Sechs Stare saßen auf der Mauer - Kurt David - E-Book

Sechs Stare saßen auf der Mauer E-Book

Kurt David

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Beschreibung

Bärenfelde, ein Dorf in der DDR Anfang der 1960er Jahre, möchte vollgenossenschaftlich werden, aber einige Bauern weigern sich. Die Jungen der 8. Klasse sind begeisterte Fußballspieler und Werner, der Sohn des Feldbaubrigadiers ist ein begeisterter Tier- und Naturfreund. In seine „Tierbibel“ trägt er alle wichtigen Beobachtungen mit Datum und Uhrzeit ein, auch dass sechs Stare noch nicht in den Süden geflogen sind. Als der Rinderstall der LPG abbrennt und sein Vater vor Gericht steht, ist Werners Tagebuch plötzlich ein wichtiges Beweismittel.

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Impressum

Kurt David

Sechs Stare saßen auf der Mauer

Kriminalgeschichte für Kinder

ISBN 978-3-96521-912-0 (E-Book)

Das Buch erschien 1961 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Die Geschichte wurde nach einer tatsächlichen Begebenheit frei gestaltet. Die Namen sind erfunden.

© 2023 EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Für Leser von zehn Jahren an

1

Am Rande des Bärenfelder Sportplatzes stehen hohe, schlanke Pappeln, blattlos und schwarz. Der Wind beugt sie. Einige Jungen schaukeln an den Ästen. Eigentlich müssten sie auf das Spielfeld schauen, aber da unten scheint sich nichts zu tun. Es spielt die Bärenfelder Schulmannschaft gegen die Witzbacher. Fünf Minuten – und das Spiel ist zu Ende. Es steht immer noch Null zu Null. Gleich wird Lehrer Burkhardt das Spiel abpfeifen.

Hinter dem Bärenfelder Tor balgen sich drei Jungen.

Im Tor steht Bernd Lutsch. Er lehnt am weißen Pfosten und gähnt. Der Häberlein im Sturm, das kann ja nichts werden. Wie eine lahme Ente watschelt er über den Platz, denkt Lutsch. Ein bisschen Angabe, was er da denkt, aber Lutsch hat heute schon drei scharfe Schüsse der Witzbacher an sich gerissen. Drei sichere Tore hat er verhindert.

Und jetzt greift der Witzbacher Sturm erneut an. Der Ball rollt über die Mittellinie, wird zum Rechtsaußen geflankt, wieder zur Mitte gegeben, und dann erhält ihn abermals der Witzbacher Rechtsaußen, der auf die Sechzehnmetergrenze zuläuft. Lutsch verlässt den Pfosten, geht zur Mitte des Tores, und während er angestrengt auf die Beine des Rechtsaußen blickt, sieht er im Hintergrund auf der Dorfstraße ein Lastauto vorüberfahren. Die Kombinatsleute, denkt Lutsch. Und in diesem Augenblick schießt der Rechtsaußen ab.

„Tooor!, schreien die Witzbacher. „Tooor!“

„Der Lutsch pennt“, meinen die Bärenfelder.

„Flasche die!“

„Penner!“

Kurze Zeit darauf pfeift Lehrer Burkhardt das Spiel ab. Eins zu Null für die Witzbacher. Die Jungen klettern aus den Pappeln. Die drei, die sich hinter dem Tor balgten, haben den entscheidenden Schuss verpasst und wollen jetzt von den anderen wissen, wie das passieren konnte.

Verärgert und mit hängendem Kopf verlässt Bernd Lutsch den Sportplatz. Er möchte jetzt mit keinem sprechen. Über das Eins zu Null ärgert er sich genauso wie die anderen.

„Also bloß wegen Lutsch haben wir das Spiel verkracht, bloß wegen Lutsch.“

Ja, er hört die Stimmen der Jungen, die ihn gleich einholen werden.

„Erst hat er prima gehalten!“

„Natürlich – erst!“

„Der hält sonst immer gut.“

Das war Werner Häberlein, denkt Bernd befriedigt. Aber der Ärger über das verlorene Spiel, der bleibt in ihm. Es ist ein zweideutiger Ärger: Ich bin schuld – und: Ich bin doch nicht schuld.

Sie haben ihn eingeholt. Er guckt nicht auf. Bernd blickt nur verstohlen auf die Fußballschuhe der anderen und weiß: Links von mir ist Zielansky, rechts Häberlein, und ganz rechts, wer ist denn das, ach so – der Hahnekamm. Er hat das Gefühl, etwas sagen zu müssen, sagt aber nichts. Die werden schon anfangen.

Dieter Hahnekamm fängt tatsächlich an: „War Mist von dir, Bernd, deinetwegen haben wir das Spiel verloren.“

„Möcht bloß wissen, wo er hingeschaut hat“, sagt Werner Häberlein bissig.

„Auf den Rechtsaußen natürlich“, gibt Lutsch zurück.

Einer lacht bitter.

„Rechtsaußen“, wiederholt Hans Zielansky, „aber auf unseren, was?“

„Nein, auf den Witzbacher."

Jetzt blicken sie ihn alle an.

„Na und?“, fragt Häberlein.

Nichts ist. Lutsch schweigt wieder.

Die Jungen gehen den gelben Sandweg an der Bockschen Gärtnerei hinunter. Und als sie über die Betonplatten der Dorfbrücke laufen und sich dort den Dreck von den Fußballschuhen treten, sagt Werner Häberlein: „Vielleicht sagst du uns bald mal, was los war. Schließlich spielt bei uns nicht jeder für sich Fußball.“

„Jawohl, wir sind eine Mannschaft“, erklärt Zielansky und guckt Lutsch ernst an.

„Das braucht ihr mir nicht zu erzählen, verstanden“, protestiert Bernd.

„Gut, du hast also auf den Witzbacher Rechtsaußen geguckt und den Schuss nicht gehalten, genauer gesagt, du hast überhaupt keine Anstalten gemacht, den Ball zu kriegen. So ist das. Es sah ziemlich absichtlich aus, mein Lieber, absichtlich.“

„Jawohl, absichtlich“, schreit Zielansky. „Häberlein hat recht.“

„Unsinn“, protestiert Bernd abermals, „absichtlich, so etwas traut ihr mir zu?“ Er will weglaufen.

„Hier bleibst du.“ Häberlein hält ihn am Arm.

„Gut, wenn ihr’s nun mal so genau wissen wollt, bitte: Ich habe exakt auf den Rechtsaußen gesehen und – schließlich kann man manchmal noch etwas sehen, ob man will oder nicht, man sieht’s eben und …“

„Sehr interessant“, höhnt Zielansky, „äußerst interessant. Mal abwarten, wie die Geschichte weitergeht.“

„Und was haste da noch gesehen? ’n Flugzeug, wie?“

„’ne Rakete, was?“

„Affen ihr, versteht’s ja doch nicht! Nämlich ein Lastauto.“

„Ein Lastauto?“ Ringsum Staunen und später Lachen.

„Jawohl, das Lastauto mit den Kombinatsleuten, mit euren komischen Aufklärern.“

Und da rennt Lutsch weg. Er weiß selbst, auf welch schwachen Beinen seine Erklärung steht.

Die anderen stutzen, und Werner Häberlein sagt gedehnt: „Ach, von dort weht der Wind – interessant!“

„Grüß deinen Vater, den Alwin – Alwin den Letzten“, ruft Zielansky wütend hinterher.

„Lass den Quatsch“, meint Werner. „Er kann doch nicht für seinen Vater.“

Und Dieter Hahnekamm, der gern Späße macht, sagt mit ernstem Gesicht: „So, Leute, nun wissen wir’s alle haargenau: Wenn unsere Aufklärer aus der Stadt heute Abend den Lutsch-Bauer und die paar anderen zum Eintritt überzeugen, sind wir morgen vollgenossenschaftlich. Und wenn wir vollgenossenschaftlich sind, braucht der Lutsch Bernd keine Angst mehr vor den Aufklärern zu haben. Und wenn er keine Angst mehr zu haben braucht, gewinnen wir unsere Fußballspiele. Basta!“

Lachen.

„Marotzke hat gesagt, dass er nächste Woche sowieso eintritt. Und der Kroilmisch-Schmied ist im Koppe mit den Arbeitseinheiten bis jetzt nicht klargekommen. Wenn er das ist, macht er auch mit. Da bleiben bloß noch Locken-Stübner, Fischbein und Lutsch“, setzt Häberlein auseinander.

Zielansky spinnt den Faden weiter: „Und Lutsch macht nicht den letzten, weil er Alwin heißt und sie vorige Woche hier vom Theater aus der Stadt waren, wo sie das LPG-Drama ,Alwin der Letzte‘ gespielt haben. Also bleiben bloß noch Locken-Stübner und Fischbein Emil.“

„Die kommen dann von alleine angewetzt, weil sie sonst denken, sie verpassen was“, sagt Hahnekamm und geht.

„Sie würden auch wirklich was verpassen, Mensch“, meint Werner Häberlein und schlendert mit Hans in den Hof der Genossenschaft.

Werners Vater steht drüben am Rinderstall und pumpt Luft auf sein Fahrrad.

„Na, gewonnen?“

Die Jungen schütteln die Köpfe und gehen zu ihm hinüber.

„Lutsch hat Mist gemacht“, berichtet Werner.

„Der Tormann möcht dann immer schuld sein“, sagt sein Vater. „Wer war denn im Sturm?“

„Ich!“

„Ach herrje, da passt du doch gar nicht hin.“

„Fritz war krank.“

„Als Verteidiger bist du aber besser, Werner."

„Trotzdem, wir haben tatsächlich wegen Lutsch verloren, Herr Häberlein“, sagt Hans Zielansky. Und dann erzählen sie die Geschichte.

Herr Häberlein lacht manchmal dazwischen.

Mit „So ist das“ schließt Werner seinen Bericht.

Sein Vater sagt: „Das ist nun mal im Leben nicht anders – und vor allem in der Politik, Jungs: Wir freuen uns, dass die Aufklärer kommen, denn damit helfen sie uns. Andere ärgern sich, weil ihnen die Argumente ausgehen. Und Feinde gibt’s auch noch im Dorf, das wisst ihr. Und wenn der Feind sich ärgert, haben wir gute Arbeit geleistet.“ Einschränkend fügt er hinzu: „Aber das hat natürlich mit eurem Tormann Lutsch nichts zu tun, Jungs. Bernd ist sicher nicht schlechter als die andern, und nicht besser. Er plappert das nach, was zu Hause gegackert wird.“

In diesem Augenblick kommt der Abschnittsbevollmächtigte Wünsch in den Hof gefahren. Zu Häberlein hinüber ruft er: „Hol mal Schwarz und Zielansky.“ Wünsch steigt vom Motorrad und kommt herüber. Er macht ein böses Gesicht.

„Es hat wieder geklopft“, sagt er. „Geklopft“, das ist so ein Fachausdruck von ihm. Er meint damit: Es ist wieder etwas passiert.

Zielansky und Schwarz kommen zufällig aus dem Haus. Als sie Wünsch erblicken, gehen sie sofort zu ihm.

„Hier, gerade abgegeben worden, sieben Stück – wie gehabt. Acht Tage war Ruhe, und jetzt wieder sieben Stück, Saubande!“ Wünsch hat aus seiner schwarzen Meldetasche sieben kleine Handzettel genommen.

„Flugblätter“, zischt Hans.

„Quatsch, Hetzschriften“, sagt der Abschnittsbevollmächtigte. Er möchte die Jungen am liebsten wegschicken, aber da ihre Väter anwesend sind, tut er das nicht.

„Und wo sind die gefunden worden, Genosse Wünsch?“, fragt der Parteisekretär Schwarz.

„Pass auf – diesmal ganz neue Masche, nicht im Dorf, nicht am Spritzenhaustor, wie unlängst, nicht an der Autobushaltestelle wie vor vierzehn Tagen, nicht an der Bretterwand von Gütlichs, nein, neue Masche, ganz neu und schön ausgeknobelt; zwei am Grenzstein hinterm Haselbachbusch, also wo die Felder der Genossenschaft an die Felder vom Fischbein-Bauer grenzen. Zwei – Süd- und Nordseite – an Locken-Stübners Feldscheune. Eins an Lutschens Pumpe, die am Rande der Viehkoppel steht. Eins an Lutschens Jauchewagen, an der Tonne besser gesagt, die an der Scheune liegt. Und das siebente, das andern Text hat als die übrigen sechs, das sozusagen auf mich persönlich gemünzt ist, klebte an der Tür zu meinem Schrebergarten. Hier, ich lese es gleich vor: ‚Wünsch tret langsam, sonst brechen wir Dir eines Tages die Knochen. Deine Freunde!‘“

„Hunde die!“ Parteisekretär Schwarz greift nach den Zetteln, überfliegt sie, sagt: „Alte Leier! Hier: Wer freier Bauer bleiben will, bleibt draußen! Wer eintritt, verrät das Bauerntum, und so weiter und so fort!“

„Diesmal mit Schreibmaschine“, meint Herr Häberlein.

„Ich geb’s sofort rein, aufs Amt“, sagt Wünsch und steckt die Zettel wieder in die Tasche.

„Geb’s rein! Geb’s rein! Du gibst bloß immer rein! Wochenlang gibst du das Zeug rein und sonst nichts, nichts wird“, sagt Zielansky böse. „Und während du das reingibst, tippen die schon wieder neue Zettel. Und die kannst du dann wieder reingeben.“

„Quatsch“, sagt Schwarz, „brüll nicht so. Übrigens, Genosse Wünsch, wer hat sie abgegeben? Lutsch, Fischbein, Locken-Stübner?“

„Lutsch! Der bringt mir so etwas nicht! Der nicht! Allerdings Fischbein und Locken-Stübner haben es selber gebracht.“

„Gutes Zeichen“, brummt Schwarz.

„Übrigens“, fährt der Abschnittsbevollmächtigte fort, „ihr sprecht immer von Bande, immer Mehrzahl, ich denke, das ist nur einer.“

„Ach“, sagt Zielansky, „wir haben bloß einen Gegner im Dorf, was?“

„Unsinn, aber nicht jeder Gegner schreibt solche Wische.“

„Mensch, in unserem kleinen Dorf muss das doch rauszukriegen sein“, erklärt Häberlein und guckt zur Hofmauer hinüber, als stünde dort etwas geschrieben, was Aufschluss geben könnte. „Die paar Schreibmaschinen sind doch zu zählen, Genosse Wünsch.“

„Die müssen überprüft werden“, verlangt Zielansky.

„Natürlich, das wissen wir auch. Denkt ihr aber wirklich, dass der oder meinetwegen die Schreiberlinge so dumm sind, so leichtsinnig, auf einer Schreibmaschine zu schreiben, die hier im Dorfe ist?“

Zustimmung, Kopfnicken. Nein, daran hatten sie nicht gedacht. „Na, dann gib’s wieder rein“, sagt Zielansky ärgerlich.

„Sei doch nicht so pessimistisch, Genosse Zielansky, einmal scheint auf alles die Sonne, verlass dich drauf. Hier, guck dir mal das Ü auf dem Zettel an. Das rechte Pünktchen hängt immer mit dem Buchstaben zusammen. Und ich denke: Wir treffen uns mit dem Schmierfinken noch mal, bald. Tschüss!“

„Auf was der so achtet“, sagt Häberlein. „Wir gehen an die Sache ran wie Karl Klotz, grob und großschrittig, großmäulig und polternd, und der Wünsch, der Wünsch guckt auf Ü-Pünktchen.“

2

An diesem Abend liegt Werner Häberlein noch lange wach im Bett. Draußen fegt ein nasskalter Wind durch das Dorf. Er jagt in verwinkelte Gassen, schüttelt klapprige Dachrinnen, fährt mit heulendem Huhuuu um hohe Schornsteine und geduckte Hausecken. Der schwarze Abendwind hat Regen gebracht. Peitschend treibt er ihn vor sich her. Hölzerne Fensterläden schlagen zu, Hofhunde bellen, Katzen huschen regenscheu an Hauswänden entlang und schlüpfen in finstere Kellerluken.

Der November ist ein Jahreszeitenmischling. Ein Drittel Herbst, ein Drittel Winter und ein Drittel gar nichts.

Alle Leute frösteln.

Der feuchtkühle Wind streicht frech durch das halb offene Fenster.

Der Junge knipst die Nachttischlampe an und steht auf. Barfüßig tapst er zu dem kleinen Fenster, und bevor er den offenen Flügel schließt, blickt er hinunter in den großen Hof. Dicke Regentropfen laufen über die weiße Glaskugel der Lampe am Rinderstall.

Übermütig springt Werner zurück ins Bett. Er hört, wie der Wind das Regenwasser ans Fenster klatscht. Eine kleine Pfütze steht auf der braunen Diele. Zwei Astlöcher sind vollgelaufen. Natürlich, ich hätte das Fenster eher schließen sollen. Nur gut, dass es an der frisch gestrichenen Wand noch keine feuchten Flecken gegeben hat. Vater würde sonst schimpfen: Junge, da habe ich dir grad die Dachkammer ausgemalt, und jetzt passt du nicht auf, wenn es regnet.

Werner Häberlein ist die erste Nacht in seinem kleinen Zimmer. Bisher war es eine unfreundliche, mit Gerümpel vollgepackte Bodenkammer gewesen. Herr Häberlein – er ist Feldbaubrigadier auf der LPG Sandberg – hatte die Bodenkammer frisch verputzt und gestrichen. So war der vierzehnjährige Werner zu seinem eigenen Zimmerchen gekommen. Er kann sich nicht sattsehen. Deshalb lässt er auch die grüne Nachttischlampe noch eine Zeit lang brennen.

Gewiss, es steht nicht allzu viel drin, aber es steht alles an dem Platz, wo Werner es haben wollte. Da ist zunächst natürlich das Bett, daneben ein altmodischer Nachttisch und darauf das Wichtigste: die Leselampe mit sanftgrünem Schirm. (Die Mutter: Aber gelesen wird mir nicht im Bett!) Überm Bett an der Wand hat Werner ein langes, braungestrichenes Brett befestigt. Auf dem Brett befinden sich seine mit bunten Umschlägen versehenen Lieblingsbücher. Eine einbändige Ausgabe von Brehms Tierleben ist darunter. Und oben auf dem hohen Kleiderschrank hockt ein ausgestopfter Bussard, der seine weit ausgebreiteten Flügel wie schützend über den Schrank spannt. Er hat zwei wunderschöne Glasaugen, die siegessicher herabblicken und in denen sich das Licht der Nachttischlampe widerspiegelt. Um den stolzgereckten Hals hängt ein weißes Papierbeutelchen mit roter Aufschrift: MUX IST MOTTENTOD! Werner hat diesen ausgestopften Raubvogel vom Schenkwirt erhalten. Der hatte gesagt: „Den kannst du dir nehmen. Bist ja ein Vogelnarr. Und bei mir fressen ihn sonst die Motten.“

Nachdem Werner Häberlein seinen Blick noch einmal über all das hat schweifen lassen, knipst er zufrieden das Licht aus. Es wäre ihm unangenehm, ginge Mutter unten über den Hof und sähe, dass bei ihm noch Licht brennt.

Nein, lieber die Lampe ausmachen!