Mörderstunde - J.D. Robb - E-Book
SONDERANGEBOT

Mörderstunde E-Book

J.D. Robb

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Drei spannende Fälle für Eve Dallas!

Die Tote im Mondschein
Als das berühmt-berüchtigte It-Girl Tiara Kent tot in ihrem schicken Apartment in Manhattan aufgefunden wird, sieht alles nach einem Vampirangriff aus. Nur Eve Dallas glaubt nicht an solche Märchen. Als ihre Kollegen sich mit Knoblauch ausstatten und immer hysterischer werden, weiß sie: Schnelles Handeln ist angesagt!

Nasses Grab
Eve Dallas ermittelt im Fall einer verschwundenen Frau, die zuletzt auf einer Fähre gesehen wurde. Und schon bald stellt sich die Frage: Wenn sie nicht selbst gesprungen ist – aber auch nicht mehr an Bord, wo in aller Welt könnte sie dann sein?

Mörderstunde
Als ein nackter Mann blutüberströmt mit einem Messer in der Hand in eine High-Society-Party platzt und mutmaßt, dass er einen Mord begangen haben könnte, übernimmt Eve Dallas den Fall. Alles sieht nach einem satanistischen Ritual aus, doch Eve glaubt nicht an den Teufel …

Schnell ermittelt, rasant erzählt: Weitere Fälle für Eve Dallas und ihr Team finden Sie auch in »Mörderlied« und »Mörderspiele«!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 482

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Eve Dallas steht in den Kurzromanen Die Tote im Mondschein, Nasses Grab und Mörderstunde wieder vor der Herausforderung, die Straßen von New York sicherer zu machen und die Bewohner des Big Apple vor gefährlichen Killern zu beschützen.

Die Tote im Mondschein

Als das berühmt-berüchtigte It-Girl Tiara Kent tot in ihrem schicken Apartment in Manhattan aufgefunden wird, sieht alles nach einem Vampirangriff aus. Nur Eve Dallas glaubt nicht an solche Märchen. Als ihre Kollegen sich mit Knoblauch ausstatten und immer hysterischer werden, weiß sie: Schnelles Handeln ist angesagt!

Mörderstunde

Als ein nackter Mann blutüberströmt mit einem Messer in der Hand in eine High-Society-Party platzt und mutmaßt, dass er einen Mord begangen haben könnte, übernimmt Eve Dallas den Fall. Alles sieht nach einem satanistischen Ritual aus, doch Eve glaubt nicht an den Teufel …

Nasses Grab

Eve Dallas ermittelt im Fall einer verschwundenen Frau, die zuletzt auf einer Fähre gesehen wurde. Und schon bald stellt sich die Frage: Wenn sie nicht selbst gesprungen ist – aber auch nicht mehr an Bord, wo in aller Welt könnte sie dann sein?

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren erfolgreich Kriminalromane.

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse · Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Der Kuss des Killers · Mord ist ihre Leidenschaft · Liebesnacht mit einem Mörder · Der Tod ist mein · Ein feuriger Verehrer · Spiel mit dem Mörder · Sündige Rache · Symphonie des Todes · Das Lächeln des Killers · Einladung zum Mord · Tödliche Unschuld · Der Hauch des Bösen · Das Herz des Mörders · Im Tod vereint · Tanz mit dem Tod · In den Armen der Nacht · Stich ins Herz · Stirb, Schätzchen, stirb · In Liebe und Tod · Sanft kommt der Tod · Mörderische Sehnsucht · Ein sündiges Alibi · Im Namen des Todes · Tödliche Verehrung · Süßer Ruf des Todes · Sündiges Spiel · Mörderische Hingabe · Verrat aus Leidenschaft · In Rache entflammt · Tödlicher Ruhm · Verführerische Täuschung · Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas · Mörderstunde. Drei Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb

Ein gefährliches Geschenk

J. D. Robb

Mörderstunde

Drei Fälle für Eve Dallas

Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgaben der Kurzromane erschienen 2007, 2008 und 2009unter den Titeln »Eternity in Death«, »Ritual in Death« und »Missing in Death« bei Jove Books, The Berkley Publishing Groop, a member of Penguin Group (USA) Inc., New York.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © der Originalausgaben 2007, 2008, 2009 by Nora RobertsPublished by Arrangement with Eleanor WilderDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarischen Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabeby Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Regine KirtschigUmschlaggestaltung: www.buerosued.deUmschlagabbildung: Hanka Steidle/Arcangel ImagesLH · Herstellung: samSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad AiblingISBN: 978-3-641-22760-9V002
www.blanvalet.de

Die Tote im Mondschein

Die Sonne sinkt, die Sterne glüh’n,die Nacht kommt stracks heran.

Coleridge, Der alte Matrose

Was bist du, und woher, verfluchtes Ding?

John Milton, Das verlorene Paradies

Prolog

Der Tod beendete die Party ein für alle Mal. Wobei nach Meinung von Tiara das, was vorher kam, noch deutlich schlimmer war. Altern war für sie das wahre Grauen. Der Verlust der Jugend und der Schönheit, das Erschlaffen des Körpers, und dass kaum noch jemand wüsste, wer sie war. Wer zum Teufel wollte schon mit einer runzeligen Oma in die Kiste steigen oder auch nur wissen, was so eine alte Schachtel anzog, wenn sie einen angesagten neuen Club besuchte, oder was sie auszog, wenn sie in Südfrankreich am Strand oder am Pool der eigenen Villa in der Sonne lag?

Das interessierte doch kein Schwein.

Deshalb hatte es sie fasziniert, als er behauptet hatte, dass der Tod, wenn man es richtig machte, erst der Anfang war. Sie war so aufgekratzt wie nie zuvor. Für sie ergab es durchaus einen Sinn, dass auch Unsterblichkeit für die, die sie sich leisten konnten, käuflich war. In ihrem Leben konnte sie bisher noch alles, was sie jemals haben wollte, kaufen, und ewiges Leben schien genauso eine Ware wie ihr Penthouse in New York und ihre Villa an der Côte d’Azur zu sein.

Wobei Unsterblichkeit erheblich interessanter und bei Weitem nicht so langweilig wie eine neue Wohnung oder ein paar neue Diamantohrringe war.

Mit dreiundzwanzig Jahren stand sie in der Blüte ihres Lebens. Sie befand sich in einer rundherum verspiegelten Kabine im Ankleidezimmer ihrer Wohnung, musterte zufrieden den festen, straffen Leib und schüttelte mit einer sorgsam einstudierten Geste die dichte blonde Mähne aus.

Sie war perfekt.

Und diese Perfektion würde sie sich mit seiner Hilfe dauerhaft bewahren.

Sie trat aus der Kabine, ließ die Spiegeltüren aber offen stehen, um sich selbst beim Anziehen zuzusehen. Für den besonderen Anlass hatte sie ein kurzes, enges, beinah durchsichtiges rotes Kleid mit einem Pfauenaugensaum, der bei jeder noch so winzigen Bewegung schimmerte und glitzerte, gewählt. Farblich passend zu den Pfauenaugen, trug sie Tropfen aus Saphiren und Smaragden in den Ohren, ihre Kette mit dem blauen Diamanten und an beiden Handgelenken dicht mit funkelnden Juwelen besetzte Reife, deren Breite ihre schlanken Arme vorteilhaft zur Geltung kommen ließ.

Sie verzog den wohlgeformten, farblich passend zu dem Kleid geschminkten Mund zu einem selbstzufriedenen, stolzen Lächeln und verließ den Raum.

Später, nach dem Akt, würde sie was Witzigeres anziehen und feiern gehen.

Nur eines tat ihr leid. Dass die Erweckung hier stattfinden müsste statt im Club. Ihr Geliebter hatte ihr versichert, dass die hässliche Geschichte nicht stimmte, dass man sich begraben lassen müsste, um danach aus irgendeinem widerlichen Sarg zu steigen. Das war nur eine Erfindung irgendwelcher billigen Romane oder schlechter Filme. In Wahrheit liefen diese Dinge wesentlich zivilisierter ab, als es in Büchern und im Fernsehen behauptet wurde.

Eine Stunde nach dem sinnlichen, vor allem aber geilen Ritual würde sie in ihrem eigenen Bett erwachen und wäre für alle Zeiten jung, stark und wunderschön.

Von nun an würde sie erklären, dass sie am 18. April 2060 auf die Welt gekommen war.

Das Einzige, was sie dafür berappen müsste, wäre ihre Seele. Und die war ihr vollkommen egal.

Sie schlenderte ins Schlafzimmer, das gerade erst in ihren neuen Lieblingstönen blau und grün gestrichen worden war. Ihre Minibulldogge lag schnarchend auf dem baldachinbewehrten Hundebett, das eine winzig Kopie ihrer eigenen Schlafstatt war.

Sie wünschte sich, sie könnte Biddy ebenfalls Unsterblichkeit bescheren, denn schließlich liebte sie ihn fast so sehr wie sich selbst. Doch sie hatte ihrem kleinen Schatz ein Schlafmittel gegeben, wie es ihr befohlen worden war, denn schließlich dürfte er das Ritual nicht stören.

Jetzt schaltete sie wie angewiesen die Kameras in ihrem privaten Fahrstuhl und am Eingang ihrer Wohnung aus und zündete die dreizehn weißen Kerzen in dem Raum, in dem sie sich erwecken lassen wollte, an.

Dann schenkte sie den Trank, den er ihr mitgegeben hatte, in ein Glas aus kostbarem Kristall, hob es an den Mund und leerte es in einem Zug. Bald wäre es so weit, sagte sie sich und legte sich aufs Bett. Er würde lautlos in die Wohnung kommen, sie hier finden und sie nehmen.

Schon die Vorstellung machte sie heiß.

Er würde sie zum Schreien und zum Orgasmus bringen, sobald sie schreiend käme, gäbe er ihr den versprochenen letzten, endgültigen Kuss.

Tiara glitt mit ihren Fingern über den Hals und hatte das Gefühl, als könnte sie den Biss schon spüren.

Sie würde sterben, dachte sie und glitt in der Erwartung, dass er jeden Augenblick erschiene, mit den Händen über ihre Brüste und den straffen Bauch. War das nicht obermegageil? Sie würde sanft entschlafen, wiederauferstehen und unsterblich sein.

1

Das Zimmer roch nach Kerzenwachs und Tod. Die inzwischen abgebrannten Kerzen in den protzigen, juwelenbesetzten Ständern hatten weiße Pfützen auf dem Boden hinterlassen, und die Tote lag inmitten einer Unzahl blutbefleckter Kissen auf dem riesigen, mit einem Seidenbaldachin bedachten Bett.

Sie war jung und blond mit einem leuchtend roten, bis zur Hüfte hochgeschobenen Kleid und starrte sie aus aufgerissenen, schillernd grünen Augen an.

Lieutenant Eve Dallas schaute sich die Leiche an und fragte sich, ob Tiara Kent wohl ihren Mörder ebenfalls mit großen Augen angesehen hatte, während sie gestorben war.

Sie hatte ihn auf jeden Fall gekannt, denn es gab keine Einbruchsspuren, die Überwachungskameras in Tür und Fahrstuhl hatte sie anscheinend selbst innerhalb der Wohnung abgestellt. Es gab auch keine Spuren eines Kampfs. Obwohl Eve fast sicher davon ausging, dass es zu Geschlechtsverkehr gekommen war, glaubte sie nicht, dass Tiara vergewaltigt worden war.

Auf alle Fälle hatte sie sich nicht gewehrt, bemerkte Eve. Nicht einmal, als sie ausgeblutet war.

»Die einzig sichtbaren Verletzungen sind zwei punktförmige Wunden links am Hals«, sprach Eve in den Rekorder, der am Aufschlag ihrer Jacke klemmte, griff nach einer von Tiaras Händen und sah sich die makellos gefeilten, sorgfältig lackierten Fingernägel an. »Ziehen Sie Tüten über ihre Hände«, bat sie ihre Partnerin. »Vielleicht hat sie ihn ja gekratzt.«

»Auf dem Bett ist längst nicht so viel Blut, wie sie verloren haben muss.« Detective Delia Peabody hob eine Hand vor ihren Mund und räusperte sich kurz. »Wissen Sie, wie diese Wunden aussehen? Wie Bissspuren. Von, ah, Reißzähnen.«

Eve bedachte Peabody mit einem ungläubigen Blick. »Sie denken, dass der dicke, kleine Köter, der jetzt mit der Angestellten drüben in der Küche hockt, ihr in den Hals gebissen hat?«

»Nein.« Peabody sah mit großen dunklen Augen auf die tote Frau. »Also bitte, Dallas, wonach sieht das für Sie aus?«

»Nach einer toten Frau. Nach einem Date, das schiefgelaufen ist. Wahrscheinlich hat sie was eingeworfen und war deshalb entweder benommen oder total aufgedreht, als ihr der Mörder etwas in den Hals gerammt, oder, okay, ihr meinetwegen in den Hals gebissen hat, falls er sich die Zähne vorher hat feilen lassen oder ein Gebiss getragen hat. Dann hat sie dort einfach auf dem Bett gelegen und sich nicht im Mindesten gewehrt, als er sie ausgesaugt hat.«

»Ich finde einfach, dass es aussieht wie der klassische Vampirbiss.«

»Dann holen wir uns eben einen Haftbefehl für Dracula, versuchen aber trotzdem, nebenher noch rauszufinden, ob sie vielleicht doch etwas mit einem Typen hatte, der einen menschlichen Herzschlag hat.«

»Ich mein’ ja nur«, erklärte Peabody gedämpft.

Nach einem letzten Blick durchs Schlafzimmer zog Eve die Tür des Nebenzimmers auf. Es war ein großer Raum mit einem Überwachungsbildschirm, einem Fernseher, einer Kabine voller Spiegel, Kleiderständern und Regalen bestückt, in denen ordentlich sortiert augenscheinlich mehr Klamotten hingen und lagen als in einem der Geschäfte, wo es dieses Zeug zu kaufen gab.

Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah sich mit großen Augen um. Die Sachen dieser einen Frau hätten wahrscheinlich mühelos gereicht, um die gesamte Upper West Side einzukleiden, und selbst wenn Tiara allen Männern, Frauen, Kindern dieser Gegend je ein Paar von ihren Schuhen überlassen hätte, hätte sie im Anschluss noch zwei Dutzend Paare für sich selbst gehabt. Sie toppte sogar Roarke, obwohl Eve bisher immer angenommen hatte, dass das Stilbewusstsein und die Menge an Garderobe, über die ihr Mann verfügte, nicht zu überbieten waren.

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich gedanklich wieder der Arbeit zu.

Dem verführerischen Kleid und den hochhackigen Schuhen zufolge hatte Tiara sich für ihren Mörder extra fein gemacht. Aber wo war dann ihr Schmuck? Wenn sie sich so aufgedonnert hatte, um den Kerl ins Bett zu locken, hatte sie sich doch bestimmt auch ein paar Klunker umgehängt.

Diese Klunker hatte wahrscheinlich ihr Killer eingesackt.

Die diversen Schränke und Kommoden unterhalb der Kleiderstangen und Regale waren verschlossen und mit Passwörtern gesichert. Offensichtlich hatte Tiara darin Wertsachen verwahrt, aber die Schranktüren wirkten völlig unversehrt.

Außerdem gab’s in der Wohnung jede Menge sicher kostbarer Skulpturen und Gemälde sowie teurer elektronischer Geräte, aber nichts wies darauf hin, dass irgendwelche Dinge mitgenommen worden waren.

Wenn er ein Dieb war, war er faul und ziemlich wählerisch.

Eve blieb kurz stehen. Sie war eine große, schlanke Frau in Stiefeln, Jeans und einer kurzen Lederjacke über einem weißen Hemd, mit kurz geschnittenem braunem Haar und einem schmalen Gesicht mit dunkelbraunen Augen, die sie nachdenklich zusammenkniff.

Sie blieb auch weiter reglos stehen, als Peabody in ihrem Rücken leise pfiff. »Aber hallo! Das sieht aus wie die Kulisse eines Films. So viel Zeug auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Und diese Schuhe. Oooh, ich fühle mich hier wie in einem Schuhgeschäft.«

»Mehrere hundert Paare«, stimmte Eve ihr zu. »Wobei sie auch nur ein Paar Füße hatte so wie jeder andere. Aber die Menschen können eben echt bescheuert sein. Fragen Sie den Leiter der Security des Hauses, ob er Aufzeichnungen von den Leuten hat, die in den letzten Wochen hier zu Gast waren. Ich spreche währenddessen mit dem Mädchen.«

Sie marschierte durch die Wohnung, die inzwischen wie in einem Mordfall üblich voller Polizisten, Techniker, Geräte und dem Lärm verschiedener Stimmen war, bis in den Frühstücksraum, in dem die Haushälterin mit verweinten Augen und dem kleinen, dicken Köter auf den Armen saß.

Eve sah argwöhnisch auf den Hund, bedeutete dann aber den Kollegen von der Trachtengruppe, sie allein zu lassen und trat vor die andere Frau.

»Ms. Cruz?«

Die Frau begann erneut zu schluchzen, woraufhin die Polizistin und der Hund genervte Blicke austauschten.

Eve nahm ihr gegenüber Platz und meinte streng: »Hören Sie auf zu heulen.«

Offenbar gewohnt, Befehle zu befolgen, stellte sie das Schluchzen sofort ein. »Ich bin einfach völlig durch den Wind«, erklärte sie. »Miss Tiara, die arme Miss Tiara …«

»Ja. Es tut mir wirklich leid. Wie lange haben Sie für sie gearbeitet?«

»Fünf Jahre.«

»Mir ist klar, das ist nicht leicht für Sie, aber ich habe ein paar Fragen, die mir helfen sollen rauszufinden, was genau hier letzte Nacht geschehen ist.«

»Ja.« Ms. Cruz griff sich ans Herz. »Fragen Sie mich alles, was Sie wollen. Alles, was Sie wollen.«

»Sie haben Schlüssel und den Zugangscode zur Wohnung?«

»Oh ja. Ich komme jeden Tag, um Miss Tiara zu versorgen, wenn sie zu Hause ist. Dreimal in der Woche komme ich zum Putzen, wenn sie nicht zu Hause ist.«

»Wer hat sonst noch Zugang zu der Wohnung?«

»Niemand. Nun, vielleicht Miss Daffy. Aber sicher bin ich nicht.«

»Miss Daffy?«

»Ja, Daffodil Wheats. Sie ist die beste Freundin von Miss Tiara, außer wenn sie streiten. Dann behauptet Miss Tiara immer, dass Miss Caramel viel netter als Miss Daffy ist.«

»Nehmen Sie mich mit diesen Namen auf den Arm?«

Die Haushälterin blinzelte verwirrt. »Oh nein, Ma’am.«

»Lieutenant«, korrigierte Eve. »Also gut, dann waren also diese Daffodil und diese Caramel mit Miss Kent befreundet. Wie sah’s mit Männern aus? Gab es irgendeinen Mann, mit dem sie öfter ausgegangen ist?«

»Sie ist mit vielen Männern ausgegangen. Sie war so lebendig, jung und wunderschön, dass …«

»Und mit wem war sie intim, Ms. Cruz?«, kam Eve dem Ausbruch frischer Tränen und der Fortsetzung der Lobrede zuvor. »Und zwar in letzter Zeit?«

»Bitte nennen Sie mich doch Estella«, bat die Frau. »Miss Tiara hatte Spaß an Männern, wie ich schon sagte, war sie jung und voller Energie. Ich kenne sie nicht alle – manche waren hier nur für eine Nacht, andere kamen öfter her. Aber ich glaube, dass es in den letzten ein, zwei Wochen nur noch einen für sie gab.«

»Und wen?«

»Das weiß ich nicht. Er war immer schon wieder weg, wenn ich zur Arbeit kam. Aber ich konnte sehen, dass sie wieder mal verliebt war, denn sie hat viel mehr gelacht, ist durchs Wohnzimmer getanzt und …« Estella kämpfte kurz mit ihrem Sinn für Diskretion.

»Alles, was Sie mir erzählen, kann für die Ermittlungen bedeutsam sein«, rief Eve ihr in Erinnerung.

»Ja. Nun, wenn man jemanden versorgt, weiß man, wenn derjenige … intim gewesen ist. Seit etwas über einer Woche war das jede Nacht der Fall. Und zwar hier in ihrem Bett.«

»Aber Sie haben diesen neuen Liebhaber niemals gesehen.«

»Nein. Ich komme jeden Tag und arbeite bis sechs, außer, wenn sie mich noch länger braucht. Aber er hat sich nie blicken lassen, während ich hier in der Wohnung war.«

»Hat sie häufiger die Kameras und die Alarmanlage abgestellt?«

»Niemals, niemals.« Inzwischen wieder trockenen Auges schüttelte die Frau den Kopf. »Sie musste immer eingeschaltet sein. Ich verstehe nicht, weshalb sie sie jetzt plötzlich ausgeschaltet haben soll. Aber heute Morgen hab ich gesehen, dass sie ausgeschaltet war. Ich dachte, das ist ein Fehler im System, und dass Miss Tiara wütend wird, wenn sie davon erfährt. Deshalb habe ich gleich unten angerufen, um Bescheid zu geben, noch bevor ich in das Schlafzimmer gegangen bin.«

»Also gut. Sie kamen um acht, haben gesehen, dass die Alarmanlage ausgeschaltet war, unten angerufen und sind danach ins Schlafzimmer raufgegangen. Haben Sie es immer so gemacht, dass Sie gekommen und zuerst ins Schlafzimmer gegangen sind?«

»Ja, um Biddy abzuholen.« Estella vergrub ihr Gesicht im Fell des Tiers. »Ich gehe mit ihm Gassi, und ich stelle ihm sein Futter hin, denn Miss Tiara schläft gern aus.«

Sie runzelte die Stirn. »Normalerweise schläft sie so bis gegen elf, aber in den letzten Tagen – seit sie den neuen Geliebten hatte – kam sie manchmal erst am Nachmittag herunter und wies mich dann an, die Jalousien vor den Fenstern zuzuziehen, weil ihr das Tageslicht zuwider sei. Das hat mir etwas Angst gemacht, denn obendrein war sie entsetzlich blass und hatte keinen Appetit. Aber ich habe mir gesagt, das würde vielleicht einfach daran liegen, dass sie frisch verliebt ist und die Nächte alles andere als erholsam für sie sind.«

Nach einem abgrundtiefen Seufzer fuhr sie fort. »Heute früh hat Biddy nicht wie sonst neben der Tür des Schlafzimmers auf mich gewartet, also bin ich leise reingegangen, und da kam er zur Tür, wobei er ziemlich seltsam lief.«

Eve runzelte verständnislos die Stirn. »Was soll das heißen?«

»Er …. er hat geschwankt, als wäre er betrunken, ich hätte beinah laut gelacht, denn das sah wirklich lustig aus. Ich bin auf ihn zugegangen, und da habe ich den seltsamen Geruch bemerkt. Erst roch es nach den Kerzen, also dachte ich, sie hätte wieder ihren Liebhaber zu Gast gehabt. Aber dann roch es auch noch nach etwas anderem, ich schätze, es roch nach dem Blut«, erklärte sie, wieder wurden ihre Augen feucht. »Das war bestimmt das Blut, und dazu … habe ich auch sie gerochen, als ich Richtung Bett gesehen habe, habe ich sie dort entdeckt. Da habe ich mein armes, kleines Mädchen in den Kissen liegen sehen.«

»Haben Sie im Schlafzimmer was angefasst, Estella? Haben Sie dort irgendwas berührt?«

»Nein. Nein. Das heißt, den Hund. Ich habe mir den Hund geschnappt, auch wenn ich gar nicht weiß, warum. Ich habe einfach Biddy auf den Arm genommen und bin rausgerannt. Sie war tot – das Blut, das reglose Gesicht und die starren Augen haben mir gezeigt, dass sie nicht mehr am Leben ist. Also bin ich schreiend rausgerannt und hab die Security verständigt. Mr. Tripps kam sofort raufgelaufen, ging direkt ins Schlafzimmer, kam gleich wieder herunter und hat umgehend die Polizei verständigt.«

»Würden Sie bemerken, falls was aus der Wohnung fehlt?«

»Ich kenne ihre Sachen, und bisher ist mir nicht aufgefallen …« Sie blickte sich bekümmert um. »Ich habe noch nicht nachgeschaut.«

»Bitte sehen Sie zuerst nach ihrem Schmuck. Wissen Sie, was sie für Schmuckstücke besessen hat?«

»Oh ja. Ich kenne jedes Stück. Ich putze ihren Schmuck, weil Miss Tiara kein Vertrauen …«

»Okay, dann fangen wir damit an.«

Sie schickte zwei Beamte mit dem Mädchen los und während sie sich selbst ein paar Notizen machte, spürte Peabody sie auf.

»Nach Aussage von Tripps hat Ms. Cruz um zwei nach acht gemeldet, dass die Kamera und die Alarmanlage ausgeschaltet waren. Dann hat sie um neun nach acht völlig hysterisch noch mal angerufen, er kam persönlich rauf, ist auf direktem Weg ins Schlafzimmer gegangen, hat dort die Tote auf den Kissen liegen sehen und einen Notruf abgesetzt. Was zeitlich durchaus passt.«

»Genauso hat sie’s auch erzählt. Was hat er dazu gesagt, dass die Alarmanlage ausgeschaltet war?«

»Er hat gesagt und konnte auch belegen, dass ihn Kent persönlich angerufen hatte, um zu sagen, dass sie die Anlage von ihrer Wohnung aus um kurz vor Mitternacht für ein paar Stunden abstellen und dann selber wieder anstellen wird. Er hat ihr davon abgeraten, aber sie hat nur gesagt, das ginge ihn nichts an. Genauso hat sie es in der vergangenen Woche jede Nacht gemacht. Sie hat die Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt aus- und jedes Mal vor Tagesanbruch wieder angestellt.«

Eve trommelte nachdenklich mit den Fingern auf einen Schreibblock, den sie in den Händen hielt. »Dann wollte der geheimnisvolle Freund also nicht aufgenommen werden, während er das Haus betritt. Also hat er sie dazu gebracht, die Alarmanlage auszuschalten, ist mit ihrem privaten Fahrstuhl raufgefahren und hat sich auf diesem Weg auch wieder aus dem Staub gemacht. Sie muss echt blöd gewesen sein.«

»Tja nun, auf alle Fälle war sie nicht für ihren Grips bekannt.«

Eve bedachte Peabody mit einem Seitenblick. Mit Stars und Sternchen kannte ihre Partnerin sich für gewöhnlich aus. »Wofür war sie denn bekannt?«

»Für unbändige Feierlust, für unzählige Reisen an die angesagten Orte dieser Welt, für ausgedehnte Shoppingtouren und den einen oder anderen Skandal. Ich nehme an, bei megareichen Leuten, die wie ihre Eltern, Großeltern sowie in ihrem Fall bereits die Urgroßeltern nur so in Kohle schwimmen, ist so was normal. Sie war mehrmals verlobt und hat sich immer öffentlich und leidenschaftlich wieder getrennt. War bei zahlreichen Premieren und ist ständig in der Weltgeschichte rumgejettet, um in irgendwelche gerade angesagten Clubs zu gehen. Sie war eine feste Größe in der Glitzerwelt der Reichen und Berühmten, normalerweise hat man täglich irgendetwas über sie in den Klatschspalten der Zeitungen gelesen oder im Privatfernsehen gesehen.«

»Mit wem hat sie sich in den letzten Tagen rumgetrieben, und weswegen habe ich Ms. Cruz nach ihrem Lebensstil befragt, wenn ich die Antworten viel leichter auch von Ihnen kriegen kann?«

»Nun, am dicksten war sie offenbar mit Daffy Wheats und Caramel Lipton, die die Exverlobte von Roman Gramaldi, einem Züricher Bankierssohn, ist. Am liebsten aber hat sie mit den anderen Kindern reicher Eltern abgehangen, die ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick und jeder Menge Ärger sind.«

»Wobei sie sich vergangene Nacht den denkbar größten Ärger eingehandelt hat«, bemerkte Eve und hob den Kopf, als Tiaras Angestellte angelaufen kam.

»Ihre Kette mit dem blauen Diamanten, die juwelenbesetzten Armreifen und die Pfauenaugenohrringe sind weg«, stieß sie mit schriller Stimme aus. »Er hat mein armes, kleines Mädchen ausgeraubt, er hat sie ausgeraubt und umgebracht.«

Eve hob abwehrend die Hand in die Luft. »Haben Sie Fotos der vermissten Gegenstände?«

»Ja, natürlich, selbstverständlich. Die Versicherung …«

»Die Fotos brauche ich. Holen Sie mir die Aufnahmen der Sachen, die verschwunden sind. Los, gehen Sie.« Erst nachdem die Frau den Raum wieder verlassen hatte, stellte Eve mit einem bösen Grinsen fest: »Das war ein Fehler. Früher oder später wird ein dicker, fetter blauer Diamant auftauchen, dann haben wir den Kerl. Wir lassen uns jetzt noch die Fotos geben, informieren dann die nächsten Angehörigen, und danach fahren wir zu dieser Daffy, denn vielleicht hat die ja den geheimnisvollen Liebhaber der besten Freundin mal gesehen.«

2

Tiaras Mutter lebte mit dem vierten Ehemann in Rom, und ihr Vater hatte seine neueste Flamme für zwei Wochen ins Olympus Resort eingeladen, deshalb wurden die Eltern beide per Link über den Tod der Tochter informiert.

Eve überließ den Tatort den Kollegen von der Spurensicherung und fuhr mit ihrer Partnerin zu Tiaras Busenfreundin Daffy Wheats.

Wie Tiara lebte sie im eigenen Penthouse, denn auch sie war eine attraktive, junge blonde Frau, die im Geld der Familie zu schwimmen schien. Mit Hilfe der Dienstmarke und ihrer Ellenbogen erzwang sich Eve den Weg vorbei an Türsteher, Security und einer Haushaltshilfe, die Estella zum Verwechseln ähnlich sah. Was sicher daran lag, dass die beiden Schwestern waren.

Das Apartment war ein bisschen kleiner, dafür aber eine Spur geschmackvoller gestaltet als die Wohnung von Tiara, das Wohnzimmer, in dem sie warten sollten, während Martine Cruz nach oben ging, um ihre Chefin aufzuwecken und ihr zu erklären, dass die Polizei sie sprechen wollte, strahlte dank des leuchtend bunten Mobiliars jugendliche Fröhlichkeit und Energie aus.

»Also, was gibt’s über Daffy zu erzählen, Peabody?«

»Hm, ich glaube, dass in ihrem Fall nicht die Urgroß-, sondern erst die Großeltern zu Geld gekommen sind. Sie ist nicht ganz so reich wie unser Opfer, muss sich aber auch keine Gedanken machen, ob sie die Miete zahlen kann. Ich glaube, die Familie wurde mit Textilien reich. Aber wie dem auch sei, ist Daffy ebenfalls ein Partygirl, über das mit schöner Regelmäßigkeit in der Boulevardpresse berichtet wird.«

»Wer würde schon so leben wollen?«, wunderte sich Eve.

»Mädchen wie die beiden«, stellte Peabody mit einem gleichmütigen Achselzucken fest. »Wenn man so reich ist wie die zwei, kann man sich Privatsphäre auch kaufen, wenn man will.«

Eve dachte an die unzähligen Spiegel und die reflektierenden Oberflächen vieler Möbelstücke, die ihr in Tiaras Wohnung aufgefallen waren. »Der Typ Mensch, der sich am meisten freut, wenn er sich selbst irgendwo sieht.«

»Genau, und wenn Daffy und das Opfer sich nicht gerade wieder einmal in den Haaren lagen, waren sie wirklich dicke, haben sich zusammen amüsiert, sind gemeinsam in der Weltgeschichte rumgegondelt und haben sich gerüchteweise auch den einen oder anderen Mann geteilt. Die beiden kennen sich schon von klein auf. Der Vater unseres Opfers war ein paar Jahre mit Daffys Mom verheiratet. Vielleicht haben sie auch nur zusammengelebt, das weiß ich nicht mehr so genau.«

»Dann stammen sie also aus einer kleinen, inzestuösen Welt.«

Eve hob den Kopf, als Daffy über die geschwungene Silbertreppe aus der oberen Etage kam. Sie hatte kurzes, sorgfältig gesträhntes blondes Haar, verschlafene blaue Augen, einen hübschen Schmollmund und aus einem breiten Spalt in ihrem kurzen schwarzen Seidenmorgenmantel lugten ihre vollen weißen Brüste vorwitzig hervor.

»Worum geht’s?«, fragte sie schläfrig, ließ sich auf das leuchtend rote Sofa fallen und riss den Mund zu einem Gähnen auf.

»Daffodil Wheats?«, erkundigte sich Eve.

»Wer sonst? Mein Gott, der Tag hat nicht mal richtig angefangen. Martine! Ich brauche dringend meinen Mokka! Ich lag erst um vier im Bett«, erklärte sie und räkelte sich katzengleich auf der teuren Ledercouch. »Ich habe nichts Verbotenes getan, also was wollen Sie von mir?«

»Sie kennen Tiara Kent?«

»Verdammt, was hat sie jetzt schon wieder angestellt?« Offenbar bereits gelangweilt, ließ sie sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken und fuhr fort. »Hören Sie, natürlich stelle ich ihre Kaution, auch wenn sie in der letzten Zeit echt zickig war. Aber vorher brauche ich noch meinen Muntermachter. Mokka, Mokka, Mokka!«, brüllte sie wie eine Cheerleaderin während eines Baseballspiels.

»Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Tiara Kent nicht mehr am Leben ist.«

Die verschlafenen Augen bildeten zwei schmale Schlitze, dann riss sie sie wieder auf und rollte die Augen dramatisch himmelwärts. »Ach, hören Sie doch auf. Richten Sie der blöden Ziege von mir aus, dass ich es echt nicht witzig finde, aus dem Bett gezerrt zu werden, nur weil sie mir einen Streich spielen will. Gott sei Dank! Danke, Martine. Sie retten mir das Leben.« Sie warf der Angestellten eine Kusshand zu und riss ihr den weißen Becher mit dem dampfend heißen Mokka aus der Hand.

»Hören Sie, Daffy.«

Jetzt blinzelten die blauen Augen überrascht.

»Ihre Freundin wurde letzte Nacht in ihrem eigenen Bett ermordet. Also reißen Sie sich jetzt zusammen, und bedecken Sie um Himmels willen endlich Ihre Titten, wenn Sie nicht mit mir auf die Wache kommen wollen.«

»Das ist nicht witzig.« Langsam ließ die junge Frau den Becher sinken. »Hören Sie damit auf.« Die Hand, in der sie den Becher hielt, fing an zu zittern, während sie mit der anderen nach der Hand der Haushälterin griff. »Rufen Sie Estella an, Martine. Rufen Sie sie sofort an und sagen ihr, dass ich Tiara sprechen will.«

»Das können Sie nicht mehr«, erklärte Peabody ihr sanft. »Ms. Kent wurde vergangene Nacht in ihrer Wohnung umgebracht.«

»Was ist mit meiner Schwester?«, stieß Martine mit rauer Stimme aus, während sie Daffys Hand umklammert hielt.

»Ihre Schwester ist wohlauf«, gab Peabody zurück. »Gehen Sie, und rufen Sie sie an.«

»Miss Daffy.«

»Gehen Sie«, bat auch Daffy steif; statt der jungen Partylöwin, die gelangweilt auf dem Sofa flätzte, saß jetzt ein verletztes Mädchen auf der Couch, das mit zitternden Händen den Morgenrock zusammenhielt. »Gehen Sie, und rufen Sie sie an. Sie machen wirklich keine Witze? Tee hat Sie tatsächlich nicht geschickt, um mir eins auszuwischen? Sie ist wirklich tot?«

»Ja.«

»Aber … wie kann das sein? Sie ist erst dreiundzwanzig. Niemand soll mit dreiundzwanzig sterben. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, gab es einen Riesenstreit. Wie soll ich mich mit ihr versöhnen, wenn sie jetzt nicht mehr am Leben ist? Wie … ermordet? Haben Sie gesagt, dass sie ermordet worden ist?«

Eve nahm ihr gegenüber auf dem schimmernd weißen Couchtisch Platz, damit sie mit ihr auf Augenhöhe war. »Sie hatte einen neuen Freund.«

»Was? Ja, richtig. Aber …« Daffy sah sich suchend um. »Was?«

Eve nahm ihr den Becher aus den schlaffen Fingern und stellte ihn auf den Tisch. »Wissen Sie, wie der Mann hieß, mit dem sie in der letzten Zeit zusammen war?«

»Ich … Sie hat ihn ihren Prinzen genannt. Sie hat ihren Männern häufig Spitznamen verpasst, und dieser war ihr Prinz. Manchmal auch ihr dunkler Prinz.« Daffy presste sich die Hände vor die Augen und fuhr sich damit über die Stirn und durch das Haar. »Sie kannte ihn erst eine Woche. Oder vielleicht zwei. Ich kann nicht nachdenken.« Es gelang ihr nicht, die Finger stillzuhalten, und sie hob die Hand erneut an den Kopf, massierte sich die Schläfen und stieß abermals verzweifelt aus: »Ich kann nicht nachdenken.«

»Können Sie den Mann beschreiben?«

»Nein. Ich bin ihm nie begegnet. Tiara wollte ihn mir vorstellen, aber dann haben wir uns gestritten, und es kam nicht mehr dazu«, erklärte sie und brach in Tränen aus.

»Sagen Sie mir, was Sie über ihn wissen.«

»Hat er ihr wehgetan? Hat er sie umgebracht?« Tränen strömten über ihr Gesicht, und die Stimme brach.

»Auf jeden Fall müssen wir mit ihm sprechen. Sagen Sie mir, was Sie über ihn wissen.«

»Sie … sie kannte ihn aus irgendeinem Club im Untergrund. Ich hätte mich dort mit ihr treffen sollen, aber ich wurde aufgehalten, und dann habe ich nicht mehr daran gedacht. Ich hätte sie dort treffen sollen.«

»Wo?«

»Hm … in einem dieser Clubs Nähe Times Square, glaube ich. Aber ich bin mir nicht sicher. Es gibt derart viele Clubs.« Peabody gab ihr ein Taschentuch, und dankbar tupfte Daffy sich damit die Augen ab. »Danke. Danke. Sie … Tee hat mich angerufen, gegen elf, und wir haben uns gestritten, weil ich vollkommen vergessen hatte, dass ich sie dort treffen sollte, und stattdessen mit dem Kerl, mit dem ich augenblicklich etwas laufen habe, ganz spontan nach South Beach runtergeflogen bin. Ich war schon dort, als sie mich angerufen hat.«

Sie atmete tief durch, beugte sich ein wenig vor, griff nach ihrem Becher und nahm einen vorsichtigen Schluck. »Okay, okay.« Sie atmete ein paarmal ein und aus. »Ich hatte es vermasselt, die Geschichte mit dem Club, also habe ich am nächsten Morgen bei ihr angerufen, um zu Kreuze zu kriechen, und da hat sie mir von dem Typen, von diesem Prinzen vorgeschwärmt. Aber sie war dabei entsetzlich aufgedreht, deswegen wusste ich, sie war mal wieder drauf.«

Daffy presste die Lippen kurz zusammen. »Ich bin clean und muss es bleiben. Wissen Sie, mein Vater hat noch immer die Kontrolle über einen Teil meines Geldes, er hat gedroht, dass er mir meine Konten sperren lässt, wenn es noch einmal wegen irgendwelcher Drogen Scherereien mit mir gibt. Das meint er wirklich ernst, deshalb … ach Scheiße, Sie sind von der Polizei, ich glaube also kaum, dass meine Rede einen allzu guten Eindruck auf Sie macht. Aber schon bevor mein Dad mir die Pistole auf die Brust gesetzt hat, hatte ich genug von diesem Zeug.«

»Anders als Tiara«, meinte Eve.

»Tee muss immer alles übertreiben, das ist einfach ihre Art. Sie geht bei allem bis an die Grenzen, bis sie sich dann auf die Suche nach der nächsten großen Sache macht.« Abermals betupfte Daffy sich die Augen, und ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Aber sie weiß, dass ich auf alle Fälle sauber bleiben muss und hat deswegen aus Solidarität seit einem guten halben Jahr auch selbst nichts mehr geschluckt. Wir haben uns geschworen, beide clean zu bleiben, und ich war echt sauer, als sie diesen Schwur gebrochen hat.«

»Was hatte sie denn genommen?«, fragte Eve.

»Ich weiß es nicht, aber es war echt stark. Wir hatten deshalb erneut Streit, vor allem ging es darum, dass sie mich bedrängt hat, endlich mit ihr in diesen verdammten Club zu gehen, damit sie mir dort ihren neuen Kerl und seine Freunde vorstellen kann. Sie hat gesagt, er wäre echt der Hit. Sie hätten die ganze Nacht gevögelt, und so toll hätte es ihr vorher nie ein Typ besorgt. Sie hat mich praktisch totgelabert, bis ich irgendwann gesagt habe, ich müsste los.«

Kopfschüttelnd hob Daffy wieder ihren Becher an den Mund. »Später habe ich gedacht, dass sie, selbst wenn ich selber sauber bleiben würde, weiter irgendwelches Zeug einwerfen und auf diese Weise dafür sorgen würde, dass es Ärger mit den Bullen gibt. Also habe ich sie noch einmal zurückgerufen und gesagt, ich käme nicht in diesen Club. Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns mit dem Typen woanders treffen, aber sie hat nein gesagt. Sie hat gesagt, er würde nirgendwo anders hingehen, und wenn ich ihn kennenlernen wollte, müsste ich in seinen Club kommen.«

»In seinen Club?«

»Das sollte sicher nicht bedeuten, dass der Laden ihm gehört. Oder vielleicht doch. Davon hat sie mir nichts erzählt, und ich habe sie auch nicht danach gefragt. Sie war total sauer, weil ich keine Lust hatte, dorthin zu kommen, zumal sie an meiner Stelle auch nicht Carm mitnehmen konnte, die momentan in New L. A. ist und wahrscheinlich frühestens in zwei Wochen wiederkommt.«

Eve wartete, während die junge Frau mit grüblerischer Miene in den heiß ersehnten Mokka starrte, ohne dass sie nochmals davon trank. »Wissen Sie, ob sonst noch jemand mit ihr in den Club gegangen ist? Vielleicht irgendeine andere Freundin oder so?«

»Ich glaube nicht. Außer Tee hat niemand diesen Laden je auch nur mit einem Wort erwähnt. Wie dem auch sei, zwischen uns hat zwei Tage Funkstille geherrscht, bis sie gestern in aller Herrgottsfrühe, praktisch kurz nach Sonnenaufgang, bei mir auf der Matte stand. Sie sah echt fertig aus. Ihr Gesicht war käseweiß, die Augen waren glasig, und nachdem sie fast ein halbes Jahr lang clean gewesen war, war sie voll drauf. Sie war total aufgedreht und hat mir lauter Schwachsinn aufgetischt. Sie hat gesagt, sie würde ewig leben, hat gelacht und sich im Kreis gedreht. Sie und ihr Prinz würden unsterblich, und ich sollte sehen, wo ich bleibe, weil ich nicht mit ihr in diesen Club gegangen bin. Ich wollte sie überreden, noch zu bleiben, aber sie hat nur gesagt, es würde mir noch leidtun, denn ich hätte meine Chance nicht genutzt, und jetzt nähme er sie alleine mit.«

»Wohin?«, erkundigte sich Eve.

»Das weiß ich nicht. Das alles hat nicht den geringsten Sinn für mich ergeben, und ich konnte sehen, dass sie total hinüber war. Am Schluss wurde ich sauer, und wir haben uns angeschrien, bevor sie wieder abgehauen ist. Jetzt ist sie tot.«

»Danach haben Sie sie nicht noch mal gesehen oder gesprochen?«

»Nein. Hat er ihr wehgetan? Ich meine … Sie haben nicht gesagt, wie sie gestorben ist. Hat er ihr wehgetan?«

»Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, tut mir leid.«

»Sie ist ein solches Weichei, wenn’s um Schmerzen geht.« Daffy fuhr sich mit dem Handrücken durch das Gesicht. »Ich hoffe, er hat ihr nicht wehgetan. Ich hätte in der Nacht mit in den Club gehen sollen. Wenn ich mit in den Club gegangen wäre, statt mir einen schönen Abend in South Beach zu machen, wäre sie … vielleicht ist es ja meine Schuld. Ich habe in der Nacht nicht auf sie aufgepasst. Sie hat sich immer leicht in alles reinziehen lassen. Ist es meine Schuld, dass sie jetzt nicht mehr lebt?«

»Es ist bestimmt nicht Ihre Schuld.«

»Sie war fast ein Jahr älter, aber ich bin die Vernünftigere von uns beiden, und ich habe sie sonst immer zurückgepfiffen, wenn sie es mal wieder übertrieben hat. Aber diesmal habe ich das nicht getan. Ich habe nur gesagt, so dämlich könnte man doch wohl nicht sein, dass man an solchen Blödsinn wie Vampire glaubt.«

»Vampire?«, wiederholte Eve, und ihre Partnerin holte vernehmlich Luft.

»Ja. Die Sache mit dem Prinzen. Ihrem dunklen Prinzen. Und dann noch das Gerede von Unsterblichkeit. Sie wissen schon.« Daffy stieß ein raues Lachen aus, das in ein Schluchzen überging. »Sie hat sich ernsthaft eingebildet, dass sie einem richtigen Vampir begegnet ist, der sie unsterblich machen kann. Dieser Club wird hauptsächlich von Möchtegernvampiren aufgesucht. Blutbad! Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Name des Clubs ist Blutbad, aber wer in aller Welt will schon in eine Beize gehen, die einen solchen Namen trägt?« Wieder wischte Daffy sich die Tränen fort. »Auf so was kommt nur Tee.«

»Hab’ ich’s nicht gleich gesagt? Hab’ ich nicht gleich gesagt, die Wunden sehen nach einem Vampirbiss aus?«, erkundigte sich Peabody in selbstgerechtem Ton, als sie zusammen mit Eve das Haus verließ.

»Unser Opfer wird wahrscheinlich tief enttäuscht sein, wenn es feststellt, dass es anders als erwartet doch nicht wieder von den Toten aufersteht. Suchen Sie nach der Adresse des Clubs, damit ich mich mit diesem dunklen Prinzen unterhalten kann.«

»Es ist nicht so, als ob ich daran glauben würde, dass es Untote und so was gibt.« Peabody glitt auf ihren Sitz. »Aber es kann bestimmt nicht schaden, wenn man tagsüber mit diesem Typen spricht. In einem Raum voll Tageslicht.«

»Sicher. Außerdem nehmen wir am besten noch ein paar Holzpfähle und jede Menge Knoblauch mit.«

»Ist das Ihr Ernst?«

»Natürlich nicht.« Eve fädelte sich mit dem Wagen in den fließenden Verkehr ein. »Gehen Sie in sich, Peabody, und suchen dort nach einem Rest Vernunft. Danach suchen Sie den Club. Aber vorher werden wir noch jemanden besuchen, der uns alles über Tote erzählen kann.«

Chefpathologe Morris schenkte Eve ein leises Lächeln, als er vor einem Stahltisch mit der nackten Leiche ihres jüngsten Opfers stand. Er trug einen eleganten Anzug in der Farbe teuren Rotweins, eine farblich passende Krawatte, die nicht breiter als ein Strohhalm war, er hatte sich das dunkle Haar zu einem komplizierten Zopf geflochten und im Nacken aufgesteckt.

Wie so häufig dachte Eve, dass das Stilbewusstsein dieses Mannes bei der Kundschaft, die er hatte, vollkommen vergeudet war.

»Ich bin heute ein wenig im Verzug«, erklärte er. »Aber die Blutprobe habe ich sofort ins Labor geschickt, es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis das Ergebnis kommt.«

Sie blickte auf die tote, junge Frau, die noch nicht aufgeschnitten worden war. »Gibt’s schon irgendetwas, was sich über unsere Tote sagen lässt?«

»Bisher nur, dass sie nicht mehr am Leben ist.«

»Peabody, notieren Sie das. Wir haben eine tote Frau.«

»Die sich Brüste, Bauch und Hintern von jemandem hat machen lassen, der sich hervorragend auf seinen Job versteht.«

»Mein Gott, sie war erst dreiundzwanzig. Welche Frau in diesem Alter hat es nötig, dass an ihren Titten oder ihrem Hintern rumgeschnippelt wird?«

Peabody hob die Hand und erntete einen verständnislosen Blick.

»Sie sind nicht dreiundzwanzig.«

»Okay, ich bin zwei Jahre älter, aber wenn sich die Gelegenheit ergäbe, mir ein Stück von meinem Hintern abschneiden zu lassen, wäre ich sofort dabei.«

»Ich bitte Sie, Detective, Sie haben einen wirklich hübschen Hintern«, stellte Morris fest, und Peabody fing an zu strahlen.

»Ah, das haben Sie nett gesagt.«

»Wie wäre es, wenn wir wieder zu unserem eigentlichen Thema kämen? Zu der Toten, die hier auf dem Stahltisch liegt«, erkundigte sich Eve genervt.

»Tiara Kent. Eine bekannte Partylöwin, die nach einem ausschweifenden Leben jung gestorben ist.« Morris tippte den Computerbildschirm an, vergrößerte die Halswunden und stellte fest: »Der Körper weist nur diese beiden kleinen Wunden auf, es sieht aus, als ob sie durch die beiden Stichwunden in ihrer Halsschlagader ausgeblutet ist. Sichtbare Fessel- oder Kampfspuren gibt es nicht. Anscheinend lag sie einfach da, und er hat sie in aller Ruhe ausgesaugt.«

»Ausgesaugt«, erklärte Peabody in selbstgerechtem Ton und richtete sich kerzengerade auf. »Sehen Sie? Ich habe gleich gesagt, dass sie von einem Vampir gebissen worden ist.«

Morris’ Lächeln dehnte sich zu einem Grinsen aus. »Dieses Gedankenspiel drängt sich einem bei dem Anblick einfach auf, nicht wahr? Die wunderschöne, junge blonde Frau, die sich vom dunklen Prinzen – oder einem seiner Handlanger – verführen lassen und sich dann das Blut aussaugen lassen hat. Fehlen nur noch Nebelschwaden sowie ein paar dunkle Schatten, und das grausige Szenarium ist perfekt.«

»Abgesehen von der unheimlichen Musik im Hintergrund«, ergänzte Eve.

»Genau. Aber ich gehe eher davon aus, dass sie mit irgendwelchen Drogen vollgepumpt war und man ihr dann beim Sex mit irgendeinem spitzen Gegenstand die Schlagader geöffnet hat.«

Mit hochgezogenen Brauen sah er sich die Tote an. »Wobei ich mich natürlich irren kann, vielleicht erwacht sie kurz nach Sonnenuntergang und erschreckt die Leute von der Nachtschicht zu Tode.«

»Bleiben wir erst mal bei Ihrer ersten Hypothese«, meinte Eve. »Falls er sie tatsächlich entweder mit künstlichen oder zurechtgefeilten Zähnen gebissen hat, müsste sein Speichel in der Bisswunde zu finden sein. Genauso muss er irgendwelche Spuren in ihr zurückgelassen habe, falls er ungeschützt mit ihr geschlafen hat. Ich wette, selbst Vampire, haben eine DNA.«

»Ich schicke Proben ins Labor.«

»Der Kerl hatte sie davon überzeugt, dass er sie über Nacht unsterblich machen kann.« Mit einem letzten, mitleidigen Blick auf Tiara fügte Eve hinzu: »Stattdessen liegt sie jetzt in einer Schublade aus Stahl in einem kalten Raum.«

3

»Ich habe den Club gefunden.« Peabody sah auf den Bildschirm ihres Handcomputers, während Eve zurück zur Wache fuhr. »Daffy hatte recht. Er liegt nicht weit vom Times Square unterhalb des Broadway. Hier stehen auch die Öffnungszeiten. Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang.« Sie bedachte Eve mit einem vielsagenden Seitenblick. »Das sind Vampirstunden.«

»Und wem gehört der Club?«

»Der Ewigkeits-GmbH, wobei der Eigentümer oder der Geschäftsführer nicht aufgelistet sind.«

»Graben Sie weiter«, bat Eve.

»Bin schon dabei. Fahren wir jetzt zu diesem Club?«

»Falls der Typ den Club besucht, dort arbeitet oder vielleicht sogar der Eigentümer ist, treffen wir ihn außerhalb der Öffnungszeiten dort bestimmt nicht an. Wir fahren heute Abend hin, wenn’s dunkel ist.«

»War mir klar, dass Sie das sagen würden. Ist Ihnen die Sache echt kein bisschen unheimlich? Ich meine, dieser Typ trinkt Blut.«

»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.« Eve hielt an einer roten Ampel und verfolgte, wie sich eine Horde Fußgänger teils schlurfend und teils flotten Schritts über die Straße schob. Darunter auch zwei Transvestiten in glitzernden Catsuits, ein Tourist in Schlabbershorts, der sicher an die hundertsechtzig Kilo wog und sein Gewicht noch mal in Form von Videokameras und Fotoapparaten bei sich trug, ein Pantomime und ein Teenager in einem roten Umhang und mit einer Kappe, der wie Superman in Hochgeschwindigkeit auf einem Luftbrett durch die Menge schoss.

Was für seltsame Gestalten es auch sein mochten, New York hieß sie willkommen. Da fiel ein selbst ernannter Blutsauger nicht weiter auf.

»Auf dem Bett war gerade mal ein halber Liter Blut.« Als die Ampel umsprang, setzte Eve den Weg in Richtung Wache fort. »Wie durstig der angebliche Vampir auch war, glaube ich kaum, dass er bei einer Sitzung fast fünf Liter Blut getrunken haben soll.«

»Da haben Sie recht. Aber was hat er dann damit …«

»Er hat es mitgenommen.«

»Iiiih.«

»Er hat es abgefüllt und eingesteckt. Vielleicht will er es verkaufen, vielleicht aufbewahren, oder verdammt, vielleicht nimmt er darin ein Bad. Auf alle Fälle war er vorbereitet, als er zu Tiara kam.« Sie bog in die Garage des Reviers ein. »Also verfolgen wir die Spur des Bluts. Was macht ein Mann mit fast fünf Litern Menschenblut? Lassen Sie uns gucken, ob es auf dem Schwarzmarkt Abnehmer für so was gibt. Außerdem haben wir eine Liste und die Fotos der verschiedenen Schmuckstücke, die er vom Tatort mitgenommen hat. Und wir haben den Club.«

Sie parkte ihren Wagen und stieg aus. »Aber erst mal lassen Sie uns sehen, was die Spurensicherung für uns hat, und ob das Labor die DNA des Typen finden kann. Dann gucken wir nach, ob irgendwo schon mal ein ähnliches Verbrechen stattgefunden hat.«

Im Fahrstuhl lehnte sie sich an die Wand, während ihr der hinlänglich vertraute Copgeruch von abgestandenem Kaffee und Schweiß entgegenschlug. »Irgendjemand hat sie mit dem Kerl gesehen. Sie kannte ihn aus diesem Club, und irgendjemand hat die beiden dort gesehen. Sie ist auf Abenteuer aus und ist von diesem Typen fasziniert. Lädt ihn zu Spaß und Spiel in ihre Wohnung ein. Wie’s aussieht, hätte er sie auch schon früher töten und die Wohnung ausräumen können, aber er hat abgewartet und nur mitgenommen, was sie entweder getragen oder was sichtbar herumgelegen hat.«

»Er ist wählerisch, und er hat Spaß an der Verführung und an dem besonderen Ritual.«

Eve wechselte aufs Gleitband, auf dem deutlich weniger Gedränge herrschte als im Lift. »Notieren Sie, was wir alles haben, und suchen dann weiter nach dem Namen des Besitzers oder des Geschäftsführers von diesem Club. Ich versuche in der Zeit, einen Termin bei Mira zu bekommen. Vielleicht kann sie mir ja erklären, womit wir es zu tun haben, wenn es nachher ins Blutbad geht.«

»Wenn wir baden gehen, bringe ich am besten meine Quietschente mit.«

Eve betrat ihre Abteilung und ging weiter in ihr eigenes Büro. Wie nicht anders zu erwarten hatten bereits unzählige Journalisten bei ihr angerufen, denn der Tod eines der Lieblinge der Paparazzi war für sie nur ein Geschäft. Wenn sie etwas wissen wollten, müssten sie sich an den Pressesprecher wenden, denn für Telefongespräche mit den Geiern von der Presse hätte sie jetzt weder Zeit noch Lust.

Sie rief in Miras Praxis an; wie nicht anders zu erwarten, kam die Sekretärin, die mit Argusaugen über die Termine ihrer Chefin wachte, an den Apparat. »Okay, okay. Mein Gott. Sagen Sie ihr einfach, dass ich sie kurz sprechen möchte, wenn’s ihr passt. Hier bei mir, in ihren Räumlichkeiten oder meinetwegen auf dem Klo. Fünf Minuten, länger nicht.«

Sie legte auf, holte sich einen Kaffee aus dem AutoChef, hängte Bilder an die Tafel, machte sich dazu Notizen und ging den zeitlichen Ablauf des Geschehens durch.

Tiara hatte diesen Typen zu sich eingeladen und wahrscheinlich hätte sie am liebsten auch noch Rosenblüten auf dem Weg zu ihrer Schlafstatt ausgestreut. Sie hatte eben jede Menge Geld, doch leider kaum Verstand gehabt.

Hatte er sie ins Visier genommen, oder war es Zufall, dass sie eines Abends in den Club gekommen war? Eine reiche, junge Frau, die das Abenteuer liebte und die weniger für Klugheit als für ihre ausschweifende Lebensart bekannt war.

Ein geradezu erbärmlich leichtes Ziel.

Aber wenn er sie erobern wollte, warum hatte er sie dann nach einer Woche – und auf diese Weise – umgebracht? Weil es im Grunde nicht um die Eroberung, sondern vor allem um den Mord ging.

Eve blickte durch das winzig kleine Fenster des Büros ins helle Licht des Frühlingstags und überlegte, wann die Sonne unterging.

Bei dem Gedanken zuckte sie zusammen und griff abermals nach ihrem Link. Denn sie war Polizistin, aber gleichzeitig Ehefrau, und auch in diesem Job gab es bestimmte Regeln, die es einzuhalten galt.

Sie wählte die private Nummer ihres Mannes, um ihm über seine Mailbox mitzuteilen, dass es bei ihr später werden würde, aber schon beim ersten Klingeln kam er an den Apparat. Auf dem Bildschirm ihres Handys tauchte das Gesicht auf, bei dessen Anblick automatisch eine Woge glühenden Verlangens in ihr aufstieg.

Er hatte rabenschwarzes Haar und wilde, irisch blaue Augen, deren Blick ihr Herz auch Jahre, nachdem sie ihm zum ersten Mal begegnet war, vor Überraschung flattern ließ. Ein weiches Lächeln auf den perfekt geformten Lippen sprach er sie mit einem Hauch von seiner alten Heimat in der Stimme neckisch liebevoll als »Lieutenant« an.

»Warum kaufst du nicht gerade Australien oder so?«

»Ich lege gerade eine kurze Kontinent-Kaufpause ein. Und wenn ich weitermache, steht mir der Sinn eher nach Asien. Wie geht’s dir?«

»Ich bin okay. Ich weiß, wir haben heute Abend etwas vor …«

»Abendessen, glaube ich, gefolgt von Nacktpoker.«

»Wenn ich mich recht entsinne, heißt das Strippoker.«

»Auf jeden Fall wärst du am Ende nackt. Wobei der Spieleabend offenbar ins Wasser fällt, weil du Tiara Kent hereinbekommen hast.«

»Du hast bereits davon gehört?«

»Wenn ein schwerreiches Partygirl in seiner Luxuswohnung umgebracht wird, spricht sich das herum.« Er zog die Brauen hoch. »Wie ist sie gestorben?«

»Durch einen Vampirbiss.«

»Wieder mal die alte Leier«, meinte er und brachte sie zum Lachen, aber sofort wurde ihre Miene wieder ernst.

»Sie hat sich offenbar in irgendeinen dämlichen Vampirkult reingesteigert, und am Schluss war sie nicht die Gekniffene, sondern die Gebissene. Ich muss mir den Club ansehen, in dem sie ihrem Mörder anscheinend begegnet ist. Aber er öffnet erst bei Sonnenuntergang, weshalb es heute bei mir später wird.«

»Das ist fast so interessant wie Nacktpoker. Ich bin um sechs auf dem Revier«, erklärte er, ehe sie ihm widersprechen konnte, fuhr er fort: »Meine geliebte Eve, du kannst wohl kaum erwarten, dass ich die Gelegenheit nicht nutze, mir zusammen mit meiner Frau eine Lasterhöhle der Untoten anzusehen.«

Sie dachte kurz darüber nach. Er könnte ihr wie immer durchaus nützlich sein, sein Instinkt und seine Augen kämen ihr im Untergrund durchaus zupass.

»Sei bitte pünktlich.«

»Ich fahre zeitig los. Soll ich unterwegs noch Knoblauch, Kreuze oder so besorgen?«

»Wenn ich mich nicht irre, hat Peabody das bereits erledigt. Bis dann.« Sie legte wieder auf, kontaktierte das Labor, um den Kollegen etwas Druck zu machen, und rief ein paar Infos zu Vampirlegenden auf ihrem Computer auf.

Als Peabody bei ihr hereinsah, brach sie ab.

»Wussten Sie, dass es Dutzende von Webseiten zum Vampirismus gibt, und dass die meisten ausführlich erklären, wie man das Blut von einem Opfer trinkt?«

»Weshalb überrascht Sie das?«

»Wenn ich von manchen Leuten als von Blutsaugern gesprochen habe, war das nur im übertragenen Sinn gemeint. Nicht nur reiche, junge Leute, die nichts mit sich anzufangen wissen, fahren übrigens auf diesen Schwachsinn ab.« Peabody lächelte. »Ich habe ein paar Namen, die wir uns ansehen sollten, aber erst mal ist Tiaras Mutter hier. Ein Kollege hat sie in den Pausenraum gebracht.«

»Okay. Ich kümmere mich um sie, und Sie versuchen weiter rauszufinden, was es über dieses Blutbad rauszufinden gibt.« Eve stieß sich von ihrem Schreibtisch ab. »Roarke kommt nachher mit in den Club.«

»Ach ja?« Ein Ausdruck der Erleichterung huschte über Peabodys Gesicht. »Es kann bestimmt nicht schaden, wenn wir nicht allein dort unten sind.«

»Er ist nur ein Beobachter«, rief Eve ihr in Erinnerung. »Ich warte noch darauf, dass Mira mich zurückruft. Geben Sie Bescheid, wenn Sie sich meldet, ja?«

Sie öffnete die Tür zu einem Pausenraum mit Reihen von Süßigkeiten- und Getränkeautomaten, verkratzten Tischen und Stühlen, auf denen man nach fünf Minuten einen tauben Hintern bekam, und erkannte Tiaras Mutter auf den ersten Blick.

Das blonde Haar, die grünen Augen und das feingemeißelte Gesicht hatte die Tochter eindeutig von ihr geerbt.

Iris umklammerte die Hand ihres inzwischen vierten Ehemannes, Georgio Francine. Er war ein paar Jahre jünger als seine Frau, und die dunkle Sinnlichkeit, die er verströmte, stand in deutlichem Kontrast zu ihrer hellen Eleganz.

Trotzdem bildeten sie eine Einheit, das war nicht zu übersehen. Wie zwei Teile eines Ganzen, dachte Eve und trat entschlossen auf die beiden zu.

»Mrs. Francine, ich bin Lieutenant Dallas.«

Iris sah aus Augen zu ihr auf, in denen ein Gemisch aus Trauer, Schuldgefühlen und Erschöpfung lag.

»Sie leiten die Ermittlungen zu … dem, was Tiara zugestoßen ist.«

»Das stimmt.« Eve zog einen Stuhl für sich heran. »Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«

»Danke. Können wir sie sehen?«

»Ich werde dafür sorgen, dass das möglich ist.«

»Können Sie mir sagen, wie sie … was mit ihr passiert ist?« Iris’ Atem stockte, und sie holte langsam Luft. »Keiner will mir etwas sagen, aber es ist so schlimm, nicht zu wissen, was mit ihr geschehen ist.«

»Sie wurde letzte Nacht in ihrer Wohnung umgebracht. Wir glauben, dass sie den Mörder kannte und hereingelassen hat. Ein Teil von ihrem Schmuck ist nicht mehr da.«

»Wurde sie vergewaltigt?«

Diese Frage stellten ihr die Eltern toter Mädchen oder Frauen immer, flehten sie dabei aber zugleich mit ihren Augen an zu sagen, dass es nicht geschehen war. »Sie hatte Geschlechtsverkehr, aber wir glauben nicht, dass Tiara vergewaltigt worden ist.«

»War es ein Unfall?« Wieder lag ein Flehen in Iris’ Stimme, als wäre der Verlust des Kindes nicht so schrecklich, hätte man ihr das Leben nicht vorsätzlich geraubt. »Haben sie vielleicht einfach die Kontrolle über sich verloren?«

»Nein, es tut mir leid. Wir glauben nicht, dass es ein Unfall war. Was wissen Sie über die jüngsten Aktivitäten Ihrer Tochter? Über ihren Umgang und die Männer, die’s in ihrem Leben gab?«

»So gut wie nichts.« Iris schloss unglücklich die Augen. »Wir hatten kaum Kontakt. Ich war keine gute Mutter.«

»Cara«, protestierte Georgio leise, doch sie schüttelte den Kopf.

»Das war ich wirklich nicht. Ich war erst zwanzig, als sie auf die Welt kam, und war nicht nur keine gute Mutter, sondern auch ansonsten zu nichts nütze«, räumte sie verbittert ein. »Es ging mir immer nur um Partys, darum, Spaß zu haben, darum, wo man sich am besten amüsieren kann. Als Tiaras Vater ein Verhältnis hatte, habe ich mir einen Liebhaber gesucht, um es ihm heimzuzahlen. So ging es immer hin und her, bis wir uns am Ende regelrecht verabscheut haben, die arme Tiara haben wir dabei als Waffe eingesetzt, um dem jeweils anderen wehzutun.«

Mit tränenfeuchten Augen wandte Iris sich an ihren Ehemann, der ihre fest verschränkten Hände sacht an seine Lippen hob. »Das ist lange her«, beruhigte er sie sanft. »Das ist lange her.«

»Sie hat mir nie verziehen. Weshalb hätte sie das auch sollen? Nach der Scheidung von Tees Vater hat es gerade so lange gedauert«, Iris schnipste mit den Fingern, »und schon hatte ich den nächsten Ehemann. Nur, um ihm zu zeigen, wie egal er mir inzwischen war. Sechs Monate später habe ich für den Fehler bezahlt, aber gelernt habe ich dadurch nichts. Als ich dann endlich erwachsen wurde, war es schon zu spät. Sie war lieber bei ihrem Vater, der ihr alles durchgehen ließ. Sie konnte bei ihm tun und lassen, was sie wollte, es hat ihn auch nicht interessiert, wer ihre Freunde waren.«

»Du hast Fehler gemacht«, erklärte Georgio. »Aber du hast auch versucht, sie wiedergutzumachen.«

»Aber nicht deutlich und schnell genug. Wir haben eine achtjährige Tochter«, wandte sich die Frau wieder an Eve. »Ihr bin ich eine gute Mutter, aber Tiara habe ich vor langer Zeit verloren, und jetzt bekomme ich sie nie wieder zurück. Als wir das letzte Mal gesprochen haben, vor über einem Monat, haben wir gestritten. Jetzt kann ich mich nie wieder mit ihr versöhnen.«

»Worum ging es bei dem Streit?«

»Vor allem um ihren Lebensstil. Ich habe es gehasst, dass sie ihr Leben so vergeudet hat. Sie ging permanent an die Grenzen und hat diese Grenzen immer weiter ausgedehnt. Ihr Vater ist wieder verlobt, wobei diese Verlobte jünger ist als Tee. Sie war deshalb völlig außer sich und war geradezu besessen von der Furcht, älter zu werden und dann nicht mehr attraktiv zu sein. Können Sie sich vorstellen, dass sich eine Dreiundzwanzigjährige über so etwas Gedanken macht?«

»Nein.« Eve dachte an die vielen Spiegel, die zum Bersten vollen Kleiderschränke und die Eingriffe, die schon am Körper dieses jungen Mädchens vorgenommen worden waren. All diese Dinge zeigten ihr, dass Tiara vollkommen besessen von sich selbst gewesen war. »Hat sie sich für Okkultismus interessiert?«

»Okkultismus? Keine Ahnung. Als Teenager hat sie mal eine Phase durchgemacht, in der sie jede Menge Geld für Hellseherinnen ausgeben hat. Außerdem hat sie sich – wie so viele Mädchen – für Hexerei und solche Sachen interessiert, aber sie meinte, dass es dort zu viele Regeln gibt. Sie hat immer nach einem leichten Weg gesucht, nach irgendeinem Zaubertrank, der all ihre Probleme löst. Werden Sie herausfinden, wer sie getötet hat?«

»Das werde ich.«

Während Eve noch dafür sorgte, dass man die Francines ins Leichenschauhaus fuhr, trat Mira durch die Tür des Pausenraums. Sie nickte ihr kurz zu, trat vor einen Getränkeautomaten und bestellte zwei Diät-Pepsi für sich und Eve.

Sie war beim Frisör gewesen, merkte Eve. Die blonden, etwas kürzeren Haare lagen weich in ihrem Nacken und die Strähnen, die ihr sanft in Stirn und Wangen fielen, waren etwas heller als gewohnt. Elegant und attraktiv in einem blauen Kostüm, setzte sie sich zu ihr an den Tisch.

»Iris Francine. Ich habe sie erkannt. Vor zwanzig Jahren war ihr Gesicht in allen Zeitungen. Ich hatte immer das Gefühl, als wollte ihre Tochter die jugendlichen Ausschweifungen und Eroberungen der Mutter in den Schatten stellen. Was ihr anscheinend auf die denkbar schlimmste Art gelungen ist.«

»Ja, durch ihren Tod kommt sie auf jeden Fall in alle Medien.«

»Vor allem aufgrund der Art, wie sie umgekommen ist«, pflichtete ihr Mira bei. »Ich hatte gerade einen Termin eine Etage höher, da dachte ich, ich schaue kurz bei Ihnen rein. Peabody hat mir gesagt, wo ich Sie finde, und mir kurz erzählt, worum es geht. Mord durch Vampirismus kommt nicht gerade häufig vor. Meistens ziehen die Gefahr, der Kick und die Erotik des Okkulten überwiegend junge Menschen an. Es gibt eine psychische Störung …«