Patagonien - Ute Fischer - E-Book

Patagonien E-Book

Ute Fischer

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Beschreibung

Patagonien ist riesig. Von Norden bis Süden eine Distanz wie Paris und Teheran. Das fährt man nicht einfach so ab. Da muss man die Höhepunkte kennen und wie man am besten von A nach B kommt; sonst ist man Jahre unterwegs in unendlicher unbewohnter Pampa, durch Wüsten, über Gebirge und Gletscher. Dieses Buch beschreibt die Reise einer zwölfköpfigen Gruppe, die mit einem deutschen Veranstalter und deutscher Reiseleiterin vierzehn Tage unterwegs war, mit Flugzeug, Omnibus und Schiff. Sie erlebten Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt am Beagle-Kanal, den argentinischen Nationalpark Terra del Fuego (Feuerland), ein Biber-Reservat, El Calafate und den Perito Moreno-Gletscher, Puerto Natales und den chilenischen Nationalpark Torres del Paine mit dem Gray-Gletscher und seinen grandiosen turmartigen Granitbergen, ein Asado-Festmahl auf einer Estancia, die Hafenstadt Punta Arenas und eine riesige Pinguinkolonie mitten in der Magellanstraße. Beeindruckend war Buenos Aires als zweitägige Reiseunterbrechung auf der Hinreise mit Stadtführungen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Die Heimreise stückelten wir mit Stippvisiten in der chilenischen Hauptstadt Santiago, dem Weinanbaugebiet Casablanca und Valparaiso, die berühmte Hafenstadt der mit Malereien verzierten Fassaden; alles Sehnsuchtsorte des Dichters Pablo Neruda, von dem wir zwei seiner künstlerischen Anwesen besuchten. An Ende dieser Reise begreift man, dass Patagonien nicht einfach eine Region ist, sondern die Summe menschlicher Schicksale von Indianern, Abenteurern, Forschern, Entdeckern, Hasardeuren und Lebenskünstlern auch aus Europa, aus Deutschland. Mit diesen Reisebeschreibungen kann sich jeder seine Tour selbst zusammenstellen und uns einfach hinterher reisen. Vor allem weiß man dann, wo die Tops sind und welche Flops man besser vermeidet.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wohin?: Patagonien – wo iss das?

Tag eins

Tag zwei

Buenos Aires

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes

Buenos Aires, die Stadt des Tango

Verkehr

Der Obelisk

Unser Hotel

Argentinisches Steak

Rotwein

Tag drei

Plazo de Mayo – Mai-Platz

Heroes de Malvinas

La Boca

Milonga

Tag vier

Ushuaia

Ankommen

Beagle-Kanal

Tag fünf

Nationalpark Terra del Fuego

Biber-Safari

Tag sechs

El Presidio

Kati sagt

El Calafate

Tag sieben

Der Perito Moreno Gletscher

Tag acht

Tag neun

Nationalpark Torres del Paine

Conglomerado

Milodón-Höhle

Schreie aus Stein

Zeit zum Meckern

Tag zehn

Ilse

Isabel

Schafzucht in Patagonien

Benetton und Konsorten

Das Vermächtnis von Douglas Tompkins

Das Leben auf einer Estancia

Tag elf

Apropos: Argentinisches Steakfleisch

Punta Arenas

Die Magellanstraße

Punta Arenas und die Schafbarone

Zu den Pinguinen

Das war Patagonien

Tag zwölf

Santiago de Chile

La Chascona

Tag dreizehn

Weingut Emiliana

Valparaiso

Noch einmal Neruda mit Gefühl

Pablo Neruda (1904 bis 1973)

Street-Art

Abschied

Tag vierzehn

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes

Vorwort

Dies ist kein übliches Reise-Buch. Zwar waren wir als Reisejournalisten Jahrzehnte lang unterwegs, geübt in Reiserecherche und Reisereportagen. Doch diese Geschichte ist eine private, nicht unbedingt objektiv, sondern eher sehr subjektiv, wie man eben private Reisen empfindet. Das spiegelt sich wider in den Flops und Tops, die wir erlebten. Kurz: Wir haben uns als Reisende selbst aufs Maul geschaut, uns selbst zugehört und unsere Gefühle reflektiert, ohne Rücksicht auf irgendjemanden und irgendetwas, außer auf uns selbst.

Patagonien ist bereits das dritte Buch dieser Reihe. Wenn wir von Reisen heimkehren, suchen wir immer nach einer erschöpfenden Antwort auf die Frage: „Wie war`s?“ Wer selbst reist, weiß, dass es darauf keine einfache, vor allem kurze Antwort geben kann. Klar. Schön war`s. Und aufregend. Und ganz anders, als erwartet. Das alleine wäre aber ein ärmliches Fazit und könnte nicht einmal ansatzweise beschreiben, wie unsere Patagonien-Reise verlief. Fahren Sie doch einfach mal selbst hin!

Wohin?

Patagonien – wo iss das?

Wie kommt man auf Patagonien als Reiseziel? Bei uns war es eine Fernsehdokumentation, die unsere Neugier weckte. Nein, nicht die von Klaus Bednarz, das hätten wir uns gemerkt. Aber in unserer Erinnerung blieben riesige hohe Gebirge nach Art des Himalaya, endlose Rinder- und Schafherden, Gauchos mit von der Sonne gegerbten Gesichtern, Grillroste vom Ausmaß einer Tischtennisplatte, saftige Steaks, Pinguine, Seelöwen, Pumas, Guanakos, dramatische Küsten, Wasser, Kap Hoorn. Noch dazu gerieten wir mehrfach in eine Serie eines norwegischen Kapitäns, der von Chile hinunter in den Beagle-Kanal nach Ushuaia fuhr und von dort zum Kap Hoorn, dessen Namensgeber uns von unseren niederländischen Reiserecherchen bekannt war. Kapitän Cornelisz Schouten aus Hoorn, Provinz Nordholland, Region Westfriesland.

Am Anfang verbuchselten wir ständig die Wechstaben; unser Kopf war noch voll von unserer Kapadokienreise.

Dann stöberten wir im Internet nach Lesematerial und fanden ziemlich wenig:

Wikipedia liefert uns eine Literaturliste und schon mal die Erklärung des ungewöhnlichen Namens. Der portugiesische Entdecker Ferdinand Magellan gab den einheimischen Tehuelche-Indianern bei seiner Überwinterung im Jahre 1520 in der Region Feuerland wahrscheinlich auf Grund ihrer großen Statur den Namen Patagones.

Pathagón hießen die Riesen in den „Novelas de Caballería“, einer zu jener Zeit viel beachteten Sammlung von Rittergeschichten. Ob dies wiederum von „großen Füßen“ (spanisch: patones) abgeleitet wurde, hat uns Magellans Reisebegleiter Antonio Pigafetta in seinen Tagebüchern nicht übermittelt.

Bei der Literatur kam uns Journalisten das Bednarz-Buch von 2004 in der Erzählweise am nächsten. Ehrliche Information im Guten wie im sich bewahrheiteten Schlechten. Keine Schönfärberei, wie man es aus vielen Reiseführern gewohnt ist. Vieles fanden wir auch nach über zehn Jahren noch so vor, wie er es beschrieben hatte. Da unten, am Ende von Südamerika, ändert sich selbst im Internetzeitalter wahrscheinlich so schnell nichts. Patagonien ist so dünn, ja spärlich bevölkert. Lediglich drei Städte explodieren in den Sommermonaten (Dezember bis Februar), dann kommen die Argentinier und Chilenen nach Punta Arenas, Puerto Natales und El Calafate in die Nationalparks eingeflogen, um die beeindruckende Natur mit Gletschern und Bergen zu besichtigen.

Enttäuschend war, dass der jüngste Merian über Patagonien aus dem Jahr 1996 stammte. Auch bei DuMont fanden wir das Thema nicht. Es gab auch keine akzeptable Landkarte, um sich ein Bild über Patagonien zu machen. Heute ist uns das klar: Patagonien ist mit etwa 5.000 Kilometern Länge und über 3.000 Kilometern an der breitesten Stelle zu groß, um auf einer einzigen Landkarte mehr als Fliegenschisse zeigen zu können. Die sehenswerten Orte liegen so weit auseinander, dass man sie am besten mit dem Flugzeug anvisiert. Mit einem Geländewagen, Schneeketten, Schlafstellen und großen Proviantvorräten würde man Monate lang unterwegs sein.

Wir schafften diese Reise in 14 Tagen, in einer zwölfköpfigen Reisegruppe, mit Reiseleiterin und verschiedenen Local Guides. Das ist eine relativ kurze Zeit für dieses große Land. Aber sie genügt, um hinterher eine ganze Menge erzählen zu können.

Ute Fischer + Bernhard Siegmund

Tag eins

Abflug um 19:50 Uhr – eine gute Zeit, um den Tag Zuhause noch nützen zu können. Wie zum Hohn trifft an diesem Morgen das Paket von BOD ein mit den ersten Exemplaren unseres selbst verfassten Borreliose-Jahrbuchs 2017. Bernhard meint eher scherzhaft: „Da kannst du ja noch den Versand für die Autoren machen“. Und das mache ich tatsächlich. Es sind ja nur sieben Exemplare als Büchersendung, also ohne Anschreiben. Auch Nachbarin Gitti, die uns bei Abwesenheiten die Zeitung hereinholt und täglich die Einbruchprobe macht (böse Buben stecken zuweilen klarsichtige Plastikteilchen in die Haustüre, um zu prüfen, ob diese bewegt wird) hat heute Geburtstag. Auch bei ihr feiern wir noch ein bisschen. Dann kommt Christian, unser Mittelster, um uns zum Flughafen zu fahren. Normalerweise fahren wir mit Bus und Airliner ab Darmstadt. Aber wenn man es schon angeboten bekommt? Upps. Schnell noch am Briefkasten halten und die Bücher einwerfen. Damit ist im Büro alles erledigt, was geplant und sogar was nicht geplant war. Patagonien, wir kommen!

Am Check-In-Schalter fragen wir nach unserer Gruppe und zwei nebeneinander liegenden Sitzen. Der freundliche Officer schüttelt den Kopf. Keine Chance. Der Flug sei ausgebucht und der Reiseveranstalter habe keine Informationen gegeben, wer nun ein Paar sei und wer nicht. Eigentlich seien nur zwei Menschen mit dem gleichen Familiennamen dabei. Aber auch die – wie ich auf dem Flug von Sao Paolo nach Buenos Aires erfahre – mussten über viele Reihen getrennt sitzen. Für uns rächt sich, dass wir nach unserer Heirat unsere Geburtsnamen behalten haben.

Nun kommt Trick 17. Ich lüge, dass ich Flugangst hätte und unbedingt meinen Mann neben mir bräuchte, um nicht auszuflippen. Der Officer fragt mich allen Ernstes, ob ich dann lieber am Boden bleiben wolle. Ich zaudere. Braucht der noch einen Platz und würde eher auf mich verzichten? Ich lehne ab, weil ich gar nicht mehr nach Hause käme. Er telefoniert mit seinem Chef, sagt er. Dann schickt er uns sofort zum Gate. Unbedingt, so schnell wie möglich. Freilich müssen wir erst die Passkontrolle und die Körperkontrolle durchlaufen. Ei, ei, ei, wieder was für ein Zirkus. Während Bernhard fast alles ablegen muss, wird bei mir sogar in den Schritt getastet. Mein Rucksack bekommt wieder die Sprengstoffkontrolle verpasst. Negativ. Eben.

Am Gate wartet man schon auf uns. Wir erhalten zwei Boarding-Cards in der 15. Reihe; zwar mit H und C nicht direkt nebeneinander, aber immerhin in der gleichen Reihe bis Sao Paulo (zwölf Stunden). Von dort nach Buenos Aires sind wir drei Reihen auseinander. Aber das sind ja nur drei Stunden.

Geschafft. Es ist Bernhard gelungen, seinen allein reisenden Nebenmann zum Platztausch mit mir zu bewegen. Für ihn ist der Platz genauso gut: Erste Reihe, also mit viel Beinfreiheit und Gang. Die Monitore sind in der Trennwand zur First-Class untergebracht, die Tischchen werden aus den Armlehnen gezaubert. Perfekt. Wir strahlen uns an und knuddeln unsere Hände. Bald nach dem Start wird Essen serviert: Chicken oder Beef. Der Rotwein ist ordentlich. Davon kriegen wir noch einen Nachschlag. Schließlich liegt eine lange Nacht vor uns, von der wir hoffen, das meiste verschlafen zu können. Die First-Class hat eingebaute Fußhocker, die sich mit dem Sitz zu einer richtigen Liege zusammenschieben lassen. Wir haben zumindest genügend Beinfreiheit. Ich drapiere meinen Rucksack so hoch er stehen bleibt und packe darauf das Airline-Päckchen mit Kissen und Wolldecke. Fertig ist mein Fußhocker. Dank meiner vorgetäuschten Flugangst sind wir in einer richtigen Komfortzone gelandet. Die Bodenstewardess mahnte fast Demut an; wir seien auf Plätzen gelandet, für die man normalerweise 90 Euro Aufpreis bezahlen müsse. Das mit der Flugangst muss ich mir merken. Wenn die wüssten, dass wir einen Ratgeber gegen Flugangst verfasst haben, der noch ziemlich aktuell im Buchhandel zu finden ist. Er macht uns zwar nicht wohlhabend, leistet aber jährlich einen Beitrag zur Mischkalkulation unserer Einkünfte

Eine lange Flugnacht liegt vor uns. Zwölf Stunden oder etwas mehr. Der Monitor vor uns zeigt den aktuellen Flugverlauf: Richtung Paris, Lissabon, auf den Atlantik, Madeira, dann Punta Delgada auf den Azoren; der Fliegenschiss eines Inselarchipels mitten im Atlantik zwischen USA und Europa. (Siehe unser Buch aus der gleichen Serie). Doch bis São Paulo ist noch ein unendlich langer Weg.

Lange lese ich in dem 20 Jahre alten Merian-Heft über die chilenische Seite Patagoniens; etwas Neueres gab es nicht in Heftform. Aber es vermittelt einen guten Eindruck über die Unterdrückung der Ureinwohner durch die Spanier. Ein Gedicht von Pablo Neruda, etwas über Gabriela Mistral, Dichterhelden meiner Jugend. Beide wurden mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Mit etwas Glück werden wir zwei Häuser von Neruda in Santiago und in Valparaiso besichtigen.

Über dem Atlantik toben Turbulenzen, wie wir sie beide in unserer Jahrzehnte langen Reisezeit noch nicht erlebt haben. Wenigstens zwei Stunden rüttelt es uns in den Sitzen. An Schlafen nicht zu denken. Die Maschine – eine Boing 777-300.- stöhnt und ächzt, als würde sie gleich auseinander brechen. Es schüttelt mich im Sessel so stark nach rechts und links und rumst mich gegen die Armlehnen, dass mir beide Ellenbogen weh tun. Ich spreche mal wieder mit unserm Schöpfer, ob er uns nicht noch einmal davon kommen lassen will?

Etwa neun Stunden schlafen und dösen wir vor uns hin. Nach Frankfurt-Zeit ist es etwa 6:30 Uhr, als wir uns zum „Aufstehen“ entschließen. Es ist Sonntag, der 20. November. Wir landen um 8:30 Uhr (noch-deutscher Zeit) bei völliger Dunkelheit in São Paulo-Guarulhos. Ortszeit 5:30 Uhr. Neun Grad Lufttemperatur. Drei Stunden Zeitverschiebung. Bei 12 Grad steigen wir aus.

Tag zwei

São Paulo, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, ist das wichtigste Wirtschafts-, Finanz- und Kulturzentrum sowie Verkehrsknotenpunkt des Landes, die größte Stadt Brasiliens und der größte industrielle Ballungsraum Lateinamerikas. In der Metropolregion Grande São Paulo leben 21 Millionen Menschen, überwiegend portugiesischer, italienischer, deutscher, libanesischer und japanischer Abstammung.

Den Umstieg erleichtern gut ausgeschilderte Wege zu den „Connecting“ Flügen. Das Gepäck wurde eh durchgecheckt bis Buenos Aires. Allerdings droht uns eine neue Leibesvisitation. Armer Bernhard: Hosenträger, Bauchtasche, Tablett und Handy raus, Pullover, Geldbeutel. Von mir wollen sie sich nur die Anti-Insektencreme aus dem Rucksack genauer ansehen. Auf der Damentoilette blicke ich in ein graues Gesicht. Weil wir genügend Zeit haben und ich mein Beautycase im Rucksack, wasche und schminke ich mich völlig neu. Herrlich. Ein neuer Mensch.

Bei Starbucks trinken wir Tee und Kaffee. Kein Problem, die kleine Summe mit der Kreditkarte zu bezahlen. Die Sonne geht auf. Sehr schnell schiebt sie sich nun über den Horizont. Am Gate erhalte ich einen neuen Boardingpass. Ich sitze sieben Reihen hinter Bernhard. Neben mir am Fenster sitzt Ilse K.; nach Auskunft der Bodenstewardess in Frankfurt angeblich mit ihrem Mann das einzige Paar unserer Gruppe mit gleichem Familiennamen, die zusammen sitzen sollen. Diese Aussage erweist sich bei näherem Kennenlernen der übrigen Reiseteilnehmer als falsch. Denn das Ehepaar K. sitzt ebenfalls viele Reihen voneinander getrennt, obwohl die zwei Dreier-Reihen der kleineren A 321 nicht voll besetzt sind, und die mittleren Plätze frei bleiben. Schlecht organisiert! Vor dem Take-off flitzt die Stewardess mit einem übel riechenden Spray durch den Gang und nebelt uns ein. Wir vermuten eine Prophylaxe gegen das Zika-Virus. Später erfahren wir, dass dies schon ein paar Jahre gegen mögliche, von uns eingeschleppte Parasiten praktiziert wird. Es stinkt bestialisch.

Man serviert uns ein labbriges Brötchen mit Käse und Schinken. Schon jetzt sehne ich mich nach unserem selbst gebackenen, köstlichen Vollkornbrot mit Sonnenblumenkernen und Haselnüssen.

Ortszeit 9:40 Uhr. Wir dürfen die Uhr eine weitere Stunde zurückstellen. Zuhause ist es jetzt 13:40 Uhr. Nach Längengraden sind wir gerade Frankfurt näher als New York. Beim Sinkflug erkennen wir die große Bucht zwischen Argentinien und Uruguay. Wir landen im diesigen Buenos Aires, unsere erste Station. 24 Grad. Sommer!

Erstmals versammeln wir uns als Reisegruppe. Zwölf Leute. Reiseleiterin Katja Fiedler dirigiert uns zu einem kleinen kompakten Bus. Er fährt durch ziemlich ärmliche Vororte und über einige Mautstellen. Die Autobahnen sind hier privatisiert und die Investoren lassen sich das für jeden Kilometer vergolden. Evita Peron begrüßt uns als haushohe Fassadenmalerei. Es geht weiter auf der Straße des 9. Juli, mit 14 Spuren und 160 Metern die angeblich breiteste Straße der Welt. Da habe man wohl die beigeführten Radwege mitgerechnet, vermutet Katja. Jedenfalls müsse man joggen können, um bei Ampel-Grün die komplette Straße überqueren zu können. Katja, die wir in Zukunft nur noch Kati nennen dürfen, weil die Einwohner das „J“ nicht aussprechen können, ermahnt mich, meine Goldkreolen abzunehmen. Buenos Aires sei keine sichere Stadt. So auffallend getragenes Gold werde nicht selten von den Ohren gerissen, ohne Rücksicht darauf, dass noch Ohren dranhängen. Auch Bernhards Uhr an der Goldkette wird umgepackt.

Buenos Aires

Die Hauptstadt ist das industrielle und kommerzielle Zentrum Argentiniens. Ihr Name stammt von Santa Maria del Buen Aire (Heilige Maria der guten Luft), der Schutzpatronin der Seefahrer. Ihr offizieller Name lautet Ciudad Autónoma de Buenos Aires, also Autonome Stadt Buenos Aires. Sie ist eine der größten Städte der Welt mit dem weltweit größten Hafen. 2001 zählte man eine Bevölkerung von 2,9 Millionen. Neuere Zahlen gibt es nicht. Im gesamten Ballungsgebiet leben mehr als zwölf Millionen Menschen. Die Stadt liegt am südlichen Ufer des Río de la Plata, der etwa 50 Kilometer breit, zusammen mit den Flüssen Rio Paraná und Rio Uruguay, in den Atlantik mündet. Weil jeder Fluss ein anderes Sediment mitbringt, kann man die drei Ströme aus der Luft im gemeinsamen Mündungsbett durch die unterschiedliche Färbung auseinander zu halten.

Gegründet wurde Buenos Aires am 2. Februar 1536 von Pedro de Mendoza auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils San Telmo. Insgesamt gibt es 48 Stadtviertel. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Argentiniern spanischer und italienischer Abstammung. Die Mehrheit von ihnen kam aus Galicien, Asturien und den baskischen Regionen Spaniens sowie den kalabrischen, ligurischen und neapolitanischen Regionen Italiens. 97 Prozent sind europäischer Abstammung. Neben dem überwiegend römisch-katholischen Glauben; existieren aber seit über 100 Jahren auch jüdische, moslemische und evangelische Gemeinschaften.

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes

In den letzten Monaten wird eine ansteigende kriminelle Gefährdung beobachtet. Grundsätzlich ist Vorsicht und Wachsamkeit angebracht, auch in als sicher geltenden Stadtteilen. Wertgegenstände sollten nicht offen getragen werden, Bargeld sollte nur in geringen Mengen mitgeführt werden. Bei Überfällen sollten Reisende keinen Widerstand leisten, da die Täter in der Regel bewaffnet sind und vor Gewaltanwendung nicht zurückschrecken.

Buenos Aires, die Stadt des Tango

Tangomusik wurde in den Vorstädten geboren, in den Bordellen im Junín y Lavalle Distrikt und in den Arrabales (ärmeren Vorstädten). Der Tango war als Gesellschaftstanz verschmäht, bis ihn die Pariser High Society in den 1920er Jahren übernahm. Ab da ging er um die ganze Welt. Tango-Tanzschulen, auch als Tango-Akademien bezeichnet, wurden ursprünglich nur von Männern betrieben. Es heißt, dass sie sich mit dem Tanzen Heimweh und Langeweile vertrieben. Jedes Jahr am 11. Dezember feiert Buenos Aires seinen „Tango Day“.

Verkehr

Eine Erfindung Buenos Aires' ist der "Colectivo", ein schmaler Bus, gebaut aus einem LKW-Chassis mit 21 bis 27 Sitzen. Zahlreiche Colectivos und größere öffentliche Busse durchqueren die Stadt jede Stunde und bieten Anschluss an alle Vororte. Man braucht also kein Auto. Es gibt auch eine Metro, genannt „El subte“, die Abkürzung von "subterráneo", (Untergrund). Mit der Eröffnung im Jahr 1913 gilt sie als ältestes U-Bahn-System der Welt. Fünf Linien A bis E verbinden auf 46 Kilometern Streckenlänge die einzelnen Stadtteile. Geplant ist eine Erweiterung auf 89 Kilometer.

Buenos Aires ist der Knotenpunkt des gesamten argentinischen Schienennetzes. Die drei wichtigsten Bahnhöfe für Langstrecken- und Regionalzüge sind Estación Retiro, Estación Constitución und Estación Once. Der internationale Flughafen von Buenos Aires, Ministro Pistarini International Airport, liegt in der Vorstadt Ezeiza und wird oft nur "Ezeiza" genannt. Der Aeroparque Jorge Newbery Flughafen, innerhalb der Stadt nahe dem Rio de la Plata gelegen, bedient hauptsächlich nationale Flugrouten. Hier werden wir also nach Ushuaia starten.

Der Obelisk

Das 67 Meter hohe Denkmal wurde im Mai 1936 in nur vier Wochen von Alberte Prebisch errichtet. Anlass war das 400jährige Stadtgründungsjubiläum. 296 Stufen führen zur Spitze. Aus vier Fenstern kann man die Stadt überblicken. Der abends beleuchtete Turm gilt als vielbesuchter Treffpunkt nicht nur für junge Leute.

Unser Hotel

Das „Tanguero“ in der Straße Suipacha, nahe dem Obelisken, ist ein so genanntes Bistro-Hotel, so nennen sich kleine familiäre Häuser, die sich thematisch dekorieren. Wie der Name sagt, geht es hier um Tango. Die Konterfeis der berühmtesten Tango-Tänzer Argentiniens hängen an den Wänden. In Vitrinen werden deren Schuhe und allerlei Souvenirs aus jener Zeit aufbewahrt. Die meisten Möbel, Kacheln, Armaturen im Bad, Lampen, Spiegel stammen aus Zeiten der vorletzten Jahrhundertwende. Auch die Zimmer tragen Namen der berühmtesten Tangotänzer. Angenehm, dass die Matratzen und das Bettzeug moderner sind. Wir werden gut schlafen. Abgesehen davon habe ich stets ein kleines flaches Reisekissen mit.

Wir treffen uns zu einem ersten Stadtrundgang. Blühenden Flieder hatten wir schon bei der Anfahrt gesehen. Hinzu kommen die blau-lila blühenden und frühlingshaft duftenden Jacaranda-Bäume, die wir auch aus Barcelona und Lissabon kennen. In einem Einkaufszentrum reihen wir uns in eine lange Schlange zum Geldwechseln ein. 75 Brasilianische Peso sind fünf Euro. Allerdings kann man hier nahezu überall mit Kreditkarte, in Dollar und oft auch in Euro bezahlen. Lustig: Unter einem viele Meter hohen funkelnden und blitzenden Weihnachtsbaum laufen die Menschen in kurzen Shorts und mit nackten Bäuchen herum. Es ist Sommer, mitten im November.

Über den Mai-Platz, wo noch heute jeden Donnerstag Mütter und Großmütter um ihre vermissten Kinder weinen und demonstrieren, streifen wir die Kathedrale, in der Papst Franziskus als Bischoff tätig war. Beide stehen am nächsten Tag auf dem Programm.