Professor Zamorra 1215 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1215 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

"Gib uns frei!", polterte Pluton und wies mit der Klauenhand auf Lucifuge.
"Ja!", schrie Sanguinus. "Ich will endlich wieder ich sein!"
"Ich bin der Herr der Hölle!", donnerte der Urgewaltige. "Ihr habt euch mir zu beugen!"
"Wie man es nimmt." Calderone grinste. "Auch ich saß auf deinem Thron."
"Nicht so lange wie ich!", schrie Astardis wütend. "Er gehört mir!"
"Ihr habt euch nicht im Mindesten geändert. Ihr seid wie kleine Menschenkinder, jault und schreit und denkt nicht nach."
Stille trat ein.
Wütend sahen alle auf Baal, den Moloch.

Lassen Sie sich die Fortsetzung des packenden Höllen-Zweiteilers nicht entgehen!


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Seitenzahl: 146

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Inhalt

Cover

Impressum

Blume der Verdammnis

Leserseite

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Kiselev Andrey Valerevich / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0726-8

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Blume der Verdammnis

von Thilo Schwichtenberg

Die Luftwurzeln bewegten sich unmerklich.

Vorsichtig, ja, fast schon überrascht, hoben sich die Spitzen, sondierten.

Ein Zittern durchlief den filigranen Körper.

Er schien erfüllt von Vorfreude und von ... Gier.

Vorsichtig schob Kyra die Hände in das Maul des Wirts.

Schon streckten sich dünne Fäden verlangend in ihre Richtung.

Hinter ihr brach die Erde auf. Weiße Tentakel peitschten aus der Finsternis, umklammerten ihren Körper und begannen erbarmungslos zu saugen ...

Hölle

Die Dunklen Gärten der Königin Berith.

Die Fratzen bildeten sich, stülpten die Mäuler hervor und zerflossen wieder.

Sie stand erneut vor der ölig schwarzen Mauer.

Abermals war eine Pflanze zu entwenden.

Kyra atmete tief durch. Die Blume der Verdammnis ... Wie mochte sie aussehen? Und vor allem: Wo mochte sie sich befinden?

Ihr Herz pochte schneller. Sie empfand Stolz und Freude. Dieses Mal war die Blume einzig und allein für ihre Gefährtin bestimmt. Sie würde die Zaahrin einmal mehr von sich und ihrer Liebe überzeugen. Sie würde sich in dieses durchaus tödliche Abenteuer begeben, denn sicher war der Diebstahl des Fliegenwurzes nicht ohne Folgen geblieben. Ja, erkannte Kyra, sie würde diesmal tatsächlich ihr Leben aufs Spiel setzen. Für ihre Geliebte. Für die Zaahrin.

Konnte es einen deutlicheren Liebesbeweis geben?

Die Fyderra lächelte glücklich.

Doch von Glück allein ließ sich die Blume sicher nicht aus den Dunklen Gärten entwenden.

Kyras Lächeln verschwand. Sie kannte tausend Arten von Blumen und Blüten. Unnütze, stechende und fleischfressende. Den Aarstrauch zum Beispiel.

Ihr Mund füllte sich mit Flüssigkeit. Seine bepelzten Blüten stießen mit Vorliebe in Schwärme von Wangoden. Nach einem Tag, wenn sich der Strauch mitten in der Verdauung der dicken Fünfflügler befand und er deshalb träge und wehrlos am Boden lag, dann konnte sie das Äußere der Blüten mit ihren Krallen anstechen und genüsslich den Verdauungssaft genießen.

Sie seufzte. Nun, auch das war ein Grund, warum ihre Familie sie ausgestoßen hatte. Raubfyderras labten sich nun einmal nicht an halbverdauter Beute.

Kyra erinnerte sich an die letzten Worte ihrer Mutter, dass sicher eine gemeine und hinterhältige Aasfyderra damals im Nest die Raub-Kyra mit der eigenen Aas-Kyra ausgetauscht haben musste.

Vorbei. Vergangenheit.

Was mochte so Besonderes an der Blume der Verdammnis sein?

Konnte die Zaahrin am Ende die Blume mehr lieben als Kyra oder Lexa? Die Fyderra fuhr sich durch das kurze, glatte Gefieder. Wollte sie das Gewächs überhaupt finden? Sollte sie nicht einfach sagen, dass die Blume nicht zu finden war?

Die folgenden Schmerzen, die ihr die Zaahrin zufügen würde, das wusste Kyra, waren bei Weitem nicht so schlimm wie der Gedanke, die Gefährtin belogen zu haben.

Nein, sie musste die Blume stehlen und darauf hoffen, dass die Zaahrin die Pflanze wirklich nur als Liebesbeweis ansah. Es war nur eine Blume! Mit der konnte man sich nicht vergnügen.

Schon leuchtete die goldene Libidorah vor ihrem inneren Auge auf. Deren Lustfühler waren nicht zu verachten. Nein, schalt sie sich. Das war einmal. Jetzt gab es nur noch die Zaahrin.

Das Denken führte zu nichts. Sie musste sich konzentrieren! Sie spürte, dass ihr Trieb, etwas stehlen zu müssen, überhandnahm. Das war gut, befand sie sich dadurch bald in höchster Konzentration.

Die Blume der Verdammnis musste so oder so etwas Besonderes darstellen. Mit weniger würde sich die Zaahrin nicht zufrieden geben. Wo könnte sie also verborgen sein?

Sie dachte an die Herrin des Gartens, an Berith, die Königin.

Wenn die Zaahrin die Blume begehrte, war sie dann nicht eher in Beriths privatem Bereich zu finden? Oder zentral, wo sie von jedem Besucher bewundert werden konnte.

Seltsam nur, dass bisher niemand die Blume erwähnt hatte.

Warum gab es die Dunklen Gärten? Gehörte eine Blume nicht in einen Garten?

Kyra erinnerte sich an das Flüstern und Locken, als sie den Fliegenwurz gestohlen hatte. Konnte es sein ...?

Die Hölle der Sinne, das Zentrum des Gartens. Dort hatte sie den Ruf vernommen. Dorthin musste sie sich also wenden!

Entschlossen überflog sie die Mauer. Die Zaahrin hatte ihr weitere Runen auf den Körper gebrannt. Das war zwar schmerzhaft gewesen, doch erwies es sich jetzt von Vorteil. Und wenn die Federn wieder nachgewachsen waren, konnte man die Runen nicht mehr so ohne Weiteres erkennen. Kyra musste dann ihre Krallen unter das Gefieder schieben, um das jeweilige Zeichen aktivieren zu können.

Erstaunt nahm sie die Veränderung wahr, die die Hölle der Sinne betraf.

Der sie umgebende Dämmerhain schien ganze Arbeit geleistet zu haben.

Wie ein gewaltiger Dom umspannte und durchwucherte er das Zentrum. Nichts war mehr in seinem Inneren zu erkennen.

War das die Reaktion auf ihren Diebstahl?

Egal, sie musste dort hinein.

Nur einen Eingang fand sie nicht.

Kyra setzte vorsichtig auf dem Boden auf und umlief das Pflanzenrund. Sie schlich sich an einer Gruppe von Baykoks vorbei, die, wie es aussah, einen undefinierbaren Kadaver bewachten. Beim Anblick des hängenden Aases lief ihr erneut das Wasser im Mund zusammen. So ein ... Ding hatte sie noch nie zuvor gesehen. Doch da es gehäutet war, konnte sie noch nicht einmal sagen, ob es Arme waren, die im Dutzend nach unten hingen. Der Leib war mit einer dicken weißen Fettschicht überzogen.

Warum fraßen ihn die Baykoks nicht? War das Ding hingerichtet worden? Durften sie sich deshalb nicht gütlich daran halten?

Vielleicht sollte sie Verwirrung stiften. Dank ihres Tarnschilds konnte sie unbemerkt an den Nachtdämonen vorbeihuschen und dann den Kopf kurzzeitig im herrlichen Kadaver versenken.

Die Blume, ermahnte sie sich.

An einer unübersichtlichen Heckenstelle schaltete sie den Tarnschild aus. Immerhin musste sie sich gleich durch das lebende Gehölz zwängen. Ein Gedanke, und das Gefieder nahm die Farbe des Holzes an.

Sie presste die kurzen Federn an den Körper. Jetzt schimmerte er nicht nur leicht metallisch, nein, die glatte Oberfläche würde sie auch leidlich vor der Hecke schützen. Im Nu begann sie sich durch das Astwerk zu schieben.

Doch die Dornensprosse schoben sich unbarmherzig unter das Gefieder, wann auch immer sie sich bewegte. Das Federkleid wurde an einigen Stellen verschoben.

Also musste sie anders vorgehen. Kyra hielt inne und konzentrierte sich.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Vertrau deiner Gefährtin, schalt sie sich.

Sie aktivierte eine weitere Rune und schlug die rechte Hand mit voller Wucht auf einen giftigen Dorn der lebenden Hecke.

Kyra spürte die Veränderung sofort.

Unter siedender Hitze begannen sich an der Einstichstelle Fleisch und Federn zu verändern. Wie sprießendes Astwerk breitete sich die Hitze in und auf ihrem Körper aus, der nach und nach seine Beschaffenheit veränderte. Aus Kyra wurde eine lebende Pflanze! Der Körper erhielt die Konsistenz des Dämmerhains. Nur optisch veränderte sich die Fyderra nicht.

Sie biss die ganze Zeit in einen Ast, erst vorsichtshalber, doch bald schon drohten die Schmerzen überhandzunehmen.

Nur nicht in eine Ohnmacht fallen, ermahnte sie sich.

Dann war die Umwandlung abgeschlossen. Die Hecke wusste nicht mehr, dass Kyra ein Fremdkörper war. Denn die Fyderra war nun ein Teil des Dämmerhains!

Noch eine ganze Weile musste sie verschnaufen. Nur langsam ließen die Schmerzen nach. Sie spürte jeden Knochen, jedes Stück Fleisch, jede Sehne und jeden Muskel, wenn er sich in ihrem Körper umwandelte. Versteifte sie oder besser: verfestigte sie sich?

Vorsichtig öffnete die Fyderra die Faust. Das klappte, auch wenn es sich seltsam fest anfühlte. Und doch bewegten sich ihre Finger oder vielmehr schoben sich ihre Finger.

Kyra dreht den Kopf. Auch hier glaubte sie zu spüren, wie Holz über Holz schabte. Nach und nach erhielt sie ein Gefühl dafür, wie der Dämmerhain funktionierte.

Endlich konnte sie sich durch das Labyrinth bewegen, ohne stets und ständig angegriffen zu werden!

Dass sich hinter ihr immer mal wieder der Boden bewegte, bekam die Fyderra nicht mit. Zu sehr war sie damit beschäftigt, die zahlreichen Fallen, die sich im Geäst befanden und von denen sie dank der Gleichschaltung mit der Hecke nach und nach erfuhr, zu umgehen.

Erde. Sibirien.

Machte der rasende Teppich wirklich seinem Namen alle Ehre?

Professor Zamorra war sich dessen gar nicht mal so sicher.

Oder spürten die Ssmejakore, die wurzeligen Hilfsgeister der Baba Yaga, die seelische Lähmung ihres Herrn? Sicher, in Professor Boris Iljitsch Saranow, seines Zeichens russischer Parapsychologe, war nach der Aussprache in der Hühnerfußhütte wieder etwas Leben zurückgekehrt. Aber eben nur etwas.

Das hatte er seiner Gastgeberin zu verdanken, denn die Baba Yaga hatte ihn, nachdem sich Boris vieles eingestanden und von der Seele geredet hatte, noch einmal heftig wachgerüttelt.

Vor Jahren war Professor Saranow als anerkanntes und führendes Mitglied aus der Russischen Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen worden.

Den Umstand hatte er Koschtschej, dem Herrn des Chaos und Gegenspieler der Großen Sieben, zu der auch die Baba Yaga gehörte, zu verdanken.

Mit seinem aktuellen Buch »Die Taiga – Eine Enzyklopädie«, einem sensationellen Nachschlagewerk, das viele neue Erkenntnisse über das größte zusammenhängende Waldgebiet der Erde beinhaltete, hatte Boris die Fachwelt positiv in Entzücken versetzt. Das Buch verkaufte sich wie ein Bestseller.

Und obwohl er mittlerweile schon des Öfteren mit diesem äußerst unangenehmen Machtwesen zu tun gehabt hatte, teilweise sogar auf Augenhöhe, hatte ihm Koschtschej den Wiedereintritt in die Akademie bisher verwehrt.

Der Grund blieb im Dunkeln. Vielleicht, mutmaßte Zamorra, weil Boris, der Mensch, nie vor Koschtschej, dem unsterblichen Machtwesen, in die Knie gegangen war.

Brüderchen Boris steckte in der Krise. Er stellte sich die Frage, was von ihm blieb, wenn er eines Tages nicht mehr unter den Lebenden weilte. Seine übernatürlichen Leistungen blieben der Allgemeinheit verborgen. Seine wissenschaftlichen Leistungen waren nicht mehr anerkannt. Kurzum, Boris Saranow hatte Angst, nach seinem Ableben in Vergessenheit zu geraten. Er hatte sein Leben lang für das Gute gekämpft – und was blieb? Nichts.

Zamorra konnte sich gut in seinen Freund hineinversetzen. So selbstlos der Mensch auch sein mochte, eine Anerkennung in der einen oder anderen Form erhoffte er sich dennoch.

Und da Boris noch keinen Ausweg aus seiner Krise gefunden hatte, wirkte sich das auch auf seine Vitalität und damit auf die Ssmejakore aus, die den rasenden Teppich bildeten.

Nun rauschten Zamorra, Nicole und Saranow also in Richtung Erlik Khans Refugium. Die Ssmejakore benutzten nicht nur die sichtbare Welt, sondern auch die Abkürzungen durch das Magische Universum.

Während Boris an einer Art Steuer stand, befanden sich Zamorra und Nicole dick eingemummelt hinter ihm. Die Wurzelwesen hatten Griffstangen ausgebildet, an denen sich die beiden festhalten konnten. Die schöne Französin hakte sich mit dem linken Arm bei ihrem Lebensgefährten ein. Auch ihr schien nicht verborgen geblieben zu sein, dass Boris den Teppich nicht mit voller Geisteskraft lenkte.

Sie stupste den Russen vorsichtig an. »Kannst du uns noch einmal erklären, was nun unsere Aufgabe sein soll? Sicher, wir kennen die Geschwister der Yaga von früheren Abenteuern her, aber was hat das alles noch mal mit LEGION zu tun?«

»Das hat euch doch die Yaga schon erzählt.« Boris Stimme klang missmutig.

»Entschuldigt.« Der Russe drehte sich zu ihnen um. »Ich lasse mich noch immer etwas gehen.« Er lächelte schief. »LEGION hat sich unter der geistigen Führung von Merlin in die Obhut der Großen Sieben begeben. Merlin bestimmte, dass Leonardo deMontagne als Amulett-Kopie-Urheber gebannt werden müsse. Er durfte unter keinen Umständen die Früchte seiner Saat ernten.« Der Russe zuckte mit der Schulter. »Da nun die eigentliche Amulett-Geschichte ausgestanden ist, muss LEGION schnellstmöglich aus seinem Energieknoten-Gefängnis freigesetzt werden. Durch die in seinem Inneren nistenden Dämonensplitter beginnt er nämlich die Energiebahnen zu verpesten.

Normalerweise sind dazu nur die Großen Sieben im Verbund imstande. Gewöhnlich hätte das die Yaga mit links rückgängig gemacht. Aber in ihrem Zustand kann sie nicht mehr helfen, LEGION freizusetzen. Deswegen müsst ihr den Superdämon befreien. Mit Amulett und Dhyarra, so hofft die Yaga, solltet ihr sie vertreten können.«

»Ich weiß nicht.« Nicoles Gesicht blieb ernst. »Wir werden einfach so ins kalte Wasser geschmissen. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«

Der Schlitten wurde langsamer.

»Wir sind da«, verkündete Boris. »Wir haben wohl keine andere Wahl mehr.«

Ein teilweise verdeckter Höhleneingang kam in Sicht. Dahinein schlängelte sich der Teppich. Es ging nach links und rechts, nach oben und unten. Irgendwann verlor Zamorra die Orientierung. Plötzlich öffnete sich der Gang, und sie bremsten vor einem gewaltigen Tor ... aus purem Gold. Die Oberfläche war nicht glatt oder ziseliert, sondern klumpig und dick, ganz so, als wenn Kerzenwachs auf dem Weg nach unten erkaltet war.

»Und nun?« Nicole zuckte mit der Schulter. »Anklopfen? Klingeln? Hallo schreien?«

Das war nicht nötig. Ein gewaltiger Gong ertönte, dann öffnete sich lautlos das goldene Tor und gab die Sicht auf eine riesige Thronhalle frei.

Die Höhlenwände glommen bronzefarben. Am Boden schien das Leuchten stärker, nach oben hin nahm es ab. Dunkle Bereiche, mal grob und mal fein gemasert, gewannen die Oberhand. Von der Decke hingen prächtige Tropfsteine, die nicht aus Kalk, sondern aus purem Gold bestanden. Schwer und dunkel glänzten die metallenen Kostbarkeiten.

In der Hallenmitte führten feuerrot glimmende Stufen zu einer Empore, auf der ein mannshoher Klumpen Gold thronte. Lehne und Sitzfläche waren grob herausgearbeitet.

»Will hier jemand etwas kompensieren?«, flüsterte Nicole.

»Nici!« Zamorra schüttelte tadelnd den Kopf, musste aber selbst kurz grinsen.

Vor den Stufen saßen oder standen sechs Personen, ihres Zeichens allesamt Knoten-Elementare Sibiriens.

Die Elementare ... Zamorra rief sich kurz in Erinnerung, was er über diese interessanten und für die Welt äußerst wichtigen Wesen wusste.

Jeder Stein, jeder Tümpel, jeder Felsen, jeder Baum, jede Landschaft, ja, jeder Kontinent besaß einen Elementar an seiner Seite. Sie lebten in Symbiose. Wurde ein Teil verändert, veränderte sich auch der Partner. Der Meister des Übersinnlichen hatte es in der Vergangenheit mehrmals bereits miterleben müssen, wenn Dingen der Elementar genommen worden war: Die Natur spielte verrückt und versank im Chaos.

Das konnte mit einem Fluss oder mit ganzen Landschaften passieren.

Die Elementarenergie durchzog oder besser beseelte den ganzen Planeten. Hier in Sibirien waren es eben sieben Knoten-Elementare, die sich um das Wohl und Wehe der Landschaft und seiner Wesen zu kümmern hatten. Die Bolschaja Semjorka, die Großen Sieben, waren die Landschaft, und die Landschaft war sie.

Der Meister der Übersinnlichen kannte weitere Knoten-Elementare persönlich, zu denen unter anderem auch König Laurin aus dem Rosengarten zählte.

Doch wie es wohl mit jedem Machtwesen einmal passieren musste, so auch mit den Knoten-Elementaren: Macht korrumpierte, Macht ließ einen abheben, das Maß der Dinge außer Acht lassen, dekadent werden und ja, manchmal konnte Macht auch entarten.

Damit die unsterblichen Knoten-Elementare hin und wieder an die Vergänglichkeit des Lebens und ihre eigentliche Aufgabe erinnert wurden, mussten sie geerdet werden. Sie starben für einen kurzen Moment, erkannten ihre Verfehlungen und erstanden neu und vor allem rein.

Die Bahnen der Elementarenergie oder auch Elementarmagie zogen sich wie ein Netz über den ganzen Planeten und hier, in dieser Halle, befand sich einer dieser Knotenpunkte. Tief unter der Erde allerdings. Und dort, sollte sich aktuell der Superdämon LEGION befinden.

Zamorra wusste, dass, als das Äon der Elben unterging und das Äon der Namenlosen Alten und des Hexenreiches von Atlantis aufstieg, die Elementargeister ihren Pakt einhielten und Glarelion, den Hochkönig der Elben und sein Volk in sich aufnahmen, sodass die Elben und ihre Magie ebenfalls zu einem Teil der Natur geworden waren.

Der Meister des Übersinnlichen erkannte Fürst Laptev, der sich selbst mit »erhabener Fürst der Kälte, Vater des ewigen Eismeeres, Beherrscher des Permafrosts und befehlender Großfürst der Eiskristalle«, betitelte.

Der jung aussehende Mann, dessen Haut gletscherfarben leuchtete, trug eine weiße Hose und ein weißes, goldgegürtetes Hemd. Auf seinen blauweißen langen Haaren saß ein goldener Kronenreif. Sein königsblauer Umhang, mit aufgestelltem Kragen, bewegte sich nicht. Fast schien es, als wenn der Stoff durch die Kälte erstarrt, gar erfroren war.

Neben ihm befand sich Boreas, Herr der Nordwinds, der Stürme und Gewalten. Der mittelgroße Mann, der wie ein Mittvierziger wirkte, war durchaus attraktiv zu nennen. Leider machte er wie immer einen leicht verwahrlosten Eindruck auf Zamorra, was seine schulterlangen, dünnen, ungewaschenen und hellbraungrauweißblonden Haare noch verstärkten. Er wirkte schlank und feist zugleich, ganz so, als wenn er unter Druck stehen würde.

Die dritte im Bunde war Yer, Beschützerin des Herdfeuers und der Erde, Herrin der Fruchtbarkeit und Hüterin der Harmonie. Die herbe Schönheit trug ein lindgrünes Flammenkostüm, das über der Schulter, quasi statt eines Fellüberwurfes, wie er bei Schamanen durchaus noch üblich war, rosa aufloderte. Dunkelbraune Flammen prangten dort, wo normalerweise Frauen eine große Halskette trugen.

Zamorra fielen erneut die langen schwarzen Haare ins Auge. Die Pracht wirkte voluminös und war durchwoben von Perlen, Schleifen, Federn und Flämmchen und einigen grauen Haaren. Doch ihre Augen blickten braun und mild und ewig jung.

Neben ihr saß auf einem steinernen Hocker Aldan, der Herr des fließenden Wassers, des Regens und der Nebel. Er besaß das Aussehen eines uralten Greises, mit weißen, schütteren und schulterlangen Haaren, milchig-teigiger Haut, leicht blutunterlaufenen Augen und einem fliehenden Kinn. Er war nur mit einem einfachen blassgrünen Hemd und einer blassbraunen Hose bekleidet.

Baikal, Herr der stehenden Gewässer und Bewahrer der Geheimnisse, war der fünfte Elementar, der zu den Bolschaja Semjorka, den Großen Sieben gehörte. Er war ein gewaltiger Mann mit einem gewaltigen Bart, der über den mächtigen Bauch bis auf den Boden floss. Ein Kronenreif hielt das wallende Haar nur mäßig in Schach. Baikal bestand aus Wasser. Aus schwerem, gestaltgewordenen Wasser. Da war auch Kleidung, wie Zamorra fasziniert feststellte, doch bestand diese aus Wodkádas, seinen persönlichen Hilfsgeistern. Hemd und Hose, Leinenkleidern ähnlich, sowie sein langer Mantel schienen in ständiger sanfter und seidiger Bewegung. Doch unter ihm sah der Meister des Übersinnlichen keinen einzigen Tropfen Wasser.