Populäre sächsische Legenden - Henner Kotte - E-Book

Populäre sächsische Legenden E-Book

Henner Kotte

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Beschreibung

Die Sachsen erzählen gern und viel – manches mag man gar nicht glauben. Doch faszinierten Generationen die Geschichten eines der berühmtesten Sachsen der Welt: Karl May, der Schöpfer von Winnetou und Old Shatterhand. Auch andere phantastische Schriftsteller und Schriftstellerinnen hat das Land hervorgebracht, wie Lene Voigt, die Ikone der sächsischen Mundartdichtung, und bedeutende Schauspieler, wie den Charakterkopf Gert Fröbe, von dem erzählt wird, dass er Geige spielte. Viele legendäre Erzählungen aus dem Sachsenland gibt es: So lebten Romeo und Julia auf dem sächsischen Dorfe Altsellerhausen. Sächsische Könige liebten und verdammten. Andere gruben Schätze aus dem Boden. Riesen kamen, Zwerge gingen. Faust ritt auf einem Fass in Leipzigs bekanntester Gaststätte Auerbachs Keller. Manfred von Ardenne entwarf die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie in Dresden. Auf der Heiligen Brücke bei Leipzig opferte sich einst eine Zwillingsschwester für die andere. Der Weiße Hirsch ist Dresdens Nobelviertel und ward am Hang erschossen … Geschichten über Geschichten – ob wahr oder erfunden, Hauptsache, sie sind gut! Der Leipziger Autor und Stadtführer Henner Kotte unternimmt einen kaleidoskopischen Streifzug durchs legendäre Sachsenland. Seine lustvoll zusammengetragenen Fakten, Schnurren und Halbwahrheiten werden auch waschechte Sachsen staunen lassen!

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Henner Kotte

Bild und Heimat

eISBN 978-3-95958-785-3

1. Auflage

© 2019 by BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlaggestaltung: BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlagabbildungen

links oben: Gert Fröbe: picture alliance, aus dem Film: Die Öl-Piraten (Originaltitel: Docteur Justice, FR/E 1975, Regie: Christian-Jaque); rechts oben: Porträt Lene Voigt, mit freundlicher Genehmigung der Lene-Voigt-Gesellschaft e. V. (http://www.lene-voigt-gesellschaft.de/); rechts Mitte: Klosterruine auf dem Oybin: Ingolf Bergfeld (https://www.zeitbrueche.de/oybin.html); unten: Moritzburg: picture alliance/chromorange.

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

BEBUG mbH / Verlag Bild und Heimat

Alexanderstr. 1

10178 Berlin

Tel. 030 / 206 109 – 0

www.bild-und-heimat.de

Die Legende von der Heiligen Brücke

Und so begab es sich vor langer Zeit, dass in der großen Handels- und Seestadt Leipzig ein Kaufmanns­ehepaar innig sich liebte. Es fehlte zu seinem Glück nur noch eines: Kinder. Die Kaufmannsfrau ward trotz aller Versuche und erdenklicher Mittel nicht schwanger. All ihre Gebete galten dem einen einzigen Gott in der Höh’, und sie versprach: Wenn ihnen trotz ihres Alters ein Kind noch geschenkt würde, sie würde es dem Allmächtigen weihen. Das nimmer Geglaubte geschah: Die Kaufmannsfrau ward guter Hoffnung und alsbald von properen Zwillingen entbunden. Maria und Katharina nannten die Eltern ihren nunmehrigen Schatz und erzogen die Mädchen in Demut und Achtung.

Die Mutter verstarb, als die beiden noch Kinder. Katharina und Maria wuchsen zu edelschönen, sehr klugen und lebensfrohen Jungfrauen heran. Doch trübte den Sinn ihres Vaters das Versprechen, das seine Frau Gott ehedem gegeben hatte. Welchen seiner Augensterne sollte er hinter dicke Klostermauern nun geben? Schweren Herzens entschied er sich für Maria. Sie war gesetzter als ihre Zwillingsschwester und würde seine Entscheidung klaglos verstehen. Die quecksilbrige Katharina aber schickte er zu Verwandten nach Altenburg. Zu sehr erinnerte sie ihn an Maria und das ihr auferlegte Opfer. Diese nun lebte fortan im Kloster der Georgennonnen und war unglücklich. Vorbei die heitere Zeit mit Spiel und Tanz und das einträchtige Beisammensein mit der Schwester.

Nach fünf Jahren trafen sich die Geschwister erstmals besuchsweise wieder, und schmerzlich erkannte Maria, was man ihr vom Leben genommen hatte. Die strengen Regeln eines Klostertages ließen keine Zeit für Fröhlichsein und Singen und pubertierende Heimlichkeit mit der Schwester. Die dicken Mauern verbargen den herrlichen Auwald mit seinen Bäumen und Blüten und Tieren, kaum dass Maria Vogelgezwitscher vernahm. Dicht am Klostergarten plätscherte jedoch das Gewässer der Pleiße. Nonnenmühlgasse heißt die Straße heute wieder.

Ein junger und stattlicher Bürgersohn stakte im Nass mit seinem Kahn hier oftmals vorbei. Dabei sang er allerliebste Lieder, die Maria das Herz brachen, denn sie hatte dieselben oft mit Katharina gesungen. Und so blieb es nicht aus, dass ihr Schluchzen und Schnaufen Maria verriet. Der Blick des Jünglings hatte die unglückliche Nonne entdeckt. Erste Worte fielen den beiden noch schwer, aber mit jedem ihrer Treffen wurden sie sicherer und mehr. Doch lauerte die Gefahr überall, dass die Äbtissin oder wer anders das Paar bei solch trautem Zusammensein überraschte. Allein der Gedanke an die zu erwartende Strafe war Maria unerträglich. Auch der junge Mann litt. Aber der Zuneigung und tiefen Gefühle füreinander waren sie sich sicher: Nichts und niemand konnte die Liebenden trennen. So ward alsbald der Entschluss gefasst, gemeinsam zu flüchten.

So geschah es: Der liebende Jüngling entführte Maria aus dem Kloster. Der Torwart des nahen Kuhturms gab ihnen ein Versteck. Natürlich wurde die leere Zelle Marias bemerkt, denn zum Gebet war sie nicht mehr erschienen. Als die Nonnen sie im Kloster nirgendwo fanden, war ihr Gezeter und Geschimpfe sehr groß. Schlimmer noch: Die Schande sprach sich herum. Die Äbtissin schäumte vor Wut und bat den Probst des nahen Thomasklosters um Hilfe. Heerscharen setzte man in Bewegung, um Maria zu finden und in den Schoß Gottes zurückzuführen. Doch Maria und ihr Geliebter verbargen sich im Kuhturm gut.

Aber ebenso die Zwillingsschwester, Katharina in Altenburg, sah sich um ihr Glück gebracht. Sie sollte auf Weisung der strengen Verwandten, zu denen der gute Vater sie gegeben hatte, den Mann ehelichen, den sie ihr zugedacht hatten: reich, aber alt, beleibt und ohne jeglichen Charme. Auch sprach er dem Trunke mehr zu, als gesund war. Treu sei der nimmer gewesen, sagte man, seine erste Frau sei dar­ob vor Gram gestorben. Nein! Dieser Zwangsheirat verweigerte sich die schöne Katharina und brach aus dem Haus aus, um anderswo Glück und Liebe zu finden. So eilte sie denn von Altenburg fort. Doch der verschmähte Bräutigam ritt ihr nach und erspähte hinter dicken Bäumen im Stein ihr Versteck. Sein Wissen teilte der Mann gegen Zins mit dem Thomasklosterprobst zu Leipzig. Und der sandte die ­Häscher aus. Die arme Maid ward gefangen und augenblicklich verwechselt. Erst im Gefängnis erfuhr Katharina, wie es ihrer Schwester ergangen war, an derer statt sie nun büßte. Und Katharina nahm alle Schuld auf sich, um der geliebten Schwester ihr Glück dauerhaft zu gestalten.

Weder Äbtissin noch Probst noch die Nonnen noch kirchliche Richter erkannten den Personenschwindel, der sich ihnen hier bot. Die Schwestern glichen sich bis aufs Muttermal hinter dem Ohr. Zornbebend verkündete die Äbtissin das Urteil. Es lautete: Tod. Zur Urteilsvollstreckung begab man sich nächtens hinaus durch das Stadttor hin zu den Wiesen nahe der Elster. Es war ein gespenstischer Zug, der den Weg da entlangzog. Die Nonnen murmelten strenge Gebete. Die Waffen der Klosterknechte blitzten im Mondschein. In ihrer Mitte: Katharina gefesselt. Auf der Brücke über die Elster band man die Maid auch noch an ihren Füßen und beschwerte sie mit einem riesigen Stein. Unter Flüchen und großen Verwünschungen warf man die Falsche ins Wassergrab, dass es platschte. Sie schrie.

Trotz aller Heimlichkeit und dem stillen Zug in der Tatnacht sprach sich die Kunde der Gräuel alsbald herum. Auch Maria vernahm sie in ihrem Turmversteck und weinte gar bitterlich. Ihr geliebter Bootskapitän vermochte nicht mehr, ihren Kummer ob dieses Menschenverlustes zu trösten. Ihre Liebe zerbrach. Fortan saß Maria den Abend zur Nacht und den Morgen hin bis zum Tag, immer und immer saß sie an der Todesbrücke und gedachte Katharina, ihrer über alles geliebten Schwester, die man für die von ihr selbst begangene Tat hingerichtet hatte. Und Maria betete und betete und weinte und weinte und schluchzte, bis sie zu Tode erschöpft. Ja, das Leid nahm ihr sämtliche Kräfte, die junge Maid verging schier und schwand dahin wie eine ungegossene Primel. Kaum zu erkennen war die einst Bildschöne noch, nur Haut und Knochen und Runzeln und Falten. So fand man Maria eines Tages tot auf der Elsterbrücke. Welch ein Elend! Dem Georgenkloster zürnte man und fluchte. Ungelitten wohnten die Nonnen nicht mehr lange an dieser Stelle, und ihr Kloster wurde geschleift, dem Erdboden gleichgemacht, es verschwand. Auf uns gekommen ist dagegen das ehrliche Heldinnenleben von Maria und Katharina, denn es wurde in der Handelsstadt fortan gepriesen und als gutes Beispiel erwähnt: Welch Vorbild an Lauterkeit, Liebe und Kraft! Die Schwestern wurden wie Heilige in eine ehrbare Grabstätte gelegt, die nicht erhalten blieb. Aber die Flussquerung, wo die beiden verstarben, nennt man auch heutigentags: die Heilige Brücke.

Heilige Brücke: 04109 Leipzig, Brücke über den Elstermühlgraben zwischen Moschelesstraße und Am Elsterwehr

Die Legende vom Moritzburger Gold

In manchem Gasthaus der Gegend ums königliche Jagdschloss verzeichnet die Karte das Fischgericht »Moritzburger Gold«. Man behauptet, diese Spezialität sächsischer Küche fuße auf der innigen Liebe von Jungfer Alfrun mit dem Sohn des Regenten. Nicht zu verwechseln ist diese Mär mit dem Märchen der Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, dem Film, der 1972 im Schlosse zu Moritzburg inszeniert ward. Das Moritzburger Gold begründete, sagt man, die Karpfenzucht, die alljährlich Hunderte hin in den Ort zum Moritzburger Fisch- und Waldfest zieht. Quellen berichten, dass Folgendes einst geschehen sei:

Alfrun war zu einer edelschönen Jungfer herangereift, aber ansonsten fehlte ihr jegliches Kapital. Die Eltern waren sehr arm, ihrer Hände viele Arbeit nährte nicht die große Familie. Und Alfrun als Älteste musste mittun, Pilze aufspüren, Beeren absammeln, Holz für den Ofen heimbringen, auf dass er Geschwister und Eltern warm halte. Nun aber war ein jegliches Entwenden aus kurfürstlichen Wäldern allen Sachsen verboten, Alfrun war dies sehr wohl bekannt, denn die Eltern hatten sie mehrfach darauf verwiesen und Vorhaltungen gemacht. Einfach gesagt, aber auf Alfruns illegal heimgebrachtes Zubrot aus dem kurfürstlichen Friedwald rechnete die Familie und konnte darauf mitnichten verzichten. Manches Mal gar schickten die Eltern oder die Großmutter und der Großvater eines von Alfruns Geschwistern ihr hinterdrein, auf dass sie zusammen noch mehr heimtragen können. Und es blieb nicht aus, was geschehen musste.

Jungfer Alfrun saß sinnend am Teiche auf einem Stein und blickte hinüber zum Schlosse mit seinen Zinnen. Das nun war allerstrengstens untersagt allen Landeskindern, nicht gern zeigte sich die königliche Familie privat. Und Jungfer Alfrun erblickte ihn, ihren Prinzen. Auf weißem Rosse preschte er aus dem Tore. Alfrun bemerkte mit Bangen, dass der Prinz den Weg, der nah an ihr vorbeiführte, einschlug. Sie musste sich bergen in hohem Gebüsch, sollte er sie nicht bemerken. Und das durfte er keinesfalls, denn bei Entdeckung drohte Strafe und Folter, gar grässlicher Tod. Jungfer Alfrun schob sich Haselnusszweige und Blätter vom Schilf vor das liebwürdige Antlitz und schaute verzagt auf das Kommende. Der Prinz ritt stürmend vorbei, und nur kurz erhaschte Alfrun einen Blick auf den Thronfolger. Aber dieses eine verhuschte Hinsehen hat es ihr angetan, Alfrun verliebte sich unsterblich in diesen sportlichen Jüngling. Und als hätten beider Herzen gesprochen, schaute der Prinz noch einmal zurück, konnte aber Alfrun nicht entdecken. Schilf und Haselnuss bargen sie gut.

Und so saß das Mädchen sinnend am Ufer und blickte erregt auf das Wasser und darüber hinaus. Das Schloss stand prächtig in praller Sonne. Das Ziegelrot der Dächer leuchtete weithin. Enten tummelten sich auf dem glitzernden Teich und Lietzen. Und um Alfrun grünte das Schilf, und im Nass grünten die Wasserlinsen. Beim Anblick dieser schwimmenden Gewächse hat nun die Jungfer gedacht: Ach, wäret all ihr Linsen doch Gold, denn mit all dem Golde wäre ich reich und könnte meinem Prinzen vor das liebliche Antlitz wohl treten. Aber ach, seufzte Alfrun, ach, ach, ich bin arm, und den Prinzen werde ich niemals mehr wiedersehen. Das Mädchen blieb sitzen nah da am Schloss und wusste nicht weiter, denn Wasserlinsen sind niemals nicht Gold. Auf einmal sprang vor der sehnsüchtigen Maid ein Fisch aus dem Wasser und raunte ihr die Worte hinüber: »Wart noch ein Weilchen, Alfrun, wart noch!« Träumte oder wachte sie? Aber woher Alfrun auch die Stimme gehört hatte, sie wartete wirklich. Und der Prinz kam zurück ohne Gefolge, auch ihn hatte eine Ahnung befallen, und er fand keine Ruhe. Dann erblickte er sie, die edelschöne Jungfer auf diesem Stein. Er sprang kühn vom Pferde, nahm das bebende Mädchen an beiden Händen und sagte: »Jungfer, ich werde dich freien.« Noch ein Weilchen hielt sich das Paar eng umarmt, und Alfrun berichtete ihrem Prinzen von ihrem törichten Wunsche des Linsengoldes und den Worten des Fisches. Der Prinz vermochte es kaum, zu glauben, war aber über die Umstände sehr glücklich, die seine Liebe hatten warten lassen. Die beiden scherzten und lachten und hatten ihr Glück wohl gefunden. Der Prinz setzte Alfrun auf sein Ross, und sie ritten gemeinsam auf das Schloss zu. Noch einen letzten Blick zurück auf den Teich warf das Mädchen. Tatsächlich sprang womöglich derselbe Fisch aus dem Wasser, und Alfrun erschien es, als wedele er mit seinem Schwanze ihr zum Gruße. »Oh, danke, liebes, liebstes Fischlein, ich werde dich immer in Ehren halten«, sprach da die Jungfer, und sie ehrte sie wirklich, die Karpfen im Teich, und ward auch dem Land eine gute Regentin.

Seit diesem Geschehen, berichtet die Sage, werden in Moritzburg Karpfen gezüchtet. Aber vor Jahren, als Königin Alfrun noch lebte, durften sie niemals nicht verspeiset werden. Nach Alfruns allzu frühen Tod aber saß nun der König trauernd am Orte ihrer ersten Begegnung und gedachte vergangener glücklicher Zeiten. Plötzlich sprang ihm ein dicker Fisch in den Schoß. »Ich habe lange gewartet«, sprach der Karpfen, »und ich wollte die Ehre von Königin Alfrun wie Ihr genießen, denn auch ich liebte sie. Aber nun iss mich! Ohne euer alltägliches Glück vermag ich nicht mehr länger zu leben.« Der König verwahrte sich ernsthaft dagegen, seines Glückes Schmied kann man nicht essen. Aber der fette Fisch bestand auf seine Bestimmung. »Und dadurch wäre ein bisschen von eurem Glück wieder bei Euch, mein König«, fügte er an.

Schweren Herzens trug der König den Karpfen zu seinen Köchen. Briet nun der Fisch schon, so sollten ihm auch Wasserlinsen an die Seite gegeben werden. Denn der Wunsch Alfruns, dass sie zu Gold würden, war der Beginn ihres Wartens und somit ihrer großen Liebe gewesen. Und deshalb ist das Moritzburger Gold gebratener Karpfen mit Linsen. Doch Wasserlinsen kann man nicht speisen, des Königs Köche kochten handelsübliche Linsen und gaben sie bei. Dem Regenten mundete dieses Mahl sehr und auch seinen Gästen. Und so oft der König an der Uferstelle nun weilte, stets sprang ihm ein prächtiger Karpfen hinein in den Schoß, und der König kam täglich.

Für eine Portion verwendet man 120 Gramm Linsen. Sie werden am Tage vorher im Wasser geweicht. Diese »Wasserlinsen« werden mit angedünsteten Zwiebeln geköchelt, bis sie wohl gar, aber bissfest noch sind. Dann wird dem königlichen Gericht Schlagsahne beigefügt, was sein muss, muss sein. Die Schlagsahne lassen wir in die goldenen Linsen einkochen. Das alles würzen wir mit Salz, frischem Pfeffer und einem Schuss Essig. Und über unsere Linsen geben wir Schnittlauch, ein Grün, das an die wirklichen Wasserlinsen erinnert. Der ausgenommene Karpfen wird nach individuellem Geschmacke gewürzt, dann im Mehle gewendet und im Öl knusprig zu Moritzburger Gold gebraten. Das Ganze wird mit goldgelben Salzkartoffeln serviert. Und es empfiehlt sich, alles auf güldenem Teller zu reichen. Golden im Glase, vermag ein Meißner Weißwein die wahrlich güldene Speise perfekt abzurunden.

Nun mögen Zweifelnde einwenden, dass ein so bitterarmes Kind einen König zum Manne bekäme, wäre ein Märchen. Aber Königshäuser sagen bis heute nicht jedem alles, auch Meghan und Máxima, Mette-Marit und Mary konnten auf keinen königlichen Stammbaum verweisen. Die Sachsen verzichteten bereits anno dazumal auf eine standesgemäße Verehelichung ihres Infanten und waren damit der Zeit weit voraus.

Barockschloss Moritzburg: Schlossallee, 01468 Moritzburg

Die Legende der Museumsknochen

1949 berichtete die Kino-Wochenschau der DDR, der DEFA-»Augenzeuge«, von der Wiedereröffnung des Deutschen Hygienemuseums. Die Ausstellung war neugestaltet und präsentierte neben dem Modell einer Poliklinik, den Phasen der Geburt und dem Röntgenbild einer Rippe auch ein vollständiges menschliches Skelett. Das waren die 223 Knochen einer Doppelmörderin, wussten die Dresdner. Ihr Name: Frieda Lehmann.

»Süßer die Glocken nie klingen als zu der Weihnachtszeit.« Die Stadt hatte sich fürs Fest geschmückt, kärglich in diesem Nachkriegswinter 1946. Doch trotz Lebensmittelrationierung, Energieknappheit und Witwenschaft drehten Pyramiden in den Fenstern, hing Lametta an den Christbäumen, sah man die Vorfreude in Kinderaugen. Allerdings wurden seit dem 12. Dezember zwei Menschen vermisst: Käthe Stiehler und ihr Sohn. Fünf Tage später entdeckte eine Frau beim Suchen eines Ofenknies im Trümmerfeld ein in Zeitung eingeschlagenes Paket, an dem schon die Raben pickten.

»Der Fundort ist der Alaunplatz. Das Gelände ist teils durch Bombentrichter, teils durch angefahrene Asche uneben geworden. Die Kuhle, in welcher die Füße und Unterschenkel liegen, ist ca. 40 m von dem Bischofsweg entfernt.« Abgeschnittene Frauenbeine! Die Leichenteile frisch.

»Rein äußerlich gesehen, scheinen diese Knochen von einer Person mittleren Alters zu stammen. Die Gebeine sind an beiden Enden mit den Kugelgelenken, welche vollständig unversehrt sind, begrenzt. Das Zeitungspapier, welches sich noch zum Teil daran befindet, ist infolge von Blut und Kälte fest an die Knochen angebacken. Beide Oberschenkelknochen sind durch Schnabelhiebe von Vögeln zerhackt. Vor allem ist zu erwähnen, daß das Fleisch von beiden Oberschenkeln abgeschnitten worden ist.« Dresden steht unter Schock. Die Menschen diskutieren das Gerücht, ob Menschenfleisch in den Verkauf gekommen sei. Weitere Körperstücke werden am Bahndamm und in den Aschengruben der Neustadt entdeckt. Alsbald ist den Ermittlern klar: Es sind Käthe Stiehler und ihr achtjähriger Sohn Heinz, die brutal ermordet worden sind.

Spuren in der Wohnung von Käthe Stiehler beweisen, dass bei ihr eingebrochen worden ist. Blusen, Ringe, weitere Kleidung und Besteck haben Diebe entwendet. Zeugen sagen, mehrmals haben sie in den Räumen verdächtige Geräusche wahrgenommen. Dass es der Mörder war, konnte keiner ahnen, der Täter besaß einen Wohnungsschlüssel. Am Papier der Zeitung, in der man die Unterschenkel fand, stellt die Kriminaltechnik grüne Flüssigkeitsreste fest. Tusche, die im Glühlampenwerk verwendet wird, in dem die Tote beschäftigt war. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf Käthe Stiehlers Arbeitsumfeld. Sie hatte sich mit Frieda Lehmann angefreundet, einer Kollegin, die ihr Schicksal teilte, beider Männer waren noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. »Nach weiteren Ermittlungen bei den Hausbewohnern wurde festgestellt, daß diese Frieda Lehmann ihre Arbeitskollegin Stiehler oft besucht hatte und sogar einmal bei ihr genächtigt hatte. Daraufhin wurde bei der in Dresden N, auf der Talstraße 9, 2. Hinterhaus l., wohnenden Frieda Lehmann eine Haussuchung vorgenommen.« Zwischen Kerzen, Tannengrün und Weihnachtsengeln stellt die Polizei grüne Tusche und die Handschuhe des Opfers, Blutspuren und ein Messer sicher. Frieda Lehmann verwickelt sich in Widersprüche und gesteht, ein Fremder habe diesen Mord begangen, sie habe die Leichen im Elbestrom entsorgt. Eine Falschaussage, man legt ihr die Fotos der Körperteile vor. Weitere Lügen folgen, bis Frieda Lehmann endlich sagt, sie sei neidisch auf die wirtschaftliche Situation der Kollegin Stiehler gewesen. Sie selbst sei aus Schlesien geflüchtet, ihre Familie besäße nichts. Die Stiehler habe ihr die erbetenen Kleidungsstücke für die Verwandtschaft nicht geben wollen. Auch würde Käthe Stiehlers Mann bald aus italienischer Gefangenschaft entlassen, während ihrer bei den Russen hungerte. So habe sie Käthe Stiehlers Sohn ein schönes Weihnachtsgeschenk versprochen, das sollten sie am 11. Dezember bei ihr abholen. Als sie kamen, war der Mord von Frieda Lehmann längst geplant.

»Ich setzte das Messer an der rechten Halsseite der Stiehler vorn an der Gurgel an und zog es mit einem starken Ruck in die Richtung des Halswirbels. Ich konnte genau beobachten, daß das Messer an seiner tiefsten Stelle ca. 6 cm eindrang. Der Schnitt selbst war von der Gurgel bis zum Halswirbel. Als ich den Schnitt ausführte, stieß ich am Ende auf einen Widerstand, von dem ich annahm, daß es der Halswirbel war. Im selben Augenblick spritzte aus der Schnittwunde ein großer Blutstrahl. Ich selbst wurde von dem Blutstrahl getroffen, so daß ich an der Brust und von da an abwärts sowie an den Händen blutbesudelt war.«

Dann fährt sie fort: »Der Junge, welcher immer noch mit angstverzerrtem Gesicht auf dem Stuhl mit dem Rücken zur Küchentür saß, kam nunmehr auf seine Mutter zugestürmt und schrie laut: ›Mutti, was ist? Mutti, was ist?‹ Er kniete sich der Mutter zur Seite und rief laut: ›Oh, meine Mutti ist tot!‹ Als er diese zuletzt genannten Worte ausrief, hatte er sich an der Seite seiner Mutter niedergekniet, ich selbst stand ca. einen Meter von dem Jungen entfernt, stürzte auf ihn zu und würgte ihn mit beiden Händen.« Beider Leichen zerlegte Frieda Lehmann und verteilte sie um die Häuser in der Dresdner Neustadt.

Am 30. Dezember 1946 kann die Polizei vermelden: »Furchtbares Verbrechen aufgeklärt!«, und setzt sich damit auch gegen Kritik zur Wehr. »Durch die Aufdeckung der furchtbaren Bluttat hat die junge demokratische Polizei erwiesen, daß sie in der Lage ist, den Schutz der Dresdner Bevölkerung zu übernehmen.«

Doch verstummen die Gerüchte um diese Bluttat nicht. Frauen teilen das Schicksal abwesender oder toter Ehegatten. Einwohner und Flüchtlinge kämpfen um Wohnung, Essen, ihr blankes Überleben. Mordtat und Prozess ein Abbild der Zeit. »Das große Interesse, das der grausige Doppelmord in der Talstraße bei der Dresdner Bevölkerung hervorgerufen hat, kam auch in dem ungewöhnlich starken Andrang des Publikums zu der Schwurgerichtsverhandlung zum Ausdruck, die am Freitag im Saal des Hygiene-Museums geführt wurde.« Die Verhandlung verlegte man aus dem Gerichtsgebäude am Münchner Platz in den größten Saal der Stadt. Der Richter sprach am 7. Februar 1947 das Urteil: »Der Mord kennzeichnet sich durch Folgerichtigkeit und unerhörte Brutalität in Plan und Ausführung. Es muß die verwilderte Wirkung des Krieges und der verflossenen 12 Jahre zum Verständnis, aber keineswegs zur Milderung oder gar Entschuldigung, herangezogen werden.« Konsequenz: Tod durch das Fallbeil.

Noch während des Gerichtsprozesses kehrte Frieda Lehmanns Ehegatte aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Die Gerüchte um verkauftes Menschenfleisch verstummten in Dresden nie. Sicher ist, dass sich die Universität zu Leipzig für die Hingerichtete interessierte und bat, ihr »Tag und Ort der Urteilsvollstreckung so rechtzeitig bekannt zu geben, damit das Anatomische Institut, dem die Leiche zu Unterrichts- und Forschungszwecken überlassen werden soll, die entsprechenden Vorbereitungen treffen kann«. Die neukonzipierte Ausstellung des Deutschen Hygienemuseums eröffnete 1949. Dresdner wussten, dass die Knochen Frieda Lehmanns dort bis 1990 zu sehen waren. Auf Nachfrage bestritt das Museum, je ein menschliches Gerippe ausgestellt zu haben. Also alles Legende?

Deutsches Hygienemuseum: Lingnerplatz 1, 01069 Dresden

Der legendäre Goldfinger

Musst du denn immer so böse Menschen spielen? Wir können uns hier nicht mehr sehen lassen …«, meinte die Mutter zum Sohn. Ihren Frust kann man der Frau nachempfinden, Gert Fröbes Sechs-Minuten-Auftritt im Kriminalfilm Es geschah am hellichten Tag (1958) als Sexualmörder Albert Schrott hatte Millionen Zuschauer verschreckt. Für den Schauspieler war es der Beginn einer Weltkarriere, die viel mehr als unvergessliche Filmschurken hinterließ. Aber »dass jemand, der den Ruf der Deutschen im Ausland auf das Nachhaltigste geschädigt hat, dennoch von den Deutschen geliebt, verehrt, geachtet wurde, Gert Fröbe hat dieses Wunder fertiggebracht. Als kolossaler Nestbeschmutzer ist er in zahllosen internationalen Filmen aufgetreten, ein bisschen teigig, ein bisschen lauernd und stets von lärmend falscher Gemütlichkeit. Anders als Walter Ulbricht hat man ihm sogar sein Sächsisch verziehen.« Trotz Schauspielunterricht bei Erich Ponto (*1884; †1957) blieb sein P weich, weil in Sachsen, ähm, »de Weech’n de Hard’n besiechn«, und Sachse war Gert Fröbe – kein Zweifel.

Vater Otto Johannes Fröbe betreibt in Oberplanitz bei Zwickau (noch war der Ort nicht eingemeindet) im Erdgeschoss des Hauses Edisonstraße 1 ein Lederwarengeschäft mit Schuhreparatur und gilt den Nachbarn als wohlsituierter Mann. Am Dienstag, den 25. Februar 1913, wird dem »Leder-Fröbe« und seiner Frau Alma im Hofzimmer ihrer Wohnung im ersten Stock der männliche Nachkomme Karl Gerhart geboren. Man ruft ihn kurz: Gert. Bereits als Baby beeindruckt dessen dicker, runder Kopf, den die Familie als »Quadratschädel« bezeichnet. Sommersprossen schmücken sein Gesicht. Und es fällt auf, dass der Gert erstaunlich weit die Augen aufzureißen vermag. Ein Markenzeichen, das er als Schauspieler perfektioniert. Zum fünften Geburtstag beschenkt man den jungen Selbstdarsteller mit einem Puppentheater. Zur Silberhochzeit der Großeltern beglückt der Impresario die zahlreiche Verwandtschaft mit einem eigens erdachten Kasperlspiel. Dessen handelnde Figuren sind ein Esel und das Arschloch einer Kuh. Vom Vater gibt’s Wamse, die Zuschauer verlangen: »Zugabe!«

Ansonsten versteht sich der Knabe mit seinem Vater gut. Wochenends pilgern die Männer weg von Muttern hin zum Fußball, Planitz ist der Stadt Zwickau überlegen. Die Sportart bleibt Gert Fröbes Leidenschaft. Der Vertrag seiner fünften Ehe legt fest, dass der Samstag, komme, was wolle, dem Fußball freizuhalten sei.

In der Schule bleibt Gert zunächst ein Außenseiter, allein seine Schultüte überragt die aller anderen. »Rote Haare, Sommersprossen …«, wird dem Kleinen nachgerufen. Er verreibt sie mit Märzschnee, von dem nicht nur Erzgebirgler glauben, er könne die lästigen Hautflecken verschwinden lassen.

Nach dem Puppentheater spielt Gert Fröbe mit Talent Geige. »Mit 17 durfte ich die Solovioline der F-Dur-Romanze von Beethoven mit großem Orchester im Mitteldeutschen Rundfunk Leipzig spielen.« Behauptet wird, dass der 14-Jährige in der Badewanne eingeschlafen sei und sich stark unterkühlte. Das zog eine Rippenfellentzündung, Gelenkrheumatismus und eine doppelseitige Lungenentzündung nach sich. Ein Jahr bleibt der Junge ans Bett gefesselt. Kuriert wird er im Radiumbad Oberschlema, das damalig bedeutendste Heilbad Deutschlands. Auch deshalb muss Gert Fröbe zweimal Klassenstufen wiederholen. Der Vater schilt ihn dafür nicht. Trotzdem bleibt Gert zeitlebens Muttikind: Er schwärmt für ihre Kochkunst, ihre Fürsorge, ihr Einfühlungsvermögen. Fröbes Ehefrauen fürchten Mutters Dominanz, wenn sie aus Zwickau kommend zu Besuch im Westen weilt.

Um auf sich aufmerksam zu machen, wird Gert Fröbe Klassenclown. Mit Gleichaltrigen gründet »der rohde Geicher von Zwigge« ein Salonorchester, denn seine kurzen Finger scheinen ihm für die Klassik ungeeignet. Alsbald spielen sie im Zwickauer Kaiserhof und anderswo zum Tanz. »Weil Gert so müde war, ist ihm in der Schule der Kopf auf die Bank gefallen. Alle haben gelacht, aber der Lehrer hat gesagt: ›Meine Herren, ich möchte Ihnen nur sagen: Herr Fröbe hat heute Nacht gearbeitet.‹« Damit unterhält der junge Mann finanziell seine Familie, denn wirtschaftlich kann der gutmütige Leder-Fröbe den gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr standhalten. Die Ehe der Eltern geht auch darob in die Brüche.

Neben der Musik malt der Schüler. Sein Talent erkennen Förderer, Gert Fröbe wird an der Dresdner Kunstakademie immatrikuliert. »Schon nach einem Jahr erhält der malwütige Künstler Fröbe, der mit Fliege und Hut verkleidet sein Künstlerdasein auch unübersehbar vorführt, den sächsischen Kunstpreis. Für welche Werke, ist leider nicht bekannt. Aber ein Dresdner Hotel kauft eines der Bilder, und Fröbe bekommt dafür ein Jahr lang freien Mittagstisch.« Auch das Theater hat davon vernommen und bittet den Künstler, Staatstheaterstar Erich Ponto in Öl zu bannen. Dem Mimen gesteht Fröbe, Schauspieler werden zu wollen, und deklamiert im breiten Sächsisch den Mephisto-Monolog: »Ich bin der Geist, der stets verneint …« Ponto meint: »Man hat es oder hat es nicht.«

Gert Fröbe nimmt zunächst bei Ponto Schauspielunterricht in Dresden, später in Berlin. Erste Engagements folgen in Wuppertal und Frankfurt am Main sowie Wien. 1941 wird Fröbe noch zum »leichten Dienst« in die Wehrmacht eingezogen, er wird Sanitäter bei den Barmherzigen Brüdern in Wien. Endkampfchaos, Gefangenenlager, Hunger. Nach dem Kriege schlägt sich der Künstler als Alleinunterhalter mit Kleinkunst durch. Erich Kästner (auch ein Sachse) meint: »Er überfuhr uns wie eine Straßenbahn. Wir waren alle seine Anhänger.« Dabei entdeckt Fröbe seine Affinität zu Christian Morgenstern und dessen absurden Gedichten. Sie werden für den Schauspieler stetes Repertoire und Kult. »Morgenstern vor Fröbe ist ein anderer als Morgenstern nach Fröbe.« Erste Filmauftritte folgen und die Hauptrolle als spindeldürrer Otto Normalverbraucher (der Name ging daraufhin in den deutschen Wortschatz ein) in der Berliner Ballade (1948). Heinz Rühmann schlägt ihn für die Rolle des Sexualverbrechers Albert Schrott vor – es folgt eine Weltkarriere.

Michael Strauven titelt Gert Fröbes Biografie mit Jedermanns Lieblingsschurke, und als Verbrecher bleibt der Schauspieler auch vielen im Gedächtnis: als zwielichtiger Millionär im Edgar-Wallace-Reißer Der grüne Bogenschütze (1961), als gnadenloser Familiendespot der Via Mala (1961), als Stümper im Patricia-Highsmith-Psychogramm Der Mörder (1963), als tumber Räuber Hotzenplotz (1974) oder als Walfisch Otto Krampe im Regenschirmmörder (1980). An Boshaftigkeit wird jedoch jeder perfide Gangster überstrahlt von Bonds allzeit bestem Gegner Auric Goldfinger (James Bond 007 – Goldfinger, 1964). Dabei hätte Fröbe diese Rolle nie angenommen, hätte ihn seine Gattin nicht davon überzeugt.

Bedauerlicherweise treten Gert Fröbes weitere Rollen in den Hintergrund, so zum Beispiel die TV-Aufzeichnung Morgenstern am Abend (1973) oder sein letzter Auftritt in der ZDF-Fernsehserie »Die Schwarzwaldklinik« (1988). »Kein Zweifel, Fröbe hatte Format. Er füllte Bühne und Leinwand, in jeder Hinsicht. Aber noch wichtiger ist: Er hatte die schauspielerische Intelligenz, dieses Format, diese raumgreifende Fülle in Frage stellen zu können. Er spielte nie so ganz sich selbst, sondern kommentierte mit Skepsis und Schlauheit menschliche Ungetüme. Vielleicht blieb deshalb die Sympathie auf seiner Seite.«

Gert Fröbes Geburtshaus: Edisonstraße 1, 08064 Zwickau

Gert Fröbe: Auf ein Neues, sagte er … und dabei fiel ihm das Alte ein. Geschichten aus meinem Leben. München 1988.

Gert Fröbe liest: Morgenstern am Abend und Als wär’s heut’ gewesen. Zürich 2003.

Gert Fröbe liest aus: Doktor Erich Kästners Lyrischer Hausapotheke. Zürich 2003.

Michael Strauven: Jedermanns Lieblingsschurke. Gert Fröbe. Eine Biografie. Berlin 2012.

Es geschah am hellichten Tag (1958). Regie: Ladislao Vajda. DVD: München 2012.

James Bond 007 – Goldfinger (1964). Regie: Guy Hamilton. DVD: München 2008.

Die Legende von der wehrhaften Müllerin

Es ist seit alten Zeiten von cleveren Frauen viel erzählt. Der Deutschen Lieblingsheldenlied präsentiert die Kampfmaschine Brunhild und die sich gnadenlos rächende Kriemhild. »Sie war ein schönes Weib / um die viele Degen mussten / lassen Leben und Leib.« Alljährlich wird der Weiberstreit Theaterspektakel vor dem Dome zu Worms, wo er einst hat stattgefunden. Die Loreley auf hohem Felsen treibt allein ihres Anblicks wegen die Männer in den Untergang. »Ich glaube am Ende verschlingen / die Wellen Schiffer und Kahn, / und das hat mit ihrem Singen / die Loreley getan.« Heldische Jungfrauen aller Orten, die in missliche Lage gerieten und sich aus auswegloser Lage befreiten. Sie faszinierten die Männer und stießen sie darob ins Elend. Manchmal jedoch war’s wie im Märchen und endete glücklich.

Der armen Bauerntochter stellte der König zur Heirat ein Rätsel und rechnete wohl (vielleicht hoffte er’s auch) mit ihrem Versagen: »Komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heiraten.« Da entledigte sich das kluge Mädchen all ihrer Kleider, »da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn und setzte sich hinein und wickelte es ganz um ihren Leib, da war sie nicht nackend, und borgte einen Esel fürs Geld und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen musste, und war das nicht geritten und nicht gefahren, der Esel musste sie aber in der Fahrgleise schleppen, so dass sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht im Weg und nicht außer dem Wege. Und wie sie so daherkam, sagte der König, sie hätte das Rätsel getroffen und es wäre alles erfüllt.« Und so reichte der König der klugen Bauerntochter nun seine Hand zur Ehe und befahl ihr das ganze königliche Gut an.