Professor Zamorra 1233 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1233 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

Als sie die Audienzhalle betrat, musste Stygia schlucken.
Sie wurde vom Tribunal schon erwartet.
Gespannte Gesichter ließen sie nicht aus den Augen.
Vor drei Jahrzehnten war sie bereits als federführende Triebkraft aufgetreten, um Leonardo deMontagne vom Thron zu fegen. Damals war sie, neben Astaroth und Astardis, einer der Richter gewesen. Selbst der große Lucifuge Rofocale hatte sie gewähren lassen.
Doch nicht nur, dass sie jetzt die Position von Leonardo einnehmen musste, nein, auch damals hatte sie nicht das erhalten, auf das sie so zielstrebig hingearbeitet hatte: den Thron des Fürsten der Finsternis! Beziehungsweise: der Fürstin der Finsternis!


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Inhalt

Cover

Personenliste

Ein fast perfekter Tag ...

EPILOG

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind

Professor Zamorra: Der Meister des Übersinnlichen

Nicole Duval: Zamorras Partnerin

Sam McTaggart: Ex-Soldat und Dämonenjäger

Kyra: eine junge Vogeldämonin

Thomas Craft: neuer Butler auf Château Montagne

Lilith: Fürstin der Finsternis

Stygia: stellvertretende Fürstin der Finsternis

Belial: Erzdämon, durch Blutpakt mit Stygia verbunden

Astaroth: Erzdämon, Vorsitzender des Höllentribunals

Grohmhyrxxa: das Monster mit dem Fliegenkopf

Ein fast perfekter Tag ...

von Thilo Schwichtenberg

Als sie die Audienzhalle betrat, musste Stygia schlucken.

Sie wurde vom Tribunal schon erwartet.

Gespannte Gesichter ließen sie nicht aus den Augen.

Vor drei Jahrzehnten war sie bereits als federführende Triebkraft aufgetreten, um Leonardo deMontagne vom Thron zu fegen. Damals war sie, neben Astaroth und Astardis, einer der Richter gewesen. Selbst der große Lucifuge Rofocale hatte sie gewähren lassen.

Doch nicht nur, dass sie jetzt die Position von Leonardo einnehmen musste, nein, auch damals hatte sie nicht das erhalten, auf das sie so zielstrebig hingearbeitet hatte: auf den Thron des Fürsten der Finsternis! Beziehungsweise: der Fürstin der Finsternis!

Erde, Frankreich, Saint-Cyriac

Schwungvoll riss sie die beiden Giebelfensterhälften auf.

Und atmete tief ein ... Und tief ... wieder aus ...

Die Luft roch nach Sommer, nach Spätsommer. Nach Heu, nach dezenter Wärme.

Die Zeit schien stillzustehen. Es war ein Halten der Natur.

Ach, Madame Claire seufzte wohlig, es hätte immer so sein mögen!

Am Horizont biss sich der neue Tag bereits ein Stück Schwärze ab. Fahles Türkis schob sich hinter dem Berghang von Château Montagne in Richtung Firmament. Wie ein Diamant, gebettet in ein dunkles Nest aus Fichten, funkelte das Schloss in seiner Bestrahlung.

Amseln schnalzten auf der Wiese vor dem Fachwerkhaus.

Eine laue Brise umspielte Claires Wangen. Die Nase kitzelte.

Mit einem befreienden »Ha ... tschie!« stoben die Schwarzgefiederten erschrocken ins Dunkel der Büsche zurück.

Madame Claire lächelte keck. »Was ich so beniese, das kann doch nur ein perfekter Tag werden.«

Sie trat einen Schritt zurück, hob die Arme und gönnte sich drei angedeutete Kniebeugen. Das musste reichen. Bald erwachte das Château.

Dann war sie in ihrem Reich gefragt. Im sozialen Schmelztiegel des Gemäuers. Im Austauschort Nummer Eins. Im Zusammenlauf der Schicksale ...

Der – ihrer! – Küche.

Sie streifte ihr leichtes Nachthemd ab, hielt es aus dem Fenster und schüttelte es kräftig.

Erneut stoben die Amseln von dannen. In den Hecken hörte man ihr Klagen.

Nach Morgentoilette und Ankleiden schlurfte sie summend in die Küche, schaltete den Kaffeeautomaten ein und öffnete den Kühlschrank.

Die Köchin angelte sich einen Jogurt, Passionsfrucht, öffnete ihn und verspeiste ihn genüsslich. Im Anschluss trank sie einen Espresso.

Die Fahrt mit dem Fahrrad hinauf zur Burg würde ihr guttun, kurbelte sie doch wie jeden Morgen die Verdauung an. Alles war exakt berechnet, sodass es noch nie zu einem Malheur gekommen war.

Und, sie lächelte verschmitzt, das sparte auch ein wenig Wasser im eigenen Haushalt. Was über die Jahre sicher zu einem beträchtlichen Sümmchen geworden war.

Gott bewahre! Sie wurde wieder ernst. Selbstverständlich war Monsieur le Professeur ein sehr großzügiger Arbeitgeber – sie hätte, wenn sie es denn gewollt hätte, sogar kostenlos im Schloss wohnen können – aber, nun ja, jeder besaß halt so seine kleinen Marotten.

Und so stieg sie frohgemut ein paar Minuten später auf ihren Drahtesel.

Die Schwärze war vollends dem Türkis gewichen, und auch das Orange schob sich nun übermächtig in die Höhe.

Das konnte doch wirklich nur ein perfekter Tag werden!

Hölle

Was für ein oberbeschissener Tag! Und dabei hatte er gerade erst begonnen.

Mit verschränkten Armen und einem äußerst ungeduldig wippenden rechten Zeigefinger auf dem linken Oberarm lehnte Stygia an einer Blutkiefer und betrachtete den Landstrich vor ihr.

Dort drüben lag das Reich von Berith, der selbsternannten Königin der Hölle.

Stygia spie aus.

Königin ... Ein Titel, den es in der alten Hölle so nicht gegeben hatte. Doch Titel waren eh nur Schall und Rauch. Macht hieß das Zauberwort. Absolute Macht. Dann konnte man sich nehmen und nennen, was und wie man wollte.

Absolute Macht hatte sie besessen! Damals, in den untergegangenen Schwefelklüften. Sie war die Herrin der Hölle gewesen. Erst Fürstin der Finsternis, später sogar Ministerpräsidentin der Schwarzen Familie.

Die Erzdämonin lachte auf. Und nun? Nun war sie stellvertretende Fürstin der Finsternis – immerhin. Und doch: noch!

Sie war Lilith völlig auf dem Leim gegangen!

Lilith hatte gewusst, dass Stygia das hier passieren würde!

Die Fürstin der Finsternis und Herrin vom See hatte von Stygias Ambitionen, die Hölle durch Intrigen zu übernehmen, natürlich erfahren. Und Stygia trotzdem in Sicherheit gewiegt! Hatte sie sogar zu ihrer rechten Hand erhoben, mit der Forderung, Beriths Ländereien, die sich bisher noch nicht der Fürstin der Finsternis unterworfen hatten, für Lilith einzunehmen.

Stygia musste den Auftrag annehmen, sie konnte gar nicht anders. Sonst hätte sie nicht nur das Gesicht verloren, sondern gleichzeitig auch all ihre Ambitionen auf den Höllenthron.

Die schöne Teufelin musste zähneknirschend zugeben, dass Lilith ihr in Sachen Weitsicht haushoch überlegen war.

Der Zusammenstoß mit Zarkahr oberhalb des Lavasumpfes hatte sie nicht nur eine Schlappe sondern auch Kraft und Zeit zum Wunden lecken gekostet.*

Noch immer war sie nicht schlau daraus geworden, warum DER CORR Zamorra nicht vernichtet sondern sie, Stygia, vom Spielfeld gefegt hatte.

Mittlerweile wusste sie, dass Zamorra sein Amulett wieder besaß. Was war da nur vorgefallen? War der Alte senil geworden? Hatte er sich auf die Seite des Guten geschlagen?

Es sah jedenfalls nicht danach aus. Noch immer gierte auch DER CORR nach dem Höllenthron.

Und das wusste Lilith – und hatte Stygia ein Ultimatum gesetzt.

Schaffte sie es auch diesmal nicht, musste sie sich wegen Unfähigkeit vor einem Höllentribunal verantworten! Dann war Zarkahrs Stunde gekommen. Der sicher ebenfalls in die Falle tappen und damit scheitern würde ...

Sie konnte sich jetzt einfach kein Versagen leisten!

Die schöne Teufelin versetzte sich in die Höhle. In ihren Händen strahlte Licht auf. Schwarz gähnte die Öffnung des Ganges vor ihr.

Dieses Mal kam sie ohne Armee, ohne Besserwisser, Kundige und Helfer.

Dieses Mal, musste sie es alleine durchstehen, sich einen Rest Gesicht bewahren.

Bisher hatten weder Kraft noch Masse noch List ihr den Triumph über Berith und ihre Ländereien gebracht.

Die Erzdämonin malte magische Zeichen um die Öffnung des Höhlenganges. Schritt für Schritt wagte sie sich in den Gang hinein, malte weitere Runen an die Wände. Nach mehreren Metern spürte sie die Grenze. Vorsichtig tastete sie sich weiter voran, dann war es vollbracht. Bis hierhin und nicht weiter.

Noch nicht weiter.

Stygia lief den Weg zurück und aktivierte am Eingang den Beschleuniger.

Schon pulsierte es wellenförmig in den Gang hinein. Weiter und immer weiter fraßen sich die violetten Wellen. Über die unsichtbare Grenze hinweg!

Der gesamte Gang bis zum Austritt auf der anderen Seite pulsierte oder besser schoss nun magische Wellen an den Wänden entlang.

Die Erzdämonin setzte sich in Bewegung. Sie spürte noch den Sog, etwas klickte sich bei ihr ein, dann wurde sie ebenfalls durch den Tunnel geschossen oder besser: gerissen.

Wieder im Freien, breitete sie die Flügel aus und verhinderte so einen Sturz. Stygia trudelte noch etwas vorwärts, stoppte und setzte auf dem Boden auf. Die schöne Teufelin gestattete sich ein Grinsen. Sie war durch! Sie war auf der anderen Seite. Sie war ... viel weiter als bisher gekommen!

Es brachte also doch etwas, hin und wieder in alten Büchern zu lesen. Selbst war die Dämonin. Sie hatte es geschafft. Und niemand sonst! »Lilith, meine Gute. Weitsicht hin oder her. Jetzt bin ich dir wieder einen Schritt voraus.«

Eigentlich war das alles hier absurd. Zwischen den beiden Herrschaftsbereichen herrschte durchaus reger Verkehr. Dämonen wechselten die Seiten, aber auch das niedere Höllengezücht schien diese Barriere nicht zu kennen.

Nur, wenn es um eine feindliche Übernahme ging, setzten sich gewisse Mechanismen in Gang.

Sie wischte sich über das Gesicht.

Gut. Die feindliche Übernahme würde also hier durch diesen Berg erfolgen. Es gab mehrere Durchgänge, sie alle konnten mit den Beschleunigern ausgestattet werden. Sie schossen die passierende Person für einen kurzen Moment aus der Wirklichkeit.

Es würde zwar eine Weile dauern, bis die Armee drüben war, aber Berith wiegte sich bereits seit der Erschaffung der neuen Hölle in Sicherheit. Die würde überhaupt nicht damit rechnen.

Stygia strauchelte, fing sich.

»Verdammt! Nicht jetzt noch!« Sie nahm eine kleine Ampulle, die sie am Gürtel trug, öffnete sie und goss sich den Inhalt über die Hände. Obwohl das Weihwasser verdünnt war, bildeten sich sofort Blasen.

Stygia schrie auf und stapfte weiter voran. Nur! Nicht! Einschlafen!

Sie hatte es geschafft! Sie war drüben!

Sie fiel auf die Knie, stützte sich mit den Händen ab, knickte ein und berührte mit dem Kopf den Boden.

Nicht! Einschlafen!

Wie gern wäre sie jetzt aus der Haut gefahren. Wie gern hätte sie jetzt Berith, Kraft ihrer Magie, vom Thron geschleudert.

Geschleudert ... gedreht ... geschwärzt.

Aus.

Sie stöhnte, rollte sich zusammen. Schlafen. Sie wollte einfach nur schlafen.

»Nein!« Stygia sprang auf. Wütend dreht sie sich um sich selbst.

Dann schoss sie magische Blitze in die Blutkiefer.

Zerfetzt und verkohlt zischte der Baum vor sich hin.

Sie hatte sich gewehrt. Verbissen. Doch wo stand sie jetzt wieder? Vor der Grenze. Nicht dahinter!

Das war jetzt das dritte Mal.

So ging es nicht. Beriths Lande schienen wirklich uneinnehmbar.

Das hatte es in der alten Hölle nicht gegeben.

Egal. Sie musste heute Erfolge aufweisen! Sonst erwartete sie das Höllentribunal.

Und das würde sie wegen Unfähigkeit absetzen. Bestenfalls.

Sollte sie also ... ihre Hand glitt unweigerlich über die Beule in ihrem Gürtel. Dort befand sich Zamorras Dhyarra. Sie hatte im Grunde ja fast nichts mehr zu verlieren. Sie musste ihn nur berühren und sich bildlich die Vernichtung von Beriths Landen vorstellen.

Oder ihre eigene Vernichtung damit heraufbeschwören, wenn Zamorra den Kristall auf sich verschlüsselt hatte. Oder ... sie ihn nicht benutzen konnte, weil ihr geistiges Potential zu schwach für die Beherrschung des Kristalls war. Das Risiko, dass der eigene Geist ausgebrannt wurde, war hoch.

»Herrin«, piepste ein Irrwisch.

Stygia drehte sich langsam um.

»Verzeiht, aber die Fürstin der Finsternis wünscht euch zu sehen. Sofort.«

»Sofort?« Die schöne Teufelin lächelte.

Mit einem Schnippen ... hätte der Irrwisch eigentlich platzen sollen.

»Äh, Herrin, ich stehe unter dem Schutz der Fürstin.«

Stygia betrachtete ihn eingehend. »Ich vergesse niemanden. Und sei er noch so klein.«

»Ja, Herrin«, piepste der Irrwisch kaum hörbar.

Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah ...

LUZIFER, VATER, dachte sie. Warum? War ich ... war ich deiner wirklich nicht würdig?

Erde. Château Montagne

Thomas zog sein Livree glatt und stellte sich vor den Spiegel.

Er war nun achtundzwanzig Jahre alt. Seine derben schwarzen Haare waren glatt und glänzten. Er hatte sich für einen altmodischen oder besser zeitlosen Seitenscheitel entschieden. Die braunen Augen leuchteten unschuldig, ja, es lag durchaus etwas Verletzliches in diesem Blick.

Die leichte Römernase gab ihm ein markantes Aussehen. Die Wangen waren vom Bartwuchs befreit, das Kinn kantig und nicht der Hauch eines Doppelkinns auszumachen.

Trotz seiner Eins achtzig wirkte er leicht stämmig. Damit es nicht mehr wurde, beugte er dem mit Muskel- und Ausdauertraining vor.

Alles in allem war er eine würdevolle, nicht zu hagere und nicht zu propere Erscheinung. Ein Mann der Tat, den nur wenig umhauen konnte.

Also. Auf ging es in den neuen Tag!

Leise vor sich hin summend, spurtete Thomas die Treppen nach unten.

Die Uhr zeigte zwanzig Minuten nach fünf. Im Schloss war es ruhig.

Selbst aus Williams Zimmer drangen keine Geräusche. Der alte Humpel hatte es wohl mittlerweile akzeptiert, nur noch jeden zweiten Tag so zeitig aufstehen zu müssen.

Nun, Thomas hatte es mittlerweile so einrichten können, dass, wenn William den frühen Dienst antrat, er stattdessen eine ausgedehnte Joggingrunde durch die Wälder um das Château drehen konnte.

Manchmal änderte er auch seine Route und trabte durch das Dorf. So hatte er den einen oder anderen Frühaufsteher bereits kennengelernt.

Auch mit Pater Ralph, Mostache und Marie-Claire Boulez war er so schon bekannt geworden.

Nun, wenn es sich Thomas recht eingestand, dann war er fast schon angekommen.

Wer hätte das gedacht? Er hatte sich immer für sehr britisch gehalten, hätte sich nicht mal im Traum einfallen lassen, seinen Beruf oder besser seine Berufung einmal in Frankreich, beim sogenannten Erzfeind, auszuleben.

Und doch tat es gut. Nur William, sein Konkurrent, musste noch irgendwie weichen.

Obwohl ihm William bisher nicht als Konkurrent gegenübergetreten war.

Das machte alles noch ein wenig komplizierter. Er mochte den älteren Herrn. Und so hatte er sich bisher nicht dazu durchringen können, in ihm den absoluten Feind zu sehen.

»Guten Morgen.«

Thomas zuckte vor der Küchentür zusammen. Er hätte es wissen müssen.

»Habe ich dich erschreckt?«

»Guten Morgen, Miss Kyra.« Er zwang sich ein leichtes Lächeln auf die Lippen. »Nur ein klein wenig. Es wird jeden Tag besser. Bald werde ich nicht mehr zucken.«

»Das ist gut. Ich wollte dich nicht erschrecken.«

Ich weiß. Thomas seufzte in Gedanken.

Gemeinsam betraten sie die Küche.

»Oh.« Die Gestalt vor dem Kühlschrank lächelte dezent.

Thomas musste unwillkürlich schmunzeln. Übergangslos wurde er wieder ernst. Das ziemte sich nicht.

Lama Gyungo Tensöng hielt einen Jogurt in der rechten Hand. Erdbeere.

»Dann werde ich mich mal zur Meditation zurückziehen.«

So nannte er das.

»Alle Speisen und Getränke stehen allen Gästen jederzeit zur Verfügung.« Thomas verbeugte sich leicht. »Ich könnte Ihnen das Gewünschte auch sehr gern auf das Zimmer bringen.«

Der orange- und weinrotgewandete Mönch nickte leicht. »Vielen Dank. Es ist ein Notfall-Ritual. Alles, was im Leben geschieht, sollten wir bewusst erleben. So auch diese kleine Mahlzeit. Und hoffentlich auch ihre befreienden Folgen.« Er fasste sich vor die Magengegend und rauschte von dannen.

Thomas ignorierte seinen »Schatten« und widmete sich nun dem Kaffeeautomaten. Obwohl sämtliche Kaffeespezialitäten zur Verfügung standen, bevorzugten die meisten Schlossbewohner einfachen schwarzen Kaffee, weswegen ihn Madame Claire, William und Thomas stets in großen Pumpkannen vorhielten.

Die einzige Ausnahme bildete Miss Lucia. Die bevorzugte Zucker mit Kaffee. Oder Zucker mit Kakao.

Nun, es stand ihm nicht zu, über die Gepflogenheiten der Gäste zu richten.

»Sind wir schon eine Familie?«, fragte Kyra wie jeden Morgen. Geschmeidig und ruckartig zugleich bewegte sie ihren Kopf, um Thomas mal mit dem rechten und mal mit dem linken Auge anzusehen.

»Jeden Tag ein Stückchen mehr.« Der Brite lächelte.

Sie erschien ihm wie eine aufrecht stehende Katze mit Vogelattributen. Unwillkürlich fiel ihm das Märchen vom Gestiefelten Kater ein. Aber so sah die Kleine nun überhaupt nicht aus.

Zwei Katzenhinterbeine endeten in geschmeidigen gelbbraunen Hühnerfußkrallen. Ein Katzenschwanz, den sie etwas ausfächern konnte, erschien dann wie ein Vogelschwanz oder besser: wie ein prähistorischer Reptilvogelschwanz. Er konnte sogar mit dem Körper verschmelzen.

Zwei Katzenvorderläufe, die eher menschlichen Armen glichen, endeten ebenfalls in gelbbraunen Hühnerfußkrallenfingerhänden.

Die Kleine besaß keine Dämonen- sondern eher Adlerflügel, die sie mit dem Rücken verschmelzen lassen konnte, wobei sie zusätzlich Steuerfedern an den Armen aufwies.

Die Fyderra trug zartes Gefieder, das seidig und metallisch zugleich schimmerte. Dieses Gefieder konnte sie anlegen, dann wirkte es wie eine Rüstung. Im Original schillerte es in Grün und Türkis und Blau. Doch konnte es jede beliebige Farbe annehmen. Eben wie ein Chamäleon.

Die Augen leuchteten schwarz und saßen seitlich, sodass sie zwei geteilte Sichtbereiche besaß. Der Kopf war rund und glatt und besaß keine sichtbaren Ohren, wohl aber Ohrlöcher, die durch die Federn verdeckt wurden. Das winzige Kopfgefieder spross überall hervor. Einzig Nase, Mund und Kinn bildeten eine verhornte Partie. Wie ein vorgebogener Buckel mit Nasenlöchern. Oder besser: Wie ein eng an das Gesicht gelegter Vogelschnabel. Die Lippen waren verhornt, und bei Erregung bildete sich ein Raubkatzengebiss aus.

Nein, Thomas wollte garantiert nicht ihr Feind sein.

Und so versuchte er den Spagat. Einerseits versuchte er die Vogeldämonin auf Distanz zu halten, andererseits war sie Gast im Schloss. Also jemand, dem man nicht vor den Kopf stieß. Im Grunde war sie ein Außenseiter ... wie er.

Vielleicht sollte er in ihr eine Schwester sehen?

Nein, das war zu nah.

Eine Seelenverwandte?

Was wusste er schon über die Dämonen der Hölle!

Doch war er nicht auch eine Art Dämon? Immerhin wollte er William loswerden.

Passte er also ins Schloss?

Doch Kyra war auch eine Dämonin. Auch sie war Gast des Professors. Erhielt etwa jeder im Leben eine Chance?

Warum suchte dann Sam McTaggart nicht seine Nähe? Wenn, dann fühlte sich Thomas zu ihm hingezogen. Aber diese Freude bereitete ihm das Schicksal nicht.

»Ist es so recht?«

Kyras Federn hatten eine schwarzweiße Farbe angenommen.

Jetzt trug sie eine Livree.

»Miss Kyra«, Thomas musste nun doch lächeln. »Sie gefallen mir in ihren natürlichen Farben sehr viel besser.«

»Nicht Sie, du. Bitte.«

»Ach, Miss Kyra.« Thomas seufzte. »Wir haben sicher noch einen langen Weg vor uns.«

Damit hatte sie nicht gerechnet!

Der Morgen hatte so schön begonnen. Und nun?

Trotz des wolkenlosen Himmels war Wind aufgekommen. Selbstverständlich kam er nicht von hinten und half Claire ein wenig, nein, er kam von vorn! Wie immer.

Schnaufend und schniefend radelte die Köchin die Serpentinen zum Schloss hinauf. Aufgeben war nicht! O nein, den Gefallen würde sie dem Wind nicht tun. Sie würde ganz bestimmt nicht absteigen. Jetzt erst recht nicht.

Sie erhob sich vom Sattel, stellte sich fast auf und trat ordentlich in die Pedale.

Da passierte das Malheur.

Etwas braunschwarz Gestreiftes huschte über die Fahrbahn. Dann ruckelte es ein wenig. Das Vorderrad schlingerte, sie zog beide Bremsen und sprang mit den Füßen auf den Asphalt. Sie trippelte noch drei Schritte nach vorn, nicht wissend, ob sie nun doch noch stürzen würde, dann hatte sie sich vollends gefangen.

Zitternd drehte sie sich um.

Da lag etwas. Am Wegesrand.

Ein Tier?

Es war vielleicht so groß wie ein Chinchilla, lag auf dem Rücken und hatte alle Pfoten von sich gestreckt.

War es tot?

Sie stellte das Rad ab und begab sich zum Unfallopfer.

Es sah aus wie ein Streifenhörnchen mit Stummelschwanz.

Die Bauchseite war fast weiß, der Rücken schien dunkelbraun.

Sollte sie es berühren? Nicht dass es Tollwut hatte.

Doch dann siegte der Mutterinstinkt.

Vorsichtig strich die Köchin seitlich über das seidige Fell.

»Es tut mir so leid, dass ich dich überfahren habe«, murmelte sie, »du warst so schnell, ich habe dich doch nicht gesehen.«