Silvershade Academy 2: Brennende Zukunft - Annie Laine - E-Book

Silvershade Academy 2: Brennende Zukunft E-Book

Annie Laine

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Beschreibung

**Wenn die Zukunft dich zu vernichten droht …** Eigentlich hätte Eve gedacht, dass die Entdeckung ihrer seherischen Fähigkeiten nicht mehr übertroffen werden könnte. Doch nach den dramatischen Ereignissen auf dem Schulball der Silvershade Academy ist nichts mehr, wie es war. Die magische Welt ist in ihren Grundfesten erschüttert. Und auch wenn Eve mit ihrer Gabe größeres Unheil verhindern konnte, ist der Anführer der dunklen Verschwörung immer noch auf freiem Fuß. Aber es kommt noch schlimmer: Alistair, der düstere und sehr anziehende Dämon, der ihr und ihren Freunden beigestanden hat, ist spurlos verschwunden. Hin- und hergerissen muss Eve sich die Frage stellen, ob sie dem Falschen ihr Vertrauen geschenkt hat … »Das ist die wichtigste Regel der Schule: Lass dich nie auf einen Dämon ein.« Eine mutige Seherin und ein gefährlich attraktiver Dämon, der sich für das Gute entscheiden muss, um die Welt der Magischen zu retten. Eine Geschichte voller Spannung, Magie und Herzklopfen! //Dies ist der zweite Band der magisch-romantischen Buchreihe »Silvershade Academy«. Alle Romane der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress:  -- Silvershade Academy 1: Verborgenes Schicksal  -- Silvershade Academy 2: Brennende Zukunft -- Sammelband der romantischen Fantasy-Dilogie »Silvershade Academy«// Diese Buchreihe ist abgeschlossen. 

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Annie Laine

Silvershade Academy 2: Brennende Zukunft

**Wenn die Zukunft dich zu vernichten droht …**Eigentlich hätte Eve gedacht, dass die Entdeckung ihrer seherischen Fähigkeiten nicht mehr übertroffen werden könnte. Doch nach den dramatischen Ereignissen auf dem Schulball der Silvershade Academy ist nichts mehr, wie es war. Die magische Welt ist in ihren Grundfesten erschüttert. Und auch wenn Eve mit ihrer Gabe größeres Unheil verhindern konnte, ist der Anführer der dunklen Verschwörung immer noch auf freiem Fuß. Aber es kommt noch schlimmer: Alistair, der düstere und sehr anziehende Dämon, der ihr und ihren Freunden beigestanden hat, ist spurlos verschwunden. Hin- und hergerissen muss Eve sich die Frage stellen, ob sie dem Falschen ihr Vertrauen geschenkt hat …

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Vita

Danksagung

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© Studioline Photography

Annie Laine wurde im schönen Osthessen geboren. Nach dem Realschulabschluss führt sie ihr Leben zunächst in ganz verschiedene Richtungen. Sie schließt eine Ausbildung ab und arbeitet ein halbes Jahr auf der Kanareninsel Teneriffa, findet aber nicht ihre Passion darin. Das zieht sie schließlich zurück zu den Büchern. Während sie tagsüber Buchhandel/Verlagswirtschaft studiert, verbringt sie ihre Nächte mit dem Schreiben eigener Texte und betreibt einen Bücherblog.

Für Verena,

meinen Autorenzwilling.

Große Liebe für dich! <3

PROLOG

Meine Muskeln brennen, ein schmerzhaftes Ziehen in meinen Waden sorgt dafür, dass ich die Lippen aufeinanderpresse und für einen Augenblick nicht bei der Sache bin. In letzter Sekunde weiche ich zur Seite aus, ehe ein Schwert dort heruntersaust, wo ich gerade noch stand. Mir tut zwar alles weh, aber wenn ich jetzt nicht alles gebe, ist das mein Ende. Ich werde nicht kampflos zu Boden gehen, so viel ist sicher.

Während mein Gegner sich in Sicherheit wiegt, kämpfe ich mich zurück auf die Beine und zögere nicht ihn anzugreifen. So schnell ich kann, renne ich mit erhobenem Schwert auf ihn zu, setze zum Sprung an und hole aus. Er reagiert schnell, reißt seinen Schwertarm in die Luft und blockt meinen Angriff ab. Metall trifft auf Metall und ein helles Klirren ertönt.

Scharf ziehe ich den Atem ein, als ich dem Mann in die Augen blicke, der sich hinter der Kapuze verbirgt.

Dem, dem ich bedingungslos vertraute.

Dem, der mir alles beigebracht hat, was ich übers Kämpfen weiß.

Dem, von dem ich dachte, ich würde ihn kennen.

Alistair.

Kerzengerade sitze ich in meinem Bett und schlage die Augen auf, während ich mir gleichzeitig eine nass geschwitzte Strähne aus dem Gesicht schiebe. Sofort blendet mich das Sonnenlicht, das durch die Fenster in Serenas und mein Zimmer fällt, und ich kneife sie wieder zusammen. Eindeutig zu hell! Meine Brust hebt und senkt sich hektisch. Jeder Atemzug hinterlässt ein Brennen in meiner Kehle, das ich kaum zu beschreiben weiß.

Ohne nachzudenken, taste ich nach dem Wasserglas auf meinem Nachttisch, führe es an meine Lippen und trinke in wenigen großen Schlucken aus. Erleichtert seufze ich auf. Für einen Moment verdränge ich all die Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirren. Sekunden später prasseln sie jedoch wieder auf mich ein und drohen mich zu überwältigen.

Die Vision.

Alistair.

Der Mann, dem ich mein Herz geschenkt habe, dem ich bedingungslos vertraue, hatte ein Schwert und wir haben – ich schlucke – gegeneinander gekämpft.

Die Erinnerung an seinen boshaften, hasserfüllten Blick jagt einen eiskalten Schauer über meinen Rücken und ich verkrampfe meine Finger um das leere Wasserglas.

Alistair würde nie … Er hat mich so oft aus misslichen Lagen befreit, mir geholfen und einige seiner Prinzipien für mich über Bord geworfen. Auf keinen Fall würde er sich gegen mich stellen.

Meine Vision kann nicht wahr sein. Andererseits, wieso sollte sie mir diese Bilder zeigen, wenn nicht die Möglichkeit ihres Eintreffens bestünde? Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem, was ich glauben will, und dem, was ich gesehen habe.

Dann treffe ich eine Entscheidung. Entschlossen öffne ich erneut die Augen, stelle das Glas ab und schlage die Decke zurück, bevor ich aus dem Bett steige. Auf dem Weg nach draußen schlüpfe ich in meine Schuhe und bemühe mich möglichst leise zu sein, um Serena nicht zu wecken. Meine beste Freundin hat genauso wie ich eine lange Nacht hinter sich und ich will sie nicht unnötig früh aus dem Schlaf reißen.

Nachdem ich unsere Zimmertür vorsichtig hinter mir geschlossen habe, setze ich mich in Bewegung. So schnell mich meine Beine tragen, renne ich durch den Korridor des Wohnheims. Meine Schritte hallen an den Wänden und der hohen Decke wider, jedes Geräusch eine winzige Explosion in meinen Ohren, bis ich schließlich die Eingangshalle erreiche.

Sie wirkt verlassen. Die meisten Schülerinnen und Schüler erholen sich anscheinend noch von den Strapazen des gestrigen Anschlags, was nicht verwunderlich ist.

Sie haben sich auf einen Schulball gefreut und sind unverschuldet in einen Kampf verwickelt worden, bei dem einige ihrer Klassenkameraden ihr Leben gelassen haben.

Ich wusste zwar, dass der Angriff stattfinden würde, doch selbst ich wurde von den darauffolgenden Entwicklungen überrascht. Die ganze Zeit steckten Dämonen hinter den Anschlägen auf die Akademien und den Entführungen. Sie schlichen sich in die Silvershade ein und wir haben nichts gemerkt, bis es zu spät gewesen ist. Ausgerechnet der Direktor, den ich mehrfach versucht habe zu warnen, war von einem besessen und die Dämonen uns immer einen Schritt voraus.

Rückblickend betrachtet bin ich einfach nur froh über die herausragenden Kampffertigkeiten meiner Mitschüler, denn sie haben die Dämonen in Schach gehalten, während ich gegen den Schulleiter gekämpft habe und beinahe dabei umgekommen wäre. Nur Alistair habe ich es zu verdanken, noch am Leben zu sein, denn er hat mich in letzter Sekunde gerettet.

Kaum schießt sein Name erneut durch meinen Kopf, balle ich die Hände zu Fäusten und heiße Tränen der Wut kämpfen sich an die Oberfläche. Bevor sie sich aus meinen Augenwinkeln befreien, blinzele ich sie weg.

Noch besteht Hoffnung. Wie bei jeder Vision habe ich nur eine mögliche Zukunft gesehen, keine unausweichliche. Die Vorhersage muss nicht eintreffen.

Genauso wenig wie meine Albträume von dem Feuer, das mich verschlingt. Keine Vision hat mich so oft heimgesucht wie diese, doch letztendlich habe ich einen anderen Weg eingeschlagen und konnte verhindern in einem brennenden Raum eingeschlossen zu werden.

Ich lasse die Eingangshalle hinter mir und ehe ich michs versehe, komme ich vor seiner Zimmertür zum Stehen. Mein ganzer Körper ist angespannt, beinahe schlimmer als letzte Nacht kurz vor dem Angriff. Vielleicht bin ich im Begriff, etwas Dummes zu tun und mich in große Gefahr zu begeben, dennoch brauche ich Antworten und die erhalte ich nur von ihm.

Ein letztes Mal atme ich tief durch, dann strecke ich die Hand nach der Klinke aus und drücke sie herunter. Ein leises Klicken ertönt und lässt mich zusammenzucken. Ich warte, bis das letzte Echo verklungen ist, und schiebe die Tür auf.

Sogleich blicke ich in tiefschwarze Dunkelheit. Durch die schweren Vorhänge vor dem Fenster dringt kein noch so winziger Sonnenstrahl in den Raum. Mit zusammengekniffenen Augen und wackligen Knien wage ich den ersten Schritt über die Schwelle. Fast schon erwarte ich Alistair, der vor mir auftaucht und mich fragt, wieso ich in seinem Zimmer herumschnüffle.

Entgegen meiner Befürchtung bleibt alles ruhig. Beinahe zu ruhig.

»Alistair?«, wispere ich. »Alistair, bist du hier?«

Stille.

Resigniert lasse ich die Schultern sinken, trete einen Schritt zurück und betätige den Lichtschalter neben der Tür. Während ich meinen Blick wieder durch den Raum schweifen lasse, geht die Deckenlampe mit einem kaum hörbaren Surren an und bestätigt, was ich bereits geahnt habe. Er ist nicht hier.

Natürlich könnte er irgendwo auf dem Campus unterwegs sein, doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass er es nicht ist. Das und sein offen stehender Kleiderschrank, aus dem alle seine Sachen, Schuluniformen ausgenommen, verschwunden sind.

Alistair befindet sich nicht nur nicht in seinem Zimmer, er hat die Akademie verlassen.

KAPITEL 1

Eine Woche später

»Heute ist ein denkwürdiger Tag!«, verkündet meine Großmutter feierlich und hebt die Arme, um ihre Worte zu verdeutlichen. Sie steht auf einer kleinen Bühne an der Wand des Sitzungssaals, in dem regelmäßig der Rat der magischen Welt tagt, vor sich ein Rednerpult, und das Lächeln auf ihren Lippen ist von Stolz erfüllt. Während ihre Stimme durch den Raum hallt und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sie lenkt, ruht ihr wacher Blick auf mir.

Direkt sehe ich zu Boden, betrachte die silbernen Riemchenpumps, die ich zu diesem Anlass trage. Unruhig und weil die neuen Schuhe vom langen Stehen drücken, verlagere ich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und knete meine vor Nervosität feuchten Hände.

»Ist das nicht aufregend?« Serena beugt sich unauffällig zu mir rüber und ihre Begeisterung ist kaum zu überhören. Kurz huscht ein Schmunzeln über mein Gesicht.

Natürlich ist es für sie spannend. Ihr wird heute Abend auch nicht das Schicksal der magischen Welt auf die Schultern geladen. Mir schon.

»Ich glaube, mir wird schlecht«, erwidere ich ebenfalls flüsternd und verziehe das Gesicht. Kurz darauf fährt meine Großmutter mit ihrer Rede fort, allerdings höre ich gar nicht richtig zu. Nachdem ich bei den Proben dabei war, kenne ich sie ohnehin auswendig.

»Du wirst das fantastisch machen«, versichert meine beste Freundin mir.

»Zumindest eine Person, die an mich glaubt.« Na ja, zwei, wenn man meine Großmutter, die das angeleiert hat, mitzählt. Niemand sonst in diesem Saal kann mir erzählen, er wäre mit der Entscheidung meiner Grandma einverstanden. Kein Wunder, ich bin selbst nicht der größte Fan davon. Aber niemand konnte etwas dagegen tun, denn als Seherin und Beraterin des Rats seit nunmehr über vierzig Jahren liegt es einzig in ihrem Ermessen, wann sie ihre Position an ihre Nachfolgerin, also mich, abtritt.

»Vertrau dir, Eve.«

»Versuche ich ja, aber es ist …« … unmöglich. Wie soll jemand wie ich die Regierung der magischen Welt beraten? Vor ein paar Wochen wusste ich nicht einmal von ihrer Existenz. Und in meiner bisherigen Zeit auf der Silvershade Academy habe ich mich auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert.

»Oje. Na, zum Glück hast du mich. Ich habe so viel Vertrauen in dich, das reicht für uns beide«, versichert sie mir und tatsächlich schleicht sich daraufhin ein schwaches Lächeln auf meine Lippen. Meine beste Freundin schiebt eine Strähne ihrer schwarzen Haare hinters Ohr. Seitdem sie sie vorhin auf unserem Zimmer mit einem Lockenstab behandelt hat, machen sie, was sie wollen, aber die entstandenen Wellen können sich sehen lassen. Genauso wie das navyblaue Etuikleid, das ihr bis zu den Knien reicht und ihre schlanke Figur betont.

»Die letzten Wochen haben die magische Welt in Atem gehalten. Unsere letzten Gedanken am Abend und die ersten am Morgen galten den Angriffen auf die Akademien, in denen unsere Nachkommen unterrichtet werden«, erinnert meine Großmutter uns und um mich herum nicken einige Ratsmitglieder, deren Namen ich nicht kenne. Lügner! Hätten sie sich mehr Gedanken um die Schüler gemacht, hätten sie mehr getan, um sie zu beschützen. Meine Worte wären nicht an ihnen abgeprallt wie Seifenblasen, die an einer Mauer zerplatzen.

»Auch wenn das Unheil noch nicht gebannt ist, befinden wir uns auf einem guten Weg und das verdanken wir meiner Enkelin.« Ihr Tonfall wird weicher. Automatisch drehe ich meinen Kopf zu ihr. Durch den Raum begegnen sich unsere Blicke und die feinen Härchen in meinem Nacken stellen sich auf. Nun ist es nicht mehr nur Stolz, den ich in ihren Augen lese, sondern auch Angst.

Angst vor all den Gefahren, die auf mich warten.

Angst vor der Zukunft.

Dieselbe Angst, die ich seit Tagen empfinde.

Immer mehr der anwesenden Persönlichkeiten drehen sich in meine Richtung. Applaus erfüllt den Saal und am liebsten würde ich jeden einzelnen bitten damit aufzuhören. Sie sollen nicht für mich klatschen. Was ich getan habe, war weder besonders klug noch die beste Entscheidung, die ich für die Schule hätte treffen können. Sie war eigennützig, weil ich nicht an der Seitenlinie stehen und darauf warten wollte, dass jemand anderes irgendetwas unternimmt, und letztendlich wäre ich dreimal fast umgekommen. Das ist definitiv kein Lob und keine Anerkennung wert.

»Ohne ihren Mut und Kampfgeist hätten die entführten Schüler nicht gerettet werden können. Ohne sie wäre eine gesamte Verschwörung unentdeckt geblieben.«

Na ja, okay, es mag sein, dass ich mich nicht von meinem Vorhaben habe abbringen lassen, nur weil der Rat den Ernst der Lage nicht verstanden hat. Vielleicht sind Alistair und ich hinter die Identität der Täter gekommen und haben sie als Dämonen in den Körpern der Entführungsopfer entlarvt. Aber das heißt nicht, dass …

Alistair …

Ein bitterer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Seit dem Schulball vor einer Woche wurde er nicht mehr gesehen. Meine Befürchtung, er hätte die Akademie heimlich verlassen, hat sich bestätigt. Und das lässt nur einen Schluss zu: Er stand niemals auf unserer Seite, sondern hat nur auf den richtigen Moment zur Flucht gewartet.

Irgendwann werden wir im Kampf auf verschiedenen Seiten stehen und wenn ich keinen Weg finde, das zu verhindern, ziehe ich dabei den Kürzeren. Unter keinen Umständen werde ich gegen einen Dämon im Kampf bestehen können.

Um den Gedanken fürs Erste zu vertreiben, konzentriere ich mich wieder auf meine Großmutter, deren Rede sich langsam dem Ende zuneigt. »Genevieve hat uns – insbesondere mir – gezeigt, nicht die Erfahrung macht eine gute Seherin aus, sondern ihre Intuition und der Wille, für etwas einzustehen«, erklärt sie gerade in einem höchst feierlichen Tonfall. Sie strafft ihre Schultern und reckt das Kinn in die Höhe. »Diese Werte wurden mir vor vielen Jahren vermittelt, als ich meine rechtmäßige Position als Beraterin des Rats der magischen Welt eingenommen habe. Leider macht das Alter … vergesslich.«

Sie lacht leise und einige Anwesende stimmen mit ein. »Viel zu lang trage ich die Bürde des Universums bereits auf meinen Schultern. Jetzt ist die Zeit, sie weiterzugeben. Genevieve, komm bitte zu mir.«

Das ist mein Zeichen. Wir haben den Ablauf in den vergangenen Tagen bis ins kleinste Detail geprobt, damit ich heute auch ja keinen Fehler mache. Ich bin zwar immer noch nicht glücklich mit Grandmas Entscheidung, die sie uns in der letzten Ratssitzung mitgeteilt hat – ohne mich zu fragen, wohlgemerkt –, aber die Wut, die ich kurz nach der Verkündung auf sie verspürt habe, ist inzwischen verpufft. Unverständnis ist geblieben.

Kurz zögere ich, mein Blick wandert zu der doppelflügeligen Eingangstür des Saals, doch bevor ich auch nur einen einzigen Gedanken an eine mögliche Flucht verschwenden kann, spüre ich Serenas Hand auf meinem Rücken. »Denk nicht einmal dran«, flüstert sie mir zu und schiebt mich voran. »Du kannst dich dafür später bei mir bedanken.«

Automatisch setze ich mich in Bewegung, versuche den Applaus auszublenden und mich auf eine ruhige Atmung zu konzentrieren. Vor Aufregung werden meine Hände feucht und weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, wische ich sie am Rock des violetten Chiffonkleides ab, das Grandma mir vor ein paar Tagen für die heutige Feier geschenkt hat. Zum Glück sieht man meine zittrigen Knie unter dem langen Rock nicht.

Endlich erreiche ich meine Großmutter und stelle mich neben sie. Sie sagt noch ein paar Worte, doch davon bekomme ich kaum etwas mit, weil mein Blick auf den unzähligen Magischen ruht, für deren Schicksal ich nun mitverantwortlich bin.

Einige wirken zuversichtlich, so wie Serena, die bis eben an meiner Seite war, oder River, der schon vor Grandmas Rede in der Menge verschwunden ist, um sich mit irgendwelchen Amtsinhabern zu unterhalten. Andere – fast alle Mitglieder des Rats, den ich von nun an mit meinen Visionen unterstützen soll – sehen alles andere als glücklich aus.

Und ich? Bestimmt erwecke ich mit den perfekt gestylten Haaren, dem eleganten Kleid und dem makellosen Make-up, das ich ohne die Hilfe meiner besten Freundin niemals so hingekriegt hätte, den Eindruck, ich könnte es kaum erwarten. In Wirklichkeit wünsche ich mir jedoch, ich wäre an meinem ersten Tag über diese verdammte Mauer geklettert und hätte das Weite gesucht, solange ich noch die Möglichkeit dazu hatte.

Jetzt ist es dafür zu spät und ehe ich michs versehe, leiste ich den Eid, der alles besiegelt. Währenddessen liegt meine rechte Hand auf einer in Leder gebundenen Ausgabe der Verfassung der magischen Welt und die andere ruht auf meinem Herzen. Mit ruhiger Stimme rattere ich die Worte, die ich in der vergangenen Woche auswendig gelernt habe, herunter und atme erleichtert auf, nachdem ich den Schwur ohne Versprecher hinter mich gebracht habe.

Automatisch lasse ich meine Schultern sinken und wieder dringt verhaltener Applaus an meine Ohren. Das ist … geschafft, nehme ich an. Jetzt bin ich nicht nur eine Seherin, sondern gleichzeitig diejenige, die bei jeder Entscheidung das letzte Wort hat, um so dafür zu sorgen, dass in der Gegenwart nichts passiert, was die Zukunft zum Negativen beeinflussen könnte. Gar kein Druck oder so.

Nur … fühle ich mich nicht anders. Ein Teil von mir hatte gehofft, ich würde mich nach dem Eid sicherer fühlen, aber nein. Noch immer ist da der leise Anflug von Übelkeit, vermischt mit Aufregung und Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, wie viel Zeit ich von nun an mit dem Rat verbringen muss. Mit ebenjenen Magischen, die überhaupt nicht gut auf mich zu sprechen sind und es, ehrlich gesagt, auch noch nie waren.

Ein wenig habe ich den Verdacht, sie haben schon vor unserer ersten Begegnung beschlossen einfach allem zu widersprechen, was ich vorschlage. Dass meine Vorhersage zu dem Angriff auf der Equinox Academy nicht eingetroffen ist und ich aus diesem Grund meine Vision bezüglich der Ballnacht für mich behalten habe, macht das alles nicht besser.

Aber ich habe beschlossen mir von ihnen den Abend nicht verderben zu lassen. Der ganze Rest zerrt schon genug an meinen Nerven, weshalb ich den Moment herbeisehne, in dem ich die Bühne und damit das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit verlassen darf.

Kaum ist der offizielle Teil des Abends vergangen, mache ich Serena in der Menge aus, setze mich in Bewegung und komme nicht einmal einen Meter weit, ehe ich von einem Anzugträger um die vierzig aufgehalten werde. Und ihm folgen viele weitere Persönlichkeiten, die ich vermutlich alle kennen sollte. Knapp zwanzig Minuten vergehen, in denen ich eine Hand nach der anderen schüttele, nett lächele und mir anhöre, dass Großes von mir erwartet wird, während meine Großmutter neben mir beteuert, wie stolz sie auf mich sei.

Herzlichen Dank.

Als wäre der Druck, der auf mir lastet, nicht schon groß genug.

Nach einer halben Ewigkeit schließt meine beste Freundin mich endlich in die Arme. Ihre Berührung sorgt auf der Stelle dafür, dass ich ruhiger werde. Sie hat in den letzten Tagen wirklich hart daran gearbeitet, ihre Gabe unter Kontrolle zu bringen, um am heutigen Abend für mich da zu sein. Dafür bin ich ihr immer noch zutiefst dankbar, obwohl ich erst einmal Grandma überreden musste, damit River und sie mich als mentale Unterstützung begleiten durften.

»Wie geht es dir?«, fragt sie, nachdem sie sich von mir gelöst hat, und mustert mich, als könnte sie in meinen Augen erkennen, was in mir vor sich geht.

»Ging schon besser«, gestehe ich und zucke betont gleichgültig mit den Schultern. »Aber auch schon schlechter. Mach dir keine Gedanken um mich. Ich gewöhne mich dran.« Irgendwann …

»Und fühlst du dich jetzt … du weißt schon … anders?«, will sie daraufhin wissen, was ich verneine. Ich bin immer noch dieselbe Eve, habe nur etwas mehr Einfluss. In der Theorie zumindest. Es bleibt abzuwarten, ob die Ratsmitglieder tatsächlich auf mich hören.

»Schade«, murmelt Serena daraufhin und zieht einen Schmollmund. »Ich hatte gehofft, deine Gabe meldet sich vielleicht wieder zurück …«

Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen schüttele ich den Kopf. Meine letzte Vision hatte ich in der Nacht des Balls und das ist bereits eine Woche her. Seitdem ist meine Gabe verschwunden oder zumindest fühlt es sich so an. Obwohl meine Großmutter mir mehrfach versichert hat, dass ich nur eine Pause brauche und das Universum mir wieder Visionen schickt, sobald ich so weit bin, fehlt mir etwas. Eilig verdränge ich den Gedanken.

»Schon in Ordnung. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich erst einmal nicht sehe. Ich habe wirklich keine Lust darauf, verrückt zu werden. Es ist schlimm genug gewesen, Gegenwart nicht mehr von Vision unterscheiden zu können. Und vernünftigere Entscheidungen als der Rat treffe ich auch ohne meine Gabe«, verspreche ich ihr und entlocke ihr damit ein Kichern.

»Da magst du recht haben. Und siehst du, du musst dir nur etwas mehr vertrauen.« Serena nickt zufrieden. »Holen wir uns was vom Buffet?«

Ihre Frage kommt genau richtig, denn in diesem Moment meldet sich mein knurrender Magen zu Wort. Durch das aufwändige Styling und Make-up, das Serena mir für die Feier auferlegt hat, ist meine letzte Mahlzeit schon Stunden her. Dankbar lächele ich sie an. »Kannst du Gedanken lesen?«

»Vielleicht.« Sie zwinkert verschwörerisch und deutet mit einem Nicken zu der langen Tischreihe am Rand des Saals. Dort reihen sich unzählige Silbertabletts mit den verschiedensten Häppchen aneinander und sorgen dafür, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Und das Beste: Bis auf zwei ältere Herren, deren Namen ich nicht kenne, haben wir das Buffet für uns. Kein Anstehen wie bei der Essensausgabe in der Akademie. Fantastisch!

»Dann verlieren wir besser keine Zeit«, beschließe ich und gehe los. Serena folgt mir, ohne zu zögern, und nicht einmal dreißig Sekunden später laden wir allerlei Köstlichkeiten auf die kleinen ovalen Porzellanteller. Einige Spieße mit grünen Weintrauben und winzigen Käsewürfel schaffen es nicht einmal dorthin, sondern landen direkt in meinen Mund. Genießerisch schließe ich kurz die Augen, während der herbe Geschmack des Käses in meinem Mund auf den fruchtigen der Traube trifft.

»Ich glaube, das Essen ist das Beste heute Abend«, verkünde ich und entlocke meiner besten Freundin ein amüsiertes Schnauben.

»Nicht deine massive Beförderung?«

»Die Beförderung, die ich nicht wollte«, erinnere ich sie und schiebe mir eine weitere Traube in den Mund. »Nein, ich denke, ich bleibe beim Essen.«

Kichernd greift Serena sich ebenfalls einen Käse-Trauben-Spieß und legt ihn zu einer Nussecke. »Zumindest siehst du jetzt das Positive an dem Abend und wenn es nur die Häppchen sind. Das ist besser als nichts.«

Da sagt sie was. Sie lassen mich beinahe vergessen, was diese Feier eigentlich ist. Eine Farce, der ich mich wohl oder übel fügen musste.

Gut, wir haben vor einer Woche das Schlimmste bei dem Angriff auf die Silvershade verhindert, doch das hat nicht alle unsere Probleme aus der Welt geschafft. Noch immer werden Schüler vermisst, denn die Dämonen haben nicht jeden ihrer Körper in den Kampf geschickt, sondern einige zurückgehalten. Die Suchtrupps des Rats waren bisher keine Hilfe, was mich von Anfang an nicht hätte wundern sollen.

Wir sollten nicht feiern, dass die magische Welt endlich eine neue Seherin hat und die alte ihren wohlverdienten Ruhestand antreten kann. Das ist nicht der richtige Moment. Eigentlich sollten wir uns eher darum kümmern, die Verschwörer ausfindig zu machen und dem Spuk ein Ende zu bereiten. Doch laut meiner Großmutter brauchten nicht nur die Würdenträger in den hohen Positionen diese Veranstaltung, um Hoffnung für eine rosige Zukunft zu schöpfen, sondern auch die Bevölkerung. Ich für meinen Teil halte nicht viel davon, den Magischen da draußen vorzugaukeln, alles wäre gut, wenn das nicht das Fall ist. Wie immer hatte ich selbstverständlich kein Mitspracherecht.

»Na, amüsiert ihr euch?« Rivers Stimme durchbricht meine Gedanken. Automatisch drehe ich mich zu dem Jungen um, der soeben zu uns gestoßen ist und Serena einen liebevollen Kuss auf die Wange gibt.

»Wir reden übers Essen«, erklärt diese ihm und hält ihm ihren Teller vor die Nase. »Willst du? Die sind echt lecker.«

Schon bevor sie die Frage zu Ende ausgesprochen hat, nimmt River sich die Nussecke und beißt genüsslich ab. »Stimmt, die sind echt gut«, bestätigt er nickend, runzelt danach jedoch seine Stirn. »Aber gibt es hier nicht Wichtigeres zu besprechen als das Essen? Ich meine, wir befinden uns im Capitol, dem Sitz unserer Regierung. Hier werden die Entscheidungen getroffen, die jeden Einzelnen von uns beeinflussen …« Mit jedem Satz klingt er aufgeregter. Seine Augen funkeln wie die eines kleinen Jungen kurz vor der weihnachtlichen Bescherung. Automatisch schmunzele ich.

River hat sich heute Abend für einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und einer passenden Krawatte entschieden. Obwohl sich nur die Farbe von seiner gewöhnlichen Schuluniform unterscheidet, wirkt er in seinem Outfit älter und autoritärer. Ein wenig, als würde er genau hierhergehören. Dazu trägt er seine neue Brille, die sich kaum von seinem alten, kaputten Modell unterscheidet und seinen Intellekt unterstreicht.

»So spannend ist es nicht. Immerhin war ich schon mal hier«, erinnere ich ihn. »Außerdem werde ich in Zukunft wohl viel Zeit in diesen Räumlichkeiten verbringen.« Daran wollte ich eigentlich nicht denken, kann es jedoch nicht verhindern. Mich erwarten mindestens wöchentlich stattfindende Sitzungen für die nächsten zwanzig Jahre, wenn nicht noch länger. Bis zu dem Tag, an dem die Tochter, die ich erst mal kriegen muss, ihre Ausbildung abgeschlossen hat und in meine Fußstapfen tritt. Warum Grandma mir nicht noch die Zeit lassen konnte, bis ich mein Abschlusszeugnis in den Händen halte, weiß ich nicht genau. Vermutlich war sie ihren Job schlicht und ergreifend leid, nachdem sie ihn bereits doppelt so lang ausüben musste wie gedacht.

»Ich würde wirklich gern mit dir tauschen«, erwidert River überraschend und stößt ein Seufzen aus.

Perplex starre ich ihn an und doch erkenne ich nichts als pure Ehrlichkeit in seinen Gesichtszügen. Er lügt nicht.

»Ach ja?«, hake ich trotzdem nach, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendjemand meinen Posten einnehmen wollen würde. Immerhin gibt es so viel bessere Berufswünsche, die nichts damit zu tun haben, sich Woche für Woche für Woche mit sturen Ratsmitgliedern anzulegen.

Tatsächlich nickt er. »Ich glaube, der Rat der magischen Welt könnte etwas frischen Wind gebrauchen. Nicht die Institution an sich ist … schlecht. Sie sind nur zu sehr in ihren Meinungen festgefahren. Vielleicht wäre das anders, wenn die Regierung jemanden hätte, der Neuem gegenüber offener und bereit wäre andere Blickwinkel in Betracht zu ziehen. Verstehst du?«

Und auf einmal tue ich das. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz und ich weiß nicht wieso, aber meine Mundwinkel heben sich zu einem Lächeln. »Du willst in den Rat.«

Die Röte, die sich daraufhin auf seinen Wangen bildet, ist Antwort genug. »Ich denke schon eine Weile darüber nach und … ja, wenn ich achtzehn bin, würde ich gern kandidieren.«

Mein Lächeln wird breiter. »Meine Stimme hast du sicher«, verspreche ich ihm und entlocke ihm damit ein leises Lachen.

»Danke, das weiß ich zu schätzen. Leider dürfen nur die jeweiligen Magischen für ihre Repräsentanten abstimmen.«

»Oh. Das wusste ich nicht.« Jetzt breitet sich auch auf meinen Wangen eine verlegene Röte aus, doch sie verfliegt genauso schnell, wie sie gekommen ist.

»Ähm, Eve?«, höre ich Serena murmeln. Ihre Stimme klingt entsetzt, beinahe ein wenig ängstlich. Sie legt ihre Hand auf meine Schulter. Sofort spüre ich ihr Zittern und drehe mich, ohne zu zögern, um. Meine beste Freundin fixiert einen Punkt an der Wand neben der Eingangstür.

Ich folge ihrem Blick … und erstarre.

Das kann nicht sein. Wieso ausgerechnet hier? Und wie ist er ins Capitol reingekommen? Dieser magische Teil des Regierungsgebäudes hat keine Eingänge! Eine Hexe oder ein Hexer mit der Kraft zu teleportieren muss einen herbringen, sonst hat man keine Chance, auch nur einen Fuß in den Flur des Stockwerks zu setzen. Er sollte nicht hier sein!

»Du siehst ihn auch, oder?«

Langsam nicke ich, kann mich jedoch nicht von ihm abwenden. In der dunklen, abgetragenen Jeans, die ihm locker auf den Hüften sitzt, und der typischen schwarzen Lederjacke lehnt er an der Wand und schaut geradewegs in unsere Richtung.

Alistair.

KAPITEL 2

Unsere Blicke verhaken sich über die Distanz hinweg und unwillkürlich halte ich den Atem an. Alistairs Mundwinkel zucken und schon bald liegt ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Er wirkt ehrlich, beinahe ein wenig stolz und seine braunen Augen strahlen, doch auch wenn mein verräterisches Herz flattert, nehme ich ihm das nicht ab.

Verdammt, er ist abgehauen, rufe ich mir ins Gedächtnis. Hat seine Sachen geschnappt und ohne ein Wort das Weite gesucht. Nach seinem Verschwinden war ich unfassbar wütend auf ihn. Kaum zurück auf meinem Zimmer habe ich Serena aus dem Schlaf gerissen, ihr von meiner Vision erzählt und sie direkt danach in die Turnhalle gezerrt, wo wir stundenlang gemeinsam trainiert haben. Die meiste Zeit davon habe ich genutzt, um auf die Polster einzuschlagen, die sie hochgehalten hat, und mir vorzustellen, Alistair stünde vor mir. Das hat erstaunlich gutgetan. Leider ist mein Zorn auf ihn dadurch nicht weniger geworden.

Wer weiß, wo er sich in der letzten Woche aufgehalten und was er verbrochen hat? Vielleicht hat er uns bereits verraten. Und selbst wenn nicht, er wird in Zukunft noch für Unmengen an Ärger sorgen.

Wie glühend heiße Lava brodelt die Wut in mir. Sie war die ganze Zeit da und hat nur auf den richtigen Moment gewartet, um wieder an die Oberfläche zu treten.

Ich balle die Hände zu Fäusten und atme tief durch, doch mit jeder Sekunde wird mein überschäumender Zorn stärker, allumfassender. Ehe ich michs versehe, laufe ich los.

»Eve, warte!«, höre ich meine beste Freundin rufen. Trotzdem werde ich nicht langsamer. »Was hast du vor?«

Wenn ich das wüsste. Sicher ist nur eins: Ich muss meinem Ärger auf ihn Luft machen, bevor ich explodiere. Mit festen, schnellen Schritten nähere ich mich ihm und mit jedem von mir zurückgelegten Meter verblasst sein Lächeln ein wenig mehr. Gut, denn wenn ich mit ihm fertig bin, hat er nichts mehr zu lachen.

Endlich erreiche ich ihn, greife nach seinem Handgelenk und zerre ihn durch die offene Tür nach draußen. Was ich ihm zu sagen habe, muss nicht unbedingt der ganze Raum mithören. Zum Glück wirkt er von meiner forschen Art kurzzeitig irritiert und wehrt sich nicht.

Im Korridor will ich ihn gegen die Wand drücken, wie er es schon oft mit mir im Training getan hat, doch das Überraschungsmoment ist vorbei. Alistair packt mich an den Schultern und stemmt sich gegen mich, ehe ich es realisiere.

»Sag mal, habe ich dir was getan?«, fährt er mich an und lässt mich unvermittelt los. Ich rechne nicht damit und stürze mit einem überraschten Aufschrei nach vorne – direkt in seine Arme. Seine Wärme und der herbe Duft, der für ihn so typisch ist, hüllen mich ein. Nur lasse ich dieses Mal nicht zu, dass er meinen Verstand vernebelt, sondern lege meine Hände an seine durchtrainierte Brust und stoße mich von ihm ab.

Einige Schritte taumele ich rückwärts und stoße so selbst gegen die andere Wand. Das hätte ich mit etwas mehr Übung sicherlich auch graziler hinbekommen.

»Ob du mir was getan hast?«, entgegne ich scharf und verenge die Augen zu Schlitzen. »Ich bin stinkwütend auf dich. Falls du dich nicht daran erinnerst, du bist vor einer Woche spurlos verschwunden! Kurz nachdem Dämonen unsere Schule angegriffen haben. Was soll ich da anderes denken …?«

Seine Augen weiten sich, als klar wird, was ich sagen will. Dann stößt er ein freudloses Lachen aus und jagt mir damit eine Gänsehaut über die unbedeckten Arme. »… als dass ich zu ihnen gehöre?«, schließt er richtig.

»Genau.« Mit jedem Tag, der vergangen ist, habe ich meinen Glauben an ihn mehr verloren. Wie soll ich ihm je wieder trauen, wenn auch nur die winzige Wahrscheinlichkeit besteht, dass er sich gegen mich wendet? Und wie bringe ich mein Herz dazu, in seiner Gegenwart nicht mehr so unfassbar schnell zu schlagen?

»In dem Fall muss ich dich enttäuschen«, fährt er nach einem unendlich langen Moment der Stille fort. Die Verbitterung ist ihm immer noch deutlich anzuhören. »Ich bin nicht abgehauen.«

»Ach wirklich?«, erwidere ich ungläubig und stemme die Hände in die Taille. Die Stelle, mit der ich gerade an die Wand gestoßen bin, beginnt zu pochen. Ich schürze die Lippen und schlucke den Schmerz hinunter. »Wo bist du dann die letzten Tage gewesen?«

Alistair schnaubt. Wut glimmt in seinen Augen auf und lässt die Flammen in ihnen tanzen. Der sonst so faszinierende Anblick wirkt auf einmal angsteinflößend und jagt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.

»Wenn du es genau wissen willst, ich wollte sichergehen, dass es keinen weiteren Brandherd mehr auf dem Schulgelände gibt. Immerhin war ich der Einzige, der etwas gegen das Höllenfeuer hätte unternehmen können. Auf halber Strecke zurück zu euch ist mir ein Kommando des ach so tollen Rats über den Weg gelaufen und hat mich verhaftet, weil sie dasselbe gedacht haben wie du.« Seine Stimme wird mit jedem Wort lauter und auch wenn ich nicht so heftig auf seine Erzählung reagieren will, spüre ich, wie sich ein faustgroßer Kloß in meiner Kehle bildet. Mühsam schlucke ich ihn herunter.

»Ach ja?«, murmele ich. Das schlechte Gewissen breitet sich beinahe im selben Moment in meiner Magengrube aus, dabei hat das nichts zu heißen. Vielleicht hatte der Rat zur Abwechslung mal den richtigen Riecher. Wieso fühle ich mich trotzdem, als hätte ich ihn zu Unrecht beschuldigt? Ich weiß doch, was ich gesehen habe! »Aber deine Kleidung war auch weg …«

»Meine Kleidung? Du hast mein Verschwinden als Flucht interpretiert, weil meine Sachen nicht im Schrank gehangen haben?« Verständnislos schüttelt er den Kopf und erneut entweicht ihm ein freudloses Lachen. »Vielleicht ist dir das Konzept neu, aber auch Dämonen müssen ab und an mal waschen.«

Auf einmal ist sie wieder da, die Wut, und verdrängt jeden Fitzel meines schlechten Gewissens. Gut, okay, ich wusste nichts von seiner Verhaftung. Niemand hat mir davon berichtet – obwohl der Rat das Thema bei der letzten Sitzung ruhig hätte anschneiden dürfen! – und ich habe nicht versucht herauszufinden, was geschehen ist, weil der Fall für mich nach meiner Vision klar war. Muss er deshalb so herablassend werden? Hätte er an meiner Stelle anders gehandelt?

»Na schön«, murre ich. »Das war mein Fehler. Aber du bist jetzt hier, also … haben sie dich gehen lassen?«

»Jemand hat für mich gebürgt«, erklärt er kurz angebunden und vergräbt die Hände in seinen Hosentaschen. Ein stummer Vorwurf klingt in seiner Stimme mit.

»Aber wer …?«

… würde sich sonst auf die Seite eines Dämons schlagen, um ihn aus dem Gefängnis zu holen? Wer außer mir – oder meinem Ich von vor einer Woche, vor meiner Vision – würde so etwas tun? Wenig später fällt mir selbst die Antwort ein. Sie ist so offensichtlich. Beinahe muss ich lachen. Gleichzeitig verstehe ich nicht, wie sie mir das verschweigen konnte.

»Meine Großmutter«, wispere ich einsichtig. Sie hat ihn einmal gerettet. Natürlich würde sie ihm auch ein zweites Mal zu Hilfe eilen. Keine Ahnung wieso, doch sie hat nie aufgehört das Gute in ihm zu sehen, während ich mich von dem Offensichtlichen habe blenden lassen.

Klar, da ist immer noch meine Vision, die wie ein Damoklesschwert über allem schwebt, was wir einmal hatten, doch … sie muss nicht wahr werden, rufe ich mir ins Gedächtnis. Nur … will ich das Risiko eingehen? Im schlimmsten Fall bedeutet es meinen Tod.

»Genau, aber was das eigentlich Wichtige daran ist: Du warst es nicht. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass du dich für mich einsetzt. Dabei bist du nicht mal auf die Idee gekommen, mein Verschwinden könnte nichts mit den anderen Dämonen zu tun haben. Ist doch so, oder?«

Mit jeder Silbe wird sein Tonfall feindseliger. Als hätte er sich vorher noch zusammengerissen und dieses Unterfangen jetzt aufgegeben. Jedes Wort fühlt sich an wie ein Messer, das er geradewegs in meinen Rücken rammt. Ich japse nach Luft, doch der Druck, der sich auf meine Brust legt, ist zu mächtig, macht es mir fast unmöglich zu atmen.

»Ich …«, bringe ich mühsam hervor, »… ich … Alistair … Es tut mir leid.«

»Ja, mir auch«, erwidert er tonlos und schürzt die Lippen. Augenblicklich sinkt die Temperatur zwischen uns um mindestens zehn Grad, obwohl das unmöglich ist. In seiner Gegenwart sollte das Thermometer, wenn überhaupt, in die Höhe schießen. »Ich habe ernsthaft gedacht, du würdest zu mir stehen, aber ist schon okay. Schlussendlich bleibe ich nun mal ein Dämon und du musst die magische Welt vor solchen wie mir beschützen.«

»Nein«, widerspreche ich auf der Stelle und schüttele den Kopf. Wie ein Reflex, den ich nicht kontrollieren kann oder will. Der Druck auf meiner Brust nimmt zu und heiße Tränen brennen in meinen Augen. »Nein, das … das ist nicht wahr. Die Sache … ist nur …«

»Lass gut sein, Eve«, unterbricht er mich resigniert. »Ich sehe die Angst in deinen Augen. Du solltest jetzt gehen.«

Ein Teil von mir will protestieren, aber ich bringe es nicht über mich. Wie konnte das passieren? So war das nicht geplant. Verdammt, ich war wütend auf ihn und wollte ihm die Meinung geigen. Warum bin ich jetzt diejenige, die kurz davorsteht zu heulen? Wieso habe ich das schlechte Gewissen und warum zum Teufel will ich, dass er mir verzeiht? Das ist doch … falsch.

Auf einmal spüre ich eine Hand an meinem Rücken und zucke zusammen. Neben mir erscheint River und schenkt mir ein tröstendes Lächeln, das ich versuche zu erwidern. Kurz darauf baut sich Serena zwischen mir und Alistair auf und stemmt die Hände in die Taille, ehe sie das Kinn in die Höhe reckt. Wann sind die beiden hier aufgetaucht?

»Was fällt dir eigentlich ein?«, fährt meine beste Freundin ihn in einer Lautstärke an, die man sicher im gesamten Gebäude hört. »Du hattest uns fast so weit, weißt du? Beinahe hättest du uns bewiesen, dass auch gute Dämonen existieren. Aber jetzt tauchst du hier auf, nachdem du eine Woche wie vom Erdboden verschluckt gewesen bist, und brauchst nicht mal fünf Minuten, um Eve zum Weinen zu bringen.«

River verstärkt den Druck an meinem Rücken und zieht damit erneut meine Aufmerksamkeit auf sich. Er deutet mit einer Kopfbewegung auf den Saal und ich nicke dankbar. Nach diesem Gespräch brauche ich dringend etwas Zeit, um mir über alles klar zu werden.

Wir treten gemeinsam den Rückzug an und kommen erst beim Buffet zum Stehen. Dort drückt er mir eine Nussecke in die Hand. Etwas Zucker wird mir guttun. »Danke«, murmele ich und beiße ab, doch der eigentlich süße, nussige Geschmack gerät vollkommen in den Hintergrund, weil ich immer noch die Bitternis der letzten Minuten auf der Zunge spüre.

Wenig später kehrt Serena zu uns zurück. Sie sieht zufrieden aus, als hätte sie die ganze Zeit nur darauf gewartet, Alistair ungespitzt in den Boden zu rammen. Ohne zu zögern, nimmt sie mich in den Arm und lässt ihre Berührung wieder beruhigend auf mich wirken. Tief atme ich durch und entspanne mich. Erst nach einigen Sekunden löst sie sich von mir, woraufhin ich mir die Feuchtigkeit aus den Augen wische. Trotzdem ist mir nicht mehr danach, den Rest des Abends hier zu verbringen. Dieser Umstand bleibt den beiden nicht verborgen.

»Willst du nach Hause?«, fragt meine beste Freundin einfühlsam. Besorgnis glitzert in ihren Augen. Als ich nicke, huscht für einen Sekundenbruchteil ein nicht überraschter, aber dennoch enttäuschter Ausdruck über ihr Gesicht. Sie würde gerne bleiben, wird mir klar. Genauso wie River.

»Dann gehen wir Matthew suchen«, beschließt Serena und schaut sich im Raum nach dem Hexer um, der Grandma und mich immer von der Akademie zu den Ratssitzungen bringt. Auch heute hat er uns zu Hause abgeholt und hier abgesetzt.

»Nein«, widerspreche ich und schüttele den Kopf. »Ihr müsst nicht wegen mir mitkommen. Der Abend ist noch jung und ihr seid auch offiziell vom Rat der magischen Welt eingeladen worden.«

»Aber wir können dich nicht allein lassen«, beharrt River, obwohl auch ihm deutlich anzusehen ist, wie gerne er sich weiter mit den ganzen Anzugträgern, vor denen ich den ganzen Abend geflohen bin, unterhalten würde.

»Natürlich könnt ihr«, erwidere ich. »Außerdem würdet ihr mir einen großen Gefallen tun, wenn ihr Alistair im Auge behaltet. Früher oder später muss er in den Saal zurückkehren und mir … ist nicht wohl dabei.«

Seine Anwesenheit bedeutet zwangsläufig, dass der Rat darüber in Kenntnis gesetzt wurde und damit einverstanden war. Er muss eine Erlaubnis haben. Ob ihn das allerdings vertrauenswürdiger macht, bezweifele ich.

»Klar, das machen wir«, verspricht Serena und schenkt mir ein Lächeln. »Aber sollen wir dich nicht doch begleiten?«

»Macht euch um mich keine Sorgen. Ich gehe nach Hause und erstatte Kathy Bericht, damit sie weiß, dass sie hier definitiv nichts verpasst hat.« Da unsere Freundin erst dreizehn ist und ihre Mutter, die neue Schulleiterin der Silvershade, ihr darüber hinaus Hausarrest aufgebrummt hat, konnte sie nicht mit uns herkommen.

»In Ordnung, aber wir bleiben auch nicht mehr lang«, lautet Serenas Kompromiss, was mir ein Kichern entlockt.

»Bleibt meinetwegen bis zum Morgengrauen und amüsiert euch. Wir sehen uns an der Akademie.«

Zum Abschied umarme ich die beiden noch einmal und wünsche ihnen viel Spaß. Erst nachdem ich mich versichert habe, dass die zwei sich keine unnötigen Gedanken um mich machen und mir in zehn Minuten folgen, wende ich mich von ihnen ab und halte im Saal nach meiner Großmutter Ausschau.

In der Nähe des Rednerpults werde ich fündig. Dort steht sie mit drei Männern und einer älteren Dame. Keinen davon habe ich bisher gesehen, noch kenne ich ihre Namen.

So selbstbewusst, wie es mir nach der Begegnung mit Alistair möglich ist, mache ich mich auf den Weg und bin stolz auf mich, weil meine Knie im Gehen nicht zittern.

»Ah, Genevieve, da bist du ja. Wir haben uns schon gefragt, wo du steckst«, begrüßt Grandma mich und breitet ihre Arme aus, um mich willkommen zu heißen. »Darf ich dir einige meiner engsten Freunde vorstellen?«

Da alle Augen auf mich gerichtet sind, lasse ich die Prozedur über mich ergehen und bemühe mich ein strahlendes Lächeln auf den Lippen zu halten. »Selbstverständlich.«

»Wundervoll«, verkündet sie und beginnt einige Namen herunterzurattern, die ich mir nie und nimmer merken werde. Zumindest nicht heute. Ich schüttele ihre Hände und murmele einige nette Worte, ehe ich mich meiner Großmutter zuwende.

»Darf ich kurz unter vier Augen mit dir sprechen?«, bitte ich sie und versuche meinen Blick so flehentlich wirken zu lassen, dass sie meine Bitte nicht ausschlägt. Es funktioniert.

»Entschuldigt uns für einen Moment«, lässt sie ihre Freunde wissen und nimmt mich danach beiseite. Wir gehen einige Schritte zu einem Teil des Saals, wo wir zumindest ein bisschen ungestörter sind. »Was ist denn los, Eve? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«

»Das nicht, nur einen Dämon«, murmele ich. Eigentlich wollte ich ihr nur sagen, dass ich mich nicht gut fühle und nach Hause möchte, aber kaum dass ich meinen Mund geöffnet habe, sprudeln die Worte einfach nur so aus mir heraus. »Hast du gewusst, dass Alistair hier sein würde?«

Sogleich runzelt sie die Stirn. »Ich habe ihn eingeladen. Selbstverständlich wusste ich es«, eröffnet sie mir ruhig. Ihrem Tonfall entnehme ich dennoch, dass ihr meine Reaktion nicht gefällt. »An der Akademie habt ihr vertraut miteinander gewirkt. Ich dachte, du freust dich, wenn er hier wäre, bevor er morgen an die Schule zurückkehrt …«

»Er wird … was?«, zische ich und beiße mir auf die Zunge, um nicht zu laut zu werden.

»Du bist nicht einverstanden«, stellt sie resigniert fest und stößt ein Seufzen aus. Mit einer Hand massiert sie sich die Schläfe, ehe sie fortfährt. »Ist etwas vorgefallen?«

Nein, das nicht, aber …

»Vermutlich wird etwas vorfallen«, bestätige ich und senke den Blick. Sie versteht auf der Stelle und ich weiß, sie wird Einzelheiten von mir verlangen. »Letzte Woche, kurz bevor mir sein Verschwinden aufgefallen ist, habe ich eine Vision gehabt, in der Alistair und ich gegeneinander kämpfen.«

Bislang habe ich ihr diese Information verschwiegen, um zu vermeiden zurück zu meiner Tante und in mein Nomadendasein geschickt zu werden. Automatisch spanne ich mich an, rechne mit einer Standpauke, doch Grandma bleibt vollkommen gelassen. Zu meiner Überraschung lächelt sie sogar, als ich wieder aufschaue. »Weißt du, wieso ich mich letztes Jahr für Alistair eingesetzt habe?«, will sie daraufhin wissen.

Natürlich weiß ich es. Grandma konnte nicht mit ansehen, wie der Rat einen Dämon grundlos wegsperrt. Obwohl Alistair sich tatsächlich einiger Vergehen wie Brandstiftung schuldig gemacht hat, hat sie alles darangesetzt, ihn aus dem Hochsicherheitsgefängnis zu holen und ihm ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen. Nachdem ihr das gelungen ist, hat sie ihn auf die Silvershade geschickt.

»Er sagte, weil du das Gute in ihm gesehen hast …«

»So ist es.« Sie nickt bestätigend. »Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass in ihm sehr viel mehr steckt. Und dass du ohne ihn verloren sein würdest.«

»Aber …« … was, wenn damit gemeint ist, dass Alistair mich vor den Gefahren bewahrt, die bereits geschehen sind? Ohne ihn wäre ich verloren gewesen, das stimmt zwar, doch es ist noch nicht vorbei. Vielleicht ist er derjenige, der das größte Hindernis darstellt.

»Die Zukunft ist ein kompliziertes, seltsames Konstrukt. Ein falsches Wort und sie fällt zusammen wie ein Kartenhaus im Wind. Wenn du glauben willst, dass er sich gegen dich stellt, tu es und du wirst sehen, es wird genau so kommen. Vertraust du ihm stattdessen, könnt ihr gemeinsam siegen.«

»Das weißt du nicht«, beharre ich. »Die Zukunft könnte ganz anders aussehen.«

»Genau. Unsere Visionen sind wichtig, das will ich gar nicht bestreiten. Sie geben uns ein Gefühl von der Zukunft, auf die wir zusteuern, aber manchmal ist es vernünftig, sie nicht zu ernst zu nehmen. Das wirst du mit den Jahren lernen«, verspricht sie, doch ich verstehe es trotzdem nicht.

»Du willst mir also sagen, ich soll sie ignorieren.« Das ist unmöglich. Als ob sie einfach vergessen könnte, wenn sie ihren eigenen Tod durch die Hand des Mannes gesehen hätte, von dem sie dachte, sie würde ihm etwas bedeuten.

»Nein, das nicht«, erklärt sie mir und hebt beschwichtigend die Arme. »Ein Beispiel: Würdest du aufhören Serena zu vertrauen, falls du sehen würdest, wie sie versucht dir zu schaden?«

Verdammt, damit hat sie mich. Automatisch balle ich die Hände zu Fäusten und mein Blick wandert zu Boden. »Nein, ich würde ihr vertrauen.«

»Sehr richtig. Du würdest alles daransetzen, deine Vision nicht eintreten zu lassen. Warum verdient Alistair das nicht auch?«

Weil … weil … nichts. Zwischen den unzähligen Gedanken, die seit einer Woche durch meinen Kopf schießen, ist kein plausibler Grund zu finden und ich weiß nicht, was mich wütender macht: dieser Umstand oder die Tatsache, dass meine Großmutter in jeder Situation die richtigen Worte findet.

»Das ist kompliziert«, meine ich schließlich. Eine lahme Rechtfertigung, doch ich brauche Zeit, um für mich selbst zu entscheiden, wie ich ihm zukünftig begegnen will. Mir war vorher nie klar, was sich alles in einer Woche – nur sieben kurzen Tagen – verändern kann. Seine Abwesenheit hat so viel ruiniert und die Wut ist da, obwohl er anscheinend nichts dafürkann. Ich kann sie nicht einfach verpuffen lassen. Noch nicht. Dafür ist sie zu mächtig.

»Nur weil du es dazu machst.« Liebevoll streicht sie mir dabei über den Arm, bis sie meine geballte Faust erreicht. Instinktiv öffne ich sie und nach einigen Malen tief ein- und ausatmen fühle ich mich ruhiger.

»Ich … denke drüber nach«, verspreche ich ihr und hebe den Blick. »Zu Hause. Bin ich sehr unhöflich, wenn ich jetzt schon gehe? Mir ist nicht mehr nach Feiern zumute.«

Kurz zögert sie, dann wird ihre Mimik weicher und sie lächelt. »Unhöflich wäre nur, wenn du gehen würdest, ohne dich zu verabschieden. Zumindest eine Runde solltest du noch drehen.«

»Es sind bestimmt zweihundert Leute hier.« Der Saal ist riesig und auch wenn sich inzwischen einige Grüppchen gebildet haben, ist die Anzahl der Anwesenden immer noch beachtlich. Selbst wenn ich mich nur kurz von jedem verabschieden würde, würde es eine halbe Ewigkeit dauern.

Meine Großmutter bemerkt mein fassungsloses Gesicht und kichert. Mitleid hat sie natürlich nicht mit mir. Ist das ihre Art, mir zu sagen, dass es noch zu früh ist, um sich zu verziehen? Wahrscheinlich. »Je eher du fertig bist, desto eher schickt Matthew dich nach Hause.«

KAPITEL 3

Zwei geschlagene Stunden später befreie ich mich endlich aus dem letzten nervenaufreibenden Small Talk mit einem älteren Ehepaar. So interessant die Feendame, der Elfenmann und ihre bewegte Jugend auch sind, langsam fühle ich mich nicht nur ausgelaugt von den vielen Magischen und der Aufmerksamkeit, sondern bin schlicht und ergreifend müde. Dazu kommt die kontinuierliche Angst, Alistair könnte jeden Moment auftauchen. Bisher hat er sich allerdings noch nicht wieder im Saal blicken lassen.

Auf dem Weg zurück zu meiner Großmutter, die inzwischen mit Joan, der Repräsentantin der Feen im Rat, spricht, hakt sich auf einmal Serena bei mir unter. Das lässt mich fast vergessen, dass wenige Meter von mir entfernt die Frau steht, die mir damals die Schuld an der Entführung ihrer Töchter gegeben hat.

»Wir dachten, du wärst schon weg«, lässt meine beste Freundin mich wissen.

»Wäre ich auch gerne. Leider musste ich mich erst von jedem einzelnen Gast verabschieden. Und die sind alle so redselig«, murmele ich und schüttele erschöpft den Kopf. »Jetzt bin ich endlich durch und darf nach Hause.«

Ein Lichtblick.

»Dann begleite ich dich«, beschließt sie und ehe ich protestieren kann, fährt sie fort. »Das Buffet ist leer und ich glaube, mein Freund hat sich in die Vorstellung verliebt, hier bald ein und aus zu gehen. Der kommt auch ohne mich klar.«

Ich kichere. »Na, wenn das so ist … gehen wir.«

Nachdem ich mich zu guter Letzt von meiner Grandma verabschiedet habe, bringt Matthew uns nach Hause. Der Hexer trägt auch heute seinen obligatorischen Anzug samt Sonnenbrille und wirkt damit, als könnte er ebenso gut bei den Men in Black einsteigen. Er setzt uns vor dem Wohnheim ab, nickt uns kurz zu und löst sich in Luft auf.

Stille empfängt uns.

In den letzten Stunden habe ich mich so sehr an die Unterhaltungen und das vornehme Gelächter im Hintergrund gewöhnt, wodurch die nächtliche Ruhe fast schon ungewohnt ist. Beinahe unheimlich. Das ändert sich auch nicht, nachdem wir das Gebäude betreten haben. Es ist nach zehn und die Schüler befinden sich bereits auf ihren Zimmern.

»Und?«, fragt Serena, während wir den unnatürlich langen Korridor entlanggehen. Unsere Räumlichkeiten befinden sich am Ende des Ganges dieser unmöglichen Architektur.

»Und was?«, erwidere ich verwirrt und sehe sie mit gerunzelter Stirn an.

»Wie fandest du den Abend? Wie fühlst du dich, nachdem du einen der wichtigsten Posten in der Regierung eingenommen hast? Wie geht es dir damit, dass Alistair wieder aufgetaucht ist?«, spezifiziert sie und hebt eine Braue. Da wir endlich unser Zimmer erreicht haben, öffnet sie die Tür, ehe sie fortfährt. »Hast du gedacht, ich lasse dich so einfach vom Haken? Als deine beste Freundin ist es meine Pflicht, dich dazu zu bringen, mit mir über deine Probleme zu sprechen, damit wir sie zusammen lösen können, oder?«

»Da hast du natürlich recht«, gebe ich seufzend zu und schlendere zu meinem Bett, auf das ich mich fallen lasse. »Der Abend war … nicht so schlimm wie befürchtet. Dieses ältere Ehepaar ist echt nett gewesen. Ich wusste gar nicht, dass es auch Paare gibt, die aus verschiedenen Arten Magischer bestehen.«

Neben mir sinkt die Matratze etwas nach unten, als Serena sich dort hinsetzt. »Wieso sollte es keine geben? Zwei meiner Schwestern haben Elfengene und eine ist zur Hälfte Fee. Die anderen, so wie ich, sind voll und ganz Sirene. Glaube ich zumindest. Es ist schwer, in meiner Familie den Überblick zu behalten. Aber lenk nicht vom Thema ab. Wie geht es dir mit allem?«

Verdammt. Ein wenig hatte ich gehofft sie abzulenken, wenn ich Gegenfragen wie diese stelle. Da ich noch nicht lange Teil der magischen Welt bin, ist sie das inzwischen gewohnt, denn wie sonst sollte ich mehr über sie erfahren? Heute funktioniert es leider nicht.

»Ganz gut, schätze ich«, antworte ich ehrlich. »Ich glaube, es wäre schlimmer, wenn Grandma mich direkt ins kalte Wasser schubsen würde.«

»Aber das macht sie ja nicht, oder?«

»Zum Glück nicht. Sie hat letzte Woche gesagt, sie begleitet mich noch zwei oder drei Monate zu den Sitzungen, um mich anzuleiten und darauf vorzubereiten, später allein klarzukommen. Dennoch habe ich ab sofort das letzte Wort und das ist … beängstigend.«

»Du wirst das hinkriegen. Wenn du nicht bereit dafür gewesen wärst, hätte deine Grandma nicht entschieden dich so früh ihre Nachfolge antreten zu lassen«, erinnert Serena mich und schenkt mir ein Lächeln.

»Ich weiß«, erwidere ich. »Grandma glaubt an mich. Sie hätte mir die Verantwortung nicht übertragen, wenn sie nicht davon überzeugt wäre, dass ich sie nutze, um dem Rat beim Vorgehen gegen die Verschwörung zu helfen.« Ein Teil von mir ist stolz darauf, dass sie so große Stücke auf mich hält und mich zu ihrer Nachfolgerin gemacht hat, obwohl meine Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist und ich obendrein im Moment keine Visionen habe. Ein anderer fürchtet jedoch dem Druck nicht standhalten zu können. Hoffentlich bewahrheitet sich Serenas Optimismus und ich schaffe das alles.

Neben den wöchentlichen Sitzungen mit einem Dutzend Magischer, die mich genauso wenig leiden können wie ich sie, erwarten mich auch zusätzliche Unterrichtsstunden und eine ganze Menge Selbststudium in Magiegeschichte. Sobald meine Visionen wieder einsetzen, folgen weitere Stunden mit meiner Großmutter und natürlich muss ich die magische Welt mit allem, was dazugehört, kennenlernen. Obwohl der Rat mir das nicht zutraut – oder gerade deswegen –, bin ich wild entschlossen ihnen zu zeigen, wie sehr sie mich unterschätzen.

»So ist es«, bestätigt meine beste Freundin zufrieden.

»Genau. Außerdem gibt es deutlich Schlimmeres als etwas mehr Mitspracherecht …«

»An deinem großen Abend Alistair zu begegnen zum Beispiel?«, schlägt sie vor und zeitgleich entweicht mir ein Stöhnen.

»Du kannst es echt nicht gut sein lassen, oder?«

»Nope«, bestätigt sie in einem Tonfall, bei dem ich das Grinsen auf ihren Lippen sogar hören kann. Leider geht ihre gute Laune nicht auf mich über. Im Gegenteil. Die letzten Stunden mit mehr Bekanntschaften, als ich zählen konnte, hat mich von ihm abgelenkt. Nun kommt jedoch mit einem Mal alles zu mir zurück.