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Professor Zamorra fühlte sich miserabel.
Er spürte, wie das Gift ihn innerlich zersetzte.
Zusammengesunken saß er auf dem Sessel in einer Ecke der überfüllten Hotellobby.
Dabei hatte es doch nur nach einem Routinefall ausgesehen!
Einen Dämon töten und Menschen retten.
Anschließend wollten Nicole und er das weihnachtliche Erzgebirge in vollen Zügen genießen.
Doch nun?
Zamorra vernahm die schüchterne Stimme einer jungen Frau. "Geht es Ihnen nicht gut?
Er sah auf.
Vor ihm stand der Dämon und lächelte ihn unschuldig an!
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Personenliste
Die Toten aus dem Weihnachtsland
Leserseite
Vorschau
Impressum
Die Hauptpersonen des Romans sind
Professor Zamorra: Der Meister des Übersinnlichen
Nicole Duval: Zamorras Partnerin
Sam McTaggart: Ex-Soldat und Dämonenjäger
Kyra: eine junge Vogeldämonin
Thomas Craft: neuer Butler auf Château Montagne
Lama Gyungo Tensöng: tibetischer Lehrmeister auf Château Montagne
Stygia: Fürstin der Finsternis und Herrin der Hölle (derzeit unpässlich)
Belial: Erzdämon; durch Dämonenhochzeit mit Stygia zum Fürsten der Finsternis aufgestiegen (regiert die Hölle aktuell allein)
Berith: selbsternannte Königin der Hölle; ihr Herrschaftsbereich konnte bisher noch nicht von der Fürstin der Finsternis unterworfen werden
Ssacah: Kobra-Dämon in der Gestalt einer überdimensionalen Königskobra
sowie ... zwei Special Guest Stars ...
Die Toten aus dem Weihnachtsland
von Thilo Schwichtenberg
Professor Zamorra fühlte sich miserabel.
Er spürte, wie das Gift ihn innerlich zersetzte.
Zusammengesunken saß er auf dem Sessel in einer Ecke der überfüllten Hotellobby.
Dabei hatte es doch nur nach einem Routinefall ausgesehen!
Einen Dämon töten und Menschen retten.
Anschließend wollten Nicole und er das weihnachtliche Erzgebirge in vollen Zügen genießen.
Doch nun?
Zamorra vernahm die schüchterne Stimme einer jungen Frau. »Geht es Ihnen nicht gut?
Er sah auf.
Vor ihm stand die Dämonin und lächelte ihn unschuldig an!
Irgendwo auf Erden
Das frei stehende Anwesen schien unbewohnt. Nun, er wusste es besser.
Efeu umspannte wie eine aufdringlich klammernde Hülle fast das gesamte zweigeschossige Gebäude. Selbst nach dem Ziegeldach streckte es die immergrünen Triebe, ganz so, als wolle es noch in diesem fast vergangenen Jahr die alte Antenne und damit den höchsten Punkt des Hauses erreichen.
Das überaus gierige Gewächs schnürte dem Haus die Luft ab, schien es förmlich auszusaugen. Eine Wand dellte sich bereits nach innen.
Die Anordnung der vom Grün fast verhüllten Fenster ähnelte einem lautlos schreienden Gesicht. Die staubigen Augen waren ebenso aufgerissen wie das zahnlose Maul im Untergeschoss.
Nun, ganz so wehrlos ging es in dem Hause wohl doch nicht zu.
Er betrat den verwilderten Garten, kämpfte sich durch dichtes Gestrüpp, vorbei an verrotteten Sandsteinfiguren, denen Hände und Köpfe abgeschlagen worden waren, einem alten Brunnen mit verrosteter Schwengelpumpe, bis hin zur zweiflügligen Kellerluke.
Ächzend bückte er sich, öffnete vorsichtig eine Hälfte und ließ sie sanft auf die niedrigen Sträucher niedergleiten.
Lautlos stieg er die Stufen in die Dunkelheit hinab.
Düsternis umfing ihn. Spinnweben hingen wie ausgeblichene Netze von der Decke. Das Holzregal zur Rechten schien Heimat für verdorbene Vorräte, die einst sicher nicht für den augenblicklichen Winter angelegt worden waren. Dafür befanden sich an der linken Wand Haken, an denen frisches Menschenfleisch gerade verdarb.
Es stank nach Unrat und Verwesung.
Ein Lächeln huschte über das angewiderte Gesicht.
Sie waren zu Hause.
Ihre kleinen, unförmigen Leiber ruhten aneinander gepresst auf einer vor Schmutz strotzenden Liegestatt.
Die war eher Kloake als trautes Heim.
Nun gut. Jeder nach seiner Fasson.
Wie leicht sie jetzt zu töten waren. Anscheinend fühlten sie sich mehr als sicher.
Gerade, als er mit den Fingern schnippen wollte, hörte er das hohe, kehlige Kichern.
»Meister«, sprach die erste und gurrte leise.
»Herr.« Er konnte den Tonfall der zweiten wie immer nicht recht deuten. Drückte er Freude oder Spott oder gar Gier aus?
»Wahrer!« Die Stimmlage klang schon eher nach Sehnsucht, Verzehren und Gier.
Etwas berührte die teuren Schuhe. Er widerstand dem Impuls, einen Schritt zurückzutreten.
Schon spürte er sanften Druck am Knöchel.
Spinnenfinger schienen ihm ins Hosenbein zu fahren. Berührten zärtlich die Wade, und doch war es eine klebrige Berührung.
»Was können wir für dich tun?«, sprach das erste Wesen, ohne sich aufzurichten.
»Deine Aufträge sind stets sehr abwechslungsreich«, nuschelte die Zweite, ganz so, als ob sie etwas zwischen den Zähnen trug.
Das Etwas zerriss. Ein Schmatzen klang auf. Er vernahm die dritte: »Ja, reiß uns wieder einmal aus unserem gleichtönigen Leben!«
Er kam sogleich auf den Punkt. Man musste nicht unbedingt länger als nötig in dem Unrat verweilen. »Ihr sollt mir Köder verschaffen. Ich will jemanden auf den Plan rufen.«
Auf der Liegestatt gerieten die unförmigen Körper in sanfte Bewegung.
»Ist es gefährlich?«, gurrte die erste.
»O, wir lieben das Gefährliche!« Das klang fast schon überschwänglich. Die Spinnenfinger umspannten die Oberschenkel, und glitten weiter hinauf. Es kitzelte.
Er hätte es wissen müssen. Er hätte nicht solch teure Kleidung tragen sollen!
»Es reizt uns«, zische die dritte.
Er ließ sich nichts anmerken. »Es ist sogar sehr riskant.«
Die Körper richteten sich heulend auf. Sie besaßen zwar annähernd einen Leib, aber letztendlich waren sie doch nur Masse.
»Es ist riskant, denn ihr werdet vielleicht gegen zwei äußerst gefährliche Gegner gleichzeitig kämpfen müssen.«
Die Masse wuchs empor, die drei Körper zogen sich in die Länge, bildeten fast schon menschlich wirkende Arme und Beine und Köpfe aus. Und trotzdem hatten die Spinnenfinger seinen ganzen Unterleib umspannt.
»Wir lieben deine großen Spiele!« Die schwarze Haut der drei Wesen nahm einen rosigen Ton an.
»Wir werden dich nicht enttäuschen.« Die Spinnenfinger drückten zu.
»Weih uns in deinen Plan ein!«
Er unterdrückte ein wohliges Stöhnen und verriet ihnen, was er vorhatte.
Und dann verschwand er schleunigst. Er musste sich reinigen. Und zwar gründlich!
Dass sie die eigentlichen Köder waren, verschwieg er wohlweislich.
Frankreich. Château Montagne
Das Visofon schlug an. »Chéri?«
Zamorra sah auf. »Gespräch annehmen.«
Der Kopf einer aparten Französin erschien auf dem Display. »Schatz?«
»Hier ist er. In voller Herrlichkeit«, bestätigte der Professor für Parapsychologie und lächelte.
Nicoles Stimme klang plötzlich eine Spur rauchiger. »Wenn das so ist, dann steh auf und zeige dich mir in deiner ganzen männlichen Pracht.«
»Ich bin doch nicht Rhannoud«, entrüstete sich der Schlossherr gespielt. »Ich bin leger angezogen und befinde mich im Arbeitszimmer.«
»Nun, dann wirst du wohl jetzt doch aufstehen müssen. Deine Anwesenheit hier unten ist dringend vonnöten.«
»Mon Dieu! Die Schwerkraft«, ächzte Zamorra. »Außerdem bin ich fast achtzig. Vielleicht sollten wir mal über einen Treppenlift nachdenken. Immerhin ist bald Weihnachten.«
Nicole Duval, Lebenspartnerin, Kampfgefährtin und Sekretärin in einer Person prustete los.
Der Schlossherr machte dicke Backen. »Was ist daran so schlimm?«
»Kopfkino.« Die schöne Französin räusperte sich, kicherte nochmals und fing sich endgültig. »Ich stelle mir gerade vor, dass der Treppenlift gleich bis in die Hölle führen könnte und du als achtzigjähriger Tattergreis auf deinem Stühlchen sitzend die flotte Stygia verfolgst. Laaaaangsam, schööööön langsaaaaam.« Erneut prustete sie los.
»Chérie, auch du bist bereits Mitte sechzig«, tadelte sie der Meister des Übersinnlichen. »Da kann ich wohl erwarten, dass du dich nicht mehr wie ein Teenager benimmst. Immerhin sind wir seriös geworden.«
»Ach«, Nicole staunte, »sind wir das? Hab ich gar nicht mitbekommen.« Dann lenkte sie ein. »Weihnachten war übrigens das Stichwort.«
»Es ist aber erst Anfang Dezember.«
»Eben«, säuselte die schöne Französin.
Zamorra seufzte. »Sagst du mir jetzt endlich, um was es geht?«
Nicoles Stirn zog sich in leichte Falten. »Ich hatte eher gedacht, dass du es mir sagst. Die Überraschung ist dir jedenfalls gelungen. Zum Teil jedenfalls.«
»Soll ich dir ein Türchen öffnen?«
»Nein, bewege einfach deinen Astralkörper zu mir in die Eingangshalle. Dann wirst du schon sehen.« Das Visofon erlosch.
»Einfach aufgelegt«, murmelte der Schlossherr. »Aber nun gut. Eine Mademoiselle sollte man nicht warten lassen.« Er seufzte ergeben und spurtete nach unten.
»Incroyable«*, machte er. »Was ist denn das?«
»Das, Herr Professor«, klärte ihn die schöne Französin mit erhobenem Zeigefinger auf, »ist eine Blautanne.«
»Seit wann wachsen denn betrunkene Bäume im Château?«
»Sie wachsen nicht«, korrigierte sie ihn, »sie geruhen durch einen Weihnachtsbaumständer in ihrer aufrechten Position gehalten zu werden.«
»Weil sie sonst schwanken?«
»Was sind wir doch heute albern.«
Zamorra wurde ernst. »Das kommt ja, dank der finsteren Heerscharen, nicht allzu oft vor.«
Nicole Duval nickte. »Hast du sie da aufstellen lassen? Oder anders gefragt, hast du dein Okay dazu gegeben?«
»Davon ab, dass ich den Weihnachtsbaum hier ganz nett finde, kommt mir sein Schmuck allerdings etwas befremdlich vor.«
»Ah! Gut, dass ich euch hier antreffe.« Eine schwarz gekleidete Gestalt spurtete die Treppenstufen nach unten.
»Warum hatte ich ihn von vornherein in Verdacht?« Die schöne Französin sah von Sam McTaggart zu den funkelnden Pistolen und glänzenden Handgranaten, die reichlich die Blautanne schmückten. Auf der Spitze hockte ein kleineres Modell eines Flammenwerfers.
»Die Jungs haben den Baum zwei Tage zu früh ins Schloss gebracht. Ich wollte euch heute noch ausreichend darüber informieren.«
»Wie immer Nägel mit Köpfen gemacht«, sagte Zamorra.
»Tatsachen geschaffen«, vollende Nicole.
Sam wies mit der Hand zum Baum. »Es ist anschaulich. Und! Es beweist dem Feind unsere Überlegenheit.«
»Ah«, machte Nicole, »du wirst also einen Tag der offenen Dämonentür veranstalten und die M-Abwehr außer Kraft setzen?«
»Oder wir lassen die Eingangstür Tag und Nacht offen, dann können sich die dämonischen Heerscharen quasi durch das offene Adventstürchen ein Auge holen.«
»Ich habe es gewusst.« Der Ex-Militär zog einen Flunsch.
Zamorra sah ihn unschuldig an. »Was hast du gewusst?«
McTaggart verschränkte die Arme. »Dass meine Idee von euch nicht gutgeheißen wird.«
Nicole schüttelte den Kopf. »Der erste Teil deiner Idee ist gar nicht mal so schlecht. Eigentlich habe ich mir schon immer einen großen Weihnachtsbaum gewünscht. Und jetzt, da wir mal wieder eine kleine eingeschworene Gemeinschaft im Schloss beherbergen, kann ich mir sogar sehr schön vorstellen, wie wir hier alle zusammen das Fest feiern werden. Wir heizen die Halle einmal richtig gut durch, stellen eine lange Tafel auf, schmücken den ganzen Raum und treffen uns dann alle zum Fest. Mit Geschenken und Braten und Punsch.«
»Und meine Waffensammlung?«
»Tauschen wir aus mit kitschigen Kugeln und Tröten und Zapfen und weiß der Teufel was noch. William und Thomas sollen schauen, was wir so alles noch auf dem Dachboden haben.«
Die hagere Gestalt des Amerikaners straffte sich. »Ich würde gern über einen Kompromiss reden.«
Nicole zog die rechte Augenbraue nach oben.
»Mittlerweile hat William einen Sanitätsraum eingerichtet. Für eine eventuelle Not- und Erstversorgung.«
Zamorra nickte langsam. »Ja?«
»Ich muss auch einen Raum einrichten.«
Der Meister des Übersinnlichen seufzte innerlich. Man sah es dem Ex-Militär sehr deutlich an, dass ihm die nächsten Sätze äußerst wichtig waren. Außerdem konnten sie ihm nicht jede Idee abschlagen. Das zermürbte und das schädigte das Vertrauen zueinander, das sie so mühsam zu ihm aufgebaut hatten.
»Mit welchem Inhalt?«
»Wir benötigen eine Waffenkammer. Nicht für Schwerter. Sondern für richtige Waffen! Bei einem Angriff auf das Château können dann von dort gezielt die Waffen ausgegeben werden. Ich biete an, die Waffen aus meinem Privatfundus zur Verfügung zu stellen.«
Nicole wollte schnippisch antworten, überlegte es sich aber anders. »Du meinst, Madame Claire, William oder Thomas werden dann zur Waffe greifen?«
»Wenn ich sie erst einmal ausgebildet habe, ja.« Der Amerikaner stoppte. Abwehrend hob er die Hände. »Schon gut, habe verstanden.«
Auch Zamorra hob die Hand. »Die Idee einer Waffenkammer ist gar nicht so schlecht. Oder sagen wir mal, eines Raumes, in dem gefährliche Gegenstände aufbewahrt werden. Aktuell liegen ein paar Waffen im Safe, aber auch im Zauberzimmer und im Arbeitszimmer, so glaube ich mich zu erinnern, befinden sich einige magische Artefakte, die es in sich haben. Wir könnten also durchaus darüber nachdenken, wo und wie wir einen geeigneten Raum für all diese Dinge einrichten können.«
Sam trat einen Schritt vor. »Ich biete mich für einen Ausstattungsvorschlag an!«
Der Meister des Übersinnlichen schmunzelte. »Gewährt.«
Nun trat Nicole Duval ebenfalls einen Schritt vor. »Dann habe ich aber auch einen Wunsch frei.«
Zamorra atmete tief ein. »Und der wäre?«
»Da wir endlich einmal kitschig schöne oder besser familiäre Weihnachten feiern wollen, könntest du dir einen Schneezauber ausdenken. Ich möchte vor der Bescherung durch den Schnee stapfen, herumtollen und auskühlen, um es mir dann im Warmen so richtig gemütlich machen zu können.«
Der Meister des Übersinnlichen verbeugte sich ergeben. »Ich höre und gehorche und werde mich zu Studienzwecken sogleich in die Bibliothek begeben.«
Nicole lächelte schelmisch. »Mit Treppenlift?«
Zamorra ließ die Schulter hängen. »Ich werde es noch einmal ohne versuchen.« Mühsam schleppte er sich die Stufen nach oben.
Grübelnd sah ihm Sam nach. »Habe ich etwas verpasst? Fühlt er sich nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte? Soll ich das Kommando übernehmen?«
Nicole sah ihn ernst an. »Der Schlossherr wird schon wieder. Er muss nur hin und wieder ins Sauerstoffzelt.«
Deutschland. Erzgebirge. Schneetal
Willkommen im Weihnachtsland!
An und auf den dunklen Bergrücken, die sich beidseitig der Stadt erhoben, strahlten und blinkerten die Schwibbögen in den hellerleuchteten Fenstern. Die Szenerie strahlte tatsächlich einen anheimelnden Glanz aus, zumal es den Tag über ziemlich stark geschneit hatte.
Der weiß bepuderte Marktplatz zog sich in die Länge. Außerdem stieg er leicht an. An einem Ende befand sich die angestrahlte Feldsteinkirche, am anderen das zweistöckige Rathaus mit dem festlich geschmückten Balkon.
Von dort bliesen gerade zwei Trompeter eine traditionelle Weise zur allabendlichen Eröffnung des Schneetaler Weihnachtsmarktes.
Die längsseits des Marktes aufgestellten Holzbuden bildeten zwei Gassen und glommen goldfarben aus sich heraus. In den Hütten standen Männer und Frauen, dick eingemummelt mit Schal und Mütze, sich die Hände reibend oder in den Taschen vergraben. Schwibbögen wurden feilgeboten, die berühmten Papiersterne, bunte Lampen, Räuchermännchen, Kandis und Tee, Käse von lebenden Tieren und Räucherwaren von ehemaligen Tieren, Kunstgewerbe, Figuren aus Metall, Dominosteine und Kekse, natürlich noch mehr Schnitzarbeiten, aber auch Ölgemälde, Kakteen oder ausgestopfte Tiere.
Der Duft von Glühwein, von gebratenen Mandeln und frisch gebackenen Waffeln waberte ebenso durch die Luft wie der Bratenduft von Würsten und Fleisch, von Schaschlik und Pilzpfanne.
Wenn Marko tief in sich hineinhörte, dann verspürte er Hunger auf etwas Herzhaftes. Doch vorher würde er sich einen Glühwein mit einem gehörigen Schuss Amaretto genehmigen. Und dann vielleicht noch einen, bis er ein leichtes Drehen in sich fühlte. Vielleicht ließ sich der Abend so besser vertragen.
Gebucht war gebucht. Auch wenn er nun allein nach Schneetal gekommen war.
Ohne Cindy.
Er würde das Wochenende nutzen, um nachzudenken, um zu ordnen und um zu vergessen. Und mit dem Vergessen würde er heute beginnen. Das schien ihm am leichtesten.
Cindy hätte das hier sicher toll gefunden. Immerhin war es ihre Idee gewesen. Doch nun schlenderte sie über den Chemnitzer Weihnachtsmarkt.
Mit Mario! Dem Sackgesicht. Einen Kopf größer und in der gegnerischen Eishockeymannschaft.
Marko sah schon all die roten Karten, die er bekommen würde, wenn er Mario immer und immer wieder ins Eis rammen würde.
Gut, vielleicht war es auch umgekehrt. Vielleicht war Mario der Stärkere. Aber Marko besaß viel mehr innere Vielfalt.
Wenn das Cindy nicht zu schätzen wusste, dann war sie eben nicht die richtige für ihn.
Er bestellte sich einen Grog. Der schmeckte zwar nicht, drehte aber schneller.
Und noch einen gleich hinter her.
Dann kam die Bratwurst dran. Für die Grundlage. Und dann Schaschlik. Zwei Spieße.
Und ein weiterer Grog.
Das Leben war schön. Man konnte es auch allein genießen. So!
Fast war er gewillt, die Zigarette in einem prallen Luftballonherzen auszudrücken.
Peng! Sie hatte einfach Schluss gemacht. Sorry, hatte sich geirrt. Marko war fast der richtige gewesen, doch Mario, er, er war wie ein Magnet. Er hatte sie halt etwas mehr angezogen. Da konnte man nichts machen.
»Pah!« Das Glas war schon wieder leer.
»Probleme?«
Er zuckte leicht zusammen und drehte den Kopf. »Äh, nein? Was? Ich meine, wie bitte?«
»Ich bin Mandy.« Die junge Frau lächelte scheu. Aus großen braunen Augen sah sie ihn an. Dann senkte sie etwas die Lider.
»Entschuldigung, dass ich dich einfach so angesprochen habe. Aber du sieht aus, als wenn du«, sie sah ihn kurz an und lächelte flüchtig, »als wenn du eben ein Problem hast.«
»Ja nun. Nein.« Das Was geht dich das an! verschluckte er im letzten Moment. Sah man ihm tatsächlich an, dass er gerade Probleme wälzte? Er wollte doch nur vergessen!
Mandy war das ganze Gegenteil von Cindy. Trug die Ex langes schwarzes Haar, so hatte Mandy kurze blonde Haare. Sie wirkte schlank, fast knabenhaft und – Marko spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss – und sie war ein Magnet.
»Na ja«, hörte er sich sagen, »eigentlich wären wir zu zweit heute hier gewesen.«
»Verstehe.« Mandy sah ihn traurig an. »Wollen wir«, sie zögerte, »wollen wir vielleicht einen Kakao trinken? Dabei können wir reden.« Sie verstummte abermals. »Falls du magst.«
Und wie!, schrie alles in ihm. Ha. Mochte Cindy mit Mario unterwegs sein. Aber er brachte vielleicht Mandy vom Weihnachtsmarkt mit nach Hause. Da würde die Ex aber Augen machen!