgebracht hatte, gedämpft.

Sie steckte die Hände in die Taschen. Inzwischen hatte sie sich beinahe an die Pracht gewöhnt, in der sie mit ihm lebte, doch sie hatte keine Ahnung, wie mit der Trauer und dem stummen Elend ihres Mannes umzugehen war.

»Hör zu, Roarke -«

»Ich habe dir die Informationen ausgedruckt.« Er schob ein Blatt über den Tisch. »Ich dachte, so wäre es am einfachsten für dich. Seine Frau und Kinder sind momentan in Dublin. Die Kinder sind noch klein, zwei Jungen und ein Mädchen. Neun, acht und sechs.«

Zu rastlos, um zu sitzen, erhob er sich von seinem Stuhl, trat vor eins der Fenster und blickte reglos auf das ruhige, in gedämpftem Licht vor ihm aufragende New York. Er hatte auch Fotos von Brennens Familie ausgedruckt - eine hübsche Frau mit fröhlich blitzenden Augen, drei rotwangige Kinder - und der Anblick der Bilder hatte ihn stärker erschüttert als erwartet.

»Finanziell sind sie abgesichert«, sagte er beinahe zu sich selbst. »Dafür hat Tommy gesorgt. Anscheinend war er ein sehr guter Ehemann und Vater.«

Sie durchquerte das Zimmer, hob eine Hand und ließ sie wieder sinken. Verdammt, sie hatte einfach keine Ahnung, wie sie reagieren sollte, dachte sie frustriert. Sie hatte keine Ahnung, ob er ihren Trost willkommen heißen würde oder nicht. »Ich weiß einfach nicht, was ich für dich tun kann«, sagte sie am Ende.

Als er zu ihr herumfuhr, blitzte in seinen leuchtend blauen Augen neben Trauer glühend heißer Zorn. »Finde den, der ihm das angetan hat. Ich denke, ich kann darauf vertrauen, dass dir das gelingt.«

»Ja, das kannst du.«

Bei dieser Antwort verzog er den Mund zu einem schmalen Lächeln. »Lieutenant Dallas steht wie immer für die Toten ein.« Er strich mit einer Hand über ihr Haar und sah ihr, als sie sie abfing, fragend ins Gesicht.

»Du wirst diese Sache mir überlassen, Roarke.«

»Habe ich etwas anderes gesagt?«

»Es ist das, was du nicht gesagt hast, was mir Sorgen macht.« Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er seine eigenen Wege, seine eigenen Mittel und wahrscheinlich seinen eigenen Zeitplan hätte. »Falls du die Absicht hast, die Sache selber in die Hand zu nehmen, vergiss es. Das ist ganz alleine mein Fall und ich führe die Untersuchung auf meine Art und Weise durch.«

Er strich in einer Weise mit den Händen über ihre Arme, dass sie ihn argwöhnisch ansah. »Natürlich. Aber du hältst mich bitte auf dem Laufenden. Und du weißt, dass du, wenn du es wünschst, jede erdenkliche Hilfe von mir bekommst.«

»Ich denke, dass ich es auch alleine schaffen werde. Und ich denke, es wäre das Beste, wenn du dich aus dieser Sache so weit wie möglich, oder besser noch vollkommen, raushältst.«

Er küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze und erklärte beinahe fröhlich: »Das tue ich ganz sicher nicht.«

»Roarke -«

»Wäre es dir lieber, ich würde dich belügen?« Während sie frustriert stöhnte, griff er nach dem Ausdruck und drückte ihn ihr in die Hand. »Mach dich an die Arbeit. Ich werde währenddessen ein paar Telefongespräche führen. Ich schätze, dass ich bis Ende des Tages eine komplette Liste von Tommys Geschäftspartnern, seinen Feinden, seinen Freunden, seinen Geliebten, seinen Finanzen und so weiter aufgestellt haben müsste.« Während er sprach, führte er sie bereits in Richtung Tür. »Die Sammlung dieser Daten ist für mich ganz sicher leichter als für dich, und sie sind bestimmt wichtig, wenn du dir ein Bild von Brennen machen willst.«

Ehe er sie gänzlich durch die Tür schob, hielt sie noch kurz an. »Ich kann dich nicht daran hindern, Informationen in dem Fall zu sammeln. Aber tanz ansonsten ja nicht aus der Reihe, Kumpel. Keinen Zentimeter.«

»Du weißt, wie es mich erregt, wenn du derart streng bist.«

Sie unterdrückte ein Lachen, bedachte ihn mit einem möglichst bösen Blick, murmelte: »Ach, halt die Klappe«, stopfte erneut die Hände in die Hosentaschen und schlenderte davon.