Soul on Ice - Mia Kingsley - E-Book + Hörbuch

Soul on Ice E-Book und Hörbuch

Mia Kingsley

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Beschreibung

Ein sadistischer Killer. Eine Studentin mit dunklen Geheimnissen. Eine Nacht, in der alles schiefläuft. Eigentlich dachte ich, es wäre eine gute Idee, eine Nacht lang Spaß zu haben – ohne Verpflichtungen. Wer rechnet schon damit, am nächsten Morgen im Bett eines eiskalten Berufskillers aufzuwachen? Aber es ist nicht so, als hätte ich nicht meine eigenen Geheimnisse … "Soul on Ice" erschien im Sommer 2016 bereits auf Wattpad und wurde für die eBook/Taschenbuch-Version um einige Kapitel und ein anderes Ende ergänzt. Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 233

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Zeit:5 Std. 29 min

Sprecher:Eni Winter
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Beliebtheit




SOUL ON ICE

MIA KINGSLEY

DARK ROMANCE

Copyright: Mia Kingsley, 2016, Deutschland.

Coverfoto: © sharpner – fotolia.com

Korrektorat: http://sks-heinen.de

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

INHALT

Einführung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

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Über Mia Kingsley

EINFÜHRUNG

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Soul on Ice« erschien im Sommer 2016 bereits auf Wattpad und wurde für die eBook-Version um einige Kapitel und ein anderes Ende ergänzt. Die Geschichte ist vollkommen übertrieben, durchgeknallt und stellenweise sehr brutal – selbst wenn meine Testleserinnen es gern noch heftiger gehabt hätten.

Adrian ist ein blutrünstiger Sadist, aber Pepper ist auch nicht ohne. In der Geschichte sterben einige Figuren, es kommen explizite Gewalt & ungeschützter, harter Sex vor und die Sprache ist recht deutlich.

Sollte dies nicht deinem Geschmack bzw. deiner Vorstellung einer Liebesgeschichte entsprechen, wäre jetzt der richtige Moment, das Buch zur Seite zu legen. Denn ich werde dich leider nicht glücklich machen können.

Solltest du auf dominante Männer, viele raue Sexszenen und reichlich Action stehen, wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen!

Deine Mia

Wir sollten das nicht tun.

Haben wir nicht beide Narben, die das beweisen?

KAPITEL1

PEPPER

»Ach, Pepper«, quengelte June in den Hörer. »Komm mit.«

»Sorry. Ich kann wirklich nicht. Ich habe so viel zu tun und bin echt müde.« Während ich das Handy zwischen Ohr und Schulter einklemmte, suchte ich den Haustürschlüssel in meiner Handtasche.

»Das sagst du jedes Mal, Süße. Es ist gerade einmal 17 Uhr und du willst mir erzählen, dass du bis heute Abend nicht fertig mit dem bist, was auch immer du glaubst, an einem Freitagabend tun zu müssen?«

»Ich fürchte, genauso ist es.«

»Du bist eine Langweilerin und das weißt du. Wenn du es dir anders überlegst – wir sind im Coconut Craze Ecke Sundrive Boulevard und Wilshire.«

»Ich wünsche euch viel Spaß.«

Meine beste Freundin schnaubte verächtlich, bevor sie auflegte, und ich konnte es ihr nicht einmal verübeln. Es war Monate her, seit ich das letzte Mal mit ihnen ausgegangen war. Es kam ständig etwas dazwischen, wenn ich nicht arbeiten musste, hatte ich zu lernen oder war zu abgebrannt, um wirklich auszugehen.

In meiner Wohnung ließ ich meine schwere Tasche fallen und rieb meinen steifen Nacken. Dank der Hausarbeit, die ich am Montag abliefern musste, hatte ich in der Uni-Bibliothek eine gefühlte Tonne Bücher ausgeliehen, damit ich meinen Essay mit genügend Quellen belegen konnte.

Nachdem ich den Bus verpasst hatte und viel zu spät drangewesen war, hatte ich die Tasche mit zu den van Clerks schleppen müssen, deren Kinder ich jeden Nachmittag hütete. Von dort aus war es zu Fuß zwar nicht mehr weit bis zu mir, doch da es seit heute Morgen nicht mehr aufgehört hatte zu schneien, hatte ich länger als üblich für den Weg gebraucht. Dabei hatte ich die ganze Zeit die Befürchtung, dass mir in den nächsten Sekunden der Arm abreißen würde.

Es war kalt und ich nahm gleich die schwere Strickjacke vom Sofa. Der Heizkörper im Wohnzimmer – das gleichzeitig auch mein Schlafzimmer und meine Küche darstellte – war vor einer Woche kaputt gegangen und mein Vermieter gab sich nicht unbedingt Mühe, ihn zügig reparieren zu lassen.

Dementsprechend setzte ich mir Wasser für einen heißen Tee auf, bevor mir die Hände abfroren. Ich musste aufräumen, Wäsche waschen, die Arbeit schreiben und für zwei andere Kurse lernen und das alles möglichst vor Sonntag, denn da würde ich wieder die Kinder hüten müssen. Das war zwar außerplanmäßig, wurde aber gut bezahlt – und wenn ich eines brauchte, dann war es Geld.

Mein Magen knurrte wie auf Bestellung, und als ich einen Blick in den Kühlschrank warf, setzte ich Einkaufen noch mit auf meine Liste. Für heute Abend würde es reichen. Morgen würde ich um einen Trip zum Supermarkt nicht herumkommen.

Ich starrte aus dem Fenster, die Flocken fielen jetzt schneller, und ich hoffte, dass es über Nacht nicht so weiterschneien würde, damit ich morgen überhaupt die Chance bekam, Lebensmittel zu besorgen.

Der Wasserkessel riss mich mit seinem hysterischen Pfeifen aus den Gedanken und ich ging in die Küche, um den Tee aufzugießen. Am sinnvollsten wäre es wahrscheinlich, wenn ich zuerst in den Keller ging, um meine Wäsche in die Maschine zu packen und sie anzustellen.

Ich suchte die getragenen Sachen zusammen, wickelte einen Schal um meinen Hals, weil es im Keller sogar kälter war als draußen, und stieg die fünf Stockwerke nach unten. Glücklicherweise schien niemand außer mir gerade waschen zu wollen und ich hatte beide Maschinen für mich. Die Gelegenheit wollte ich nutzen, damit ich Zeit sparte – und noch wichtiger: Nicht viermal in den Keller rennen musste.

Als ich wieder oben war, musste ich meine Hände an der Tasse wärmen, bevor ich meine recht überschaubare Wohnung aufräumte und einmal den Boden fegte. Ich hätte auch staubsaugen können, doch ich wollte es nicht riskieren, die Sicherung rauszuwerfen, und in diesem Monat war alles willkommen, was keinen zusätzlichen Strom kostete.

Ach, wem machte ich etwas vor, in jedem Monat versuchte ich, so wenig Strom und Energie wie möglich zu verbrauchen.

Ein paar Stunden später hatte ich mein karges Abendmahl verputzt, die trockene Wäsche in meinen Kleiderschrank geräumt und die Gliederung für meine Hausarbeit erstellt.

Für heute reichte es wirklich mit dem Uni-Krempel, mir flirrten bereits kleine Punkte vor den Augen und meine rechte Hand war ganz verkrampft aufgrund der vielen Notizen, die ich mir gemacht hatte.

Eigentlich wäre ich gern ins Bett gegangen, aber aus irgendeinem mir nicht ganz erklärlichen Grund war es noch früh und ich war überhaupt nicht müde.

Schnell ging ich meine Optionen durch. Mein Fernseher war vor sechs Monaten kaputt gegangen und ich hatte ihn entsorgt. Geld für ein neues Modell war nicht da gewesen, weshalb ich keinen gekauft hatte. Durch den Zeitmangel in dieser Woche hatte ich es nicht in die Bücherei zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt geschafft, dementsprechend hatte ich keinen neuen Lesestoff parat. Wenn ich nicht zum dritten Mal den zuletzt ausgeliehenen historischen Liebesroman lesen wollte, blieben mir nicht viele Optionen.

Ich drückte die Home-Taste auf meinem Handy und das Display flammte auf. Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr und meine Freunde machten sich vermutlich gerade auf den Weg zum Coconut Craze.

Mir war bewusst, dass ich nur zwanzig Dollar in meiner Tasche hatte. Wenn ich zu Fuß hin und wieder nach Hause laufen würde und mir einen Cocktail von einem süßen Typen ausgeben ließ, sprach trotzdem nichts dagegen, wenn ich auch hinging.

Ich hatte June und die anderen schon ewig nicht mehr gesehen und vielleicht brauchte ich mal wieder einen Tapetenwechsel.

Aufregung machte sich in mir breit. Je länger ich darüber nachdachte, desto besser erschien mir die Idee.

In meinem Schrank befand sich sogar ein ungetragenes Kleid, das ich für eine Hochzeitsfeier gekauft hatte. Kurz vor der Trauung hatte das Paar sich getrennt und mein Alltag bot keinerlei Anlass für ein knielanges dunkelgraues Etuikleid.

Ich nagte an meiner Unterlippe, während ich mich fragte, ob ich wirklich bei diesem Wetter in einem kurzen Kleid durch das Schneegestöber stolpern wollte.

Uninspiriert stöberte ich durch die Outfitauswahl und stellte fest, dass mir nichts anderes als frieren übrig bleiben würde, wenn ich nicht in Jeans und einem Basketballtrikot der Chicago Bulls in der Bar auflaufen wollte.

Außerdem war mir danach, mich mal wieder so richtig elegant zurechtzumachen. Wenn ich schon ausging, dann bitte mit dem vollen Programm.

Ich würde duschen, mir die Haare eindrehen und so viel Make-up auflegen, dass meine eigene Mutter mich nicht mehr erkannte.

Na gut, ganz so viel vielleicht nicht, aber ich würde für einen Abend vorgeben, eine elegante Mittzwanzigerin zu sein, die ihr Leben vollkommen im Griff hatte.

Das war einfach eine nettere Vorstellung, als an die unbezahlten Rechnungen, die fälligen Arbeiten für die Uni und das endlose Hamsterrad namens Realität zu denken. Spontan beschloss ich, mir sogar die Beine zu rasieren, weil ich mich besonders abenteuerlustig fühlte.

Mit meinem letzten Freund hatte ich vor sechs Monaten Schluss gemacht und seitdem hatte ich ungefähr so viele Orgasmen gehabt, wie ich funktionierende Heizkörper besaß: keinen einzigen.

Der Gedanke an einen gepflegten One-Night-Stand mit einem Mann, der wusste, was er tat und mir einen umwerfenden Höhepunkt verschaffen würde, brachte mein Blut so sehr zum Kochen, dass ich mich aus der Strickjacke schälen musste.

Vielleicht war das die richtige Herangehensweise: Ich würde mir auf dem Weg zur Bar so viele heiße Gedanken machen, bis mir warm wurde und ich vergaß, dass die Temperaturen sich weit unter null befanden.

Mein Vorsatz hielt zumindest, bis ich tatsächlich auf dem Bürgersteig stand. Die Kälte fraß sich sofort in meine nackten Beine und ich lief in der Hoffnung los, dass mir warm wurde, wenn ich nur schnell genug lief. Laut dem Navigationsprogramm, das ich befragt hatte, würde ich zu Fuß nur zehn Minuten zu der Bar brauchen – das würde ich überleben.

Hoffentlich.

Ich presste meine Arme an den Körper, die Clutch eingeklemmt, die Hände unter die Achseln geschoben. Es war ironisch, dass ich jetzt schon wusste, wie genervt ich in einer Stunde sein würde, wenn der Schweiß mir den Rücken herunterlief, weil es in der Bar viel zu heiß war.

Zu meiner grenzenlosen Begeisterung schaffte ich es, nicht ein einziges Mal auszurutschen und trotz der hohen Absätze unbeschadet am Coconut Craze anzukommen. Vielleicht sollte ich als Auswahlkriterium für den Typen, den ich abschleppen würde, voraussetzen, dass er ein Auto hatte, damit er mich später nach Hause fahren konnte.

Das war überhaupt eine brillante Idee.

Ich zog die Tür zum Coconut Craze auf und ein Schwall warmer Luft geschwängert mit viel Parfüm und Zigarettenrauch kam mir entgegen.

»Pepper! Pepper! Leute, Pepper ist da! Ich glaube es nicht.« June war so großzügig, wirklich jedem in der Bar mitzuteilen, dass ich angekommen war. Sie kreischte dermaßen laut, dass mir trotz des Geräuschpegels beinahe die Ohren abfielen.

Prompt lief ich knallrot an und hob die Hand, um verlegen zu winken. Ich knöpfte meinen Mantel auf und fragte mich, warum ich es für eine gute Idee gehalten hatte, hierherzukommen.

Neben der Tür waren mehrere gnadenlos überfrachtete Haken angebracht. Ich beäugte sie misstrauisch, bevor ich mich entschied, meinen Mantel über den mittleren zu werfen. Er sah zumindest aus, als würde er das zusätzliche Gewicht noch eine Weile tragen können.

»Pepper!« June umarmte mich von hinten und quetschte mich fast tot. »Du siehst umwerfend aus. Wo ist das Kleid her?«

Sie redete immer ohne Punkt und Komma, während sie wild gestikulierte. Ich zog sie zu mir, doch die Kellnerin, die hinter ihr mit einem vollen Tablett aufgetaucht war, schien Übung zu haben und duckte sich mühelos unter Junes Arm hindurch.

»Das war für Nadines Hochzeit. Ich hatte bisher keine Gelegenheit, es anzuziehen.«

»Du meinst die Hochzeit, die vor anderthalb Jahren hätte stattfinden sollen? Lady, du gehst zu wenig vor die Tür.«

Ich seufzte. »Wem sagst du das.«

Sie strahlte mich an und freute sich offensichtlich sehr, mich zu sehen, dass ich nicht anders konnte, als ihr Lächeln zu erwidern. Ich musterte den Tisch, von dem sie aufgestanden war, und beugte mich zu ihr. »Wie sieht es aus? Wer von den Typen, die ich nicht kenne, hat Geld und das Potenzial einen netten One-Night-Stand abzugeben?«

»Holla! Du gehst aber ran.« June pfiff durch die Zähne und drehte sich um, damit sie selbst sehen konnte, wer heute alles dabei war.

»Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bin lediglich pleite und brauche jemanden, der mir einen Cocktail ausgibt. Bevor du noch denkst, ich würde mich für Sex bezahlen lassen wollen.«

Meine beste Freundin lachte. »Ich habe dich schon verstanden. Halt dich einfach an Kenneth.«

»Kenneth?«

»Der Typ in dem dunkelblauen Hemd. Irgendjemand sollte ihm mal sagen, dass man durchaus zu viel Blau kombinieren kann. Dunkelblaues Hemd, blaue Jeans und blaue Schuhe zu einem braunen Gürtel.« June schüttelte sich und ich grinste nur.

»Okay, dann ist Kenneth mein Mann.«

»Er ist der Kumpel von Daniel, glaube ich. Die Eltern sind reich und ich bin mir ziemlich sicher, eine schwarze Kreditkarte in seinem Portemonnaie gesehen zu haben. Netter Kerl, ein bisschen nerdy. Ihr versteht euch sicher blendend.«

Ich versetzte ihr mit meiner Clutch einen Klaps gegen den Oberarm. »Hey! Was soll das denn heißen?«

June zwinkerte mir nur zu, hakte sich bei mir unter und zog mich mit sich zum Tisch. Sie bedeutete unseren Freunden, auseinanderzurücken, und platzierte mich direkt neben Kenneth.

Er warf mir ein schüchternes Lächeln zu und ich entspannte mich.

»Hi.«

»Hey«, erwiderte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um zu vertuschen, dass er durchaus einen Blick auf meine Beine riskiert hatte.

Auf mich machte er einen netten Eindruck, und als die Kellnerin wieder an unseren Tisch kam, fragte er prompt: »Möchtest du etwas trinken? Die anderen Mädels haben gesagt, dass der Mai Tai ziemlich gut ist.«

»Dann höre ich besser auf sie. Ein Mai Tai wäre toll.« Ich präsentierte ihm meinen besten Augenaufschlag.

Er wandte sich zur Kellnerin und ich hatte Zeit für eine kurze Musterung. Breiter Rücken, netter Bizeps, ein paar Bartstoppeln im Gesicht – damit konnte ich für eine Nacht durchaus arbeiten.

Meine Laune wurde immer besser und ich war froh, dass ich mich vor die Tür gewagt hatte.

Bis die Cocktails gebracht wurden, unterhielt ich mich mit Kenneth und korrigierte meinen Eindruck. Er war sogar sehr sympathisch. Entweder June hatte gnadenlos übertrieben oder ich war selbst so nerdy, dass es mir nicht auffiel, wie nerdy er war.

Wir sprachen gerade darüber, wie nervig die ganze Arbeit für das Studium war, weil man das meiste nur auswendig lernte, in Prüfungen ausspuckte und danach wieder vergaß, als die Kellnerin wieder auftauchte und servierte.

Ich nippte an dem Glas und hätte fast gehustet. So viel Alkohol, wie in diesem Mai Tai war, brauchte ich wirklich nur einen einzigen Drink für den ganzen Abend. Du liebe Güte – war ich wirklich so aus der Übung?

»Alles in Ordnung?« Kenneth berührte vorsichtig meinen Unterarm.

»Der Cocktail hat ziemlich viele Umdrehungen, sonst ist alles in Ordnung.«

»Soll ich dir ein Wasser dazu bestellen?«

Er war unglaublich aufmerksam und ich lächelte, da ich ihn nett fand.

»Das ist nicht nötig. Trotzdem vielen Dank.«

Wir plauderten noch eine Weile, bis der Rest der Truppe auch etwas von unserer Aufmerksamkeit haben wollte.

June rauchte, doch ich schüttelte den Kopf, als sie mir eine Zigarette anbot. Es war viel zu lange her und ich brauchte schon meine ganze Konzentration für den Cocktail.

Einer der Jungs holte eine Box mit Zigarren vom Barkeeper und alle griffen zu, nur ich winkte wieder ab.

Es ergab sich ganz natürlich, dass ich fast nur mit Kenneth redete, und trotzdem verging die Zeit wie im Flug. Mein Magen flatterte, weil er immer näher gerückt war und seinen Oberschenkel gegen mein Bein presste.

Wenn ich nicht sämtliche Zeichen falsch deutete, war er ebenso an mir interessiert wie ich an ihm.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und legte die Hand auf seinen Oberschenkel. Kenneth grinste, beugte sich vor und gab mir einen sanften Kuss.

Er endete viel zu schnell, und als er sich wieder aufrichtete, packte ich sein Hemd, um ihn wieder zu mir zu ziehen.

»Nicht aufhören«, flüsterte ich und öffnete die Lippen.

Ich hatte so ziemlich mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass der Zigarrengeschmack in seinem Mund so übel sein würde. Da ich ohnehin schon betrunken und empfindlich war, wurde mir sofort schlecht und ich machte mich los.

Kenneth sah mich überrascht an und rückte von mir ab. Vermutlich glaubte er, mich bedrängt zu haben. Ich wollte ihm sagen, dass es nicht an ihm lag – nicht direkt zumindest –, aber mir war zu schlecht.

Alles um mich herum drehte sich, mein Magen verkrampfte sich ein weiteres Mal und ich ahnte, dass ich mich vermutlich innerhalb der nächsten paar Minuten übergeben würde. Ohne mich zu entschuldigen, sprang ich auf und eilte zur Tür. Geistesgegenwärtig griff ich nach meinem Mantel, damit ich dabei nicht erfror, und rannte nach draußen.

Die kalte Luft traf mich wie ein Schock, kleine Nadeln fuhren in meine Haut, und während ich gierig nach Atem rang, beruhigten meine Eingeweide sich wieder. Zwar spürte ich den Rausch des Alkohols in meinen Adern, hier draußen drehte es sich aber längst nicht mehr so schlimm wie drinnen.

Die Übelkeit ließ nach und ich ging ein paar Schritte, um nicht zu sehr abzukühlen. Der Schnee lag so hoch, dass ich Bürgersteig und Straße kaum noch unterscheiden konnte. Überall waren Schneewehen aufgetürmt und es schneite munter weiter.

Ich sah nach oben in den Himmel und streckte die Zunge heraus, fing die Flocken auf, um den ekligen Geschmack in meinem Mund loszuwerden.

Wenigstens war ich trotzdem um eine Erfahrung reicher, obwohl Kenneth gut küssen konnte, waren Männer, die Zigarre rauchten, wohl nichts für mich.

Ein Auto kam näher und ich lauschte, wie anders das Geräusch durch den Schnee klang.

Erst als die Scheinwerfer mich plötzlich blendeten, erkannte ich, dass ich mitten auf der Straße stand. Das Auto raste geradewegs auf mich zu.

KAPITEL2

ADRIAN

Fuck.

Fuck.

Fuck.

Genervt richtete ich mich auf und begann das Remington MSR auseinanderzubauen. Seit etwas mehr als einer Stunde hockte ich auf diesem verschissenen Dach und wartete darauf, dass der Schneefall nachließ, wie der Wetterbericht es versprochen hatte.

Mir war zwar kalt, aber ich hatte unter einem kleinen Vorsprung gesessen und nur wenige Flocken abbekommen. Trotzdem ärgerte mich die verplemperte Zeit. Ich hatte mein Ziel eigentlich längst erledigen sollen – bei diesen Wetterverhältnissen leichter gesagt als getan.

Ich schulterte den großen Seesack, der rein optisch überhaupt nicht zu meinem schwarzen Anzug und dem geöffneten dunklen Mantel passte, und zog die Tür zum Treppenhaus auf.

Fünfzehn Stockwerke später stand ich auf der Straße und fixierte kurz die einzige weiße Haustür zwischen all den schwarzen Türen. Die Glock 26 steckte in ihrem Halfter an meinem rechten Knöchel und für einen Moment zog ich es in Betracht, einfach zu klingeln und den Hausherrn zu erschießen, wenn er mir öffnete.

Allerdings hatte er Kinder und eine Frau und es war nicht auszuschließen, dass einer von ihnen die Tür aufmachte. Das war ein unnötiges Risiko und davon abgesehen auch nicht mein Stil. Ich würde schlicht warten müssen, bis Chester Hamilton das nächste Mal sein Haus verließ, um meinen Auftrag ausführen zu können.

Heute hatte der Schnee verhindert, dass ich ihm wie geplant eine Kugel in den Hinterkopf jagte.

Mein Audi parkte am Straßenrand und fiel zwischen den anderen Wagen der gehobeneren Preisklassen nicht auf. Bei dem, was er gekostet hatte, wunderte mich das nicht.

Ich verstaute den Seesack im Kofferraum und warf die Klappe zu. Trotz der dicken Schneedecke hallte das Geräusch laut durch die Straße.

Nachdem ich eingestiegen war und den Motor gestartet hatte, koppelte ich das Handy mit der Freisprecheinrichtung und rief Samson an.

»Junge. Das hat aber gedauert«, begrüßte er mich. »Auftrag erledigt?«

Ich verdrehte die Augen. »Hast du mal aus dem Fenster gesehen?«

»Bitte sag mir, dass du trotzdem wie ein Profi das erledigt hast, wofür du eine Menge Geld bekommen wirst.«

»Eine Menge Geld, von dem du einen nicht unbeachtlichen Prozentsatz einkassierst, meinst du wohl.«

»Beantworte meine Frage, Adrian.«

Mit einem Schnauben drückte ich das Gaspedal weiter durch und schaltete die Scheibenwischer in ein höheres Intervall. Ich hasste den Winter. Meiner Meinung nach gehörte er abgeschafft.

»Ich kann verdammt noch mal nicht zaubern. Sehe ich in deinen Augen vielleicht wie ein Schamane aus? Eine Stunde habe ich mir den Arsch abgefroren, bevor ich aufgeben musste. Haben wir morgen noch eine Chance, ihn zu erwischen?«

Obwohl er zuerst nichts sagte, konnte ich förmlich durch die Telefonleitung hören, wie Samson zu schwitzen begann, weil er fürchtete, ihm könnte Geld durch die Hände gleiten. »Gib mir zwei Sekunden.«

Tasten klapperten, bevor er zufrieden grunzte. »Du kannst es gleich heute Abend noch versuchen. Er hat für Mitternacht eine Einladung ins Ardeur bekommen, dort wird eine Neueröffnung gefeiert.«

»Noch nie gehört. Was soll das sein?«

Samson seufzte. Ich kannte dieses Seufzen, weil ich es ständig hörte, wenn er mich für einen ungebildeten Bauern hielt. »Ardeur ist Französisch und bedeutet Leidenschaft. Es ist ein ziemlich exklusiver Sexklub, dort kannst du dich mit Sicherheit anschleichen und tun, was auch immer du tun musst.«

Ich tötete nicht gern aus nächster Nähe, aber selbstverständlich würde ich es tun, um den Auftrag auszuführen. »In Ordnung. Schick mir die Adresse.«

»Oh«, machte Samson und das Schaben bedeutete, dass er sich über die kurz rasierten Haare kratzte.

Es gab also ein Problem.

»Probleme sind dazu da, gelöst zu werden, Buddy. Sag mir einfach, was ist, und ich überlege mir etwas.«

»Es werden nur Pärchen ins Ardeur gelassen.«

»Gibt es eine Möglichkeit, dort einzubrechen?«, wollte ich wissen.

»Kannst du dir nicht ein Date besorgen?«

»Es ist Freitagabend und gleich 23 Uhr, wo soll ich deiner Meinung nach in den nächsten sechzig Minuten eine attraktive Frau im Minikleid aufgabeln und sie überzeugen, mit einem Wildfremden einen Sexklub zu besuchen?«

»Du könntest eine Nutte fragen.«

»Damit weniger Geld übrig bleibt?« Ich war pikiert, dass er es überhaupt vorschlug. Zumal ich eine sehr hochpreisige Prostituierte benötigen würde, um in ein Etablissement wie das Ardeur gelassen zu werden, wenn es wirklich so exklusiv war, wie Samson es darstellte. Irgendetwas sagte mir auch, dass das besagte Geld von meinem Anteil abgezogen werden würde.

Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht habe ich ja Glück und es fällt eine passende Frau vom Himmel. Ansonsten lasse ich mir etwas einfallen. Hauptsache, du schickst mir die Adresse und sorgst dafür, dass ich auf der Gästeliste stehe.«

»Wird gemacht. Bis später!«

Wortlos legte ich auf und bog in den Sundrive Boulevard ein. Gab es hier in der Ecke irgendwelche Bars, in denen ich eine Frau aufreißen konnte?

In der letzten Sekunde sah ich die Lady, die im Schein der Straßenlaterne mitten auf der Straße stand. Sie trug ein elegantes Kleid, hielt einen Mantel in der Hand und starrte in den Himmel.

Während ich das Steuer herumriss und die Bremse durchtrat, erkannte ich, dass sie tatsächlich die Zunge herausgestreckt hatte und offensichtlich versuchte, die Schneeflocken aufzufangen. War sie lebensmüde?

Endlich hörte sie mich und fuhr zu mir herum. Ihre Augen weiteten sich. Sie rührte sich nicht einen Millimeter.

Wie durch ein Wunder kam ich nur eine Armlänge von ihr entfernt zum Stehen. Ich ließ den Wagen laufen, schnallte mich ab und stieg aus.

Eigentlich war ich wütend und wollte sie anschreien, aber als ich näher kam, bemerkte ich, dass sie am ganzen Körper zitterte.

»Ist alles okay?«

Ihre langen Wimpern flatterten und sie blickte mich direkt an. Nie zuvor hatte ich dermaßen ungewöhnliche Augen gesehen. Sie hatten die gleiche Farbe wie Lavendel und standen in krassem Kontrast zu ihrer hellen Haut und den schwarzen Haaren.

Endlich nickte sie. »Oh mein Gott. Das tut mir so leid! Ich bin so eine Idiotin. Ist Ihnen etwas passiert? Oder dem Auto?«

Ihre Aussprache war ein wenig langsam und undeutlich. Da sie vor einer Cocktailbar stand und versucht hatte, mit ihrer Zunge Schneeflocken aufzufangen, ging ich davon aus, dass sie getrunken hatte.

»Alles in Ordnung.« Ich nahm ihr den Mantel aus der Hand und hängte ihn über ihre Schultern.

Verwirrt sah sie zu mir hoch und rang sich ein Lächeln ab. Es war kaum möglich, den Blick von ihr abzuwenden und zum ersten Mal bekam ich ein Gefühl dafür, wie es sein musste, hypnotisiert zu werden.

»Es tut mir wirklich schrecklich leid«, murmelte sie und zog den Mantel zurecht. Erst als ihre Finger meine berührten, merkte ich, dass ich sie gar nicht losgelassen hatte.

»Ich sollte wieder reingehen. Mir ist nur kurz schlecht geworden.«

Endlich konnte ich meinen Griff lösen und trat widerstrebend einen Schritt zurück. »Mach das. Bevor dein Freund dich noch vermisst.«

Eine zarte Röte stieg in ihre Wangen und sie schüttelte den Kopf. »Nein –«

Weiter kam sie nicht, denn die Tür zur Bar flog auf und eine hochgewachsene Blondine rief: »Pepper?«

Pepper. Was für ein hübscher Name für das hübsche Mädchen mit den ungewöhnlichen Augen.

Sie leckte sich über die Unterlippe. »Ich komme«, antwortete sie, ohne sich umzudrehen, stattdessen sah sie weiter zu mir hoch. Sie reichte mir gerade bis zum Kinn.

Die Tür fiel wieder zu, und obwohl wir in Downtown immer noch mitten auf der Straße standen, waren wir allein. Denn niemand bei Sinn und Verstand war bei diesem Wetter unterwegs.

Mein Blick glitt an ihr hinunter. Waren ihre Beine nackt unter dem kurzen Kleid? Sie würde sich noch den Tod holen, wenn sie nicht wieder in die Bar ging. Für einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, ihr anzubieten, sie nach Hause zu bringen. Die Sitzheizung des Audis funktionierte vorzüglich. Unterwegs könnte ich sie vielleicht überreden, mit mir zusammen das Ardeur zu besuchen.

Nein. Das war eine idiotische Idee. Auch wenn alles in mir danach verlangte, das Mädchen sofort und auf der Stelle zu küssen, zwang ich mich, noch einen Schritt weiter nach hinten zu gehen. »Da drüben ist der Bürgersteig. Pass auf dich auf.«

»Ich werde es versuchen. Vermutlich bin ich einfach nicht der Typ für ein Abenteuer, wenn ich es nicht einmal hinbekomme, die Straße vom Bürgersteig zu unterscheiden. Das war jetzt eigentlich genug Aufregung.«

»Bye.« Ruckartig drehte ich mich um, weil ich sonst Gefahr lief, in ihren Augen zu ertrinken. Ich atmete erst wieder durch, als ich auf dem Fahrersitz saß.

Aus dem Beifahrerfenster sah ich, wie sie zurück zur Bar ging, und gab Gas. Was für eine verrückte Begegnung.

Die Adresse des Klubs erschien auf dem Display in der Mittelkonsole und ich wusste, dass ich vermutlich doch auf einen Escortservice würde zurückgreifen müssen.

Um einen weiteren Beinaheunfall zu vermeiden, ließ ich den Wagen mehr rollen, als dass ich wirklich fuhr, und nach nur wenigen Augenblicken lenkte ich ihn an den Straßenrand.

Die Begegnung mit Pepper hatte mich aufgewühlt und in mir nagte ein Gefühl, das ich zuerst nicht benennen konnte.

Bedauern.

Ich bedauerte es, sie nicht nach ihrer Nummer gefragt zu haben. Noch mehr bedauerte ich es allerdings, sie nicht einfach geküsst zu haben. Bevor ich mich daran hindern konnte, führte mein Kopf den Gedanken weiter. Wie würde Pepper schmecken? Wie sie wohl klang, wenn sie stöhnte? Ihre Stimme war angenehm dunkel gewesen – eine Stimme, die sich perfekt dazu eignete, schmutzige Dinge in mein Ohr zu flüstern.

Was war denn los mit mir? Normalerweise war mein Job die höchste Priorität, und obwohl ich unterwegs war, um einen Auftrag auszuführen, konnte ich nur darüber nachdenken, dass ich Pepper in die Bar folgen sollte.

KAPITEL3

PEPPER

Die warme Luft im Coconut Craze fühlte sich klebrig auf meiner Haut an, nachdem ich draußen gewesen war. Die kleinen Schneeflocken in meinem Haar verwandelten sich in Wassertropfen und der Zauber der Winternacht verflog.

Allerdings nicht ganz, weil ich über die schräge Begegnung nachdenken musste. Vermutlich hätte ich dem Unbekannten enthusiastischer danken sollen, weil er mich nicht über den Haufen gefahren hatte. Was ging nur in meinem Kopf vor sich?

Ich war leichtsinnig geworden. Es war nicht das erste Mal, dass es mir auffiel.

Seit …

Um den Gedanken zu vertreiben, schüttelte ich den Kopf und ging zurück zum Tisch. Mit einem Lächeln rutschte Kenneth zur Seite, machte mir Platz, damit ich mich setzen konnte.

»Geht es dir wieder besser?«

»Ja. Danke.« Ich zwang meine Mundwinkel nach oben, doch innerlich wusste ich, dass ich längst weg war. Manchmal konnte ich selbst nicht genau beschreiben, was mit mir los war. Ich war anwesend, lachte über Witze, nickte und gab automatisierte Antworten – in Wirklichkeit war ich meilenweit weg. Es war, als würde ich mich selbst von außen beobachten. Egal, wie gut ich es vorgeben konnte, ich fühlte mich nicht zugehörig.