Spiel mit dem Mörder - J.D. Robb - E-Book

Spiel mit dem Mörder E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Als bei der Premiere seines neuen Stücks ein berühmter Bühnenschauspieler direkt vor ihren Augen ermordet wird, findet sich Lieutenant Eve Dallas in einer neuen Rolle wieder: Sie ist zugleich Augenzeugin – und ermittelnde Beamtin. Denn natürlich setzt Eve alles daran, diesen Fall besonders schnell zu lösen. Gehört das Theater doch schließlich ihrem Mann, dem geheimnisumwitterten irischen Geschäftsmann Roarke. Aber jeder von Eves Verdächtigen ist ein exzellenter Schauspieler, der für ein bißchen Scheinwerferlicht alles tut. Bald fragt sich Eve nicht mehr, wer lügt – sondern nur noch, wer die Wahrheit spricht …

Der neue superspannende Lady-Thriller um Lieutenant Eve Dallas!

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Nora Roberts schreibt als

J. D. Robb

Spiel mit dem Mörder

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Uta Hege

Buch

 

Die Premiere der neuen Aufführung am New Yorker Globe-Theater findet ein unerwartetes Ende: Auf offener Bühne wird der berühmte Hauptdarsteller erstochen. Jetzt ist Eve Dallas in einer neuen Rolle: Sie ist Augenzeugin und ermittelnde Polizeibeamtin zugleich. Und außerdem hat Eve Dallas einen Fall in der Hand, bei dem die Öffentlichkeit jeden ihrer Schritte beobachten wird. Als dann noch bekannt wird, dass ausgerechnet ihrem Mann Roarke das Theater gehört, steht Eve mehr im Zentrum des Medieninteresses, als ihr lieb ist. Und es gibt nur einen Ausweg, der unerwünschten Aufmerksamkeit zu entfliehen: Sie muss den Täter verhaften. Doch es gibt viel zu viel Verdächtige, denn der berühmte Star hat mehr Feinde als Freunde. Und Eve stellt sich bei ihren Befragungen plötzlich ein völlig unbekanntes Problem: Ihre Verdächtigen sind alle Schauspieler auf der Suche nach Ruhm und Medienaufmerksamkeit. Eve muss sich bald bei jedem sensationellen Geständnis fragen: Spricht er die Wahrheit – oder ist es richtig gute – und verlogene – Schauspielkunst …

 

Autor

 

J. D. Robb ist das Pseudonym der internationalen Bestsellerautorin Nora Roberts. Ihre überaus spannenden Kriminalromane mit der Heldin Eve Dallas wurden von den amerikanischen Lesern bereits mit größter Begeisterung aufgenommen und haben seit der Veröffentlichung von »Rendezvous mit einem Mörder« auch in Deutschland immer mehr Fans gewonnen. Vor rund 20 Jahren begann Nora Roberts zu schreiben und hoffte inständig, überhaupt veröffentlicht zu werden. Heute ist sie einer der meist verkauften Autorinnen der Welt und wird in mehr als 25 Sprachen übersetzt. Weitere Romane von J. D. Robb und Nora Roberts sind bei Blanvalet in Vorbereitung. www.noraroberts.com

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die amerikanische Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Witness in Death« bei Berkley Books, The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Putnam Inc., New York.

 

Copyright © by Nora Roberts 2000 Published by arrangement with Eleanor Wilder. Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2005 by Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, Garbsen. MD · Herstellung HN Covergestaltung: www.buerosued.de Covermotiv: plainpicture/Glasshouse/Kiyoshi Togashi Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling E-Book-Umsetzung: GGP Media, GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-04039-0V005www.blanvalet-verlag.de

The play’s the thing. Das Schauspiel sei das Werkzeug. – William Shakespeare, HamletThis reasonable moderator, and equal piece of justice, Death. Dieser einsichtige Mittler und gleichmütige Richter, Tod. – Sir Thomas Browne, Religio Medici

1

Für Mord gab es immer ein Publikum.

Die Menschen zeigten Entsetzen oder Schadenfreude, Sarkasmus oder stille Trauer, stets aber waren sie von diesem ultimativen Verbrechen derart fasziniert, dass es sowohl in der Realität als auch in der Fiktion regelmäßig ein ergiebiges Thema war.

Über die Jahrhunderte hinweg hatte man mit Mord die Theater zuverlässig bis an den Rand gefüllt. Schon im alten Rom hatte das Kolosseum dadurch wahre Menschenmassen angelockt, dass man Gladiatoren hatte einander in blutige Stücke hacken lassen, oder dass man den Leuten die Langeweile mit einer Matinee vertrieb, in der man unglückliche Christen, um das grölende Publikum zu unterhalten, gegen hungrige Löwen antreten ließ.

Da der Ausgang dieser ungleichen Kämpfe ziemlich sicher abzusehen gewesen war, hatten die Zuschauer das Amphitheater eindeutig nicht deshalb bis auf den letzten Platz gefüllt, um zu sehen, ob vielleicht zur Abwechslung doch einmal ein Christ gewann. Sie hatten das zu erwartende Ergebnis und all das damit einhergehende Blutvergießen eindeutig gewollt.

Anschließend waren die Leute heimgegangen und hatten sich nicht nur darüber freuen können, dass man sie bestens unterhalten hatte, sondern auch, dass ihnen selbst nicht das geringste Leid geschehen war. Durch die Ermordung eines anderen Menschen wurden die eigenen Probleme, die man eventuell hatte, angenehm relativiert.

Die Natur des Menschen und sein unstillbares Verlangen nach dieser Form der Unterhaltung hatte sich in den letzten zwei Jahrtausenden nicht wesentlich verändert. Selbst wenn man kurz vor Winterende 2059 nicht mehr Christen gegen Löwen kämpfen ließ, verkaufte Mord sich nach wie vor sehr gut.

Wenn auch auf eine deutlich zivilisiertere Art.

Familien, junge Paare, Schöngeister und Landeier, sie alle standen an den Ticketschaltern Schlange und gaben bereitwillig ihr schwer verdientes Geld aus, damit man sie mit dem Gedanken an Mord und Totschlag unterhielt.

Die Ahndung wirklicher Verbrechen, vorzugsweise Mord, war Lieutenant Eve Dallas' Geschäft. Heute Abend aber saß sie auf einem bequemen Stuhl in einem bis auf den letzten Platz besetzten Haus und verfolgte interessiert, wie man auf der Bühne das schmutzige Geschäft des Mords betrieb.

»Er war es.«

»Hm?« Roarke fand die Reaktion seiner Gattin auf das Schauspiel mindestens genauso interessant wie das Stück selbst. Sie hatte sich auf ihrem Stuhl nach vorn gebeugt, ihre Arme auf dem schimmernden Geländer der Privatloge gekreuzt und verfolgte, nachdem der Vorhang zu Beginn der Pause heruntergelassen worden war, mit hellwachen, leuchtend braunen Augen, was dort unten geschah.

»Dieser Vole. Er hat die Frau getötet. Er hat ihr des Geldes wegen den Schädel eingeschlagen. Stimmt's?«

Roarke schenkte ihnen beiden eisgekühlten Champagner ein. Er war sich nicht sicher gewesen, ob es ihr gelingen würde, einen Abend lang Mord als etwas Unterhaltsames zu sehen, und es freute ihn zu sehen, dass sie wie gebannt verfolgte, was auf der Bühne geschah. »Möglich.«

»Du brauchst gar nichts zu verraten. Ich weiß es sowieso.« Eve ergriff das Glas, das er ihr reichte, und betrachtete versonnen sein Gesicht.

Ein unbestreitbar umwerfend attraktives Gesicht. Es wirkte wie von Zauberhand gemeißelt, und die überwältigende maskuline Schönheit seiner Züge rief garantiert im Innern jeder Frau sofortige Sehnsucht wach. Eine dichte, dunkle Mähne rahmte seinen elegant geformten Schädel; und als er sie ansah, spielte der Hauch eines Lächelns um seinen festen, vollen Mund. Er streckte eine Hand aus und strich liebevoll mit seinen langen, schlanken Fingern über eine Strähne ihres Haars.

Bei einem Blick in seine Augen, seine leuchtend, ja beinahe lodernd blauen Augen, stolperte wie zu Anfang auch heute noch ihr Herzschlag.

Es war peinlich, dass sie sich von diesem Mann lediglich durch seinen Blick derart aus der Fassung bringen ließ.

»Was starrst du mich so an?«

»Es macht mir einfach Spaß, dich anzusehen.« Auch mit dieser schlichten Feststellung, gesprochen mit dem ihm eigenen, leichten, melodischen, irischen Akzent, brachte er sie völlig aus dem Konzept.

»Ach, ja?« Sie legte ihren Kopf ein wenig schräg. Es war wunderbar entspannend, den ganzen Abend lang nichts anderes zu tun, als das Zusammensein mit ihrem Gatten zu genießen, dachte sie, als er mit seinen Lippen über ihre Knöchel strich, und fragte leise: »Willst du etwa irgendwelche Spielchen mit mir spielen?«

Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er sein Glas ab und strich mit den Fingerspitzen an ihrem langen Bein hinauf in Richtung ihrer Hüfte, wo der Schlitz in ihrem engen Rock zusammenlief.

»Du bist ja pervers. Vergiss es.«

»Du hast darum gebeten.«

»Du hast nicht das geringste Schamgefühl.« Lachend drückte sie ihm sein Champagnerglas wieder in die Hand. »Mindestens die Hälfte der Leute, die in deinem schicken Theater sitzen, glotzen uns momentan durch ihre Operngläser an. Sie alle wollen den berühmten Roarke einmal mit eigenen Augen sehen.«

»Sie gucken nicht auf mich, sondern auf diese wunderschöne Frau vom Morddezernat, die mich eingefangen hat.«

Als sie wie erwartet schnaubte, beugte er sich vor, biss leicht in ihre weiche Unterlippe und bekam dafür zu hören: »Wir sollten vielleicht Eintrittskarten verkaufen, wenn du so weitermachst.«

»Wir sind praktisch noch immer frisch verheiratet. Und es ist durchaus akzeptabel, wenn sich ein frisch verheiratetes Paar in der Öffentlichkeit küsst.«

»Als ob dich interessieren würde, ob etwas akzeptabel ist.« Sie legte eine Hand auf seine Brust und schob ihn ein Stückchen von sich fort. »Du hast also heute Abend ein volles Haus. Allerdings hatte ich kaum was anderes erwartet.« Sie ließ ihren Blick erneut über die Zuschauerränge wandern und musste unumwunden zugeben, dass sie - obwohl sie keine Ahnung von Architektur oder Innendekoration hatte - gebannt war von dem eleganten Ambiente. Wahrscheinlich hatte Roarke wieder einmal nur die allerbesten Leute engagiert, damit der alte Bau die Pracht von einst zurückgewann.

Während der Pause schlenderten die Menschen durch das riesige, mehrgeschossige Theater und füllten das Gebäude mit ihren aufgeregten und fröhlichen Stimmen. Einige Besucher hatten sich - um einen zu einem Kriminalstück passenden Ausdruck zu verwenden - echt todschick gemacht, andere liefen lässig in Airboots und altmodischen, überdimensionalen kugelsicheren Westen herum, wie man sie in diesem Winter allerorten sah.

Mit seinen hohen, handbemalten Wänden, den kilometerlangen roten Teppichen und den vergoldeten Bögen hatte man das Theater entsprechend Roarkes anspruchsvollen Vorgaben restauriert. Alles, was ihm gehörte, wurde entsprechend seinen Vorstellungen gestaltet - und, ging es Eve flüchtig durch den Kopf, ihm gehörte so gut wie alles, was im bekannten Universum zu besitzen war.

Daran hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt, und sie hegte ernste Zweifel, ob es ihr jemals tatsächlich gefallen würde. Doch gehörte dieser Reichtum einfach zu Roarke dazu, und sie hatte versprochen, im Guten wie im Bösen seine Partnerin zu sein.

In dem Jahr seit ihrem Kennenlernen hatten sie von beidem mehr als genug erlebt.

»Ein wirklich tolles Haus. Die Holographie-Modelle haben bei weitem keinen derartigen Eindruck auf mich gemacht.«

»Modelle zeigen nur die Struktur und gewisse Elemente, die man für die Schaffung einer bestimmten Einrichtung braucht. Ein Theater benötigt zusätzlich Menschen, ihren Geruch und ihre Geräusche, damit es voll zur Wirkung kommt.«

»Das glaube ich dir gern. Weshalb hast du ausgerechnet dieses Stück für die Eröffnung ausgesucht?«

»Es ist eine faszinierende Geschichte, und, wie die meisten wirklich guten Geschichten, hat sie ein Thema, das völlig zeitlos ist. Liebe, Verrat und Mord, all das in einem vielschichtigen, undurchsichtigen Paket. Und die Besetzung ist fantastisch.«

»Schließlich hast du die Akteure auch persönlich ausgesucht. Trotzdem hat Leonard Vole den Mord begangen.« Sie blinzelte zu dem sanft schimmernden, rot-goldenen Vorhang, als könnte sie den Tathergang deutlich dahinter sehen. »Seine Frau ist supercool. Ich bin sicher, dass sie noch irgendetwas vorhat. Der Anwalt ist ebenfalls nicht schlecht.«

»Verteidiger«, verbesserte ihr Mann. »Das Stück spielt Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in London. Dort haben die Angeklagten in Strafverhandlungen speziell ausgebildete Verteidiger gehabt.«

»Wie auch immer. Die Kostüme sind echt klasse.«

»Und vor allem authentisch. So liefen die Leute in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wirklich rum. Als Zeugin der Anklage verfilmt wurde, war es ein Riesenhit. Auch damals hatten sie phänomenale Schauspieler engagiert.« Roarke hatte eine Vorliebe für die alten Schwarz-Weiß-Streifen des frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhunderts, und natürlich hatte er diesen Film daheim auf DVD.

Manche Menschen entdeckten, wenn sie diese Filme sahen, tatsächlich nur Schwarz und Weiß. Er jedoch nahm zahllose Schattierungen bei den Aufnahmen wahr. Das war etwas, worauf seine Frau sich ebenso hervorragend verstand.

»Wir haben uns bemüht, Schauspieler zu engagieren, in denen sich etwas von den Originalschauspielern widerspiegelt, während sie zugleich ihren eigenen Stil erhalten«, erklärte er ihr jetzt. »Irgendwann müssen wir uns mal den Film angucken, damit du dir selbst ein Urteil bilden kannst.«

Er musterte prüfend die Gäste. So sehr er es genoss, einen Abend mit seiner Gattin zu verbringen, war er doch gleichzeitig Geschäftsmann. Und dieses Stück eine teure Investition. »Ich glaube, dass das Stück recht lange laufen wird.«

»He, da ist ja Dr. Mira.« Eve beugte sich etwas nach vorn, als sie die Polizeipsychologin, elegant wie gewohnt, in einem winterweißen Futteralkleid, mit einer kleinen Gruppe in einer Ecke stehen sah. »Sie ist mit ihrem Mann und irgendwelchen anderen Leuten da.«

»Soll ich ihr eine Nachricht zukommen lassen? Wir könnten sie nach Ende der Aufführung auf einen Drink einladen.«

Eve sah ihn von der Seite an. »Nein, heute Abend nicht. Ich habe andere Pläne.«

»Ach ja?«

»Allerdings. Hast du damit irgendein Problem?«

»Nicht das geringste.« Er schenkte ihnen beiden nach. »Tja, wir haben noch ein paar Minuten, bevor es weitergeht. Warum erzählst du mir nicht, weshalb du dir so sicher bist, dass Leonard Vole der Mörder ist?«

»Er ist einfach zu glatt, um es nicht zu sein. Nicht so glatt wie du«, fügte sie hinzu und brachte Roarke dadurch zum Grinsen. »Er ist - wie soll ich sagen? - bei ihm ist die Glätte nur Fassade. Bei dir dagegen kommt sie irgendwie von innen, ist Teil deiner Person.«

»Ich fühle mich geschmeichelt.«

»Auf alle Fälle ist er raffiniert. Er spielt die Rolle des hoffnungsvollen, vertrauensseligen, zugleich jedoch vom Pech verfolgten Mannes geradezu perfekt. Aber ein so fantastisch aussehender Typ führt eindeutig irgendwas im Schilde, wenn er statt mit seiner eigenen, wunderschönen Gattin seine Zeit mit einer wesentlich älteren, deutlich weniger attraktiven Frau verbringt. Und es ging ihm hundertprozentig nicht einfach darum, dass er ihr irgendein blödes, von ihm selbst erfundenes Küchengerät aufschwatzen wollte, wie er vor Gericht behauptet hat.«

Sie nippte an ihrem Champagner und lehnte sich, als das Signal zum Pausenende kam, auf ihrem Stuhl zurück. »Seine Frau weiß, dass er es war. Sie, nicht er, ist der Schlüssel zu dem Ganzen. Wenn ich in dem Fall ermitteln würde, würde ich erst mal sie genauer durchleuchten. Ja, ich würde ein nettes, langes Gespräch mit Christine führen statt mit ihrem Mann.«

»Dann scheint dir das Stück also zu gefallen.«

»Das Ganze ist echt clever gemacht.«

Als sich der Vorhang öffnete, beobachtete Roarke, statt sich auf das Gerichtsdrama zu konzentrieren, seine Frau.

Nie in seinem ganzen Leben hatte er einen faszinierenderen Menschen kennen gelernt. Als sie vor ein paar Stunden vom Dienst gekommen war, hatte sie große Blutflecken auf ihrem Hemd gehabt. Zum Glück hatte das Blut nicht von ihr selbst gestammt. Sie hatte den Fall, aufgrund dessen sie sich diese Flecken eingehandelt hatte, innerhalb von einer Stunde, nachdem das Verbrechen begangen worden war, durch Entlocken eines Geständnisses zum Abschluss gebracht.

So schnell ging das selten. Oft kämpfte sie bis zur Erschöpfung oder brachte ihr eigenes Leben in Gefahr, um dafür zu sorgen, dass einem Toten Gerechtigkeit widerfuhr.

Dies war nur eine von unzähligen Facetten, die er an ihr bewunderte.

Jetzt saß sie hier in einem schmal geschnittenen, eleganten schwarzen Kleid, trug als einzigen Schmuck den Diamanten, den er ihr einmal geschenkt hatte und der wie eine Träne zwischen ihren Brüsten hing, sowie ihren Ehering. Ihr kurz geschnittenes Haar, das Dutzende von Brauntönen aufwies, fiel ihr seidig schimmernd um den Kopf.

Er verfolgte, wie sie ihre Lippen aufeinander presste und mit blitzenden, zusammengekniffenen Augen mitverfolgte, wie Christine Vole den Zeugenstand betrat und ihren Ehemann verriet.

»Sie führt etwas im Schilde. Habe ich es nicht gesagt? Sie führt etwas im Schilde.«

Roarke ließ seine Finger über ihren Nacken gleiten und nickte grinsend. »Das hast du.«

»Sie lügt«, murmelte Eve. »Oder besser, sie sagt nicht die ganze Wahrheit. Was zum Beispiel hat das Messer mit der ganzen Sache zu tun? Okay - er hat sich damit geschnitten. Selbst wenn, ist das absolut unwichtig. Das Messer ist ein Ablenkungsmanöver. Es ist nicht die Mordwaffe. Übrigens haben sie die Mordwaffe bisher überhaupt noch nicht ins Spiel gebracht. Das ist ein grober Fehler. Aber wenn er sich mit dem Messer beim Brotschneiden geschnitten hat - und darin sind sich alle einig -, wozu brauchen sie es dann?«

»Entweder er hat sich absichtlich damit geschnitten, um das Blut auf seinem Ärmel zu erklären, oder es ist, wie er behauptet, rein zufällig passiert.«

»Das ist doch egal. Es ist ein reines Ablenkungsmanöver.« Sie runzelte die Stirn. »Oh, er ist wirklich gut.« Ihr war deutlich anzuhören, was für eine Abneigung sie Leonard Vole gegenüber empfand. »Guck nur, wie er da auf der Anklagebank sitzt. Als würde ihre Aussage ihn total schockieren.«

»Tut sie das denn nicht?«

»Irgendetwas stimmt nicht. Was, finde ich noch raus.«

Es machte ihr Spaß, darüber nachzudenken, wie man der Lösung des Rätsels näher kommen könnte, bis man schließlich wüsste, von wem die Tat begangen worden war. Bevor sie Roarke getroffen hatte, hatte sie niemals eine richtige Theateraufführung besucht. Manchmal hatte sie sich irgendwelche Filme angesehen oder ihre Freundin Mavis hatte sie ins Holographie-Theater mitgeschleppt. Aber leibhaftige Schauspieler in den Szenen agieren zu sehen und die Texte sprechen zu hören, war Unterhaltung auf einem gänzlich anderen Niveau.

Wenn man im Dunkeln saß und das Treiben auf der Bühne direkt mitverfolgte, wurde man ein Teil der Inszenierung, blieb jedoch zugleich gerade weit genug davon entfernt, um nicht hautnah vom Ausgang des Geschehens betroffen zu sein.

Es enthob einen jeglicher Verantwortung, überlegte Eve. Die dumme, wohlhabende Witwe, der der Schädel eingeschlagen worden war, wandte sich nicht hilfesuchend an Lieutenant Eve Dallas von der New Yorker Polizei. Deshalb war die Suche nach dem Täter ein interessantes Spiel.

Ginge es nach Roarke - und das tat es fast immer -, würde die reiche Witwe über einen möglichst langen Zeitraum jede Woche an sechs Abenden und zweimal vormittags ermordet, zur Unterhaltung eines Publikums, das aus lauter Hobby-Polizisten und -Polizistinnen bestand.

»Er ist es nicht wert«, grummelte Eve. Das Schauspiel zog sie derart in seinen Bann, dass sie eine geradezu persönliche Beziehung zu den dargestellten Charakteren empfand. »Sie opfert sich. Sie spielt den Geschworenen was vor, damit sie sie als Opportunistin sehen, als einen Menschen, der andere benutzt, als kaltherzige Hexe.Weil sie ihn liebt. Und dabei ist der Kerl das überhaupt nicht wert.«

»Es wäre genauso denkbar«, raunte Roarke, »dass sie ihn einfach betrogen hat und an ihrer Stelle ins Messer laufen lassen will.«

»Nie und nimmer. Sie hat die ganze Sache rumgedreht, damit es aussieht, als ob sie der Schurke wäre. Wen gucken die Geschworenen jetzt an? Sie steht im Mittelpunkt des allseitigen Interesses, und er wirkt wie ein armer Tropf. Wirklich clever, wenn der Kerl es wert wäre, aber wie gesagt, das ist er sicher nicht. Wird ihr das selbst noch klar?«

»Warte es ab.«

»Sag mir nur, ob ich Recht habe mit dem, was ich vermute.«

Er beugte sich zu ihr herüber, küsste sie auf die Wange und flüsterte fröhlich: »Nein.«

»Nein, ich habe Unrecht?«

»Nein, ich verrate es dir nicht. Und wenn du die ganze Zeit so weiterredest, kriegst du von den Dialogen nichts mehr mit.«

Sie runzelte die Stirn, verfolgte jedoch schweigend weiter, wie das Drama seinen Lauf nahm, und verzog, als die Geschworenen den Urteilsspruch verlasen, angewidert das Gesicht. Auf Geschworene war selbst in einem Schauspiel kein Verlass. Eine Jury aus zwölf anständigen Polizisten hätte den Schweinehund verurteilt. Gerade, als sie diese Gedanken äußern wollte, schob sich Christine Vole durch eine Gruppe von Zuschauern, die sie offenbar am liebsten in der Luft zerrissen hätten, in den fast leeren Gerichtssaal.

Eve nickte, denn es freute sie, als die Frau Voles Verteidiger gestand, dass alles, was sie vorgetragen hatte, gelogen gewesen war. »Sie wusste, dass ihr Mann die Tat begangen hatte. Sie wusste es die ganze Zeit und hat gelogen, um seinen Hals zu retten. Diese Närrin. Jetzt wird er sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Wart's ab.«

Als Roarke neben ihr leise lachte, sah sie ihn fragend an. »Was, bitte, ist so lustig?«

»Ich habe das Gefühl, dass Agatha Christie von dir total begeistert wäre.«

»Wer zum Teufel ist das? Pst! Da kommt er. Guck nur, wie gemein er grinst.«

Leonard Vole schlenderte nach seinem Freispruch lässig durch den Saal. An seinem Arm hing eine junge, brünette Frau. Er hat eine andere, dachte Eve, war jedoch nicht besonders überrascht. Trotzdem empfand sie Mitleid und ein Gefühl der Frustration, als sich Christine ihm an die Brust warf und ihm unglücklich die Arme um den Nacken schlang.

Eve sah seine arrogante Miene, Christines schockiertes, ungläubiges Gesicht und Sir Wilfreds unverhohlenen Zorn. Eve hatte allerdings nichts anderes erwartet.

Dann aber sprang sie mit einem Mal von ihrem Stuhl.

»Verdammt!«

»Immer mit der Ruhe, Mädel.« Grinsend zog Roarke Eve zurück auf ihren Platz.

Unten auf der Bühne stieß Christine ihrem Mann das Messer, das sie von dem Tisch mit den Beweismitteln gerissen hatte, mitten in sein rabenschwarzes Herz.

»Verdammt«, entfuhr es Eve ein zweites Mal. »Das habe ich nicht kommen sehen. Sie hat ihn hingerichtet.«

Ja, dachte Roarke noch einmal, Agatha Christie hätte ihre helle Freude an seiner Frau gehabt. Sir Wilfred sprach genau dieselben Worte, als eine Gruppe von Leuten auf die Bühne stürzte, sich entsetzt über den Leichnam beugte und man Christine eilig fortzog.

»Da stimmt was nicht.« Erneut sprang Eve auf, umklammerte mit beiden Händen das Geländer und verfolgte wie gebannt, was weiter geschah. »Da stimmt absolut etwas nicht. Wie kommen wir nach unten?«

»Eve, das ist alles nur gespielt.«

»Nicht alles.« Sie schob ihren Stuhl zur Seite und marschierte bereits aus der Loge, als Roarke sah, wie einer der knienden Komparsen eilig aufstand und mit schreckgeweiteten Augen auf das Blut an seinen Händen sah.

Er lief Eve hastig hinterher und packte sie am Arm. »Hier entlang. Da drüben ist ein Fahrstuhl, mit dem man direkt hinter die Bühne kommt.« Er gab einen Code ein, und gleichzeitig vernahmen sie das Schreien einer Frau.

»Gehört das auch zum Stück?«, fragte Eve, als sie den Lift betraten.

»Nein.«

»Okay.« Sie zog ihr Handy aus dem kleinen Abendtäschchen und hielt es an ihr Ohr. »Hier spricht Lieutenant Eve Dallas. Ich brauche eine Sanitätseinheit ins New Globe Theater, Ecke Achtunddreißigste-Broadway. Art der Verletzung und Zustand des Verletzten bisher nicht bekannt.«

Als die Tür des Fahrstuhls aufging, warf sie das Handy zurück in ihre Tasche und befahl angesichts des panischen Durcheinanders, das hier unten herrschte: »Schaff all die Leute raus, aber guck, dass niemand unbemerkt verschwindet. Ich will nicht, dass irgendjemand das Gebäude verlässt. Kannst du mir sagen, wie viele Schauspieler und Angestellte heute Abend hier sind?«

»Ich werde mich erkundigen.«

Sie trennten sich, und Eve bahnte sich einen Weg zur Bühne. Jemand hatte die Geistesgegenwart besessen, den Vorhang heruntergehen zu lassen, dahinter aber hielt sich mindestens ein Dutzend mehr oder weniger hysterischer Menschen auf.

»Alle zurücktreten!«, schnauzte sie die Leute an.

»Wir brauchen einen Arzt.« Die Blondine mit dem kühlen Blick, die die Rolle der Christine gespielt hatte, rang unglücklich die Hände. Sowohl an ihrem Kostüm als auch an ihren Fingern klebte jede Menge Blut. »Oh, mein Gott. Ruf doch endlich jemand einen Arzt.«

Eve hockte sich neben den Mann, der bäuchlings auf dem Boden lag, und wusste, es war bereits zu spät. Sie richtete sich wieder auf, zückte ihren Dienstausweis und meinte: »Ich bin Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei. Ich möchte, dass jeder einen Schritt zurück macht. Fassen Sie nichts an, nehmen Sie nichts von der Bühne mit.«

»Es war ein Unfall.« Der Darsteller des Sir Wilfred hatte sich seine Perücke abgenommen, weil ihm der Schweiß in Strömen über das Bühnen-Make-up lief. »Ein grauenhafter Unfall.«

Eve blickte auf die Blutlache und das bis zum Griff besudelte Messer. »Dies ist ein Tatort. Treten Sie also endlich einen Schritt zurück. Wo zum Teufel ist der Sicherheitsdienst von diesem Laden?«

Sie streckte eine Hand aus und legte sie derjenigen unsanft auf die Schulter, die für sie noch immer so was wie die Frau des Opfers war. »Ich habe gesagt, zurück.« Als sie Roarke mit drei uniformierten Männern aus der Seitenkulisse eilen sah, winkte sie ihm zu.

»Schafft die Leute von der Bühne. Ich will, dass sie alle einzeln irgendwo warten, bis ich mit ihnen reden kann. Es gibt doch sicher Garderobenräume oder so. Führt sie dorthin und lasst sie dort bewachen. Das gilt ebenso für die anderen Angestellten.«

»Ist er tot?«

»Das, oder er gewinnt den Preis des besten Schauspielers des Jahrhunderts.«

»Wir müssen auch das Publikum entfernen. Seht zu, dass keine Panik ausbricht und dass niemand das Theater unbemerkt verlässt.«

»Das übernimmst am besten du. Guck, ob Dr. Mira noch irgendwo ist. Ich könnte sie brauchen.«

»Ich habe ihn umgebracht.« Die Blonde machte schwankend zwei Schritte zurück, hielt ihre blutgetränkten Hände in die Höhe und starrte sie mit großen Augen an. »Ich habe ihn umgebracht«, röchelte sie noch einmal und fiel dann schlicht um.

»Super. Klasse. Roarke?«

»Ich kümmere mich um sie.«

»Sie.« Sie piekste einem der Wachmänner mit dem Finger in die Brust. »Leiten Sie diese Leute in ihre Garderobe und sorgen Sie dafür, dass sie dort bleiben. Und Sie …«, sie wandte sich dem zweiten Wachmann zu, »… Sie trommeln sämtliche Angestellten des Hauses zusammen. Ich will, dass die Türen gesichert werden. Niemand kommt herein, und niemand geht hinaus.«

Eine Frau fing an zu schluchzen, mehrere Männer begannen lautstark zu diskutieren, und Eve zählte bis fünf, hielt dann ihren Ausweis in die Luft und brüllte: »Jetzt hören Sie mir mal alle zu! Dies sind polizeiliche Ermittlungen. Jeder, der sich weigert, meine Anweisungen zu befolgen, stört die Arbeit der Polizei und wird deshalb umgehend zur nächsten Wache transportiert. Ich will, dass Sie alle die Bühne räumen, und zwar auf der Stelle!«

»Gehen wir.« Die Brünette mit der kleinen Rolle der Geliebten stakste elegant und achtlos über die ohnmächtige Christine hinweg. »Ein paar von euch starken Männern bringen unsere Hauptdarstellerin mit, ja? Ich brauche erst mal einen Drink.« Sie bedachte Eve mit einem kühlen, klaren Blick aus leuchtend grünen Augen. »Ist das erlaubt, Lieutenant?«

»Solange Sie nicht hier am Tatort trinken.«

Dann zog Eve erneut ihr Handy aus der Tasche, rief die Zentrale an und sagte, während sie erneut neben dem Leichnam in die Hocke ging: »Hier spricht Lieutenant Eve Dallas. Ich brauche sofort ein Team von der Spurensicherung.«

»Eve.« Eilig kam Dr. Mira hinter den Vorhang auf die Bühne. »Roarke hat mir gesagt …« Sie verstummte, blickte auf den Toten und atmete hörbar ein. »Großer Gott.« Dann wandte sie sich abermals an Eve. »Was kann ich tun?«

»Erst mal einfach nur da sein. Ich habe Arbeitswerkzeug dabei. Peabody ist schon unterwegs, und außerdem habe ich die Spurensicherung und einen Krankenwagen bestellt. Bis die jedoch hier sind, brauche ich Sie sowohl als Ärztin als auch als offizielle Sicherheitskraft, damit hier nicht alles völlig drunter und drüber geht. Tut mir Leid, dass ich Ihnen Ihren Abend ruiniere.«

Dr. Mira schüttelte den Kopf und wollte sich gerade neben die Leiche knien, als Eve hastig warnte: »Nein, passen Sie auf. Sie könnten Spuren am Tatort hinterlassen, und außerdem ruinieren Sie mit dem Blut Ihr Kleid.«

»Wie ist es passiert?«

»Das wissen Sie genauso gut wie ich. Wir alle haben es gesehen. Aufgrund meiner scharfen Beobachtungsgabe habe ich das Messer als die Mordwaffe identifiziert.« Eve lachte humorlos und spreizte ihre Hände. »Ich habe nicht mal eine verdammte Dose Versiegelungsspray dabei. Wo in aller Welt bleibt Peabody?«

Frustriert, weil sie ohne ihr Werkzeug nicht mit der Untersuchung des Tatortes beginnen konnte, wirbelte sie herum und entdeckte dabei Roarke. »Würden Sie wohl bitte eine Minute die Stellung halten, Dr. Mira?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte Eve über die Bühne auf ihren Gatten zu. »Sag mir, die Stelle mit dem Messer in der letzten Szene, wie funktioniert sie richtig?«

»Man nimmt ein Messer aus der Requisite, dessen Klinge in den Griff geschoben wird, sobald sie auf eine feste Oberfläche trifft.«

»Dieses Mal hat das eindeutig nicht funktioniert«, murmelte Eve. »Das Opfer, wie ist sein richtiger Name?«

»Richard Draco. Eine echte Berühmtheit.«

»Wie gut hast du ihn gekannt?«

»Nicht gut. Ich habe ihn ab und zu auf irgendwelchen Festen getroffen, aber vor allem kannte ich seine Arbeit.« Roarke steckte die Hände in die Hosentaschen, wippte auf den Fersen und studierte die weit aufgerissenen Augen in Dracos leblosem Gesicht. »Er hat viermal den Tony gewonnen und für sämtliche Filmrollen, die er gespielt hat, ausnahmslos hervorragende Kritiken eingeheimst. Auf der Bühne und beim Film war er seit Jahren ein Publikumsmagnet. Er stand in dem Ruf, schwierig, arrogant und kindisch zu sein. Hat angeblich mit den Frauen gespielt und eine Vorliebe für gewisse chemische Stimulanzien gehabt, die vielleicht nicht immer ganz legal gewesen sind.«

»Und die Frau, die ihn erstochen hat?«

»Areena Mansfield. Brillante Schauspielerin. Sie ist wenig temperamentvoll, was in ihrem Metier nur selten anzutreffen ist, und geht ganz in ihrer Arbeit auf. In Theaterkreisen ist sie äußerst angesehen. Sie lebt und arbeitet hauptsächlich in London, ließ sich aber dazu überreden, für diese Rolle vorübergehend hierher nach New York zu ziehen.«

»Von wem?«

»Teilweise von mir. Wir kennen uns seit ein paar Jahren. Und, nein«, fügte er hinzu, während er die Hände aus den Hosentaschen zog. »Ich habe nie mit ihr geschlafen.«

»Danach habe ich dich nicht gefragt.«

»Doch, das hast du.«

»Okay, wenn ja, kommt auch noch die nächste Frage. Warum hast du nie mit ihr geschlafen?«

Er verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. »Anfangs, weil sie verheiratet war, und dann, als sie es nicht mehr war …« Er strich mit einem Finger über das kleine Grübchen an Eves Kinn. »… war ich es. Und meiner Frau gefällt es nicht, wenn ich mit anderen schlafe. Darin ist sie sehr streng.«

»Wird notiert.« Sie wog die verschiedenen Möglichkeiten, diese Unterhaltung fortzusetzen, gegeneinander ab, erklärte jedoch schließlich: »Du kennst ziemlich viele dieser Leute und hast dir zumindest ein Bild von ihnen gemacht. Ich werde also später noch mit dir sprechen müssen.« Sie seufzte leise auf. »Und zwar offiziell.«

»Natürlich. Ist es möglich, dass es ein Unfall war?«

»Alles ist möglich. Ich muss das Messer untersuchen, aber ich kann das verdammte Ding nicht mal anfassen, bis Peabody endlich mit den Arbeitsutensilien erscheint. Warum gehst du nicht los, tröstest die Leute ein bisschen und hörst dich dabei unauffällig um?«

»Bittest du mich etwa, dir offiziell bei deinen Ermittlungen zu helfen?«

»Nein, tue ich nicht. Ich habe nur gesagt, dass du die Ohren offen halten sollst.« Sie tippte ihm mit einem Finger in die Brust. »Und halt dich möglichst von mir fern. Ich bin nämlich im Dienst.«

Als sie das harte Klackern von Polizeischuhen vernahm, drehte sie sich um.

Wie gewohnt hatte Peabody ihre Schuhe frisch poliert. Ihr etwas gedrungener Körper steckte bis zum Hals im dicken Wintermantel ihrer Uniform, und ihre Kappe saß genau im richtigen Winkel auf ihrem glatten, dunklen Haar.

Sie gingen von den beiden Seiten der Bühne aufeinander zu und trafen sich in der Mitte, dort, wo der Tote lag. »Hi, Dr. Mira.« Peabody schaute auf den Leichnam und meinte: »Scheint eine wirklich aufregende Premiere gewesen zu sein.«

Eve streckte eine Hand nach ihrem Untersuchungsbeutel aus. »Schalten Sie den Rekorder an, Peabody.«

»Sehr wohl, Madam.« Peabody zog wegen der Hitze, die die Scheinwerfer verströmten, ihren Mantel aus, legte ihn ordentlich zusammen und klemmte das Aufnahmegerät am Kragen ihrer Uniformjacke fest.

»Rekorder an«, meldete sie, während Eve großzügig Seal-It auf ihre Hände und Abendschuhe gab.

»Lieutenant Eve Dallas auf der Bühne des New Globe Theater. Ebenfalls anwesend Officer Delia Peabody und Dr. Charlotte Mira. Das Opfer ist ein gewisser Richard Draco, männlich, gemischtrassig, Alter Ende vierzig bis etwa Anfang fünfzig.«

Sie warf Peabody das Seal-It zu. »Die Todesursache ist eine einzelne Stichwunde. Die Platzierung des Stichs und der relativ geringe Blutverlust des Opfers deuten auf eine Herzverletzung hin.«

Sie ging in die Hocke und hob mit ihren versiegelten Fingern die Tatwaffe vom Boden auf. »Die Verletzung wurde dem Opfer mit einem, wie es scheint, gewöhnlichen Küchenmesser beigebracht. Die gezackte Klinge ist ungefähr zwanzig Zentimeter lang.«

»Ich werde das Messer vermessen und eintüten, Lieutenant.«

»Noch nicht«, murmelte Eve, blickte auf das Messer, zog eine Vergrößerungsbrille aus der Tasche und inspizierte die Waffe genauer. »Erste Untersuchung zeigt, dass es keinen Rückzugsmechanismus für die Klinge gibt. Dies ist eindeutig keine Requisite.«

Sie schob sich die Brille auf den Kopf und drückte das Messer in Peabodys ebenfalls versiegelte Hand. »Und keine Requisite heißt, es war kein Unfall, sondern Mord.«

2

»Ich könnte Sie brauchen«, sagte Eve zu Dr. Mira. Dracos Leichnam war inzwischen auf dem Weg ins Leichenschauhaus, und die Leute von der Spurensicherung nahmen sich des Tatorts an.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Ungefähr ein Dutzend uniformierter Beamter nehmen die Namen und Adressen der Zuschauer auf und lassen sie dann gehen.« Sie wollte gar nicht daran denken, wie viele Leute und Stunden sie benötigen würden, um zweitausend potenzielle Zeugen zu vernehmen, und was für ein Papierberg bei diesen Vernehmungen entstand. »Die Schauspieler aber würde ich gerne persönlich noch befragen, bevor ich sie entlasse. Ich will nämlich nicht, dass einer von ihnen sich einen Anwalt nimmt, bevor ich nicht wenigstens ansatzweise herausgefunden habe, wie das Verhältnis zwischen diesen Leuten ist.«

Ein öffentlicher Mord, dachte Eve, während sie den Blick über die Bühne, die Kulissen und die unzähligen Reihen bequemer samtbezogener Stühle im Zuschauerraum wandern ließ. Irgendjemand war unglaublich cool, dreist. Und vor allen Dingen smart.

»In Ihrer Gegenwart fühlen die Menschen sich wohl«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort. »Und ich möchte, dass sich Areena Mansfield wohl fühlt, wenn ich mit ihr rede.«

»Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«

»Danke. Peabody, Sie kommen mit.«

Eve überquerte die Bühne und trat hinter die Kulissen, wo man eine Reihe uniformierter Beamter durch die Gegend schwirren sah.

Die Zivilpersonen saßen entweder hinter geschlossenen Türen in ihren Garderoben oder standen unglücklich zusammen.

»Wie groß schätzen Sie unsere Chancen ein, dass diese Sache den Medien bis morgen früh verborgen bleibt?«

Peabody schielte ihre Vorgesetzte von der Seite her an. »Ich würde sagen, null, aber das ist noch optimistisch.«

»Ja. Officer.« Eve winkte einem der Beamten. »Ich möchte, dass an allen Ein- und Ausgängen jemand postiert wird.«

»Wurde bereits erledigt, Madam.«

»Ich will, dass die Wachen innerhalb des Gebäudes stehen. Niemand darf raus, nicht mal ein Kollege. Und niemand darf herein, vor allem keine Journalisten. Klar?«

»Sehr wohl, Madam.«

Hinter den Kulissen verlief ein schmaler Gang. Eve betrachtete die Türen und grinste leicht angesichts der goldenen Sterne, die an einigen befestigt waren. Ebenso waren Namensschilder an den Türen angebracht. Sie erreichte die Tür mit der Aufschrift Areena Mansfield, klopfte kurz und trat sofort ein.

Sie zog wortlos eine Braue in die Höhe, als sie ihren Mann auf einem königsblauen Diwan sitzen und mit Areena Händchen halten sah.

Die Schauspielerin war noch nicht abgeschminkt, und obwohl ihr Make-up infolge ihrer Tränen etwas verlaufen war, sah sie fantastisch aus. Ihr Blick fiel auf Eve, und sie verzog panisch das Gesicht.

»O Gott. Oh, mein Gott. Werde ich jetzt etwa verhaftet?«

»Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, Ms Mansfield.«

»Ich durfte mich nicht umziehen. Sie haben gesagt, dass ich es nicht darf. Sein Blut.« Ihre Hände flatterten über ihr Kostüm, sie ballte die Fäuste und schluchzte dramatisch: »Ich ertrage es nicht mehr.«

»Tut mir Leid. Dr. Mira, würden Sie Ms Mansfield beim Umziehen behilflich sein? Peabody steckt das Kostüm dann ein.«

»Selbstverständlich.«

»Roarke, warte bitte draußen.« Eve öffnete unmissverständlich die Tür.

»Keine Sorge, Areena. Der Lieutenant klärt die Sache auf.« Er drückte Areena ein letztes Mal die Hand, stand auf und ging an Eve vorbei hinaus.

»Ich hatte dich darum gebeten, die Ohren aufzusperren, und nicht, dass du es dir mit einer Verdächtigen gemütlich machst.«

»Der Versuch, eine hysterische Frau zur Besinnung zu bringen, ist nicht unbedingt gemütlich.« Er atmete hörbar aus. »Jetzt könnte ich wirklich einen großen Brandy vertragen.«

»Gut, dann fahr nach Hause und genehmige dir einen. Ich weiß nicht, wie lange es bei mir dauern wird.«

»Ich glaube, das, was ich suche, finde ich auch hier.«

»Fahr nach Hause«, wiederholte sie. »Hier gibt es für dich nichts mehr zu tun.«

»Da ich nicht zu den Verdächtigen gehöre«, wandte er mit leiser Stimme ein, »und da dieses Theater mir gehört, glaube ich, dass ich kommen und gehen kann, wie es mir beliebt.«

Er strich mit einem Finger über ihre Wange und schlenderte davon.

»Das tust du doch immer«, grummelte sie und kehrte in die Garderobe zurück.

Eve hatte den Eindruck, dass die Bezeichnung Garderobe eine ziemlich bescheidene Bezeichnung für ein derart geräumiges, luxuriöses Zimmer war. Auf einem langen cremefarbenen Tresen, über dem ein dreiteiliger, von schlanken weißen Lampen gerahmter Spiegel hing, waren eine Unzahl von Töpfen, Tiegeln, Stiften und Flaschen präzise wie Soldaten nebeneinander aufgereiht.

Es gab besagten Diwan, auf dem Raorke gesessen hatte, mehrere bequeme Stühle, einen AutoChef, einen Kühlschrank und ein modernes, kleines Kommunikations-System. In dem mit Kostümen und Areenas Straßenkleidung gefüllten, offen stehenden Schrank herrschte genau die gleiche tadellose Ordnung wie auf dem langen Tisch.

Überall standen Blumen, und ihr schwerer süßer Duft rief in Eve Gedanken an Hochzeiten - und an Beerdigungen - wach.

»Danke. Vielen Dank.« Zitternd schob Areena ihre schlanken Arme in den langen, weißen Morgenmantel, der von Dr. Mira aus dem Schrank gezogen worden war. »Ich habe keine Ahnung, wie lange ich das noch ertragen hätte … ich würde mich gern abschminken.« Sie legte eine Hand um ihren Hals. »Ich wäre gern wieder ich selbst.«

»Machen Sie nur.« Eve machte es sich auf einem Stuhl bequem. »Dieses Gespräch wird aufgezeichnet werden. Haben Sie verstanden?«

»Ich verstehe überhaupt nichts.« Seufzend nahm Areena auf dem gepolsterten Hocker vor dem Spiegel Platz. »Ich fühle mich völlig betäubt, als würde alles einen Schritt später passieren, als es passieren sollte.«

»Das ist eine ganz normale Reaktion«, versicherte ihr Dr. Mira. »Häufig hilft es, über das zu reden, was den Schock verursacht hat, und sich an die Einzelheiten zu erinnern, weil man sie dann besser verarbeiten kann.«

»Ja, ich nehme an, Sie haben Recht.« Im Spiegel blickte Areena auf Eve. »Sie müssen mir Fragen stellen und das muss aufgenommen werden. Also gut. Bringen wir es hinter uns.«

»Rekorder an, Peabody. Lieutenant Eve Dallas im Gespräch mit Areena Mansfield in deren Garderobe im New Globe Theater. Ebenfalls anwesend sind Officer Delia Peabody und Dr. Charlotte Mira.«

Während Areena ihr Make-up entfernte, klärte Eve sie ordnungsgemäß über ihre Rechte und Pflichten auf. »Haben Sie verstanden, Ms Mansfield?«

»Ja. Das ist ein weiterer Teil dieses Albtraums.« Sie schloss die Augen, versuchte, sich eine reine weiße Fläche vorzustellen, eine ruhige, friedliche Szene - und sah nichts anderes als Blut. »Ist er wirklich tot? Ist Richard wirklich tot?«

»Ja.«

»Ich habe ihn getötet. Ich habe ihn erstochen.« Ein sichtbarer Schauder rann von ihren Schultern abwärts über ihren Rücken. »Mindestens ein Dutzend Mal«, sagte sie, schlug die Augen wieder auf und sah Eve erneut im Spiegel an. »Wir hatten diese Szene mindestens ein Dutzend Mal geprobt. Wir hatten alles sorgfältig inszeniert, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Was ist schief gegangen heute Abend? Warum ist die Klinge des Messers nicht im Griff verschwunden?« Zum ersten Mal blitzte in ihren Augen eine Spur von Ärger auf. »Wie konnte das passieren?«

»Erzählen Sie mir alles ganz genau. Beschreiben Sie die Szene. Sie sind Christine. Sie haben ihn beschützt, haben für ihn gelogen. Sie haben sich ihm zuliebe ruiniert. Und dann, nach allem, was Sie für ihn geopfert haben, stolziert er mit einer anderen, einer Jüngeren an.«

»Ich habe ihn geliebt. Ich war von ihm regelrecht besessen. Er war mein Geliebter, mein Mann, mein Kind, alles in einem.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vor allem anderen hat Christine Leonard Vole bedingungslos geliebt. Sie wusste, was für ein Typ er war, wusste, was er verbrochen hatte. Doch das war ihr egal. Sie wäre für ihn gestorben, so besessen war sie von diesem Mann.«

Areena hatte sich etwas beruhigt. Sie warf die benutzten Papiertücher in den Recycler und drehte sich auf ihrem Hocker zu Eve um. Trotz ihrer Totenblässe und ihrer rot verschwollenen Augen war sie nach wie vor eine wunderschöne Frau.

»In diesem Moment verstehen alle Frauen im Publikum, was Christine empfindet. Entweder haben oder aber hätten sie eine solche Liebe selber gern einmal erlebt. Als ihr klar wird, dass er sie, nach allem, was sie für ihn getan hat, einfach wegwirft, als sie endlich begreift, was für ein Schwein er ist, schnappt sie sich das Messer.«

Areena hob eine geballte Faust, als hielte sie die Waffe in der Hand. »Tut sie es aus Verzweiflung? Nein, sie ist stets aktiv, niemals passiv. Es ist ein Impuls, ein innerer Impuls. Sie rammt ihm das Messer in die Brust, während sie ihn gleichzeitig umarmt. Liebe und Hass, beide in ihrer höchsten Form, sind in diesem Augenblick in ihr vereint.«

Sie starrte auf die Hand, die sie hatte heruntersausen lassen, und fing an zu zittern. »Großer Gott!« Mit einer fahrigen Bewegung riss sie eine Schublade des Schminktischs auf.

Sofort war Eve auf den Beinen und umklammerte Areenas Handgelenk.

»Ich - es - eine Zigarette«, stieß sie verzweifelt aus. »Ich weiß, dass das Rauchen hier verboten ist, aber ich will eine Zigarette.« Sie schlug Eve auf die Hand. »Ich will eine verdammte Zigarette.«

Eve spähte in die Schublade, in der tatsächlich eine teure Zehnerpackung der Kräuterstängel lag. »Das Gespräch wird gerade aufgenommen. Sie bekommen also automatisch eine Geldstrafe auferlegt.« Trotzdem trat sie einen Schritt zurück.

»Meine Nerven.« Sie nestelte umständlich mit dem Feuerzeug herum, bis Dr. Mira auf sie zutrat, es ihr sanft aus der Hand nahm und ihr Feuer gab. »Es tut mir Leid. Normalerweise bin ich nicht derart … zerbrechlich. Wenn man zerbrechlich ist, macht einen das Theater innerhalb kürzester Zeit kaputt.«

»Sie halten sich sehr gut«, erklärte Dr. Mira ihr mit ruhiger Stimme. »Es wird Ihnen helfen, wenn Sie mit Lieutenant Dallas über alles reden.«

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Areena bedachte Dr. Mira mit dem von Eve erhofften, vertrauensvollen Gesichtsausdruck. »Es ist einfach passiert.«

»Als Sie das Messer vom Tisch genommen haben«, unterbrach sie Eve. »Ist Ihnen dabei irgendetwas aufgefallen, was anders war als sonst?«

»Anders?« Blinzelnd wandte Areena sich ihr wieder zu. »Nein. Es lag genau dort, wo es liegen sollte, mit dem Griff in meine Richtung, damit ich es mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung in die Hand nehmen konnte. Ich habe es hochgehalten, damit das Publikum die Klinge sehen kann. Die Beleuchtung ist extra so eingestellt, dass der Stahl der Klinge aufblitzt. Dann stürze ich los. Es sind nur zwei Schritte vom Tisch bis zu Richard. Ich nehme mit der linken Hand seinen rechten Arm, zwischen Ellbogen und Schulter, halte ihn fest, hole mit der Rechten aus und dann … stoße ich zu«, sagte sie nach einem gierigen Zug an ihrer Zigarette. »Durch das Auftreffen des falschen Messers auf seiner Brust wird das Päckchen mit dem falschen Blut geöffnet. Wir bleiben eine Sekunde lang direkt voreinander stehen, und dann kommen schon die anderen auf die Bühne gerannt und reißen mich fort.«

»Was hatten Sie für eine Beziehung zu Richard Draco?«

»Was?« Areena sah sie aus glasigen Augen an.

»Ihre Beziehung zu Draco. Erzählen Sie mir davon.«

»Von meiner Beziehung zu Richard?« Areena presste die Lippen aufeinander und massierte sich den Hals, als steckten die Worte in ihrer Kehle fest. »Wir kannten uns seit mehreren Jahren, haben schon vorher miteinander auf der Bühne gestanden, zuletzt in einer Londoner Produktion von Twice Owned.«

»Und persönlich?«

Areena zögerte nur kurz, kaum merklich, Eve fiel es trotzdem auf.

»Wir kamen ganz gut miteinander zurecht. Wie gesagt, wir kannten einander seit Jahren. Die Medien in London haben uns während unseres letzten gemeinsamen Stückes sogar eine Romanze angedichtet. Das Stück war eine Liebesgeschichte. Wir fanden das recht praktisch, denn diese Story hat uns zusätzliches Interesse und dadurch zusätzliche Zuschauer eingebracht. Ich war zu dem Zeitpunkt noch verheiratet, aber das hat die Leute nicht daran gehindert, uns auch außerhalb des Theaters als Liebespaar abzustempeln. Wir fanden das durchaus amüsant.«

»Aber in Wirklichkeit sind Sie beide niemals ein Liebespaar gewesen?«

»Wie gesagt, ich war verheiratet, Lieutenant, und vor allem klug genug, um zu wissen, dass Richard nicht die Art von Mann war, dessentwegen man eine Ehe wegwerfen sollte.«

»Warum nicht?«

»Er ist ein guter Schauspieler, das heißt, er war«, verbesserte sie sich und schluckte, ehe sie ein letztes Mal an ihrer Zigarette zog. »Aber er war kein besonders feiner Mensch. Oh, das klingt grässlich und gemein.« Wieder hob sie ihre Hand an ihren Hals und trommelte rastlos mit ihren schmalen Fingern auf ihrer nackten Haut. »Ich fühle mich grässlich und gemein, weil ich so etwas sage, aber - ich will Ihnen gegenüber ehrlich sein. Ich habe Angst. Ich habe schreckliche Angst, dass Sie womöglich denken, dass ich wollte, dass es zu diesem Unfall kommt.«

»Zurzeit denke ich gar nicht. Ich möchte, dass Sie mir von Richard Draco erzählen.«

»Also gut. Also gut.« Sie atmete tief durch. »Andere werden es Ihnen sowieso erzählen. Richard war selbstsüchtig und egozentrisch wie … viele andere ebenso in unserem Metier. Das habe ich ihm nie zum Vorwurf gemacht. Und ich habe die Chance, mit ihm gemeinsam in diesem Stück zu spielen, begeistert aufgegriffen.«

»Können Sie sich irgendjemanden vorstellen, der es ihm eventuell - anders als Sie - zum Vorwurf gemacht hat, dass er kein besonders netter Mensch gewesen ist?«

»Ich nehme an, Richard hat so ziemlich alle, die an dieser Produktion beteiligt sind, irgendwann einmal beleidigt oder desavouiert.« Sie presste eine Fingerspitze gegen die Innenseite ihres Auges, als verspüre sie dort einen schmerzhaften Druck. »Auf alle Fälle gab es jede Menge verletzter Gefühle, Beschwerden, böses Gemurmel und Anschuldigungen gegen ihn. Aber so laufen diese Dinge nun mal in der Theaterwelt.«

Eve kam zu dem Schluss, dass die Welt des Theaters von lauter Verrückten bevölkert war. Die Leute heulten sich die Augen aus und hielten, als sie sie befragte, ausgedehnte Monologe, obgleich ihnen sicher jeder nur halbwegs vernunftbegabte Anwalt hätte erklären können, dass es das Klügste war, wenn man sich bei seinen Antworten auf ein Ja oder Nein beschränkte und ansonsten die Klappe hielt. Sie ergingen sich in ausschweifenden Reden, und viele von ihnen schafften es sogar, den Tod eines Kollegen in ein Drama zu verwandeln, in dem ihnen selbst eine Hauptrolle sicher war.

»Neunzig Prozent von dem, was sie erzählen, ist der totale Schwachsinn, Peabody.«

»Das schätze ich genauso ein.« Peabody durchquerte den Bereich hinter der Bühne und sah sich dabei mit großen Augen um. »Trotzdem ist das alles irgendwie faszinierend, finde ich. All die Lichter, das Holoboard und jede Menge fantastischer Kostüme, wenn man alte Klamotten mag. Glauben Sie nicht, dass es etwas ganz Besonderes ist, dort draußen zu stehen und von all den Leuten angesehen zu werden, während man seine Rolle spielt?«

»Ich finde das eher unheimlich. Wir müssen ein paar der Leute gehen lassen, bevor sie anfangen zu jammern, weil wir ihre bürgerlichen Freiheiten beschneiden.«

»Ich hasse es, wenn das passiert.«

Grinsend schaute Eve auf ihren Block. »Das Bild, das die Beteiligten von dem Opfer gezeichnet haben, ist ziemlich interessant. Auch wenn es keiner ausdrücklich sagen wollte, war der Tote offenkundig alles andere als beliebt. Obwohl sie alle um den heißen Brei herumgeredet und sogar jede Menge Tränen bei den Gesprächen vergossen haben, hat anscheinend niemand Draco nur ansatzweise gemocht. Ich gucke mich hier noch ein wenig um. Gehen Sie schon mal los und sagen den Beamten, dass sie die Leute gehen lassen sollen. Vergewissern Sie sich aber, dass wir sämtliche Namen und Adressen haben, dass sie alle über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt worden sind, und machen Sie, auch mit Areena Mansfield, für morgen Gesprächstermine aus.«

»Auf der Wache oder bei den Leuten zu Hause?«

»Um die Sache nicht zu dramatisieren, fahren wir vielleicht besser zu ihnen. Zumindest denke ich, dass das vorläufig das Geschickteste ist. Danach haben Sie frei. Wir treffen uns morgen früh um acht auf dem Revier.«

Peabody trat von einem Fuß auf den anderen und fragte: »Und Sie? Fahren Sie ebenfalls nach Hause?«

»Irgendwann bestimmt.«

»Ich kann gerne noch bleiben, bis Sie fertig sind.«

»Für Sie gibt es momentan nichts mehr zu tun, und ich möchte, dass Sie morgen, wenn wir weitermachen, halbwegs ausgeschlafen sind. Vereinbaren Sie also bitte nur noch die Gesprächstermine, und danach fahren Sie heim. Ich möchte so bald wie möglich mit so vielen Leuten wie möglich reden.«

»Sehr wohl, Madam. Tolles Kleid«, fügte Peabody hinzu. »Sie sollten schauen, dass Sie das Blut und das Versiegelungsspray rauswaschen, bevor es zu sehr eingetrocknet ist.«

Eve blickte stirnrunzelnd an sich herab. »Verdammt. Ich hasse es, wenn ich für meine Arbeit nicht passend angezogen bin.« Sie machte kehrt und marschierte entschlossenen Schrittes in Richtung eines von einem uniformierten Beamten bewachten, riesengroßen, abgeschlossenen Schranks.

»Schlüssel.« Sie streckte eine Hand aus, worauf der Beamte in einer Plastiktüte nach dem Schlüssel grub. »Hat irgendwer versucht, an den Schrank heranzukommen?«

»Der Requisiteur - ein alter Mann, der ziemlich erschüttert aussah. Aber er hat mir keinerlei Schwierigkeiten gemacht.«

»Gut. Gehen Sie nach vorne und sagen Sie den Leuten von der Spurensicherung, dass sie in zirka zehn Minuten den Bereich hier hinten durchkämmen können.«

»Sehr wohl, Madam.«

Eve drehte den Schrankschlüssel im Schloss, zog die beiden Türen auf und runzelte, als sie die Zigarrenschachtel, das altmodische Telefon und ein paar andere ordentlich in einem Fach mit der Aufschrift ›Sir Wilfreds Büro‹ abgelegte Dinge entdeckte, die Stirn.

In einem anderen Fach lagen die Requisiten, die in der Bar-Szene verwendet worden waren. Das Fach mit der Aufschrift ›Gerichtssaal‹ war leer. Anscheinend hatte der Requisiteur sofort nach Beendigung jeder einzelnen Szene die nicht mehr benötigten Gegenstände ordentlich an ihren Platz zurückgelegt.

Ein so penibler Mensch hätte ein Küchenmesser nie mit einer Attrappe verwechselt, überlegte sie.

»Lieutenant Dallas?«

Eve wandte sich um und sah, dass die junge Brünette aus dem letzten Akt aus der Kulisse ins Rampenlicht der Bühne getreten war. Sie hatte ihr Kostüm gegen einen schlichten, schwarzen Einteiler getauscht, und ihr während der Aufführung in straffen Wellen zurückgekämmtes Haar hing wie ein seidig weicher, glatter Vorhang fast bis auf ihr wohlgeformtes Hinterteil herab.

»Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei der Arbeit.« Sie hatte einen kaum hörbaren, weichen Südstaatenakzent und sah Eve lächelnd an. »Ich hatte gehofft, ich könnte kurz mit Ihnen reden. Obwohl Ihre Assistentin meinte, ich könnte erst mal gehen.«

»Das stimmt.« Eve hatte nach dem Mord schnell das Programm gelesen, und jetzt fiel ihr der Name ihres Gegenübers ein. »Miss Landsdowne.«

»Carly Landsdowne, die Diane in dieser tragischen Produktion.« Sie lenkte den Blick ihrer großen grünen Augen auf den offenen Schrank. »Ich hoffe, Sie denken nicht, dass Pete etwas damit zu tun hat, was Richard widerfahren ist. Der alte Pete würde nicht mal einer Fliege, die ihm pausenlos um den Kopf schwirrt, etwas zuleide tun.«

»Pete ist der Requisiteur?«

»Ja. Und so harmlos, wie es irgend geht. Was man nicht von allen Beteiligten in diesem kleinen Zirkus behaupten kann.«

»Offensichtlich nicht. Gibt es etwas Bestimmtes, was Sie mir sagen wollen?«

»Etwas, von dem ich bezweifle, dass es die meisten anderen zumindest jetzt schon offen sagen. Richard wurde von allen hier gehasst.«

»Einschließlich Ihnen?«

»Oh, auf jeden Fall.« Immer noch hatte sie ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Er ist einem ins Wort gefallen, sobald er die Chance dazu bekam. Hat einen ausgebremst, hat nie etwas unversucht gelassen, um die Aufmerksamkeit des Publikums von den anderen fort auf sich selbst zu lenken. Vor allem aber wenn er nicht auf der Bühne stand, war er ein bösartiger kleiner Wurm. Seine Welt hat sich ausschließlich um ihn selbst gedreht, um sein aufgeblähtes Ego.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Früher oder später wird es Ihnen sowieso jemand anderes erzählen, also dachte ich, ist es das Beste, Sie hören es gleich heute Abend von mir selbst. Wir hatten ein kurzes Verhältnis miteinander. Es endete vor ein paar Wochen, mit einer hässlichen kleinen Szene. Richard hatte eine Vorliebe für hässliche kleine Szenen und hat diese extra so inszeniert, damit er die größtmögliche Wirkung damit erzielt. Es war während unserer ersten großen Kostümprobe.«

»Ich nehme an, er hat die Sache beendet.«

»Das hat er«, erklärte sie mit gleichmütiger Stimme, doch das Blitzen ihrer Augen verriet Eve, dass sie deshalb noch heißen Zorn empfand. »Erst hat er nichts unversucht gelassen, um mich zu becircen, und dann hat er sich mindestens genauso viel Mühe gegeben, mich vor den Kollegen und den Technikern zu erniedrigen. Dies ist meine erste Broadway-Produktion.«

Sie sah sich um, und ihr Lächeln wirkte scharf wie zerbrochenes Glas. »Ich war ziemlich naiv, Lieutenant, aber ich habe schnell gelernt. Ich werde nicht behaupten, dass mir sein Tod Leid tut, aber ich kann Ihnen versichern, dass er es meiner Meinung nach absolut nicht wert gewesen ist, einen Mord zu begehen.«

»Haben Sie ihn geliebt?«

»An diesem Punkt meiner Karriere habe ich für Liebe keinen Platz, aber ich war von ihm … beeindruckt. Ich glaube, ganz ähnlich wie Diane von Leonard Vole beeindruckt war. Sicher hat so ziemlich jeder hier irgendeinen Groll gegen Richard gehegt, und ich dachte, es ist besser, wenn ich Ihnen sofort sage, weshalb auch ich total sauer auf ihn war.«

»Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen. Sie sagten, er hätte Sie erniedrigt. Auf welche Art?«

»In seiner letzten Szene, in der ich mit ihm in den Gerichtssaal komme und er Christine brüskiert, ist er mir ins Wort gefallen, ist quer über die Bühne gestürmt und hat erklärt, meine Darstellung wäre absolut flach.«

Sie presste die Lippen aufeinander, und ihre Augen bildeten zwei schmale Schlitze. »Er hat erklärt, ich wäre auf der Bühne genauso leidenschafts- und stillos wie im Bett. Er hat mich einen hirnlosen Bauerntrampel genannt und behauptet, ich würde versuchen, meinen Mangel an Talent durch ein recht nettes Äußeres und zwei hübsche Brüste zu kaschieren.«

Carly strich sich die Haare aus der Stirn, und die beinahe gleichmütige Geste stand zu dem zornigen Flackern ihrer Augen in deutlichem Kontrast. »Er meinte, ich wäre langweilig, und auch wenn er mich eine Zeit lang durchaus amüsant gefunden hätte, würde er dafür sorgen, dass jemand mich ersetzt, der diese kleine Rolle wenigstens halbwegs angemessen spielt.«

»Und das alles kam für Sie völlig überraschend?«

»Er war eine Schlange. Schlangen sind feige und schlagen deshalb stets unvermutet zu. Ich habe mich zur Wehr gesetzt, aber ich war nicht wirklich gut. Ich war total überrumpelt und dazu verlegen. Richard ist von der Bühne marschiert und hat sich in seiner Garderobe eingesperrt. Der Regieassistent ist hin, um zu versuchen, ihn zu beruhigen, und wir haben währenddessen die Szene mit der Zweitbesetzung des Leonard geprobt.«

»Und wer ist das?«

»Michael Proctor. Er ist übrigens sehr gut.«

»Und wenn das Stück jetzt weiterläuft, spielt er den Leonard?«

»Ich schätze, das entscheiden die Produzenten. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn er den Part zumindest übergangsweise übernähme.«

»Danke, dass Sie mir das alles mitgeteilt haben, Miss Landsdowne«, sagte Eve und dachte, dass es immer verdächtig war, wenn ihr jemand - unaufgefordert - so viele Informationen gab.

»Kein Problem. Ich habe nicht das Geringste zu verbergen.« Erneut zuckte Carly mit den Schultern und musterte Eve dabei aus ihren großen, grünen Augen. »Ich nehme an, wenn ich etwas zu verbergen hätte, fänden Sie das sowieso früher oder später heraus. In den letzten Monaten habe ich so einiges über die Polizistin, die mit Roarke verheiratet ist, gehört. Glauben Sie nicht, dass man eine gewisse Arroganz benötigt, um ausgerechnet einen Abend für den Mord zu wählen, an dem Sie unter den Zuschauern sind?«

»Man braucht in jedem Fall eine gewisse Arroganz, um einem anderen das Leben zu nehmen. Ich werde mich wieder bei Ihnen melden, Miss Landsdowne.«

»Ich habe nichts anderes erwartet.«

Eve wartete, bis die Frau fast in der Kulisse verschwunden war, ehe sie ihr nachrief: »Eins noch.«

»Ja?«

»Sie scheinen Areena Mansfield ebenfalls nicht sonderlich zu mögen.«

»Ich empfinde ihr gegenüber weder große Sympathie noch eine sonderliche Abneigung.« Carly legte den Kopf auf die Seite und fragte mit hochgezogenen Brauen: »Warum fragen Sie danach?«

»Sie waren nicht besonders mitfühlend, als sie ohnmächtig geworden ist.«

Jetzt war das Lächeln wieder da, und es war so breit, dass man beinahe Carlys Backenzähne sah. »Sie sah dabei umwerfend elegant aus, finden Sie nicht auch? Schauspieler, Lieutenant Dallas, man kann ihnen nicht trauen.«

Sie warf lässig ihr Haar über die Schulter und trat endgültig von der Bühne.

»Tja«, murmelte Eve. »Wer von euch schauspielert nicht?«

»Lieutenant.« Eine junge, frischgesichtige Frau von der Spurensicherung kam mit einem leisen Rascheln ihres weiten Schutzanzugs auf Eve zumarschiert. »Ich habe hier ein kleines Spielzeug, das Sie sicher interessiert.«

»Aber hallo.« Eve spitzte die Lippen, nahm die ihr gereichte Plastiktüte, betrachtete das darin verwahrte Messer von allen Seiten und befingerte vorsichtig die Klinge, die sofort im Griff verschwand. »Wo haben Sie das Ding gefunden, äh …«, sie spähte auf das Namensschild, das in Brusthöhe an dem langweilig grauen Overall befestigt war, »Lombowsky.«

»In einer Vase voller echter, langstieliger, roter Rosen. Wirklich hübsche Blumen. Der Raum ist damit angefüllt wie bei einer Beerdigung. Es ist die Garderobe von Areena Mansfield.«

»Gute Arbeit.«

»Danke, Lieutenant.«

»Wissen Sie, wo Mansfield zurzeit ist?«

»Im Pausenraum. Sie wird dort gut betreut.«

»Von Peabody?«

»Nein, Madam. Von Ihrem Mann.« Lombowsky wartete, bis Eve stirnrunzelnd auf das unechte Messer blickte, bevor sie ihre Brauen in die Höhe zog. Sie hatte Roarke an diesem Abend seit langer Zeit zum ersten Mal wieder persönlich getroffen und war wohl zu dem Schluss gekommen, dass er ein lohnendes Objekt war.

»Schließen Sie die Spurensuche ab, Lombowsky.«

»Schon dabei, Lieutenant.«

Eve verließ die Bühne ebenfalls und fing Peabody ab, die aus einer der Garderoben kam. »Bisher habe ich vier Gesprächstermine vereinbart.«

»Gut. Die Pläne für heute Abend haben sich noch mal geändert.« Eve hielt ihrer Assistentin das falsche Messer hin. »Das hier hat die Spurensicherung in Mansfields Garderobe in einem Rosenstrauß entdeckt.«

»Nehmen Sie sie fest?«

»Ihr Anwalt würde sie wieder freibekommen, bevor ich sie auf der Wache hätte. Es passt einfach zu gut, finden Sie nicht auch? Sie ermordet ihn vor einem vollen Haus und versteckt das falsche Messer in ihrer eigenen Garderobe. Entweder superclever oder superblöd.« Eve drehte die Tüte mit dem Messer in ihren Händen hin und her. »Lassen Sie uns sehen, was sie dazu zu sagen hat. Wo ist der Pausenraum?«

»In der unteren Etage. Wir können die Treppe nehmen.«

»Meinetwegen. Kennen Sie sich mit Schauspielern aus?«

»Ja, klar. In meiner Familie hat man sich von jeher für die schönen Künste interessiert. Meine Mutter hat ein bisschen Theater gespielt, als ich noch ein Kind war, und zwei meiner Cousins verdienen als Schauspieler ihren Lebensunterhalt. Sie treten sowohl im Theater als auch ab und zu in irgendwelchen Filmen auf. Meine Urgroßmutter war eine Performancekünstlerin in San Francisco, und mein …«

»Okay, schon gut.« Kopfschüttelnd lief Eve die Treppe hinunter. »Wie ertragen Sie es bloß, Mitglied einer derart unüberschaubaren Familie zu sein?«

»Ich mag Menschen«, antwortete Peabody gut gelaunt.

»Warum?«

Da eine solche Frage nicht wirklich eine Antwort verlangte, wies Peabody, als sie am Fuß der Treppe ankamen, nach links und meinte: »Sie mögen sie genauso. Sie tun nur ständig so knurrig.«

»Weil ich knurrig bin. Falls ich die Mansfield nachher gehen lasse oder falls sie einen Anwalt nimmt, heften Sie sich ihr bitte an die Fersen. Wenn sie nach Hause fährt, rufen Sie ein paar Beamte, die ihre Wohnung bewachen sollen. Ich will wissen, wohin sie geht und was sie tut.«

»Soll ich vielleicht jetzt gleich prüfen, was ich über sie in Erfahrung bringen kann?«

»Nein, das erledige ich selber.«

Eve öffnete die Tür der so genannten Lounge. Wie beim gesamten übrigen Theater hatte Roarke auch bei der Gestaltung dieser Örtlichkeit die Hand im Spiel gehabt. Offensichtlich sollten es die Darsteller behaglich haben, und er hatte zur Erreichung dieses Ziels weder Kosten noch Mühen gescheut.

Es gab zwei getrennte Sitzecken, in denen man es sich auf weichen Plüschsofas gemütlich machen konnte, bis einer der bereitstehenden Droiden zur Aufnahme der Bestellung kam. Entlang der kurzen Wand des L-förmigen Raums fanden sich ein, wie Eve annahm, bis zum Rand gefüllter AutoChef, ein vorn verglaster Kühlschrank, aus dem man sich die verschiedensten kalten Getränke auswählen konnte, sowie ein kleiner, etwas abseits aufgestellter, mit einer hochmodernen Computeranlage bestückter Tisch.

Roarke saß, wie Eve fand, gemütlich neben Areena auf einem der Sofas und hielt ein großes Glas Brandy in der Hand. Als er sie entdeckte, fingen seine strahlend blauen Augen an zu leuchten und riefen die Erinnerung an ihre erste Begegnung in ihr wach.

Damals hatte er sich nicht um jemanden gekümmert, der eines Mordes verdächtig gewesen war, sondern hatte selber unter Mordverdacht gestanden.

Er verzog den Mund zu einem selbstbewussten Lächeln, grüßte »Hallo, Peabody«, sah dabei jedoch weiter seine Gattin an.

»Ich habe noch ein paar Fragen an Sie, Ms Mansfield.«

Areenas Hände fingen an zu flattern, und sie sah Eve blinzelnd an. »Oh, aber ich dachte, wir wären fürs Erste fertig. Roarke hat mir gerade ein Taxi für die Fahrt in mein Penthouse bestellt.«

»Das Taxi kann bestimmt warten. Rekorder an, Peabody. Muss ich Sie noch einmal über Ihre Rechte und Pflichten aufklären, Miss Mansfield?«

»Ich …« Eine flatternde Hand landete auf ihrer Kehle. »Nein. Ich weiß nur nicht, was ich Ihnen noch erzählen kann.«

»Erkennen Sie das hier?« Eve warf das versiegelte, unechte Messer vor ihr auf den Tisch.