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"Ich will nicht zum Handlanger der Schicksalswaage werden! Chéri, wir müssen uns dagegen wehren", forderte Nicole. Zamorra sah in die Ferne. "Ein interessanter Gedanke. Eine neue, von Anfang an geplante Tafelrunde. Es würde eine gewisse Ordnung in den Kampf gegen die Mächte der Finsternis einziehen. Wir würden uns absprechen. Es gäbe eine gewisse Planbarkeit. Das ist doch das, was wir immer wollten." "Nein, chéri, da sollten wir uns heraushalten", widersprach Nicole vehement.
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Personenliste
Der Schläfer von Mosi-oa-Tunya
Leserseite
Vorschau
Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Die Hauptpersonen des Romans sind
Professor Zamorra deMontagne: der Meister des Übersinnlichen; furchtloser Kämpfer gegen die Ausgeburten der Hölle und Wissenschaftler für parapsychologische Phänomene
Nicole Duval: seine Sekretärin sowie Lebens- und Kampfgefährtin
Bill Fleming: ist natürlich nicht Bill Fleming. Zamorras alter Jugendfreund (siehe PZ Band 1 bis Band 350) starb vor fast vier Jahrzehnten. Hinter Bill Fleming verbirgt sich ein gänzlich anderes Wesen
Willard Katsande: Doktorand aus Simbabwe, der in der Ruinenstadt Great Zimbabwe forscht.
Lukas Engelhardt: Rucksacktourist, der sich Simbabwe anschaut – und ein treuer »Professor Zamorra«-Leser ist.
Astaroth und Agares: Erzdämonen der Hölle.
Belial: Fürst der Finsternis; hat Ambitionen auf den Thron der Herrin der Hölle
Stygia: Die Herrin der Hölle hat tatsächlich ein Gewissen-Problem
Luzifer: Schöpfer der Hölle, der Dämonen und ... der Menschen
Michael: Erzengel, der äonenlang durch Luzifers Betreiben in Ungnade gefallen war
Sara Moon: Tochter Merlins und Dienerin des Wächters der Schicksalswaage
Teri Rheken: Silbermond-Druidin; arbeitete für Sara Moon, die Herrin von Caermardhin, und damit für den Wächter der Schicksalswaage; ihr Geist wurde zersplittert
von Thilo Schwichtenberg
»Schau, die Sonne geht unter. Stell dich bitte neben den Rhododendron. Der Herr Professor im letzten Licht des Tages.«
Zamorra tat ihr den Gefallen.
Nicole ging in die Hocke und begann das Fotoshooting.
»Sagenhaft! Du stehst im goldenen Schein. Perfekt!«
Sie betrachtete die Aufnahmen, lächelte, sah wieder auf – und versteifte sich. »Chéri! Nicht bewegen!«
Der Meister des Übersinnlichen sah sie ebenfalls. Gut ein Dutzend Schlangen hatten sich neben dem Busch aufgerichtet und schossen vor!
Die Bisse würden schmerzhaft sein. Und das geballte Gift ... das konnte er nicht überleben!
»Vielleicht sollte ich die Kraft dieser Sonne etwas drosseln?«
Der blonde Historiker fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn und sah zum Himmel.
Entschieden schüttelte er den Kopf. »Oberste Direktive. Keine Einmischung in den Schöpfungsprozess.«
Im nächsten Moment grinste er jungenhaft. »Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.«
Bill Fleming drehte die linke Hand, sodass die Handfläche nach oben wies. Eine Figur aus Speckstein manifestierte sich darauf.
»Früher hätte meine Hülle diese Figur ausgegraben.« Übertrieben vorsichtig schob er sie durch den schmalen Spalt in der Mauer. »So ändern sich die Zeiten.«
Nur halbherzig verschloss er den Hohlraum wieder – und war verschwunden.
Great Zimbabwe
Die Aussicht war schlichtweg grandios!
Besaßen Herrscher eine romantische Ader oder dachten sie nur rein funktionell?
Willard Katsande zuckte mit der Schulter. Vielleicht beides.
Der dunkelhäutige Student mit den kurzen schwarzen Haaren und der sehnigen Gestalt gestattete sich ein Lächeln. Sein Ziel war in Erfüllung gegangen. Als Jahrgangsbester schrieb er tatsächlich eine Dissertation über das Nationalheiligtum seines Landes.
Great Zimbabwe!
Willard zog sein Hemd glatt, rückte den Hut zurecht, kniff die Augen leicht zusammen und schaute einmal mehr von der Anhöhe in die Weite.
Buschland breitete sich am Fuße des Berges aus und überzog die Hügel ringsum mit sattem Grün. In der Ferne leuchtete das Wasser des angestauten Mutirikwi.
Der frühe Morgen brachte Stille. Nur ein paar Grillen zirpten hin und wieder zwischen den Steinen. Ein Hadada-Ibis flog schreiend zu seinem Schlafbaum und verstummte.
Stetig gewann die Sonne an Höhe. Noch reichten ihre Strahlen nicht aus, die kalte Nachtluft zu verdrängen. Noch fiel das Denken nicht schwer.
Keine Menschen ringsum, kein Lärm der Zivilisation. Abermals atmete der Doktorand tief durch. Sein Mentor, Professor Kunaka, würde erst in vier Wochen zum kleinen Team stoßen. Bis dahin war Willard frei in seinen Entscheidungen.
In gut zwei Stunden würden die Touristen kommen. Sicher, sie würden ein wenig stören, doch Simbabwe benötigte den Tourismus. Und Groß Simbabwe war als Nationalheiligtum und Weltkulturerbe der UNESCO auch eines der Highlights des Landes. Neben den Victoriafällen, dem Matopo-Gebirge und natürlich den Nationalparks.
Hinter sich wusste Willard die gewaltigen Mauern des Hügelkomplexes, und unten, im Tal, befanden sich weitere Ruinen, allen voran die Große Einfriedung mit Paralleler Passage und Konischem Turm.
Er war nicht der Erste, der hier forschen und graben würde. Willard dachte an die Expeditionen von Karl Mauch, James Theodore Bent und Carl Peters sowie an die Grabungen von Richard Nicklin Hall, David Randall-MacIver oder Gertrude Caton-Thompson.
Würde auf ihn überhaupt noch ein unentdeckter Fund warten?
Auf ihn, den ersten Farbigen?
Simbabwe war sein Heimatland! Vielleicht fand er einen neunten Vogel aus Speckstein? Acht dieser Vögel waren bisher bekannt. Sie sollten einst als Vermittler zwischen Gott und den Menschen dienen.
Mittlerweile waren sie zu nationalen Symbolen geworden, waren Teil des Staatswappens und befanden sich auf Münzen.
Oder fand er einen Goldschatz, gar ein Königsgrab?
»Sachte, sachte,« wies er sich zurecht.
Er durfte hier Forschungen anstellen! Sie galt es zu dokumentieren und in einer Doktorarbeit zusammenzufassen.
Zuvor jedoch musste er eine Bestandsaufnahme erstellen, Quellen zusammentragen, sich vertiefen, in die Zeit hineinversetzen und alles neu vermessen. Und dann, vielleicht, bei entsprechenden Hinweisen, würde er eine Grabung durchführen.
Drei Helfer standen ihm zur Verfügung. Das war mehr, als er sich jemals zu träumen erhofft hatte.
Willard atmete tief durch. Great Zimbabwe bedeutete je nach Dialekt Große Steinhäuser oder Geehrte Häuser.
Die Ansiedlung auf dem gleichnamigen Plateau war die Hauptstadt des Munhumutapa-Reiches, das außer dem heutigen Simbabwe auch Teile von Mosambik umfasste.
Die Stadt hatte in ihrer Blüte vom elften bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts bis zu achtzehntausend Einwohner besessen, wurde von den Monarchen des Landes als königlicher Palast genutzt und war das politische Machtzentrum. Sein Reichtum beruhte auf Rinderzucht, Goldgewinnung und Fernhandel. Zeugnisse des spirituellen Zentrums waren besagte Simbabwe-Vögel aus Speckstein.
Die Anlange war der größte vorkoloniale Steinbau Afrikas südlich der Sahara und einer der ältesten.
Es gab Zeiten, da wurde Great Zimbabwe sogar als Heimat der Königin von Saba gedeutet, was sich aber letztendlich als falsch herausgestellt hatte.
»Also dann!«
Willard klatschte in die Hände. Die Funde würden ihm nicht zufliegen. Er musste sie sich erarbeiten.
Mit pochendem Herzen drehte er sich zur großen Mauer herum, zwinkerte ihr zu und durchschritt die kleine Pforte in den ehemaligen Palast der Herrscher.
Hölle, Privatgemach des Fürsten der Finsternis
Die besten Gedanken kamen beim Auspowern.
Also weiter!
Stygia, die bisher unangefochtene Herrin der Hölle, schien auf etwas hinzuarbeiten. Aber, warum nur versuchte sie mit einem der größten Feinde der Schwarzen Familie, Professor Zamorra, zusammenzuarbeiten? Warum prostituierte sie sich vor ihm und seiner Mätresse? Wollte sie die Hölle am Ende gar verraten?
Das sah ihr nicht ähnlich.
Und doch, er, Belial, hatte es höchstselbst, natürlich unbeobachtet, aus ihrem Munde vernommen: Sie schien mit Zamorra zusammenarbeiten zu wollen.
Das war Verrat! Ihr Treiben gehörte vor ein Tribunal.
Was rechtfertigte einen Pakt mit dem Feind? Die Herrin der Hölle gehörte abgesetzt.
Schien endlich seine Stunde zu schlagen?
Belial schwitzte auf seiner Kraftstation für den heimischen Fitnessraum. Er benutzte die Beinpresse und die Brustpresse, den Beinstrecker und den Bauchtrainer. Mit dem Sportgerät war sogar Bankdrücken, Schulterdrücken und Rudern möglich. Ja, so hielt man Schulter, Brust, Rücken, Beine, Bauch und Arme in Form.
Belial war mittlerweile stolz auf seinen menschlichen, gedrungen-athletischen Körper, den ihn einst Asmodis aus einer Laune heraus verpasst hatte. Natürlich besaß er auch eine dämonische Gestalt. Doch in ihr zeigte er sich nur selten.
»Kommt Zeit, kommt trotzdem Rache.«
Belial grinste süffisant. Doch bis dahin konnte er sich mit der Kraftstation den täglichen Frust als Vize-Herr der Hölle einfach austreiben oder wohl besser ausschwitzen.
Warum hatten Dämonen noch nicht so ein geniales Fitnessgerät erfunden?
Der Fürst der Finsternis lachte kurz auf. Für die Folter sicher.
Aber für das eigene Wohlbefinden? Für die eigene Form? Belial waren Schwabbelmonster zuwider. Diese amorphen Klumpen – eine Schande für die ganze Hölle. Jeder Körper musste geformt oder besser optimal gestählt werden. Und dies war nur durch Übung, Ausdauer und Härte zu erreichen.
Wenn er erstmal an der Macht war, würde er jedem Dämon so eine Kraftstation verpassen.
Warum war die Fantasie der Menschen, solcherlei Dinge zu kreieren, um so vieles unbegrenzter als der beschränkte Horizont von Dämonen?
Weil Vater euch nun mal so erschaffen hat, flüsterte eine Stimme in ihm. Ihr sollt die Menschen verführen und keine Kraftstation für den heimischen Fitnessraum erfinden. Dafür seid ihr nicht erdacht worden!
Der Fürst der Finsternis schob den Gedanken beiseite und legte sich erneut ins Zeug.
Er spürte regelrecht, wie die Muskeln an Armen und Beinen wuchsen. Wie der Sixpack immer perfekter wurde.
Stygia! Auch sie war eine Schönheit, ohne Frage. Doch er war stärker.
Andererseits besaß sie die Raffinessen einer Frau. Und die spielte sie immer mehr zu ihrem Vorteil aus.
Der Innere Kreis der Hölle, den sie offiziell installiert hatte, war eine Farce. Sicher, Astaroth und Agares spielten mit. Die waren schon immer zu gleichen Teilen auf die Hölle und auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Solange ihnen Stygia alle Freiheiten ließ, unterstützten sie die Herrin der Hölle. Sie selbst besaßen keine Ambitionen auf den Thron beziehungsweise den von ihnen so bezeichneten Schleudersitz.
Anders verhielt es sich mit Zarkahr. Der Uralte stieß sich gern mal die Hörner ab. Er war impulsiv, draufgängerisch, aber wenig durchdacht. Und doch hatte er das Ziel, sich selbst an die Spitze der Schwarzen Familie zu stellen, noch lange nicht aufgegeben. Im Endeffekt war er Ich-bezogen und zu keiner Zusammenarbeit fähig.
Noch schlimmer war eigentlich nur Melmoth III. Auch der Spinnenzentaur besaß zwar die Vision, sich an die Spitze der Hölle zu setzen, doch am Ausfüllen der Position mit Inhalten mangelte es ihm gewaltig.
Und Berith – die konnte immer noch keiner von ihnen so richtig einschätzen. Sie verhielt sich still, beobachtete. Sie, die einstige Königin der Hölle, war aktuell nur noch eine Erzdämonin von Stygias Gnaden. Das konnte der Sonderbaren sicher nicht gefallen.
Also, fasste der Fürst der Finsternis für sich zusammen, Verbündete im Inneren Kreis der Hölle würde es wohl so schnell nicht geben.
Sollte er trotzdem aktiv werden? Irgendetwas hatte Stygia doch vor!
Belial wusste natürlich, dass sie auf ihre Art Zamorra mitgeteilt hatte, dass sie ihn vorerst nicht mehr direkt angreifen würde. Genauso, wie er sie im Umkehrschluss nicht angreifen sollte.
Das war quasi ein Nichtangriffspakt, ausgehandelt mit einem der größten Feinde der Hölle!
Belial spürte mittlerweile jede Faser seines Leibes. Gut so! Und weiter den Körper fordern!
Mit so einem Treiben, wie es Stygia gerade an den Tag legte, waren schon andere hohe Dämonen vor ein Tribunal gekommen – und hatten es allesamt nicht überlebt.
Im Grunde ging er durchaus mit Stygias Gedanken konform. Zamorra war kein Dämonenschlächter. Er hielt sein Wort. Das konnte man nicht ignorieren.
Ärgerte man ihn, und besonders seine Mätresse, konnten sie natürlich auch sehr unangenehm werden.
Der Fürst der Finsternis aktivierte noch einmal alle Kraftreserven. Auspowern war etwas Wundervolles. Warteten doch schon vor der Tür ein paar willige Menschenfrauen, die sich dem Bösen hingeben wollten.
Er, Belial, wollte an die Spitze. Er war dem ORONTHOS entkommen. Er hatte eine zweite Chance erhalten. Diese musste er nutzen!
Wo fand man starke Verbündete, wenn nicht in der ersten Reihe?
Doch starke Verbündete besaßen starke Eigeninteressen.
Er konnte also nur Astaroth und Agares überzeugen. Dazu musste er weitere Beweise gegen Stygia sammeln.
Vielleicht sollte er das Tribunal wirklich mit den beiden und sich selbst besetzen.
Doch Stygia war stark. Und vor allem, sie war von Luzifer geadelt worden. Das hatte nicht einmal Asmodis geschafft. Zumindest nicht offiziell.
Stygia suchte den Schulterschluss mit Zamorra. Nur, die Gute tat nie etwas ohne guten Grund. Und diesen wahren Grund kannte er noch nicht. Irgendetwas war in Gange. Er konnte nur noch nicht einschätzen, was.
Jetzt Stygia vom Thron zu stoßen, bedeutete ein Erbe anzutreten, von dem er noch nicht wusste, was es beinhaltete. Also musste er sich gedulden. Weiter gedulden.
Und beobachten und sammeln, bevor er aktiv wurde.
Entkräftet rutschte Belial von der Kraftstation.
Er grinste wölfisch. Es war Zeit für einen kleinen Snack. Immer wieder gab es Menschenfrauen, die sich dem Bösen hingeben wollten. Nun gut, Belial würde es ihnen sogleich ermöglichen.
Nur mit einem gänzlich anderen Ausgang, als sie sich erhofften.
Great Zimbabwe
Soeben verließen die letzten Touristen das Gelände der Ruinenstadt.
Willard Katsande sah ihnen lächelnd nach. Er hatte sie hin und wieder beobachtet, in ihren Gesichtern geforscht.
Sie waren beeindruckt. Und überrascht, hier, im südlichen Afrika, solch imposante Ruinen vorzufinden.
Normalerweise kamen die Touristen nach Simbabwe, um sich in den Nationalparks auf Pirschfahrten die wilden Tiere anzusehen. Vornehmlich wollten alle die Big Five fotografieren, die Elefanten, die Büffel, die Nashörner, aber ganz besonders die Löwen und Leoparden.
Wie überrascht waren sie, hier auf uralte Zivilisationen zu treffen.
Unwillkürlich musste Willard schmunzeln. Galt nicht Afrika als Wiege der Menschheit? Warum also sollten sich hier keine beeindruckenden Zeugnisse vergangener Zeiten befinden?
Gemütlich schlenderte der Doktorrand hinab ins Tal zur Großen Einfriedung.
In den letzten Tagen zog ihn der Konische Turm immer wieder magisch an. Er konnte es sich nicht erklären. Er musste ihn einfach immer wieder berühren, über den glatten, hellgrauen Stein streichen.
Abermals fuhr er mit der rechten Hand über die noch warmen Steine.
Warum nur drängte sich ihm jetzt der Gedanke auf, über einen schwangeren Leib zu streichen? Das hier war tote Materie. In dem Turm befand sich nichts. Er war massiv aus Stein. Das hatten vergangene Untersuchungen belegt.
1929 war der Turm von Archäologen teilweise untertunnelt worden. Damals hatte es sich herausgestellt, dass er massiv und direkt auf der Erde aufgesetzt und angelegt worden war.
Trotzdem. Da war ein Ziehen. Willard schien es, als müsse er nur diesem Drang nachgeben, dann fand er die Stelle.
Welche Stelle?
Er war ein wissenschaftlicher Doktorrand und kein Hexenmeister! Er war hierhergekommen, um eine wissenschaftliche Dissertation zu schreiben und nicht einer der Fantasie entsprungenen Magie nachzujagen.
Das Ziehen wurde stärker. Willard beließ die rechte Handfläche auf den Steinen, umstrich den Turm und-
»Entschuldigen Sie«, sagte jemand in gebrochenem Englisch.
Überrascht drehte sich Willard um.
Vor ihm stand ein junger Mann.
»Die Anlage hat geschlossen. Sie müssen den Bereich jetzt verlassen.«
Der junge Mann lächelte. »Das würde ich ja gerne, aber ich weiß nicht wie. Irgendwie habe ich mich verlaufen.«
»Gehören Sie nicht zu einer Gruppe?«
»Nein, ich sehe mir Simbabwe alleine an. Ich hatte mir Notizen gemacht und darüber wohl die Zeit vergessen.«
Das Gefühl, dass etwas gefunden werden wollte, war verschwunden. Willard wusste nicht, ob er traurig oder froh darüber sein sollte.
Unbewusst zuckte er mit der Schulter. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Ausgang.«
»Oh, alles klar. Vielen Dank.«
Sie setzten sich in Bewegung.
»Woher kommen Sie?«
»Aus Deutschland. Ich heiße Lukas Engelhardt.«
»Willard Katsande.«
»Arbeiten Sie hier?«
»Jein, ich schreibe an meiner Doktorarbeit.«
»Oh, das klingt sehr interessant. Führen Sie hier auch Grabungen durch? Es heißt ja, dass es oben auf dem Hügel einen unterirdischen Gang geben soll.«
»Der aber zur Sicherheit zugeschüttet wurde.«
»Schade. Aber vielleicht finden Sie ja einen neunten Simbabwe-Vogel.« Lukas seufzte. »Archäologe, schade, diesen Beruf hätte ich mir auch vorstellen können. Uralte Zivilisationen auszugraben, vielleicht auch auf Hinweise von außerirdischem Leben zu stoßen. Oh, Verzeihung, ich träume schon wieder.«
»Kein Problem. Träume gehören zum Leben. Kommen Sie morgen wieder? Dann kann ich Ihnen vielleicht ein wenig mehr über den Komplex erzählen.«
Lukas schüttelte den Kopf. »Das Angebot ist sehr verlockend. Wirklich. Aber ich habe leider nur vierzehn Tage Urlaub, wissen Sie? Ich möchte als Nächstes ins Matopo-Gebirge. Zu den Nashörnern. Und zu Cecil John Rhodes Grab. Dort soll es sehr schöne Aussichten geben.«
»Gibt es«, bestätigte ihm Willard. »Hier ist der Ausgang.«
Die jungen Männer reichten sich zum Abschied die Hände.
»Berichten Sie zu Hause von meinem Land. Wenn es Ihnen gefällt.«
Lukas lächelte. »Das werde ich. Ganz bestimmt. Am Ende der Reise stehen übrigens die Victoriafälle auf meiner To-do-Liste. Auch darauf freue ich mich sehr.«
»Na dann. Alles Gute für Sie.«
»Alles Gute für Sie ebenfalls.«
Der farbige junge Mann hob zum Gruß die Hand, wartete ein paar Augenblicke und begab sich zum Konischen Turm zurück. Bis zum Sonnenuntergang war es nicht mehr lang. Doch das Gefühl, dass sich etwas im Turm befand, das gefunden werden wollte, das war zumindest für heute vorüber.
Hölle, Stygias Privatgemach
Die Herrin der Hölle biss sich unbewusst auf die Unterlippe. Vermenschlichte sie? Beschäftigte sie sich mehr mit den Menschen als mit den Dämonen?
