Star Trek - Voyager 16: Das Streben nach mehr, Buch 1 - Kirsten Beyer - E-Book

Star Trek - Voyager 16: Das Streben nach mehr, Buch 1 E-Book

Kirsten Beyer

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Beschreibung

Der lang ersehnte Nachfolger von Voyager: Architekten der Unendlichkeit der New York Times Bestsellerautorin und Mitschöpferin von Star Trek: Picard! Verschollen! Die U.S.S. Galen – Teil der Full-Circle-Flotte, zu der auch die Voyager, die Vesta und die Demeter gehören – ist mit ihrer gesamten Besatzung, darunter auch Harry Kim, in den Weiten des Delta-Quadranten verschwunden. Niemand weiß, was aus ihnen wurde. Die Besatzung der Full-Circle-Flotte arbeitet fieberhaft daran festzustellen, was mit ihrem Schwesterschiff geschehen ist …

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STAR TREKVOYAGER

DAS STREBENNACH MEHRBUCH 1

KIRSTEN BEYER

Based onStar Trekcreated by Gene RoddenberryandStar Trek: Voyagercreated by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor

Ins Deutsche übertragen vonRené Ulmer

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – VOYAGER 16: DAS STREBEN NACH MEHR 1 wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: René Ulmer; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki;

Korrektorat: André Piotrowski; Satz: Rowan Rüster; Cover Artwork: Martin Frei;

Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – VOYAGER: TO LOSE THE EARTH

German translation copyright © 2021 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2020 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2021 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-609-2 (Oktober 2021) · E-Book ISBN 978-3-96658-610-8 (Oktober 2021)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für John Van Citters.Er weiß, warum.

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

PROLOG

1 U.S.S. GALEN

2 U.S.S. VOYAGER

3 U.S.S. GALEN

4 U.S.S. VESTA

5 U.S.S. GALEN

6 U.S.S. VESTA

7 U.S.S. GALEN

8 U.S.S. VESTA

9 U.S.S. GALEN

10 U.S.S. VOYAGER

»Die vertrauten Gefilde für reicheres Wissenhinter sich zu lassen; das alte Leben für einerfüllteres; die geliebten Freunde für einegrößere Liebe; um ein Land, gefälligerals die Heimat, weitläufiger als die Erde,zu entdecken.«

– Thomas Wolfe

HISTORISCHE ANMERKUNG

Admiral Kathryn Janeway befehligt die Full-Circle-Flotte – bestehend aus den Schiffen Voyager, Vesta, Galen und Demeter –, die sich auf einer Forschungsmission im Delta-Quadranten befindet. Vieles hat sich verändert, seit die Voyager alleine versucht hat, ihren Weg zurück nach Hause zu finden. Die Flotte hat den Auftrag, festzustellen, wie sich die Situation im Quadranten seit dem letzten Aufenthalt der Voyager und dem Verschwinden der größten Supermacht, den Borg, entwickelt hat.

Die Handlung spielt im September 2382, unmittelbar nach den Ereignissen des Romans STAR TREK – VOYAGER»Architekten der Unendlichkeit«.

PROLOG

PERSÖNLICHES LOGBUCH:LIEUTENANT HARRY KIM

Du wärst heute fast gestorben.

So wie deine Mom und ich. Hättest du mir vor ein paar Stunden gesagt, dass wir jetzt noch hier sein würden und ich die Zeit haben würde, mich ein paar Minuten hinzusetzen und dir davon zu erzählen, ich hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt. Dieser Tag hat als der schlimmste meines ganzen Lebens angefangen. Und wenn man bedenkt, dass ich im Weltraum lebe und arbeite, wo vieles schiefgehen kann und tut, will das was heißen.

Ähm … ich bin dein Dad, Harry. Harry Kim. Aber du solltest mich vermutlich Dad nennen. Als ich sieben war, nannte ich meinen Dad zwei Wochen lang Pops, weil einer meiner Schulfreunde gefragt hat, warum mein Dad so viel älter als seiner ist. Damals wusste ich nichts über meine Eltern, außer dass sie mich sehr geliebt haben. Trotzdem war mir alles peinlich, was mich von anderen Kindern unterschieden hat. Kinder können ziemlich grausam zueinander sein. Bestimmt weißt du das schon, aber falls nicht, sei gewarnt. Wir alle stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen, und die Umstände sind für jeden einzigartig. Aber mit sieben, und auch einige Jahre später, will man nur wie alle anderen sein. Darum hat mich dieses »Warum ist dein Dad so alt?« wirklich beschäftigt. Ich beschloss, so zu tun, als wäre es mir egal – noch etwas, das Kinder machen –, und irgendwie hat es meinem kindlichen Verstand anscheinend geholfen, dieses Problem einfach zu akzeptieren. Also. Ich wusste, dass mein Vater um einiges älter als andere war, aber das war schon in Ordnung, dachte ich. Er war mein Pops.

Das ging nicht lange gut. Irgendwann fragte mich mein Dad, warum ich ihn nicht mehr »Dad« nenne, und mein Gesicht wurde heiß. Auf die Art, die dich wissen lässt, dass du was wirklich Dummes gesagt oder getan hast. Ich platzte irgendwie damit heraus, dass es nicht richtig wäre, dass er mich erst so spät im Leben bekommen hat.

Seine Miene, diese plötzliche Traurigkeit – nichts erschüttert die Welt eines Kindes so sehr, wie die eigenen Eltern weinen zu sehen, und ich schwöre dir, er war kurz davor. Dann sagte er mir, dass die Entscheidung, Kinder zu kriegen, manchmal nicht bei einem selbst liegt. Kinder kommen, wenn sie dazu bereit sind. Er und meine Mom hatten gewartet … auf mich.

Ich bin jetzt zwar nicht so alt wie mein Dad bei meiner Geburt, aber solltest du dich jemals fragen, warum ich so alt bin: Das liegt daran, dass ich, bevor ich deiner Mom begegnet bin, niemanden kannte, mit dem ich mein Leben verbringen und eine Familie gründen wollte. Und als du dann kamst, wollte ich nichts so sehr wie dich, deine Mom und unsere kleine Familie.

Aber ich sitze nicht hier und zeichne diesen Eintrag auf, um dir das alles zu sagen. Ich will dich eigentlich nur wissen lassen, dass du der Grund bist, warum ich jetzt noch lebe. Und so etwas habe ich bisher nie erlebt. Ich bin oft mit dem Tod konfrontiert. Das gehört zum Beruf. Meistens wird dieser Funke in mir, dieses glühend heiße Ding in meiner Seele, das selbst in den dunkelsten Situationen weiterbrennt, nur von der einfachen Angst vor dem Ende meiner Existenz am Leben gehalten. Gelegentlich auch durch die Angst in den Augen derjenigen, die ich als meine Familie betrachte; die Besatzung, mit der ich tagtäglich zusammenarbeite. Aber ich weiß jetzt etwas, von dem ich zu Beginn dieses Tages noch keine Ahnung hatte. Weil es dich jetzt gibt, weil du jetzt Teil meines Universums bist, hat dieser Funke nun in etwa die Größe eines neugeborenen Sterns.

Und nenn mich nicht Pops. Alles andere ist in Ordnung, Dad, Daddy, Vater – nein, das klingt seltsam –, aber du sollst wissen, worum es auch geht, wir können darüber reden. Oder, doch, nenn mich Pops. Keine Ahnung. Du bist erst ein paar Wochen alt. Vielleicht sollte ich solche Entscheidungen nicht für dich treffen. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bevor du mich irgendwie nennst. Ich werde nicht über jedes Detail deines Lebens entscheiden. Und wenn ich jemals damit anfange, sage mir einfach, ich soll damit aufhören. Ich möchte nicht diese Art von Dad sein. Was ich dir sagen will: Du hast mein Leben bereits verändert. Du bist kaum so groß wie eine Erbse, und was ich heute beim Gedanken an deinen möglichen Tod gefühlt habe, hätte ich mir nie träumen lassen.

Du fragst dich vielleicht, wie du das geschafft hast. Du hast noch keine Hände, Füße oder ein Gesicht. Noch nicht mal einen Namen. Ich werde warten und mich noch etwas mit deiner Mom unterhalten, bevor wir das entscheiden. Es gibt im Moment so viel, worüber ich mit deiner Mom reden muss, aber das geht nicht. Ich habe dafür gesorgt, dass wir die ersten sechsunddreißig Stunden dieser Katastrophe überleben, und nun gibt sie alles, damit das noch um einiges länger so bleibt. Im Moment ist es meine Aufgabe, wach zu bleiben, was nach sechsunddreißig Stunden voller Schrecken gar nicht so einfach ist. Ich soll unsere Energierelais im Auge behalten, falls sie durchbrennen, sobald deine Mom den Fusionsreaktor wieder zum Laufen bringt. Wenn es dir also nichts ausmacht, rede ich einfach noch ein wenig mit dir.

Also, ja. Heute. Das ist passiert …

1

U.S.S. GALEN

Lieutenant Harry Kim war es noch nie so kalt gewesen.

Er bezweifelte, dass er tot war. Er stemmte die Hände gegen das Deck unter ihm und kam auf die Knie. Um ihn herum herrschte fast völlige Dunkelheit. Von irgendwo hinter ihm kam schwaches, orangefarbenes Licht sowie leises, schmerzerfülltes Murmeln, aber er wusste nicht, von wem. Die rechte Seite seines Kopfs brannte wie von zahllosen winzigen Nadelstichen. Er berührte die Stelle, und sofort überwältigte ihn ein peinigender Schmerz. Seine Finger waren blutüberströmt.

Wo zum Teufel bin ich?

Das Murmeln hinter ihm wurde lauter, schwoll zu verzweifeltem Rufen an.

»Harry? Nein! Bitte nicht! Harry, hilf mir!«

Mit einem dumpfen Knall landete etwas Schweres auf dem Deck, anschließend spürte er einen Körper in seinem Rücken hinaufklettern. Eiskalte Hände strichen über seine Schultern. Jemand zog sich an ihm hoch.

»Harry?«

Das war Nancy Conlons Stimme.

»Harry, steh auf!«

Er wollte ihrer Aufforderung nachkommen. Ein undeutlicher Instinkt beharrte darauf, ihren Befehl zu befolgen. Aber was auch der Grund für ihre Sorgen war, es schien so weit weg.

»Gottverdammt, Harry, steh auf! Das Baby stirbt!«

Adrenalin spülte durch seinen Verstand und sorgte für einen Moment der Klarheit. Sein Baby, seine Tochter, sie war hier bei ihm. Und irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung.

Eine Erinnerung, die tausend Jahre zurückliegen könnte, drängte sich in sein Bewusstsein – er und Nancy, wie sie sich selig wie nie unter zahllosen Sternen umarmten. In einem Inkubator neben ihnen schwamm ihre wenige Wochen alte Tochter in der Nährflüssigkeit, die sie während ihrer Entwicklung über die nächsten Monate versorgen würde.

Er erinnerte sich an die grenzenlose Freude. Das angenehme Gefühl hatte sich von seiner Brust bis in seinen Kopf ausgebreitet. Zwischen ihnen war damals etwas Wichtiges passiert. Etwas Unerwartetes, etwas Unmögliches war zwischen Nancy und ihm entstanden. Zum ersten Mal, seit er von ihrer Krankheit wusste, hatte er geglaubt, dass sie sich diesem Kampf endlich gemeinsam stellen könnten. Aus ihnen dreien war eine Einheit geworden.

Jetzt atmete Nancy unregelmäßig, panisch. Sie hatte sich von ihm entfernt und hämmerte gegen die massive Metalltür, die ihren kleinen Raum vom Rest des Schiffs trennte.

Welches Schiff?

Die Galen.

»Nancy?«

»Wir müssen hier raus«, schrie Conlon, während sie weiter wie besessen auf das Metall einschlug. »Hilfe, bitte, irgendjemand muss uns helfen!«

Unsicher rappelte er sich auf und ignorierte die Übelkeit, die über ihn hereinbrach. Er taumelte an Nancy vorbei und fing sich, indem er die Hände flach auf das Schott neben der Tür legte. Wo er die Tritaniumplatte berührte, spürte er sofort sengende Hitze.

Aber das war keine Hitze.

Es war Eiseskälte.

Sofort kam ihm eine Vielzahl neuer Gedanken. Kein Raum auf einem Raumschiff sollte dermaßen kalt sein. Die Umweltsysteme waren ausgefallen, und das offensichtlich schon vor einiger Zeit. Das war schlecht. Die Türsensoren funktionierten ebenfalls nicht, was bedeuten konnte, dass dieser Teil des Schiffs von der Hauptenergieversorgung abgeschnitten war. Auch das war sehr schlecht.

Immerhin waren Nancy und er noch am Leben. Also gab es noch genug Sauerstoff. Aber er wusste nicht, wie lange dieser ausreichen würde. In Anbetracht der anderen katastrophalen Anzeichen war davon auszugehen, dass die Antwort auf diese Frage nicht sehr lange lautete. Aber um eine Überlebenschance zu beurteilen, war es wichtig, sowohl das Positive als auch das Negative zu berücksichtigen.

Erschöpft und kurz vor dem Hyperventilieren, lehnte sich Nancy gegen die Tür und sank auf die Deckplatten hinab. Ihr Blick haftete auf dem Inkubator, in dem das Baby schwamm. Die Energieanzeigen an der Seite waren bereits im roten Bereich.

»Die Hauptenergie ist ausgefallen. Wir brauchen Energiezellen, Reservebatterien, irgendwas«, stellte sie fest. Ihre Panik hatte sie überwunden und sie suchte nur noch verzweifelt nach einer Lösung des Problems.

Das Problem?

Das Baby starb.

Nancy ging durch den kleinen Raum und suchte in den wenigen Schränken nach irgendetwas, das ihn helfen könnte. »Hypos, Dermalregeneratoren … Nein, nein, komm schon! Wo sind die Notreserven?«, schrie sie.

Auf einmal wurde für Harry Kim alles andere vollkommen gleichgültig. Die letzten Wochen hatte sein Kind, seine Tochter, nur in seiner Vorstellungskraft existiert. Lebendig, aber niemals wirklich am Leben, vorhanden, aber noch nicht real. Nancy war fest entschlossen gewesen, die Schwangerschaft abzubrechen, weil sie nicht bereit gewesen war, ein Kind in die Welt zu setzen, solange es fraglich war, ob sie lange genug leben würde, um es großzuziehen.

Aber bevor sie ihre Entscheidung umsetzen konnte, war es zu einer Hirnblutung gekommen. Um den Embryo zu retten, hatte man ihn in eine Brutkammer gebeamt. Praktisch war seine Tochter vor weniger als einer Woche zur Welt gekommen.

Und alles hatte sich geändert. Obwohl ihre Entwicklung im Inkubator nicht garantiert war, standen ihre Überlebenschancen gut. Und Kim würde alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie diese Chance auch bekam. Es war belanglos, dass sie zurzeit kaum mehr als eine winzige Anhäufung von Zellen war. In seinen Gedanken machte sie es sich bereits auf seinem Schoß gemütlich, während er ihr Geschichten aus Timmy und der Targ vorlas.

Natürlich würde es dazu nicht kommen, wenn es ihm nicht gelang, den Inkubator wieder mit Energie zu versorgen.

Eins nach dem anderen.

»Alles wird gut«, sagte Kim.

Nancy fing an leise zu weinen.

»Bitte nicht«, stammelte sie. »Ich kann nicht …«

Diesmal war Kim auf den Schmerz vorbereitet, als er erneut die Hände auf das Schott neben der Tür legte. In der Dunkelheit tastete er herum, bis er die gesuchte Abdeckung fand. Mit tauben Fingern packte er den Rand, zog die Platte ab und legte den darunter liegenden manuellen Öffnungsmechanismus frei. Es kostete ihn jedes Quäntchen Entschlossenheit, die Hand um den eiskalten Hebel zu legen und zu ziehen. Der rationale Teil seines Verstands sagte ihm, dass er die Kälte nicht mehr lange aushalten würde.

Glücklicherweise war er bereits weit jenseits jeglicher Rationalität.

Ächzend begann der Hebel sich zu bewegen, und endlich auch die Tür. Sobald der Spalt groß genug war, ließ Kim den Hebel los und zerrte stattdessen an der Tür selbst.

Kim spürte die Kraft der Verzweiflung. Nancy kam ein Keuchen über die Lippen. Nur Augenblicke später war sie bei ihm, stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Tür.

Nicht loslassen, dachte Harry.

Endlich war die Öffnung breit genug, dass Kim sich hindurchzwängen konnte.

»Energiezellen«, rief Conlon. »So viele du finden kannst.«

»Ich bin gleich wieder da«, versicherte er ihr. »Bleib hier.«

Im ganzen Korridor gab es keine Notfallbeleuchtung – noch ein schlechtes Zeichen –, aber am anderen Ende, das in den Hauptbereich der Krankenstation der Galen führte, konnte er flackernde rote und orangefarbene Punkte ausmachen.

Kaum dass Kim in der Krankenstation stand, die von ein paar müde flackernden Kontrolltafeln und willkürlich verteilten Handscheinwerfern beleuchtet wurde, stufte er seine Einschätzung der aktuellen Situation von schlecht auf wir werden alle sterben herunter.

Die Biobetten waren belegt, und um sie herum warteten so viele auf die dringend benötigte medizinische Versorgung, dass es nur Stehplätze gab. Harry wusste nicht, wie viele organische Besatzungsmitglieder auf der Galen dienten, aber er schätzte, dass sich gerade etwa die Hälfte von ihnen in dem vergleichsweise kleinen Raum aufhielt. Viele von ihnen waren in silberne Notfalldecken gehüllt, aber niemand schien sich um ihre Verletzungen zu kümmern.

Wo ist der Doktor?

Er nahm an, er war nicht der Einzige, der sich diese Frage stellte, aber wie so vieles würde die Antwort warten müssen.

Kim schob sich zwischen den benommenen und verwirrten Offizieren hindurch zu den Schränken und riss die Türen auf. In den ersten beiden fand er medizinische Vorräte. Erst in einem kleinen Fach am Boden entdeckte er ein paar Notfallenergiezellen.

Er schnappte sich eine Handvoll, nahm noch ein paar Handscheinwerfer an sich und hetzte zu dem Raum zurück, aus dem er gekommen war. Nancy war noch da und hielt die Hände über den Inkubator, als könnte sie ihn so dazu überreden, noch ein paar Minuten länger zu arbeiten.

»Ich habe sie«, verkündete Kim. »Die Energiezellen.«

»Beeil dich!«, flehte Conlon.

Mit zitternden Händen fand Kim die Schnittstelle und schloss die erste Energiezelle an, während Conlon die kleinen Scheinwerfer einschaltete und sie so aufstellte, dass sie Kims Arbeitsbereich beleuchteten. Die Kontrolltafel des Inkubators reagierte augenblicklich auf die neue Energiequelle, indem die Anzeigen von Rot auf Gelb wechselten.

»Energie teilweise wiederhergestellt«, meldete Kim.

»Schon, aber das hält höchstens ein paar Stunden«, erwiderte Conlon.

»Kannst du den Rest zusammenschalten, um mehr Zeit herauszuholen?«, fragte Kim und reichte ihr die restlichen sechs Zellen.

»Ja, ja.« Conlon machte sich sofort an die Arbeit, öffnete die Kontrollabdeckungen und legte die innen liegenden Drähte frei.

»Was ist passiert?«, fiel Kim endlich ein zu fragen.

Conlon sah ihn ängstlich an. »Ich habe keine Ahnung.«

Lieutenant Reginald Barclay weigerte sich, in Panik zu geraten, obwohl es dafür genug Gründe gab.

Ihm klingelten die Ohren, und er war sich ziemlich sicher, was er sich alle paar Minuten vom rechten Auge abwischte, war Blut, aber das war belanglos. Vor siebenundzwanzig Minuten war auf der Galen die Energie ausgefallen. Und während er durchaus hoffte, dass es ihm in wenigen Augenblicken gelang, mit einem Teilneustart zumindest einen gewissen Prozentsatz der Systeme der Krankenstation wieder zum Leben zu erwecken, wuchs mit jeder verstreichenden Sekunde die Angst, dass dies, selbst wenn es ihm gelang, noch sein geringstes Problem darstellte.

Das derzeitige Energieproblem wäre um einiges gravierender, wäre Barclay nicht einer der Ingenieure gewesen, die die Galen und ihre einzigartigen holografischen Systeme entwickelt hatten.

Normalerweise sorgten die Fusionsreaktoren eines Raumschiffs für Notfallenergie, aber selbst im Fall ihrer Zerstörung gab es unabhängige Reservesysteme, die kurzfristig Energie liefern konnten. Die Galen verfügte über mehr davon als die meisten anderen Schiffe. Mehrere redundante Zellen waren mit dem Hauptgitter verbunden, um die ungewöhnlichen holografischen Bedürfnisse zu decken. Ein Drittel der Besatzung war holografisch. Würde ihre Energieversorgung wie bei den meisten Holodecks über ein unabhängiges Stromnetz laufen, wäre der Verlust dieses Netzes katastrophal. Es war Barclays Idee gewesen, das Hologitter der Galen mit der Hauptenergieversorgung zu verbinden, eine Neuerung, gegen die sich viele, auch Lewis Zimmerman, ausgesprochen hatten. Aber Barclay hatte nicht klein beigegeben, und wenn er jetzt herausfinden konnte, warum die Schiffssysteme nicht auf die Notfallenergiezellen zurückgriffen, würde seine Weitsicht zur Rettung dieses schrecklichen Tages beitragen. Oder zumindest dazu, anderen die Zeit zu verschaffen, die sie dafür benötigten.

Um ihn herum herrschte Chaos. Leute waren tot oder lagen im Sterben. Das war ihm bewusst. Aber die oberste Regel der Triage war es, das wichtigste Problem zuerst anzugehen. Zwei der menschlichen Sanitäter der Station kümmerten sich um die ankommenden Patienten. Sie brauchten den Doktor, den leitenden medizinischen Offizier des Schiffs, der ebenfalls ein Hologramm war.

Das Programm des Doktors wurde häufig durch seinen persönlichen mobilen Emitter gespeist. Den hatte Barclay als Erstes überprüft, als er bemerkt hatte, dass der Doktor nicht anwesend war. Er hatte den Emitter im Büro des Doktors neben seiner Arbeitsstation in dem kleinen Behälter gefunden, der speziell für seinen Schutz vorgesehen war, wenn er nicht benutzt wurde. Unglücklicherweise hatte der Doktor kurz vor dem unerklärlichen Energieausfall sein Programm über die Hauptemitter laufen lassen. Um ihn zu aktivieren, musste Barclay erst das primäre Hologitter wieder in Betrieb nehmen, und dafür benötigte er Energie – Energie, die es im Moment nicht gab.

Die Sanitäter konnten noch etwas länger ohne den Doktor auskommen. Ohne Energie für ihre diagnostischen Konsolen und medizinischen Instrumente, von funktionierenden Umweltsystemen ganz zu schweigen, würde jedoch niemand mehr lange überleben.

Barclay bewegte seinen Trikorder gefühlt zum hundertsten Mal über die Eingeweide des Hauptsequenzers der Krankenstation. Das Gerät bestätigte, was er bereits wusste: Die Energiezellen waren voll aufgeladen. Allerdings weigerten sich die Hauptschaltkreise, vom toten Primärsystem auf die Ersatzmodule umzuschalten.

»Ihnen wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Relaisintegration manuell zu erzwingen«, sagte jemand hinter ihm.

Barclay sah auf und wischte sich dabei einen weiteren nervigen Tropfen vom Auge. Hinter ihm stand Harry Kim.

»Das wird …«, begann Barclay.

»Den Rest unseres Lebens dauern«, beendete Kim den Satz, während er sich runterbeugte, systematisch Relais aus ihren Steckplätzen zog und ihre Interfaces manuell justierte.

Ihre Zusammenarbeit dauerte gefühlt Stunden, obwohl tatsächlich gerade einmal etwas mehr als fünf Minuten vergingen, bis sie die Relais manuell starten konnten. Ihre Mühe wurde mit Jubel belohnt, als die Beleuchtung der Krankenstation plötzlich fünfzig Prozent ihrer normalen Leistung wiederaufnahm.

Wichtiger noch: Wie ein Geist erschien der Doktor.

»Was um alles in der Welt …?«, setzte er an.

Kim verschwendete keine Zeit. »Wo ist Ihr mobiler Emitter?«

»In meinem Büro. Aber ich habe ihn nur benutzt, wenn …«

»Holen Sie ihn, legen Sie ihn an und nehmen Sie ihn nicht wieder ab«, befahl Kim, während Barclay sofort auf das Haupthologitter zugriff und mit Ausnahme des Doktors alle Hologramme abschaltete, die vor dem unerwarteten Zusammenbruch aktiv gewesen waren. Keine Energie verbrauchen, wenn es nicht absolut nötig ist.

Der Doktor wirkte, als wolle er widersprechen, aber als er sich umsah, nickte er nur und eilte zu seinem Büro, in dem bereits Patienten warteten.

»Wie lange werden diese Zellen halten?«, wollte Kim wissen.

Barclay rechnete es kurz im Kopf durch. Niedergeschlagen antwortete er: »Höchstens sechsunddreißig Stunden.«

»Besser als nichts.«

»Ich brauche hier mal Hilfe«, rief Ranson Velth, der taktische Offizier und Sicherheitschef der Galen.

Genau wie vermutlich alle anderen auf diesem Schiff, dachte Barclay.

Velth hatte sich den schlaksigen Chefingenieur der Galen, Cress Benoit, über die Schulter geschlungen. Neben der Tür fand er etwas freien Platz, um Benoit abzulegen und aufzusetzen, damit ihn der Doktor untersuchen konnte. Barclay bemerkte die schweren Verbrennungen an Benoits linker Gesichts- und Torsoseite. Vermutlich war die Bewusstlosigkeit ein Segen für den jungen Lieutenant.

Während der Doktor einen medizinischen Trikorder über Benoits Körper führte und hastig ein Hypo mit Hyronalin verlangte, folgte Barclay Kim zur Tür, wo Velth um Atem rang.

»Sind Sie aus dem Maschinenraum gekommen?«, fragte Kim.

Velth nickte.

»Bericht«, befahl Kim.

Obwohl Kim nicht zur Befehlskette der Galen gehörte – er diente zurzeit als Sicherheitschef und taktischer Offizier auf der Voyager –, schienen sein Ton und Auftreten Velth zu beruhigen. Sie waren vom selben Rang und versahen auf ihren jeweiligen Schiffen denselben Posten, wodurch Velth praktisch über Kim stand. Aber in der Hitze dieses Augenblicks würde niemand mit einem Funken Verstand über Protokollfragen streiten.

»Sieht nicht gut aus«, antwortete Velth. »Der Warpkern ist kalt. Primär- und Reserve-Fusionsreaktoren sind außer Betrieb. Unsere Dilithium- und Benamit-Kristalle sind nur noch Staub. Und die Antimateriekapseln sind leer.«

»Also funktioniert im Moment gar nichts«, fasste Kim zusammen.

Velth nickte verbissen. »Auf dem Weg hierher bin ich keinen anderen Überlebenden begegnet. Ich habe nur Lieutenant Bamps gefunden, einen meiner Sicherheitsoffiziere … er hat es nicht geschafft.«

»Das tut mir leid«, sagte Kim aufrichtig. »Aber im Moment müssen wir uns auf die konzentrieren, die wir retten können.«

»Sehe ich genauso«, stimmte Velth zu.

Kim nickte und fuhr fort: »Ich begreife es nicht. Antimaterie verschwindet nicht einfach. Sobald sie auf normale Materie trifft, kommt es zur Annihilation, es sei denn, die Reaktion wird durch ein stabilisierendes Element reguliert.«

»Normalerweise«, bestätigte Velth, wobei er den Blick durch den Raum schweifen ließ. »Außer hier habe ich nirgends auf dem Schiff aktive Systeme gesehen.«

Barclay beobachtete Kim, während der überlegte und dann sagte: »Als Erstes arbeiten wir an den Reservesystemen. Wissen Sie, wie der Status des Hauptcomputers aussieht?«

»Zur Brücke bräuchte ich mindestens eine halbe Stunde, zum Computerkern etwas weniger. Mir sind zwischen hier und dem Maschinenraum keine strukturellen Schäden aufgefallen, aber zur Brücke muss ich durch die Jefferies-Röhren über sechs Decks hinweg«, erklärte Velth.

»Dafür fehlt uns die Zeit.« Kim wandte sich an Barclay: »Reg, Nancy ist da hinten im dritten Zimmer rechts. Ich brauche sie.«

Der Doktor war darauf programmiert, schnell und effizient auf medizinische Notfälle zu reagieren. Das war früher seine primäre Funktion gewesen. Dank jahrelangen dauerhaften Betriebs und beachtlichen Erweiterungen seiner Holomatrix und Subroutinen waren sein Programm und seine Bandbreite an Reaktionen auf Stimuli um ein Vielfaches komplexer geworden. Während er rasch einen Patienten nach dem anderen begutachtete und versuchte, Ordnung in dieses heillose Chaos zu bringen, berechneten seine Subroutinen die Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit der Galen im Bezug zu der Menge von verletzten organischen Besatzungsmitgliedern in seiner Krankenstation. Seine Einschätzung für das Überlebenspotenzial des Schiffs ohne sie fiel weit unter zwanzig Prozent.

Er versuchte gerade, einen Ensign mit inneren Blutungen zu stabilisieren, als Lieutenant Kim plötzlich neben ihm stand.

»Doc, ich brauche Ihre Hilfe.«

»Stehen Sie kurz vor einer Blutung Ihrer Darmwände, die zu einer Sepsis führen wird?«, fragte der Doktor.

»Nein.«

»Dann, fürchte ich, werden Sie warten müssen.«

»Das geht nicht«, beharrte Kim. »Sie müssen diesen Patienten einem der Sanitäter überlassen und mich begleiten.«

Dem Doktor fielen ein Dutzend knappe Antworten ein, aber er verwarf sie alle. Er wusste nicht, warum das Schiff in seinem derzeitigen Zustand war. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er in einer voll funktionsfähigen Krankenstation stand und sich mit Reg über kleinere Systemverbesserungen unterhielt, bevor alles um ihn herum zu einer Hölle voller Verletzter und Sterbender wurde. Das war ein ungewöhnlicher Vorfall, aber nicht der erste seiner Art. Sein Programm hatte sich schon lange nicht mehr ohne Vorwarnung einfach abgeschaltet, aber es kam vor. Da er Daten nur erlebte und abspeicherte, solange er in Betrieb war, wusste er nicht, wie lange es gedauert hatte, um den Zustand des Schiffs derart radikal zu verändern.

Wichtiger noch, er hörte in Kims Stimme etwas, das keinen Widerspruch duldete. Also winkte er einen Sanitäter heran und gab ihm ein paar knappe Anweisungen, bevor er Kim durch die Tür in den Korridor vor der Krankenstation folgte, wo die Lieutenants Velth, Conlon und Barclay bereits auf ihn warteten.

Kim, der unangefochtener Anführer der kleinen Gruppe zu sein schien, wandte sich an Velth und Conlon. »Sie müssen beide zurück in den Maschinenraum. Halten Sie unterwegs nicht an, um irgendwem zu helfen. Ihre Aufgabe ist es, so schnell wie möglich die Notfallenergie wiederherzustellen; am wichtigsten dabei sind die Umwelt- und Computersysteme.«

Kim sah den Doktor an. »Reg hat es geschafft, ein wenig Notfallenergie zu den Holoemittern auf der Brücke umzuleiten. Sie müssen sich dorthin transferieren und die Situation beurteilen.«

Diese Bitte ergab Sinn. Ohne Turbolifte oder Transporter würde jeder andere Offizier unnötig viel von ihrer wertvollen und knappen Zeit benötigen, um diese Aufgabe zu erfüllen.

»Verstanden.« Der Doktor initiierte den Transfer.

Keine Sekunde später materialisierte er auf der Brücke der Galen.

Die allumfassende Dunkelheit stellte kein Problem dar. Seine visuellen Subroutinen passten sich automatisch an das fehlende Licht an und stellten die Brücke in monochromen Schattierungen dar, was ihm ermöglichte, etwas zu erkennen. Er betrachtete die Szenerie, und seine vorherige Einschätzung verschlechterte sich erneut.

Keines der Computersysteme der Brücke hatte Energie. Der Hauptsichtschirm war dunkel, wodurch auch nicht zu sagen war, ob sich das Schiff nach wie vor in der Nähe der restlichen Flotte befand. Die Temperatur betrug neun Komma vier Grad Celsius. Der Sauerstoffgehalt der Luft lag dreißig Prozent unter dem Nominalwert. Zwei Mitglieder der Brückenbesatzung, die Ensigns Michael Drur und Lynne Selah, zuständig für die Operations- und die Wissenschaftsstation, waren bei Bewusstsein und reagierten beinahe sofort auf sein Erscheinen.

»Doktor, wir brauchen Ihre Hilfe«, rief Drur und winkte ihn zu sich in den schmalen Durchgang zwischen dem Sessel des Captains und den Flugkontrollkonsolen.

Der Doktor stolperte fast über Ensign Lawry, den Piloten der Galen, der mehrere Meter von seiner Station entfernt auf dem Deck lag. Was den Offizier so weit geschleudert hatte, konnte der Doktor nicht feststellen. Drur und Selah knieten neben ihrem Captain, Commander Clarissa Glenn. Ein kurzer Blick enthüllte, dass sie ein Schädeltrauma erlitten hatte. Wäre es nicht so kalt, wäre sie vermutlich schon längst an der langen Platzwunde auf ihrem Kopf verblutet. Der Doktor vermutete, dass neben der sichtbaren Verletzung auch eine Hirnschwellung vorlag.

»Sie müssen sie so schnell wie möglich auf die Krankenstation bringen«, befahl der Doktor.

»Funktionieren die Turbolifte?«, fragte Selah.

»Nein. Sie müssen sie tragen. Versuchen Sie unterwegs ihren Kopf möglichst stabil zu halten.«

»Aye, Sir«, bestätigte Drur, als wäre diese Aufforderung nicht nahezu unmöglich zu erfüllen.

»Sobald ich kann, schicke ich jemanden wegen Lawry her«, versprach der Doktor, bevor er auf die Krankenstation zurückkehrte.

Lieutenant Velth ging zwischen den Verletzten herum, sprach ihnen Mut zu und bat diejenigen, die dazu in der Lage waren, um Berichte über den Status des Schiffs. Lieutenant Kim war bei einer jungen Frau mit eng geflochtenen, roten Zöpfen, die sich allem Anschein nach zum Zeitpunkt der Katastrophe im Speisesaal aufgehalten hatte.

»Das Schiff veränderte einfach seine Form«, sagte sie, als sich der Doktor näherte. »Eben war es noch eine Kugel, dann hat es sich gestreckt, und blendende Lichter blitzten auf.«

»Weißes Licht?«, fragte Kim.

»Das ganze Spektrum«, antwortete sie. »Ich dachte, ich sollte in den Maschinenraum zurückgehen, aber dann überkam mich etwas, und das Nächste, woran …«

»Schon in Ordnung, Ensign …«

»Unhai«, half sie aus.

»Was ist Ihr Aufgabenbereich?«, fragte Kim.

»Ich bin Slipstream-Spezialistin. Vermutlich bringt das im Moment nicht viel.«

»Ich möchte, dass Sie gemeinsam mit Ensign Finley Notfallvorräte zusammentragen.«

»Sir, ohne Energie …«

»Wir stellen die Versorgung aller wichtigen Systeme wieder her«, versicherte ihr Kim.

»Aye, Sir.« Vermutlich waren ihre Zweifel größer, als sie sich anmerken ließ.

Während sie sich daranmachte, Kims Befehl zu befolgen, nahm der Doktor ihren Platz ein.

»Wie schlimm ist es?«, fragte Kim.

»Keines der Brückensysteme verfügt über Energie. Commander Glenn ist ernsthaft verletzt. Wenn sie ihren Transport hierher überlebt, kann ich besser beurteilen, ob ich ihr helfen kann oder nicht. Unser Pilot ist ebenfalls bewusstlos. Jemand muss ihn herbringen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir uns in absehbarer Zeit wieder bewegen können.«

Kim hörte stoisch zu. Er wirkte entschlossen, über ihre offensichtliche Hoffnungslosigkeit nicht einmal nachzudenken. Das war keine Überraschung. Ihre ersten sieben Jahre alleine im Delta-Quadranten hatten alle Führungsoffiziere der Voyager gelehrt, dass schlechte Chancen an der Tagesordnung waren, Panik aber niemals eine Option darstellte.

Schließlich sagte Kim: »Vorläufig betrachten wir die Krankenstation als unser Operationszentrum. Wir verfügen über begrenzt Energie, genug, um etwa dreißig Stunden durchzuhalten. Aber die Umweltsysteme müssen wir lange vorher wenigstens zum Teil wiederherstellen. Wir haben bereits ein Team, das ein Deck nach dem anderen absucht, um Notfallrationen, Wasser, Decken und Lampen einzusammeln.«

»Was ist mit der Suche nach weiteren Verletzten?«, fragte der Doktor.

Kim schüttelte den Kopf. »Das ist nur unsere zweite Priorität. Ich weiß, das klingt herzlos, aber …«

»Ich verstehe«, versicherte ihm der Doktor. »Was ist geschehen?«

»Ich habe keine Ahnung. Klingt so, als hätte uns irgendein formveränderndes Schiff angegriffen. Mehr weiß ich nicht.« Er seufzte schwer. »Falls wir die nächsten dreißig Stunden überleben, bekommen wir vielleicht die Möglichkeit, es herauszufinden.«

»Was ist mit dem Rest der Flotte? Man wird uns bestimmt zu Hilfe kommen«, beharrte der Doktor.

Kim schüttelte erneut den Kopf. »Ensign Unhai hat bestätigt, dass sie, als sie nach dem Angriff im Speisesaal aufgewacht ist, durch die Sichtluken keines der anderen Schiffe sehen konnte. Die restliche Flotte ist weg.«

»Ohne Hilfe …«, setzte der Doktor an.

»Ich weiß. Niemand kommt, um uns zu retten. Wenn wir überleben wollen, müssen wir das selbst in die Hand nehmen.«

2

U.S.S. VOYAGER

Das erste Mal, als Harry Kim gestorben war, war es ein Schock gewesen. Nicht totgeglaubt. Nicht verstorben im Sinne von auf einen weit entfernten Planeten gebeamt, auf dem Wesen leben, die es kaum erwarten können, die Senioren ihrer Bevölkerung durch eine Subraumvakuole in die nächste Welt zu schicken.

Das erste Mal war Harry Kim beim Versuch, einen Hüllenbruch zu versiegeln, in den Weltraum geblasen worden und gestorben.

Commander B’Elanna Torres war bei ihm gewesen. Sie hatte Kathryn Janeway von Ensign Kims Tod unterrichtet. Damals wie heute hatte Chakotay neben Janeway auf der Brücke der Voyager gestanden. Damals wie heute hatte Janeway bei der Mitteilung erst ein Ziehen tief in der Magengrube, dann ein leises Summen im Kopf und eine plötzliche, extreme Hitze im Nacken gespürt.

Und genau wie damals war es ihr beinahe unmöglich, es zu glauben. Nicht viel später hatte sie damals die Krankenstation mit einer Kopie von Kim verlassen, die aus einem alternativen Universum stammte und vom Original nicht zu unterscheiden war. Er war das Ergebnis eines zufälligen Warpkernunfalls gewesen, der die Voyager und ihre gesamte Besatzung verdoppelt hatte.

Es gab keinen Grund, davon auszugehen, dass so etwas erneut stattfinden würde. Trotzdem hielt sich die Hoffnung hartnäckig.