Secret Isaac - Jerome Charyn - E-Book

Secret Isaac E-Book

Jerome Charyn

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  • Herausgeber: Diaphanes
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Isaac Sidel, mittlerweile First Deputy in einem von Machenschaften beherrschten Präsidium, hält wieder einmal Winterschlaf. Geplagt von seinem Bandwurm, hat er sich in ein heruntergekommenes Hurenhaus verkrochen, um direkter am Geschehen zu sein (und in Ruhe seinen Launen nachhängen zu können). Auf einem seiner Streifzüge trifft er Annie Powell, eine blutjunge Prostituierte, dem Alkohol verfallen und gebrandmarkt mit einem in die Wange geritzten D. Dieses grausame Zeichen lässt Isaac keine Ruhe. Seine Suche bringt ihn, den Joyce-Fan, bis nach Dublin, wo er einem irischen Zuhälterring auf die Spur kommt, dessen Netzwerk bis in die obersten Ränge der New Yorker Polizei reicht.

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Seitenzahl: 371

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Jerome Charyn

Secret Isaac

Inhalt

Teil Eins

Teil Zwei

Teil Drei

Teil Eins

1

Wer ist der Kerl, der uns anbellt und uns in die Backen beißt? Tiger John, Tiger John. Das sangen sie im Gang, wenn er nicht in der Nähe war, diese Iren aus dem Büro des Commissioners. Sie lachten ihn aus und fürchteten sich zugleich vor ihm. Man wusste nicht, wen sein Zorn treffen würde. Er war ein spröder kleiner Mann mit grauem Haar, das seinen Glanz verloren und ein bitterliches Gelb angenommen hatte. Es war wie Stroh, dieses kurzgeschnittene, mattgelbe Haar, aber es tat seinem Aussehen keinen Abbruch. Er war einundsechzig Jahre alt, und er hatte die Tatkraft und das eifrige Gesicht eines etwas dümmlichen Jungen.

Die Iren konnten sich nicht erinnern, ob er Captain in der Bronx oder Spitzel für den Chief Inspector gewesen war. Über seine Vergangenheit wurde nicht gesprochen. John hatte lange, lange Zeit im tiefsten Winter gelebt. Er war Dauergast in einem kleinen irischen Club für altersschwache und alkoholabhängige Bullen an der First Avenue, bis der Honorable Sammy Dunne ihn aus der Versenkung geholt hatte. Sie waren auf gewisse Weise Brüder, der Bürgermeister und sein Commissioner of Police.

Der PC zog sich oft eine Stunde lang zurück und kämmte sein glanzloses gelbes Haar. Im alten Präsidium hatte John einen Kamin, einen privaten Balkon und seinen eigenen Aufzug. Er konnte hoch- und runterfahren, sooft er Lust hatte. Außer seinem First Deputy durfte niemand den Aufzug benutzen. Jetzt hatte er nicht einmal einen First Deputy, der ihn hätte trösten können. Sein First Dep war weg. Hatte sich in Luft aufgelöst. Der berühmte Isaac Sidel. Dieser Isaac war ständig auf irgendeiner idiotischen Mission.

John hatte plötzlich Lust auf Tee. Er brauchte nicht nach seinem Chauffeur zu schreien. Chinatown lag auf der anderen Straßenseite. Er suchte sich ein schmutziges kleines Lokal, den China Pot, in dem man ihn nicht als den Commish erkennen würde. Hierher kam nie ein Polizist. Es war ein Rattenloch in der Baxter Street.

Vom Fenster aus konnte man Tiger John nicht sehen. Er saß an einem Tisch, der durch die Theke, ein schiefes Regal und die Kaffeemaschine verborgen war, und trank grünen Tee. Er aß Brot mit Hühnerfleisch und einen Mandelkeks. John spürte plötzlich einen Luftzug im Lokal. Er sah von seinem Tee und seinen Brötchen auf. »Jesus, ist das etwa Jamey O’Toole?«, sagte er zu dem Mann am Nebentisch. Der Mann war zwei Meter groß, und seine Beine nahmen das halbe Lokal ein. Nicht seine unmögliche Größe beunruhigte Tiger John. Mit solchen Ungeheuerlichkeiten konnte er leben. Aber zwei Iren im selben Lokal – diese Vorstellung gefiel ihm nicht.

Jamey schnippte dem Commissioner ein Sparbuch in den Schoß. »Ein Geschenk für Sie … vom König.« John nahm das kleine Buch in die Hände und öffnete es unter dem Tisch. Die Summe belief sich auf sechstausend Dollar und dreiundzwanzig Cent. Das Konto lief auf den Namen Nosey Flynn.

»Junge, Junge«, sagte er im Flüsterton, »wie soll ich die Unterschrift von Mr. Nosey Flynn hinkriegen?«

Jamey sagte, er solle doch die linke Faust nehmen.

John hatte einen ganzen Stapel von diesen Sparbüchern. Er hielt sie mit einem Gummiband zusammen. Sie kamen von O’Toole und liefen auf verschiedene Namen. Immer irische. Simon Dedalus. Paddy Dignam. Gertrude MacDowell. Molly und/oder Leopold Bloom …

Wer zum Teufel war Jameys König? Ein irischer Rowdy mit Hochschulbildung. Er hatte sich nach Dublin abgesetzt, als es mit der Schikane losging. Der Special State Prosecutor, Dennis Mangen, hatte die Aufsicht über die Stadt übernommen. Mangen war es, der Tiger John das Leben so elend schwermachte. Mangen fraß Police Commissioners.

»Komm nicht mehr hierher, Jamey.«

»Wieso nicht?«

»Weil ich nicht will, dass Mangen dich in Chinatown erwischt. Er wird sich fragen, warum du so weite Reisen unternimmst.«

Jamey lächelte. »Was gibt’s Neues vom großen, göttlichen Dennis?«

»Halt den Mund«, sagte John. Mangen hatte einen ganzen Schwarm Spitzel, und diese Spitzel kamen durch jede Ritze. Gut möglich, dass sie sich im China Pot versteckten. »Du gehörst nach Uptown. Zisch ab.«

O’Toole stand auf. Er musste seitwärts gehen. Für seine Schultern war in dem Lokal kein Platz. An der Tür blieb er stehen und rief zurück: »Wie geht es Ihrem First Dep?«

»Ewig nicht gesehen.«

»Ich aber«, sagte Jamey. »Er treibt sich in dreckigen Kleidern in der Gegend um die Forty-seventh Street rum.«

»Typisch. Isaac, der Itzig. Das Hirn des Departments. Ein Psychopath, wenn du mich fragst. Heult um einen toten Jungen. Erinnerst du dich noch an Manfred Coen?«

»Blue Eyes«, sagte Jamey verächtlich.

»Genau der. Isaacs Tochter hat ihn verhext.«

Sie war ein hungriges Mädchen, Marilyn the Wild. Für alles zu haben, was Hosen trug. Sie war von der Sorte, die heiratet. Sie legte sich einen Ehemann zu und stieß ihn nach einer Woche wieder ab. Das arme Mädchen hatte eindeutig einen Knall. Sie hatte sich verliebt in Isaacs Engel, Blue Eyes Coen. Doch Isaac wollte Coen nicht hergeben. Er hatte ihn einer Familie von Zuhältern aus der Bronx vorgeworfen, und Blue Eyes war umgebracht worden. Jetzt lief Isaac in Lumpen rum, jagte Zuhälter und trauerte Coen nach.

»Richte ihm Grüße aus, Jamey, wenn dir der Stinker über den Weg läuft.«

Beide hassten Itzig Isaac. O’Toole war von Isaac dem Tapferen bei der Polizei rausgeworfen und seiner Pension und seines Dienstabzeichens beraubt worden. Er musste für den König kriechen. Er überbrachte John in einem schmuddligen Lokal Sparbücher.

John rief seinen Chauffeur vom China Pot aus an, nachdem O’Toole aus der Tür war. »Christie, ich bin in der Baxter Street …« Er wollte sich nicht von einem irischen Chauffeur kutschieren lassen. Ein Ire hätte ihm vom Fahrersitz aus was vorgesungen. Derartige Vertraulichkeiten wünschte John in seinem Wagen nicht. Christianson war Schwede, und Schweden waren schweigsam.

»Cheerio«, sagte er zu dem Chinesen hinter der Theke. »Bis bald.« Sein schwarzer Mercury stand vor dem China Pot. Er stieg über den Randstein, und schon hatte er die Baxter Street, Chinatown und das Polizeipräsidium hinter sich gelassen. Die Polster im Mercury waren sein höchster Komfort. Niemand konnte John belästigen oder ihn in seiner Funktion als PC angreifen, wenn er auf diesen dicken Polstern saß.

Ein aufblinkendes Lämpchen am Autotelefon verdarb ihm die gute Laune. Es war das Lämpchen des Bürgermeisters. John nahm den Hörer ab. Er musste sich vergewissern, dass er Sammy am anderen Ende hatte und nicht einen dieser Schwachköpfe aus dem Büro des Bürgermeisters.

»Sind Sie das, Euer Ehren?«

»Höchstselbst«, sagte der Bürgermeister.

Sammy hatte sich von ihm distanziert. Er war auf die Wiederwahl aus, und er konnte den Tiger nicht als Anhängsel gebrauchen. Isaac war der Held des Bürgermeisters. Isaac war der Spitzenmann. Die Zeitungen schmähten Tiger John. Sie nannten ihn den »Ahnungslosen Commish«. Selbst wenn Isaac in seiner eigenen Scheiße tanzte, witterten die Polizeireporter Gold. Sie begeisterten sich für den übelsten Quatsch, den der First Dep ersann. Für die Reporter machte es keinen Unterschied, dass Itzig Isaac sich verzogen hatte und in die Wildnis von Manhattan gegangen war. Er war ihr liebstes Kind.

»Ich will heute Abend mein Bad benutzen … sagen Sie den Jungs, sie sollen es ordentlich schrubben. Wie geht es Ihnen, Johnny?«

»Bestens.«

Er war der Hanswurst für Mayor Sam geworden, ein Commissioner, den man je nach politischer Wetterlage in den Schrank stopfen und wieder rausholen konnte. Zur Zeit war der Schrank angesagt. Man traf ihn nie bei den kleinen Gesellschaften, die Sam gern gab. John war der Hüter des Bades. Sein Club hatte eine Sauna für Mayor Sam eingerichtet, damit His Honor einen Schlupfwinkel hatte. Johns Funktion bestand darin, die Hitze zu regulieren, indem er tassenweise Wasser ausgoss. Das waren die Pflichten eines Police Commissioners.

Das Lämpchen des Bürgermeisters erlosch. John legte den Hörer wieder auf die Gabel und murmelte vor sich hin. Kaum hat er Ärger, will er sein Bad.

»Bring mich ins Dingle«, bellte John.

Tiger John Rathgar kam aus Dingle Bay. Das Dingle war sein Club. Es hatte als eine Art Temperenzler-Vereinigung für betrunkene irische Bullen angefangen. Die Sons of Dingle kannten die richtigen Heilmethoden. Sie hämmerten jedem Mann die entsetzliche Liebe zum Whiskey aus dem Kopf. John hatte eine zusätzliche moralische Verpflichtung. Er besuchte die Ehefrauen und verführte sie, wenn möglich. Die Dingles hatten mehr als nur Enthaltsamkeit im Sinn. Sie machten in Manhattan unsaubere Geschäfte. Sie trieben Rechnungen für ansässige Kaufleute ein und sammelten Stimmen für Demokraten, die sich den Preis leisten konnten. Aber ihre Methoden waren inzwischen nicht mehr wirklich zeitgemäß. Sie konnten Männer und Frauen nicht mehr vor der Wahlkabine verprügeln, auch nicht mit Tiger John als Commish.

Er kam vor einem heruntergekommenen Laden an der First Avenue an: dem Dingle Bay. Hier wurde kein feiner Club vorgetäuscht. Er war für die behaarten Iren da. Gekreuzte Knochen waren auf die Fenster gemalt, gekreuzte Knochen und eine Harfe. Die Fensterbretter bröckelten ab, und die Metallmarkise war rostzerfressen. Dennoch konnte kein anderer irischer Verein mit einer Sauna prahlen.

John schickte den Mercury nach Chinatown zurück und klopfte dreimal lange an die Eisentür des Clubs. Das Signal für seine Genossen.

Er musste noch einmal klopfen. »Ich bin’s – John.«

Die Tür wurde gerade so weit geöffnet, dass er durchpasste. Jesus, war es dunkel hier. Diese Kerle glaubten nicht an Sonnenschein. Sie hatten den Fimmel, ihre sommersprossigen Schädel zu bedecken. Ob im Sommer oder im Winter, ob drinnen oder draußen – sie trugen Ballonmützen aus reiner Donegal-Wolle. Die Mützen hinterließen einen tiefen Abdruck auf der Stirn. Auf dieses Donegal-Mal waren sie stolz. Andere trugen schwarze Melonen. Das waren die Jungs von der Retired Sergeants Association, die das Dingle von Zeit zu Zeit aufsuchten.

John schälte sich aus seiner Anzugjacke. Im Dingle brauchte er nicht den Commissioner zu spielen. Er konnte in Hemdsärmeln rumlaufen, ohne um seinen Ruf fürchten zu müssen.

»Jungs, heute Abend kommt der Bürgermeister.«

Die alten Männer kicherten. Sie hatten eine Sauna für Mayor Sammy Dunne gebaut, aber sie mochten ihn nicht sonderlich.

»Herrjemine, wir haben die Pisse vom letzten Besuch noch nicht abgelassen … Wir werden Seine Gnaden nicht enttäuschen. Wir werden die Sauerei gleich aufwischen. Wie läuft’s im Präsidium, John?«

»Die übliche Scheiße«, sagte er. »Kann nicht klagen.«

Sein Chief Inspector stand wenige Monate vor der Pensionierung. McNeill hatte ein Schloss in der alten Heimat. Dort würde er leben wie ein Herzog und in seinen Gewässern Lachse fischen. Was sollte aus John werden? Ihm benötigte bereits einen First Dep. Er würde Isaac herbeipfeifen müssen.

Die alten Männer waren zum Singen aufgelegt. Sie hatten ihr Root Beer in Flaschen, und sie hatten Tiger John. Sie waren Temperenzler, also gab es keinen Schnaps im Haus. Sie liefen nach nebenan, um heimlich irischen Whiskey ins Root Beer zu kippen.

We’re the sons of Dingle Bay

The wild geese who left our home

Who left our home

Who left our home

For Americky …

Wie wahr, sagte sich Johnny. Wildgänse. Fern der Heimat. Die Dingles hatten es gut. Sie mussten nicht dem Polizeipräsidium vorstehen. Sie konnten das Vaterland besuchen, wie Coote McNeill und der alte Tim Snell und die anderen pensionierten Polizisten. Die Hälfte des Jahres in Wexford oder in Dublin leben. Halstücher, Melonen und eine neue Lieferung Donegal-Mützen mitbringen.

We’re the sons of Dingle Bay …

Das Lied befreite ihn von Itzig Isaac. John brauchte nicht an Isaac, an Chief Inspector McNeill oder an das Bad des Bürgermeisters denken. Er fuhr mit der Zunge über eine Flasche Root Beer und fing an zu singen.

Who left our home

Who left our home

For Americky …

2

Es war einmal ein alter Mann, der hatte in seinen Gedärmen einen Wurm. Der Wurm wand sich gern. Dann krallte der alte Mann sich die Hände in den Bauch, als wolle er sein Innerstes herausreißen. Er wohnte in einem scheußlichen Hotel in der West Forty-seventh Street. Das Hotel hatte noch nicht mal einen Namen. Es lag direkt am Straßenstrich. Die Zuhälter gingen ihm aus dem Weg. Sie unterhielten in diesem Hotel Zimmer für alle »Bräute«, die sie besaßen oder vielmehr managten. Die »Bräute« waren schwarze Mädchen unter neunzehn. Mindestens eine von ihnen war schwanger. Sie mochten den alten Mann. Weder knurrte er sie an, noch sah er ihnen unter die Bluse. Die verschwitzten Nippel einer Hure konnten ihn nicht aus der Ruhe bringen.

Also redeten sie mit dem alten Penner, tranken mit ihm Orangenlimo und vertrauten sich ihm an. Diese »Bräute« hatten ihre festen Standplätze. Ihre Rechte machte ihnen niemand streitig. Wenn es regnete, arbeiteten sie von kleinen Schaufensterläden aus. Es war ein mieses Jahr. Für fünf Dollar bekam man die halbe Welt. Es gab nichts, nichts, was sie nicht für einen Mann getan hätten. Die »Bräute« standen zwanzig Stunden am Tag auf der Straße. Der alte Mann sah, wie unerfahren sie waren, wie hysterisch, wenn sie sich einen Kerl schnappten und sagten: »Na, wie wär’s, Süßer?« Ihre Verführungskünste waren gleich null. Die schwarzen Mädchen hielten ihren Zuhältern die Treue. Die meisten weißen Huren, die in derselben Straße arbeiteten, hassten jeden Mann, der sie anfasste. Sie waren Lesben und religiöse Fanatikerinnen. Dem alten Penner begegneten sie mit Argwohn. Sie küssten ihre Freundinnen nicht in seinem Beisein. Sie versuchten, ihre Macker dazu zu bringen, ihn aus der Straße zu vertreiben.

Der alte Mann besaß eine seltsame Immunität. Das hatte etwas mit dem Wurm zu tun. Er hatte Krieg gegen eine geistig zurückgebliebene Familie von südamerikanischen Taschendieben und Langfingern geführt. Diese Familie hatte ihm den Wurm verpasst. Der alte Mann hatte einen von ihnen umgebracht, einen anderen verstümmelt und den Rest der Familie in irgendeine ausländische Hölle verstoßen. Sie schlugen sich jetzt in Barcelona durch, wo sie Papageien mit gespaltenen Schnäbeln verkauften. Und dieser alte Mann hatte ihren Wurm im Bauch, einen Hakenwurm, der ihn Zentimeter um Zentimeter auffraß.

Manchmal stiegen gewisse Männer aus glänzenden Buicks und flüsterten mit dem alten Penner. Sie taten viel zu vornehm, um zu einer Vice Squad zu gehören, und sie trugen auch nicht die weiten Hosen der Jungs von Homicide. Die Zuhälter fragten sich verwundert: Wer ist diese Type? Ihre Freunde im nächsten Revier verstummten, wenn man den alten Mann mit dem Wurm erwähnte.

Er entwickelte einen üblen Geruch. Er dachte nicht oft daran, seine Hose zu wechseln. Er rasierte sich nicht häufiger als einmal in der Woche. Er fütterte seinen Wurm in einer griechischen Spelunke in der Eighth Avenue, Ecke Forty-fifth Street. Er aß Salat und Vollkornbrot. Dann gab er seinem Appetit nach und kroch in die Ninth Avenue, um einen Cappuccino zu trinken. Das war eine Schwäche von ihm. Starker Kaffee mit aufgeschäumter Milch.

Der Kaffee war schlecht für seinen Wurm. Seine tausend kleinen Haken krallten sich in die Eingeweide des alten Mannes, und er taumelte durch die Straßen und sagte: »Fick dich, Herrgott noch mal, verdammte Scheiße« oder sonst etwas Aberwitziges. Fünf oder sechs Tage lang er keinen Kaffee. Dann konnte er nicht mehr widerstehen.

Nach einem dieser Cappuccino-Anfälle, bei dem der Wurm ihn fast zu Tode kniff, sah er sie an der Forty-third Street stehen. Das war keine gute Ecke für eine Prostituierte. Dort lief immer ein ganzer Haufen Cops herum, die die Zufahrtswege zum Gebäude der New York Times bewachten. Der Bürgermeister fürchtete sich vor der New York Times. Er befahl seinem Police Commissioner, Tiger John, die Forty-third Street von Cops mit und ohne Uniform zu überfluten. Wer also hatte diese Kleine hier hingestellt? Ein Möchtegern-Macker, ein Zuhälterneuling, der noch nicht wusste, was am Times Square für Regeln galten? Sie war keine Mulattenqueen. Der alte Penner sah sie sich im Profil an. Eine weiße Hure, die nicht das harte Blitzen einer Männerhasserin in den Augen hatte. Sie war schön. Sie hätte die Begleiterin eines reichen Mannes sein sollen, nicht eine Straßennutte.

Der alte Penner war kein geiler Bock. Er hätte diese Schönheit nicht in sein Hotel mitgenommen. Er hatte eine Tochter mit den gleichen schmalen Fesseln. Die Tochter hatte eine Schwäche für Männer. Sie konnte einfach nicht anders, sie musste ständig heiraten und sich wieder scheiden lassen. Gerade war sie bei ihrem siebten Ehemann angelangt, dabei war sie gerade erst neunundzwanzig. Er beschloss, bei dieser Schönheit den Vater zu spielen und sie aus der Forty-third Street zu vertreiben, ehe die Männer des Chief Inspectors sie schnappten. Doch angesichts ihrer edel geschnittenen Nase wurde ihm bange. Warum wurde sie nicht mit irgendeinem Cadillac nach White Plains entführt? Sie war ein Mädchen zum Heiraten, nicht zum Vögeln. Dann sah der alte Mann ihre andere Gesichtshälfte.

Sie war vernarbt, übel vernarbt. Es sah aus wie der Abdruck eines Knöchels, der mit einer Metallfaust eingemeißelt worden war. Er sah genauer hin. Der Buchstabe D war ihr ins Gesicht geritzt worden. Christus. Ein scharlachroter Buchstabe in der Forty-third Street.

»Sie können hier nicht bleiben, Miss. Die Cops lieben diese Ecke. Gehen Sie lieber rüber zur Forty-fifth.«

»Das geht nicht.« Sie lächelte, und der grausige Buchstabe ringelte sich über ihre Wange. »Ich gehöre nicht dazu. Die anderen Mädchen würden mir die Augen auskratzen.«

»Wer kümmert sich um dich?«

»Martin McBride.« Das Lächeln erlosch, und das D rückte sich wieder zurecht.

»Dann ist dieser Martin eben ein Idiot. Hat er dich auf den Strich gebracht?«

Die vernarbte Schönheit wurde nervös.

»Mister, nehmen Sie mich mit oder gehen Sie weg. Martin mag es nicht, wenn ich mit Fremden rede.«

Sie hatte keine nuttige Stimme, und das verwirrte den alten Penner. Er hatte nicht vor, sie auszuziehen. »Wie heißt du?«

»Annie.«

»Und weiter?«

»Reicht Ihnen Annie nicht?«, sagte sie. »Na gut, ich heiße Annie Powell.«

Er schmuggelte sie in ein französisches Restaurant in der Forty-eighth Street, Au Tunnel. Der Oberkellner hatte Angst, ihn rauszuwerfen. Der alte Penner hatte Zwanziger in den Taschen und eine Diners-Club-Karte.

Annie Powell lachte. »Mein Gott, Sie sind verrückt.«

»Wer ist Martin McBride?«

»Der Onkel von jemandem«, sagte sie. »Das ist alles.«

Der alte Mann deutete auf die Narbe. »War er das?«

»Nein.«

Sie tranken Muskateller und aßen Kammmuscheln, grüne Bohnen, Forelle und Mousse au Chocolat.

»Mister, wie soll ich mir diese Mahlzeit verdienen? Vielleicht bin ich nicht schräg genug für Sie.« Er hatte ihr seinen Namen nicht genannt.

Der Penner gab ihr vierzig Dollar. »Tu mir einen Gefallen, Annie Powell. Bleib für den Rest der Nacht von der Straße weg.«

Der alte Mann war gereizt. Er war in sein Hotelzimmer gegangen, aber er konnte nicht schlafen. Er sah Annie vor sich, wie sie in einer Zelle von Kampflesben betatscht wurde. »Scheiße«, sagte er. Er zog sich an und lief downtown bis in die Centre Street. Dort war der Sitz des verwahrlosten ehemaligen Polizeipräsidiums. Die Räume standen jetzt leer. Die Polizei war in einen gigantischen roten Monolithen in Chinatown gezogen. Die Gänge wurden nur noch von ein paar extra dafür abgestellten Cops bewacht. Wegen der Ratten und anderem Ungeziefer. Die meisten Akten waren abtransportiert. Sogar die Fotokartei im Keller war weg. Ein Wächter saß am Eingang, doch der alte Mann wurde anstandslos in das Gebäude gelassen. Er brauchte sich nicht auszuweisen. Er stieg in den dritten Stock, durchschritt etliche Räume und betrat ein Büro mit einer Eichentür. Das Büro hatte ein Telefon. Es war das einzige Telefon im ganzen Gebäude, das noch angeschlossen war. Er wählte die Nummer des neuen Präsidiums und schrie in den Hörer: »Ich habe es euch doch gesagt. Eine Nutte namens Annie Powell. Wenn sie auf der Straße aufgegriffen wird, wenn sie belästigt wird, wenn jemand sie anrührt, lasse ich die gesamte Mösenpatrouille hochgehen. Und findet heraus, wer dieser Martin McBride ist. Hat er einen Neffen, dessen Name mit D anfängt? Ja, D, wie dumpf oder dusselig oder draufgegangen.«

Er legte auf, und es gelang ihm einzuschlafen. Viel Ruhe fand er nicht. Ein Junge aus dem Büro des Bürgermeisters rief ihn an. His Honor war mal wieder auf Abwegen, hatte die Gracie Mansion im Schlafanzug verlassen, um einen Mitternachtsspaziergang zu machen.

Der alte Penner nahm ein Taxi uptown. Er ließ den Fahrer die Straßen um den Carl Schurz Park abklappern. Dann stieg er aus. Der ehrenwerte Mayor Sam war zum Cherokee Place gewandelt. In gestreiftem Schlafanzug und Morgenmantel aus roter Seide wirkte er durchaus nicht würdelos. Als er den alten Penner sah, fing er an zu weinen. Er war neunundsechzig, und die Demokratische Partei hatte ihn im Lauf der letzten zwei Jahre senil gemacht.

»Was ist dir bloß zugestoßen, Kumpel?«

»Nichts weiter, Euer Ehren«, sagte der alte Penner. »Das liegt nur an den Klamotten.«

»Du hast mir einen Schrecken eingejagt«, sagte der Bürgermeister. »Wir müssen dich mästen.«

Seine eigenen Mitarbeiter bezeichneten ihn als altersschwachen Trottel. Der gehört ins Heim, sagten sie. Sam der Greis. Doch es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, den alten Penner zu erkennen. Der Bürgermeister war so klar im Kopf, wie es ein Mann im Schlafanzug nur irgend sein konnte. Nicht Geistesverwirrung hatte ihn aus seiner Villa getrieben, sondern eine Panikattacke. Die politische Welt um ihn herum schrumpfte immer weiter zusammen. Die meisten seiner Abgeordneten hatten Sammy Dunne im Stich gelassen. Er war ein Bürgermeister ohne Partei. In New York war er zum Geist geworden. Man sprach nicht mehr von Mayor Sam.

Er weinte immer noch um den alten Penner.

»Isaac, ich kenne deine Feinde. Wenn ich nicht mehr da bin, werden sie dich bei lebendigem Leib auffressen.«

»Das sollen sie ruhig versuchen, Euer Ehren. Ich habe ein dickes Fell.«

»Was redest du da, Junge? Du bestehst nur noch aus Haut und Knochen.«

Der alte Penner dachte an Annie Powell. Diese Narbe verfolgte ihn. Annies D. Er brachte den Bürgermeister nach Hause und begab sich wieder in sein namenloses Hotel.

3

Warum hätte ihm eine Hure den Kopf verdrehen sollen, eine Nutte mit einem derartigen Schaden an der Fassade? Mit dieser Kerbe im Gesicht war es ihr sicher nicht besonders gut ergangen. Der Wurm nagte an ihm. »Du Drecksack«, sagt er zu dem Wurm. »Bist du etwa auch in sie verliebt?« Er schlenderte oft zur Forty-third Street runter, um sich zu vergewissern, dass sie von niemandem belästigt wurde. Dieses Herumschlurfen mit den Händen in den Hosentaschen passte Annie Powell gar nicht. Solange der alte Penner hier herumlungerte, würde sie nicht viele Kunden fangen. »Wir gehen essen«, sagte er. »Komm schon.« Für sie klang es wie eine Drohung, nicht wie eine Einladung. Und sie musste ihre Ecke verlassen.

Diesmal führte er sie ins Café des Sports. Ein Penner und ein wie eine Hure zurechtgemachtes Mädchen aßen Leberpastete. »Annie«, sagte er, »um zwei Uhr gibt es eine Razzia. Der Commissioner hat beschlossen, alle Frauen, die nicht in Begleitung sind, von der Straße aufzulesen. Deshalb solltest du besser ganz, ganz langsam essen.«

Sie hatten drei Flaschen Wein getrunken. »Wie heißen Sie?«, krächzte sie betrunken, »und was zum Teufel wollen Sie von mir?«

»Sagen wir einfach, ich bin Father Isaac.«

»Ein Geistlicher«, sagte sie und äffte ihn nach, »ein Geistlicher ohne Kragen … gehen wir in Ihr Hotel oder in meins, Father Isaac? In fremden Hotels bin ich besser.«

»Lass den Bluff, Annie Powell. Du hast nicht allzu viele Tricks drauf. Ich will wissen, wer dich auf die Straße geschickt hat.«

»Mister«, sagte sie, »das geht Sie nichts an.«

Der alte Penner musste sie gehen lassen. Der Wurm grub sich in seine Eingeweide, wenn er daran dachte, dass sie mit anderen Männern in einen Hausflur ging, sich für sie hinkniete. Er musste diesen Martin McBride finden und ihm seine irischen Zehen brechen. Doch Father Isaac hatte heute noch eine Verabredung. Er wusch sich den Dreck vom Hals. Er rasierte sich die Haare, die aus seiner Nase sprossen und als ungestutzter Schnurrbart hätten durchgehen können. Er kaufte sich eine halbe Stunde in der einzigen Badewanne des Hotels. Er war nicht wiederzuerkennen, als er aus der Wanne stieg. Der alte Penner hatte zwanzig Jahre abgeworfen. In seinem Zimmer hatte er noch ein Paar Argyle-Socken. Er holte den einzigen Anzug hervor, den er im Schrank hatte. Aus seiner Kommode materialisierte sich ein seidenes Hemd. Eine Krawatte von Bloomingdale’s. Unterhosen, die weich genug für die Haut einer Frau waren. Alles passte zusammen. Ein jüngerer Mann, fünfzig, einundfünfzig, trat aus dem Hotel. Er sah gar nicht übel aus. Der Wurm hatte dazu beigetragen, die Konturen seines Gesichtes wieder klarer hervortreten zu lassen. Das verlieh ihm Charakter und leichte Furchen auf den Wangen.

Ein Taxi brachte ihn zu einem Hörsaal der New School for Social Research. Leute drückten ihm die Hand. Hier wurde er eher verachtet als verehrt, aber alle kannten ihn. Isaac Sidel, First Deputy Police Commissioner von New York und mysteriöser Cop. Er tauchte gern unter, nahm eine Verkleidung nach der anderen an. Er saß für gewöhnlich nicht in seinem Büro im vierzehnten Stock des Polizeipräsidiums. Isaac bezeichnete den neuen Backsteinmonolithen als »Sarghaus«. Seinen gesamten Papierkram erledigte er im leerstehenden alten Präsidium. Man musste ihn in der Centre Street aufsuchen, wenn nicht unter den Pennern. Isaac war meistens nicht verfügbar. Seine Deputies hielten ihm die Treue. Sie leiteten sein Büro ohne die leisesten Unstimmigkeiten. Isaacs Mitteilungen kamen immer an.

Der PC, der Schönling Johnny Rathgar, konnte ihn nicht tadeln. Isaac war der Held aller Nachrichtendienste. Er spazierte in eine Höhle wahnsinniger Rastafaris und kam mit einem geheimen Waffenlager wieder raus. Er schlichtete Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Jugendbanden in der Bronx, schanzte der einen Territorien zu, nahm den anderen kleine Anteile weg. Brandstifter und Kinderschänder stellten sich First Deputy Sidel und sonst niemandem. Isaac war frei von Furcht. Er nahm es mit jedem Irren auf, der in seine Nähe kam. Man konnte ihn von den Dächern mit Ziegelsteinen bewerfen. Isaac zog nicht einmal den Kopf ein. Der First Dep war sehr gefragt. Die meisten Organisationen in der Stadt wollten ihn reden hören. Synagogen, Kirchen, politische Vereine. Sei’s um ihn zu piesacken, sei’s um ihm zu applaudieren. Die Demokraten mussten ihn derzeit noch dulden, weil er Sammy Dunne zu nahe stand, und es wäre verfrüht gewesen, »Hizzoner« aus der Gracie Mansion zu vertreiben. Doch der Bürgermeister ging auf die Siebzig zu und konnte eine Partei im Dauerstreit nicht zusammenhalten. Die Demokraten würden sich auf Isaac stürzen, wenn Sammy die City Hall räumte. Die Republikaner fürchteten Isaacs Beliebtheit, und die Liberalen konnten ihn nicht ausstehen. Für sie war er nur ein Cop. Isaac verachtete sie alle, Lohnschreiber wie Politiker, die sich egal welchem Sieger an den Rockzipfel hängten und über den Machtverlust eines Bürgermeisters höhnten. Er mochte den alten Bürgermeister, der gerade von seiner eigenen Partei fallen gelassen wurde. Bei den Vorwahlen hatte der Bürgermeister keine Chance. Er war zu dumm, zu schwach, zu alt. Die Daily News hatte bereits gesprochen. New York würde seine erste Bürgermeisterin bekommen, die ehrenwerte Rebecca Karp, die über ihre Schönheit in die Politik gekommen war. 1947 war sie Miss Far Rockaway gewesen. Mit ihrem Busen, ihren bärenhaften Umarmungen und ihrem Lächeln nahm die Demokraten im Sturm für sich ein. Sie war Bezirksvorsitzende in Greenwich Village gewesen. Jetzt war sie Parteivorsitzende von Manhattan und der Bronx. Rebecca brauchte zwei Boroughs, um gegen Brooklyn zu bestehen und New York vor der Stümperei und der Klientelpolitik des Samuel Dunne zu bewahren.

Hier in der New School war Isaac auf liberalem Territorium und sollte sich in einer Debatte mit Melvin Pears, Häuptling der Civil Liberties Union und Verteidiger von Rebecca Karp, für den Bürgermeister ins Zeug legen. Isaac hätte Rebecca sagen können, sie solle sich in den Hut scheißen, aber Mayor Sam war in Schwierigkeiten. Er ließ sich kaum noch in der City Hall blicken. Sein Vorsprung schmolz immer mehr dahin. Isaac war sein einziger mächtiger Fürsprecher.

Pears wurde mit dem First Dep an einen Tisch am einen Ende des Saals platziert. Laut dem Bürgermeister versuchte Melvin sich an Becky Karp ranzumachen, aber Isaac glaubte Mayor Sam nicht alles. Melvin stammte aus einer aristokratischen Familie und hatte eine bildhübsche Frau. Er war ein Mann von fünfunddreißig Jahren mit einer Vorliebe für grobe Bekleidung: In der New School erschien er mit Arbeitsstiefeln und einem Cowboyhemd, von dem ein Knopf über seinem Wanst offenstand. Der Junge isst gern, sagte sich Isaac und dachte an den Wurm, den er durchfüttern musste. Neben Melvin saß dessen Ehefrau. Sie hatte unglaubliche graugrüne Augen, die sich mit größter Geringschätzung an Isaac festsaugten. Er fragte sich, woher sie ihre Blusen bezog. Die Frau trug keinen Western-Look. Isaac fühlte sich neben Mels Stiefeln unwohl. Er hätte diese feinen Socken nicht anziehen sollen. In seiner Pennerhose hätte er sich in dieser Gesellschaft besser behaupten können.

Pears bezeichnete Isaac als Lakaien des Bürgermeisters, als Instrument repressiver Gesetzgebung. Isaac, sagte er, vertreibe die Prostituierten von der Straße, wenn es dem Bürgermeister gerade in den Kram passe, ohne dabei die Notlage dieser Mädchen oder ihre persönliche Geschichte in Betracht zu ziehen. »Ich werde jede Prostituierte verteidigen, die Sie einlochen«, sagte Pears. »Vor den Wahlen kehrt der Ehrenwerte immer einmal durch. Sie sind Sammys Besen.«

Isaac knurrte innerlich. Sammy hatte genug Probleme damit, in seinen Schlafanzug rein und wieder raus zu kommen. Isaac kam nicht dahinter, was sich auf der Straße abspielte. Er hatte seine Spione. Nicht die Civil Liberties Union hielt die Mädchen zu harter Arbeit an. Man konnte sie nicht länger als eine halbe Stunde einsperren. Eine ganze Reihe von Kautionsbürgen, die mit ihren Mackern Händchen hielten, stand für sie bereit. Es wurden immer mehr Huren, ob mit oder ohne Polizei. Manche Inspectors in Isaacs Büro behaupteten, jeden Zuhälter in der Stadt zu kennen. Sie sprachen von einer mysteriösen Niggerbande, die die Zuhälter in einer Art Gewerkschaft organisierte. Schwarze Mafia, sagten sie. Die Blues von Sugar Hill. Man fand allerdings nirgends welche. Wo waren sie? Das hatte alles keinen Sinn. Isaacs Spione kamen mit nichts rüber. Sie zuckten die Achseln und schworen, demnächst werde ein Batzen Scheiße in der Gosse landen. Deshalb hatte Isaac abtauchen, der alte Mann von der Forty-seventh Street werden müssen. Isaac vertraute nur auf das, was er selbst erschnüffeln konnte. Und dieser Melvin Pears quatschte über Hurenrechte. Jede Nutte in Manhattan hatte mehr Rechte und Privilegien als Rebecca Karp oder Pears’ grünäugige Frau.

Pears hatte eine kahle Stelle, größer als die von Isaac. Er hackte immer noch auf dem First Dep rum. »Der ganze Ruhm geht auf ihr Konto«, sagte Pears. »Sie klären den großen Mordfall auf, landen den großen Volltreffer, und namenlose alte Männer und Frauen trauen sich abends nicht allein auf die Straße.«

Isaac fiel ihm ins Wort. »Sollen wir vielleicht alle vierzehnjährigen Jungen ab achtzehn Uhr einsperren?«

Pears schoss auf Isaac los. »Das ist die selbstzufriedene Antwort, die einem jeder Cop gibt. Die bequemste Lösung. Verhaften wir alle, und es gibt kein Verbrechen mehr.«

Isaac kam nicht gegen Melvins im Gerichtssaal erworbene Schlagfertigkeit an. Er hielt den Mund und ließ den Jungen reden. In Gedanken schweifte er zu Annie Powell ab. Dieses D tat ihm in den Augen weh. Das Mädchen war doch keine Nutte, verdammt. Sie wurde für etwas bestraft, was sie getan hatte. Annies Sünde.

Pears hatte aufgehört zu reden. Und was sollte Isaac nun tun? Mayor Sam verteidigen? Die Errungenschaften der Polizei herunterbeten? Über das Präsidium und diesen Idioten von Tiger John sprechen? Das Ende der Sodomie in den Frauengefängnissen versprechen? Isaac redete über Oswald Spengler. Pears kratzte sich den Kopf. Rebecca Karps Bewunderer mussten ihn für ein wenig irre halten. »Es ist nicht regierbar«, sagte Isaac. »… dieses Terrain. Überall lauert die Psychose. In jeder Achselhöhle. Unter jedem Schuh. Man kann sie im Schweiß dieses Raumes riechen. Wir alle sind Kindsmörder, ob unterdrückt oder nicht. Wie misst man die Wut eines Menschen? Entweder verhalten wir uns wie Roboter oder wir töten. Warum erwarten Sie von Ihrer Polizei, dass sie weniger verrückt ist als Sie?«

Es gab Gelächter im Raum, vereinzeltes Zischen.

Pears schrie ihm entgegen: »Sidel, Sie sind überhaupt nicht zur Sache gekommen. Was interessieren mich Ihre Philosophien? Lächerliche Spitzfindigkeiten. Reine Heuchelei. Wir haben hier eine Stadt vor uns, und diese Stadt muss regiert werden. Und der Bürgermeister, Ihr Freund, ist von der Bildfläche verschwunden.«

Die Debatte war vorbei. Melvin Pears wurde von Zuhörern beglückwünscht. Er hatte es ihm gezeigt, diesem herumunkenden Banausen, diesem Cop mit Halbbildung. Isaac hatte nur ein Semester am Columbia College studiert. Zu den Theorien John Lockes hätte er nichts zu sagen gewusst. Er hatte ein wenig Nietzsche im Kopf, Spengler, Hegel und Marx. Seine Lektüreerfahrung war äußert begrenzt.

Die Leute drängten sich um Pears. Eine alte Dame kam auf Isaac zu. Sie murmelte etwas, was er nicht verstehen konnte. Isaac sah nichts als das Grün in Mrs. Pears’ Augen.

Einer seiner Inspectors, Marvin Winch, wartete am Randstein auf ihn. Isaac gelobte innerlich, sich einige kleine Ansprachen zurechtzulegen, ehe er wieder einen solchen Raum betrat. Pears hatte Isaac die Kehle aufgeschlitzt. Mit dem logischen Denken des First Dep war es nicht weit her. Seine Ideen stammten von dem Wurm in seinen Eingeweiden. Er war kein kultivierter Mensch.

»Und?«, sagte Isaac zu Inspector Winch. »Wer ist Martin McBride?«

»Zwielichtiger Kerl. Treibt sich mit den Niggerzuhältern rum.«

»Hat er einen Neffen?«

»Ja, haufenweise. Unser Martin hat überall Neffen.«

»Wie viele fangen mit dem großen D an, von dem ich gesprochen habe?«

»Nur einer. Dermott.«

»Dermott McBride?«

»Nein. Er hat das Irische aus seinem Namen entfernt. Er hat ihn zu Bride verkürzt.«

»Bring mir diesen Dreckskerl. Mit Dermott Bride würde ich gern mal plaudern. Wir haben eine gemeinsame Freundin.«

»Das geht nicht, Isaac. Niemand weiß, wo Dermott ist.«

»Dann stöpselt euren Computer ein und findet ihn für mich.«

Ja, sollten sie doch alle lachen und ihn als Sammys Trottel bezeichnen, aber Tiger John Rathgar hatte Augen und Ohren wie alle anderen Menschen auch, und er hatte einen Mund, mit dem er Leute anschnauzen oder Zigarettenpapier essen konnte, je nachdem ihm danach war. Vor einem Jahr hatte »Hizzoner« gesagt: »Johnny, die Zuhälter müssen leben wie wir anderen auch. Was hat es für einen Sinn, Niggermädchen von der Straße zu jagen? Vierundzwanzig Stunden später stehen sie wieder da.« John hatte also seine Mösenpatrouille reduziert und ihr die meisten Zähne ausgerissen, und ab da waren die Sparbücher eingetrudelt. Die mit den irischen Namen. Simon Dedalus, Molly Bloom und wie sie alle hießen. John hatte nicht eine Gaunerei begangen, um sich seine Molly Blooms zu verdienen. Er hatte den Zuhältern vom Straßenstrich nichts versprochen. Konnte er was dafür, wenn Jamey O’Toole ihm Sparbücher in den Schoß warf?

Jetzt war Wahljahr, und »Hizzoner« wollte, dass die Black Marias, in die viele Niggerprostituierte auf einmal passten, wieder rollten. John musste die Mösenpatrouille reaktivieren. Doch der Bürgermeister hatte ihn gewarnt: »Keine weißen Mädchen. Wir können uns keinen Fehlgriff leisten. Wenn deine Leute eine Hausfrau aufgreifen, schlagen uns die Zeitungen ans Kreuz. Ich bin auf dich angewiesen, Johnny, mein Junge.«

John zog mit der Mösenpatrouille los. Sein Chauffeur, Christianson, fuhr ihn vor den Black Marias her, uralten grünen Mannschaftswagen mit eingedellten Dächern. John entschied darüber, welche Huren in die Mannschaftswagen gepackt wurden. Er suchte die fettesten Mädchen aus, Mädchen mit schwabbeligem Bauch und Pockennarben auf den Schenkeln. Die Wagen waren in weniger als einer Stunde voll. Die Mädchen saßen drin und keiften. Sie konnten der Hitze ihrer eigenen Körper nicht entkommen. Sie zerrten an ihren Kleidern, um sich abzukühlen, und schnappten heftig nach Luft. John gab seinem Chauffeur ein Zeichen. »Mir langt’s, Christie. Fahr los.«

»Wohin fahren wir, Boss?«

»Zum Amtssitz des Bürgermeisters.«

Christianson stellte die Sirene an und schoss quer durch die Stadt, überholte Krankenwagen und Feuerwehrautos und brachte Tiger zum Carl Schurz Park. Der Polizist verließ seinen Posten, um vor Tiger John zu salutieren und ihm die Tür aufzuhalten. John ging unter dem blauen Baldachin neben dem Haus durch. Er suchte die Gracie Mansion sehr gern auf. Es war ein prachtvolles altes Gebäude mit schwarzen Fensterläden und weißen Geländern an der Veranda. Sam hatte drei Schlafzimmer für sich. Er war als Bürgermeister der erste Junggeselle, der dieses Haus bewohnte.

Johnny nahm den Vordereingang unter der Lünette, und Sammys Haushälterin lächelte ihn an und fragte ihn nach seiner Gesundheit. »Danke, Sarah, mir geht’s tipptopp.«

»Das ist gut, Commissioner John.«

»Und wie geht es dem Bürgermeister heute?«

»Er ist stinksauer«, sagte sie. »Das sind diese Probeabstimmungen. Alle tippen auf Rebecca.«

»Das hat nichts zu sagen«, sagte John. »Er wird’s schaffen.«

Auf dem grünen Teppich des Bürgermeisters ging er die Wendeltreppe rauf. Es war kurz vor drei, doch der Bürgermeister war noch nicht aufgestanden. John blieb vor dem herrschaftlichen Schlafzimmer stehen und klopfte an die Tür.

»Kommen Sie um Himmels willen rein.«

Sam stand in Unterwäsche da. Für den Police Commissioner zog er sich den Schlafanzug an und legte sich wieder ins Bett. Er blieb unter der Decke liegen, bis Sarah mit einer Kanne Kaffee und Hefeschnecken für die beiden Junggesellen kam. Als Sarah gegangen war, blinzelte er John zu. Ein riesiges Rechnungsbuch schaute unter der Decke raus. Es war der Etat des Bürgermeisters für das bevorstehende Haushaltsjahr. Sam trat mit beiden Füßen nach dem Buch. »Becky Karp sagt, ich kann nicht addieren und subtrahieren. Aber es reicht, zwei und zwei zusammenzuzählen, um zu wissen, dass die Stadt in der Scheiße versinkt. Irgendein Zauberer bei der Prüfstelle findet immer wieder da und dort eine Million … am nächsten Tag hat er sie dann wieder verloren … haben Sie die Mädchen ins Revier gebracht, John?«

»Schon erledigt.«

Sam mümmelte stumm an einer Hefeschnecke.

Herr im Himmel, wie spricht man mit einem Bürgermeister? John trank seinen Kaffee aus und bemühte sich dabei, die Tasse nicht zu zerbrechen. »Ähm«, sagte er, »bei der Wahl, da machen Sie Rebecca fertig.«

Doch der Bürgermeister hörte nicht zu. Seine Kiefer malmten, während er in den großen Spiegel neben seinem Bett sah. Armer alter Mann. Hizzoner kann kein Gespräch im Gang halten. Mit seinem Gedächtnis ist es aus.

John verließ so leise wie möglich das Schlafzimmer. Er verabschiedete sich von Sarah und bedankte sich für den Kaffee und die Hefeschnecken. Christie hatte neben dem Tor geparkt. Er hatte einen Briefumschlag für Tiger John.

»Wer hat dir das gegeben?«

Christianson breitete die Hände aus, um die überwältigende Breite eines Riesen auszudrücken. »Das war dieser abtrünnige Bulle, O’Toole.«

»O’Toole? Woher hat er gewusst, dass ich zum Bürgermeister wollte?«

Christianson zuckte die Achseln und spitzte den Mund.

Der PC funkelte ihn an. »Der Special Prosecutor ist uns auf den Fersen, und du gibst dich direkt vor der Gracie Mansion mit diesem Halunken ab? Hopp, los. Fahr mich zum Dingle.«

Als er den Umschlag aufriss, fiel ein Sparbuch raus. John gab sich nicht mit der Summe ab. Fünf- oder sechstausend, für ihn machte das keinen Unterschied. Sie wurden immer frecher, diese Botenjungen. Der Riese war ihm bis zu Sammys Tür gefolgt! In seiner Handfläche verborgen öffnete er das Buch, um einen Blick auf diesen ungeheuerlichen Namen werfen zu können. Anna Livia Plurabelle. Sollte einer O’Toole und seinen König da drüben in Dublin verstehen. John bekam seine Sparbücher, ob er den Huren nachstellte oder nicht. Wofür zum Teufel wurde er bezahlt? Würden die Sparbücher schneller und immer schneller eintreffen – je mehr Black Marias er ausschickte? Anna Livia und Molly Bloom.

»Ins Dingle«, sagte John. »Wann sind wir endlich beim Dingle?« Dann bemerkte er, dass der Wagen angehalten hatte.

»Wir stehen schon fünf Minuten hier, Boss.«

»Oh«, sagte John. Er stieg aus, klopfte dreimal, murmelte seinen Namen und verkroch sich bei den Sons of Dingle Bay.

4

Er war wieder der Penner, aber er hatte keinen dreckigen Hals und auch nicht so viele Stoppeln im Gesicht. Seine Wangen waren eingefallen und er hatte den leidenden Blick eines Freiers. Annie Powell gefiel das gar nicht. Der Penner hatte Parfüm benutzt, ein Aftershave. Mit seinen dunklen, tiefliegenden Augen würde er jeden verscheuchen. »Jesus«, sagte sie und lachte. »Wie soll ich mir meinen Unterhalt verdienen? Kaufen Sie mich für eine halbe Stunde, aber setzen Sie mir nicht wieder ein Mittagessen vor. Mit vollem Magen kann ich nicht arbeiten.«

Isaac entführte sie aus der Forty-third Street, ehe sie sich beschweren konnte. Er packte zu wie ein großer Affe. Sie konnte sich nicht losmachen. Die Zuhälter und die jungen schwarzen Huren lachten beim Anblick von Annie und Isaac, der sie vorwärtszerrte. Man hätte glauben können, der Penner hätte sich eine Gemahlin zugelegt. Sie gingen ins Vinaigrette. Isaac kaufte ihr Champagner in Piccolo-Flaschen. Seine Taktik wirkte heute aggressiver. Annie wollte lieber Weißwein und grüne Bohnen. Aber die Fläschchen hatten den Penner nicht milde gestimmt. »Ich kann dich von der Ecke wegholen«, sagte er. »Ich kann dafür sorgen, dass du kein Fußbreit mehr Platz hat, um dich da rumzutreiben.«

»Mein Gott, Sie sind wirklich ein Geistlicher. Wenn Sie einen Anteil von mir kaufen wollen, müssen Sie mit Martin McBride sprechen.«

»Scheiß auf McBride«, sagte Isaac. »Ich will, dass du zu mir ziehst.«

Sie lachte nicht über seinen Antrag. Ihre Augen zogen sich in ihren Schädel zurück.

»Ich habe eine Wohnung in der Innenstadt. In der Rivington Street. Mach dir keine Sorgen. Deine Männer kannst du haben. Ich misch mich nicht ein. Ich werde Drinks für sie mixen. Weinflaschen besorgen. Aber ich will nicht, dass du auf der Straße stehst.«

»Mister«, sagte sie, »ich brauch keinen Onkel. Vielen Dank. Einen Zuhälter hab ich schon.«

Konnte er Annie Powell sagen, dass sie ihn und seinen elenden Wurm quälte? Dass er jeden Kerl zusammenschlagen würde, der in die Nähe ihrer Straßenecke kam? Er war eifersüchtig, absurd eifersüchtig wegen eines Mädchens, mit dem er nicht mal geschlafen hatte. Die Narbe hatte ihn um den Verstand gebracht.

»Wer ist Dermott?«, sagte er.

Sie schob sich eine Gabel Fisch in den Mund.

»Ich habe dich nach Dermott Bride gefragt.«

Sie stand auf, legte ihre Serviette auf den Tisch und verließ das Restaurant. Isaac blieb mit drei Korken und seinen Champagnerfläschchen zurück. Er rief in seinem Büro an. Sieben Minuten später stand eine Limousine vor dem Vinaigrette. Die Kellner des Restaurants sahen, wie der Penner in diesen dicken Wagen stieg. Sie waren weise. Sie wussten, dass es in dieser Welt seltsame Dinge gab. Die ganz Reichen gefielen sich oft in der Verkleidung von Clochards. Diesen Penner mit der vernarbten Schönheit, der Limousine und den kleinen Champagnerflaschen würden sie nicht vergessen.

Isaacs Leute hatten Martin McBride ausfindig gemacht. Er lebte mit seiner fetten Frau in acht Zimmern in der Nähe von Marble Hill. Martin hatte ein Lungenemphysem. Doch er musste den August in New York überstehen. Er kassierte die Zuhälter von Manhattan ab und hörte sich ihre Beschwerden an. In diesen Kreisen war er als »Geldeintreiber-Martin« bekannt. Mehr als die Hälfte seines Lebens hatte er als unbedeutender Gauner zugebracht. Der arme Martin hatte nicht viele Vorstrafen aufzuweisen: zwei oder drei Verhaftungen wegen Landstreicherei. Nur kurz gesessen. Aber das war zwanzig Jahre her. Auf seine alten Tage war es ihm besser ergangen.

Isaacs Männer holten ihn in einem Dreihundertdollaranzug aus seiner Wohnung. Der alte Geldeintreiber war perplex. In der Centre Street war es stockfinster. Warum schleppte man ihn durch diese Gänge? Er glaubte nicht, dass Isaacs Leute Cops waren. Aber das war das alte Polizeipräsidium. Sie setzten ihn in einem Hinterzimmer im dritten Stock ab. Bis auf die Lampe, die ihm ins Gesicht schien, war es dunkel im Raum. Wer in Gottes Namen saß hinter diesem Schreibtisch?

»Du Dreckschwein, gehört Annie Powell dir oder nicht?«

»Sir«, sagte der alte Geldeintreiber, »ich weiß nicht, wer die Kleine ist.«

»Komisch. Sie weiß nämlich einiges über dich. Wie geht’s Dermott denn so?«

»Wem, Sir?«

Isaac griff über seinen Schreibtisch und drehte McBride beide Ohren um.

»Ach so, der Neffe. Dem geht es gut.«

»Könnte es sein, dass du für ihn arbeitest, Martin McBride? Dass das Kleingeld, das du aus dem Portemonnaie jeder Hure abkassierst, an den kleinen Dermott geht?«

»Auf keinen Fall, Sir. Dermott war in Yale, das schwöre ich bei Christus. Ich hab ihm durchs College geholfen. Er wollte zum Gericht, als Anwalt … dazu kam’s nie, Sir. Hatte die Nase voll vom Studieren, der Neffe.«

»Wo ist er jetzt?«

»Ich habe keinen Schimmer.«

Isaac hatte es satt, Ohren umzudrehen. Er nahm Anlauf, um Martins Schädel an die Wand zu schlagen. Doch Martin bekam plötzlich einen Hustenanfall. Der Anfall war nicht gespielt. Isaac konnte das grässliche Blau und Gelb des Emphysems sehen. Er ließ Martin nach Hause bringen. Von dem alten Geldeintreiber hatte er nichts erfahren. Er war Dermott Bride keinen Schritt nähergekommen.

5

Die Zuhälter redeten nicht mit ihm. Die schwarzen Huren konnten Dermotts Namen gar nicht erst aussprechen. Annie rannte davon, sobald Isaac auftauchte. Sie wollte nicht mehr mit dem alten Penner essen gehen. Er ging in einen Pornoladen, den ein freundlicher russischer Jude betrieb. Der Jude war klug genug, um Isaacs Verkleidung zu durchschauen. Er wusste von dem legendären First Deputy von New York.

»Sidel, mach mir nicht den Schmock. Stell mir eine Frage und ich beantworte sie dir, aber nur, wenn ich sie beantworten kann.«