Star Trek - Voyager 9: Bewahrer - Kirsten Beyer - E-Book

Star Trek - Voyager 9: Bewahrer E-Book

Kirsten Beyer

4,8

Beschreibung

Die U.S.S. Voyager setzt mit den Resten ihrer Flotte Kurs auf eine Region des Delta-Quadranten, die weit jenseits von allem liegt, was die Flotte bislang erforscht hat. Captain Chakotay ist fest entschlossen, der Föderation zu beweisen, dass eine Fortführung der gefährlichen Mission in ihrem Interesse liegt … und der Schlüssel dazu könnte sich in einem Notruf verbergen, den die Voyager vor neun Jahren empfangen hat, aber nicht nachgehen konnte.

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BEWAHRER

KIRSTEN BEYER

Based onStar Trek created by Gene Roddenberry andStar Trek: Voyager created by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor

Ins Deutsche übertragen von René Ulmer

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – VOYAGER: BEWAHRER wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: René Ulmer; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – VOYAGER: PROTECTORS German translation copyright © 2016 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2014 by CBS Studios Inc. All rights reserved

™ & © 2016 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from

Print ISBN 978-3-95981-146-0 (Oktober 2016) · E-Book ISBN 978-3-95981-254-2 (Oktober 2016)

WWW.CROSS-CULT.DE • WWW.STARTREKROMANE.DE • WWW.STARTREK.COM

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

EPILOG

DANKSAGUNGEN

Für meine Maggieund ihre unglaublich aussichtsreiche Zukunft

HISTORISCHE ANMERKUNG

Während die Föderation darum kämpft, sich von der Borg-Invasion zu erholen (STAR TREK – DESTINY), wird die schwer angeschlagene Sternenflotte von einer aufstrebenden Macht, dem Typhon-Pakt, herausgefordert (STAR TREK – TYPHON PACT»Bestien«).

Die Full-Circle-Flotte hat durch das Omega-Kontinuum schwere Verluste erlitten. Die Geschichte beginnt kurz nach der Rückkehr von Vice Admiral Kathryn Janeway (STAR TREK – VOYAGER »Ewige Gezeiten«) und handelt in dem Zeitraum von September 2381 bis Januar 2382.

  

»Tatsache ist: Die Vorsehung schreitet nur langsam voran, und unser Begehren ist so ungeduldig; die Arbeit des Fortschritts ist derart gewaltig und unsere Möglichkeiten, etwas dafür zu tun, nur dürftig; der Menschheit Leben ist so lang, das des Einzelnen so kurz, dass wir häufig nur das Ebben der herannahenden Welle erkennen und uns darum der Mut verlässt. Es ist die Geschichte, die uns zu hoffen lehrt.«

– Robert E. Lee

PROLOG

STERNENBASIS 185, BETA-QUADRANT

»Willkommen auf dem Friedhof, Verdell.«

Ensign Lawrence Verdell war ohne besondere Erwartungen in die abgelegenen Regionen des Beta-Quadranten gekommen. Sein Vater hatte seinen Abschluss bei der Sternenflottenakademie als »ohne groß aufzufallen« bezeichnet, seine Mutter bevorzugte »im unteren Drittel seines Jahrgangs«. Er war sich voll und ganz der Tatsache bewusst, dass die Gamma-Schicht auf einer entlegenen Raumstation genau der Ort war, wo man Sternenflottenkarrieren zum Sterben bettete, weswegen ihn die unheilvolle Begrüßung durch seinen vorgesetzten Offizier, Lieutenant Hars Kaydn, nicht beunruhigte.

Viele andere Kadetten wie Verdell, deren Abschlusszeugnisse besagt hatten, dass sie gerade so »den Mindestanforderungen entsprachen«, hatten es geschafft, sich einen Posten auf einem der vielen Forschungsschiffe der Sternenflotte zu sichern. Hunderte Schiffe und Zehntausende Offiziere waren dem Borg-Angriff vor sieben Monaten zum Opfer gefallen, was für viele offene Stellen auf Schiffen gesorgt hatte, die sich gerade im Bau befanden. Die meisten aus Verdells Jahrgang, die »alle Standardanforderungen übertrafen«, hatten ihren Abschluss vorgezogen und die Hälfte dessen, was ihr Abschlussjahr hätte werden sollen, im aktiven Dienst verbracht. Verdell jedoch hätte von so etwas nicht einmal geträumt, und obwohl er wusste, dass es wahrscheinlich falsch war, erleichtert darüber zu sein, dass ihm diese Ehre nicht zuteil geworden war, empfand er nichts anderes. Er würde seine Aufgabe so gut er konnte erfüllen und unbeschwert in der Gewissheit schlafen, so weit wie nur irgend möglich vom glühend heißen Zentrum der Galaxis und seinem offenbar immerwährenden Konflikt und der stets bevorstehenden Zerstörung entfernt zu sein und sich dennoch als Offizier der Sternenflotte bezeichnen zu können.

»Danke sehr, Sir. Es ist mir eine Ehre, hier zu sein«, erwiderte Verdell gut gelaunt, ging an seinen Posten an der Ops und stellte sich die Kontrollen ein. Er war sich sicher, dies würde die erste von vielen ruhigen und todlangweiligen Schichten werden. Er vermutete, dass ihn das unheilvolle »Willkommen« von Kaydn, als er die Kommandozentrale betreten hatte, hatte beunruhigen sollen. Es war damit zu rechnen, dass er als Neuling ein wenig Schikane abbekommen würde. Seiner Meinung nach war es das Beste, es geduldig über sich ergehen zu lassen, bis es vorüber war. Es war unwahrscheinlich, dass irgendwer im Raum mal ein Admiral werden würde, ansonsten wären sie nicht hier.

»Können Sie da draußen etwas Interessantes entdecken?«, fragte eine schroffe Stimme hinter ihm.

Verdell drehte sich um und nickte Lieutenant Terral zu, der an diesem feierlichen Abend die Sicherheitsstation bemannte. Lawrence’ Stubenkamerad, ein geschwätziger Bolianer namens Lud, hatte ihn bereits gewarnt, dass Terral ein kompromissloser Pedant war, und Verdell wollte so viele Pluspunkte bei ihm sammeln wie nur möglich.

»Nein, Sir.« Zur Sicherheit überprüfte Verdell seine Anzeigen ein zweites Mal.

»Genau so mögen wir es, hm, Terral?«, stellte Kaydn fest. Terrals Antwort war lediglich ein ungehaltenes »Hrmpf«.

»Sind Sie zufällig mit Admiral Verdell verwandt?«, fragte Kaydn, obwohl Lawrence sicher war, dass der Lieutenant die Antwort kannte.

»Sein dritter Sohn«, antwortete Verdell ohne aufzusehen. Er war kein Telepath, dennoch konnte er die Gedanken von Kaydn, Terral und Stacker, dem Wissenschaftsoffizier der Gamma-Schicht, beinahe hören. Der Sohn eines Admirals, und er hat nichts Besseres bekommen als diesen lausigen Posten?

Er spürte förmlich, wie sich ihre starrenden Blicke in seinen Rücken bohrten. Umso dankbarer war er für das plötzliche Auftauchen eines blutroten Sensorkontakts auf seiner Konsole. Obwohl es höchstwahrscheinlich nichts von Bedeutung war, drängte es die ungewollte Aufmerksamkeit durch seine Kameraden in den Hintergrund, während er automatisch die Sensoren der Station neu ausrichtete, um sich den Kontakt genauer anzusehen.

»Was zum …?«, murmelte er ein paar Sekunden später, als eine Reihe unwahrscheinlicher Messergebnisse vor ihm auftauchten und zeitgleich die Alarmsirenen der Station losheulten, ohne dass er sie aktiviert hätte.

»Etwas nähert sich«, bestätigte Terral, während Kaydn aus seinem Sessel aufstand und an den Hauptsichtschirm herantrat.

Verdell tat sein Möglichstes, die in ihm aufkommende Panik niederzuringen und versuchte, in den Daten, die er sah, einen Sinn zu finden.

»Woher?«, fragte Kaydn.

Ensign Stacker meldete: »Es ist aus einer Art Öffnung im Subraum gekommen, Sir, weniger als vierhunderttausend Kilometer backbord.«

»Können Sie es identifizieren, Ensign Verdell?«, schnauzte Kaydn.

Schließlich schaffte es Lawrence. Sein Zittern verschwand und er beendete manuell den ohrenbetäubenden Alarm.

»In Ordnung, Sie haben mich reingelegt«, gestand er mit einem selbstironischen Schulterzucken. »Der war gut, Leute.« Er blickte in der Erwartung auf, Kaydn breit grinsen zu sehen und freundliches Kichern um sich herum zu hören. Ihr schlechter Streich wäre vielleicht erfolgreicher gewesen, wenn er mehr Zeit gehabt hätte, sich in seine Schicht einzufinden oder wenn sie sich einen realistischeren »Notfall« ausgesucht hätten. Aber keinesfalls würde er darauf reinfallen. »Der automatische Alarm war eine nette Zugabe«, begann er, brach aber ab, als er sah, wie Kaydn ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte.

»Bericht, Ensign«, befahl Kaydn.

»Es ist … es ist …«, stammelte Verdell und fragte sich plötzlich, ob er sich vielleicht geirrt hatte.

»Was ist es?«

»Es ist unmöglich, Sir.«

»Ensign Verdell!«, brüllte Kaydn.

»Das sich nähernde Schiff entspricht nichts in unseren Datenbanken, Sir. Aber einige einzigartige Eigenschaften sprechen dafür, dass es …«, Verdell schluckte hart, bevor er weitersprach, »… Caeliar ist.«

»Caeliar? Überprüfen Sie das.«

»Aye, Sir.« Verdell nickte und befolgte den Befehl. Einen Moment später sah er sich gezwungen, die verfügbaren Daten zu akzeptieren. »Bestätigt, Sir. Ein Caeliar-Schiff nähert sich uns.«

»Lebenszeichen?«

»Ja, Sir«, fuhr Verdell fort und drückte die Knie durch, um seine Beine vom Zittern abzuhalten. »Eines … sehr schwach.«

»Wir verfügen nicht wirklich über aussagekräftige Basiswerte für Caeliar-Lebenszeichen, Sir«, meldete Ensign Stacker an ihrer Wissenschaftsstation.

»Rufen Sie sie«, befahl Kaydn.

Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde länger, als es hätte sollen, bis sich Verdell daran erinnerte, dass das seine Aufgabe war. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Tatsache zu begreifen, dass ein Mitglied einer der fortschrittlichsten und geheimnisvollsten Spezies, der die Sternenflotte jemals begegnet war – die Spezies, die im Alleingang die Borg transformiert und dann, allen Berichten zufolge, die Galaxis mit unbekanntem Ziel verlassen hatte –, sich anscheinend dazu entschlossen hatte, einer der entlegensten Sternenbasen im Föderationsraum einen Besuch abzustatten.

Endlich fanden Verdells zitternde Finger die entsprechenden Kontrollen, und er schickte einen Standard-Gruß an das näher kommende Schiff mit der Bitte, sich zu identifizieren.

»Keine Antwort, Sir«, meldete er kurz darauf.

»Das Schiff ist auf Kollisionskurs«, merkte Terral an, als bräuchte Verdell noch mehr Druck.

»Kanal öffnen«, befahl Kaydn.

»Kanal offen, Sir.«

»Näher kommendes Schiff, hier spricht Lieutenant Hars Kaydn von der Föderationssternenbasis 185. Ändern Sie sofort Ihren Kurs, um eine Kollision zu vermeiden, und teilen Sie uns bitte mit, ob Sie Hilfe benötigen.«

Auf Kaydns Worte folgte mehrere Augenblicke lang peinliches Schweigen.

Er schnaubte frustriert und sah zu Terral. »Können wir sie vom Kurs abbringen, ohne sie zu zerstören?«

»Davon würde ich abraten, Lieutenant«, mischte sich Stacker ein. »Dem bisschen zufolge, was wir über die Caeliar wissen, nutzen ihre Schiffe, ihre ganze Zivilisation, Omega-Partikel-Generatoren zur Energiegewinnung.«

»Würden Sie stattdessen dazu raten, dass wir zulassen sollen, dass ein kleines, omegabetriebenes Schiff in unsere Station kracht, Ensign?«, fragte Kaydn spitz.

Verdell war dankbar für die Möglichkeit, der erstickenden Anspannung im Kommandozentrum etwas von ihrem Druck nehmen zu können. »Die Energieanzeigen entsprechen nicht Omega, Sir«, sagte er mit mehr Selbstvertrauen, als er spürte. »Ich kann Ihnen nicht sagen, was das Schiff antreibt, aber es ist nicht … Sie wissen schon … das.«

»Wie dem auch sei, ich bin mir nicht sicher, ob wir auf eine Spezies feuern wollen, die uns wahrscheinlich mit einem Schuss zerstören kann, wenn sie es darauf anlegt«, ergänzte Terral.

Kaydn nickte, dachte offensichtlich über die Optionen nach. »Zeit bis zum Einschlag?«

»Es nähert sich ziemlich schnell«, meldete Terral.

»Drei Minuten, einundfünfzig Sekunden«, präzisierte Verdell.

»Kaydn an Transporterraumkontrolle.«

»Sprechen Sie, Sir.«

»Können Sie den Piloten des näher kommenden Schiffs erfassen?«

Der Transporterraum benötigte für seine Antwort dreißig Sekunden. In dieser Zeit beschäftigte sich Verdell mit der Frage, warum er seinen Eltern nicht gesagt hatte, sie sollten dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, als sie ihn dazu gedrängt hatten, der Sternenflotte beizutreten. Eigentlich war es immer sein Traum gewesen, ein kleines mediterranes Restaurant zu eröffnen.

»Nein, Sir«, antwortete der Transporteroffizier schließlich.

»Verdammt«, zischte Kaydn.

»Warnung, Eindringlingsalarm«, meldete die nervenzehrend gelassene Stimme des Computers und riss Verdell aus seinen Überlegungen.

»Wo?« Aber bevor der Computer Kaydns Frage beantworten konnte, kräuselte sich zwischen dem Kommandosessel und dem Sichtschirm die Luft. Kaydn trat automatisch zurück und stolperte fast über seinen Sessel, während sich die Verzerrung zu einer schimmernden, spiegelnden Oberfläche verdichtete. Für Verdell sah es so aus, als hätte jemand einen ovalen, mannsgroßen Spiegel vor den Sichtschirm gehängt. Sekundenbruchteile später brach eine Gestalt durch die Oberfläche und stürzte, noch während der Spiegel hinter ihr verschwand, mit dem Gesicht voran aufs Deck.

Alle anderen griffen nach ihren Phasern. Nur Verdell schlug die Hände vor den Mund, um seinen Mageninhalt davon abzuhalten, sich dem entsetzlichen Anblick hinzuzufügen.

Ein Mann, oder besser das, was einmal ein Mann gewesen war, lag zusammengerollt auf dem Deck. Sein Körper war eine einzige zerfetzte Ansammlung von Fleisch und getrocknetem Blut, das sich mit frischerem, fauligem Eiter mischte. Auf seinem kahlen Kopf waren einige tiefe Schnitte zu erkennen, und an der Stelle, wo sich ein Ohr befinden sollte, war lediglich eine sichtbare Körperöffnung. Der Rest von ihm sah so aus, als wäre er von einem Chirurgen, der keine Ahnung davon hatte, wie der Mann ursprünglich ausgesehen hatte, willkürlich zusammengesetzt worden. Es gab keine Kleidung, keine zerrissenen Lumpen, die auch nur einen Zentimeter des schrecklichen Anblicks hätten bedecken können.

»Kaydn an Krankenstation.«

»Krankenstation hier«, antwortete eine sanfte weibliche Stimme.

»Janis, wir führen mit einem verletzten Mann, der gerade im Kommandozentrum aufgetaucht ist, einen Ort-zu-Ort-Transport durch. Errichten Sie ein Ebene-zehn-Kraftfeld um ihn, bevor Sie irgendetwas für ihn tun. Er ist in ziemlich schlechter Verfassung. Und am besten wecken Sie Doktor Mai.«

Kaydn sah Verdell an und schnauzte: »Warum ist er noch hier, Ensign?«

Richtig. Ort-zu-Ort-Transporte; das gehört auch zu meinen Aufgaben. Verdell suchte auf seiner Kontrolltafel nach den Schaltflächen. Selbst nachdem er sie gefunden und der Mann endlich mit dem Aufleuchten des Transporters verschwand, hing der Gestank, den er mitgebracht hatte, noch in der Luft.

»Zeit bis zum Einschlag?«, verlangte Kaydn von Terral zu erfahren.

»Zwei Minuten, neunzehn Sekunden.«

»Verdell, Stacker, richten Sie für die nächsten siebenundneunzig Sekunden jeden einzelnen Sensor auf das Schiff. Ich will so viele Daten, wie wir kriegen können. Sobald es noch eine Minute entfernt ist, zerstören Sie es, Terral.«

»Aye, Sir«, antworteten die drei im Chor.

Verdell stellte die Sensoren seiner Station augenblicklich auf die detailliertesten Messungen ein, die sie vornehmen konnten. Er wusste nicht, wie viele Informationen die Sternenflotte über die Caeliar hatte. Wenn er den Worten seines Vaters während der aufregenden Tage nach Beendigung der Feindseligkeiten durch die Borg glauben wollte, lautete die Antwort »bei Weitem nicht genug«. Kurz überkam Verdell eine Ahnung, wie das Leben von jemandem aussah, der für die Organisation, für die er sich widerwillig entschlossen hatte zu arbeiten, tatsächlich etwas Sinnvolles tun konnte. Eifrig machte er sich daran, aus dieser kurzen Begegnung so viele brauchbare Informationen wie möglich zu ziehen.

Ein heller Blitz, auf den eine Schockwelle folgte, deren Ausläufer die Station heftig erschütterten, beendete das Sammeln von Informationen viel zu früh. Aber Verdell hatte genug gesehen, um zu wissen, dass er für seinen heutigen Schichtbericht Tage brauchen würde. Überraschenderweise freute er sich darauf.

Es war enttäuschend, als seine Konsole, Sekunden nachdem das Schiff in einem Sturm aus Partikeln verschwunden war, plötzlich durchdrehte, ein paarmal stotternd blinkte und dann schwarz wurde.

Kaydn war schon auf dem Weg zum Turbolift. »Kaydn an Captain Dreshing.«

Eine verschlafene Stimme antwortete: »Dreshing hier. Sprechen Sie, Lieutenant.«

»Bitte kommen Sie sofort in die Krankenstation, Sir. Wir haben einen unerwarteten Besucher.«

»Bin auf dem Weg. Dreshing Ende.«

Während Kaydn weiterging, sah er über die Schulter. »Gute Arbeit, alle zusammen. Na ja, fast alle.« Mit mahnendem Blick in Verdells Richtung ergänzte er: »Ich weiß, das ist Ihr erster Tag nach der Akademie, Verdell, aber verfluchter Dreck, Sie hätten beinahe einen der wichtigsten Kontakte versaut, den die Sternenflotte jemals hatte, weil Sie ihn für einen Scherz gehalten haben.«

»Tut mir leid, Sir.«

»Ich möchte in einer Stunde Ihre erste Analyse, Ensign.«

»Die würde ich Ihnen gerne geben, Sir.« Verdell schüttelte den Kopf, und ihm wurde übel.

»Höre ich da ein ›aber‹, Ensign?«

»Tut mir leid Sir, aber die Station ist ausgefallen.«

»Was?« Kaydn blieb abrupt stehen.

»Nicht nur Verdells, Sir«, meldete Stacker. »Meine Station ist auch ausgefallen. Ich glaube, kurz bevor wir es zerstört haben, hat das Schiff über den offenen Kanal einen Virus übertragen.«

Kaydn schüttelte entrüstet den Kopf. »Tun Sie, was Sie können, um so viele Daten wie möglich wiederherzustellen, Ensigns.«

»Aye, Sir«, bestätigten Verdell und Stacker.

Lawrence machte sich sofort daran, die verlangten Daten wiederherzustellen, ansonsten wäre sein Dienst bei der Sternenflotte eine Stunde nach Dienstantritt wieder zu Ende. Und obwohl »kürzeste Karriere aller Zeiten« eine Leistung darstellte, hatte Verdell keine Zweifel daran, wohin ihn sein Vater verfrachten würde, sobald er von dieser zweifelhaften Ehre erfuhr.

Willkommen auf dem Friedhof, Verdell.

1

U.S.S. VOYAGER

»Das ist doch lächerlich.« Vice Admiral Kathryn Janeway verschränkte die Arme vor der Brust und starrte durch das breite Fenster in Counselor Hugh Cambridges Büro zu den vorbeiziehenden Sternen hinaus.

Der Counselor antwortete nicht sofort, eine Taktik, die Janeway während ihrer regelmäßigen morgendlichen Termine mit dem Therapeuten der Voyager nur zu oft erlebt hatte. Sie musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er trotz ihres Ausbruchs bequem, ein Bein auf Kniehöhe über das andere geschlagen und mit im Schoß ruhenden Händen, in seinem bevorzugten weichen, schwarzen Sessel saß. Seine Miene würde gelassen sein, obwohl in seinen Augen gelegentlich ein Hauch von ironischem Schalk aufblitzte.

»Können sie das wirklich machen?«, wollte sie von einer höheren Macht wissen.

»Das Oberkommando der Sternenflotte?«, fragte Cambridge auf eine Weise, dass Janeway verstand, was er meinte: Wie gut kennen Sie die Irren, die in unserer Hightech-Klappsmühle den Laden schmeißen?

Schließlich sah sie ihn mit all ihrer Wut an. »Sie haben mir die verfluchte Stelle bereits angeboten.«

Das leichte Lächeln, das über Cambridges Lippen zuckte, war zu kurz, um eine sofortige Degradierung zu rechtfertigen.

»Das haben sie«, stimmte er zu.

»Wo liegt also das Problem?«

»Sie haben nicht angenommen.«

»Ich habe nicht sofort angenommen«, korrigierte Janeway. »Vierundzwanzig Stunden nachdem ich zugesehen habe, wie Captain Eden und mein Patensohn gestorben sind, während ich alles mir Mögliche getan habe, das Ende des gesamten Multiversums zu verhindern, kam es zum ersten Mal zur Sprache. Verflucht noch mal, ich war zu dem Zeitpunkt gerade mal drei Tage wieder unter den Lebenden. Und diese drei Tage waren ein wenig angespannt, selbst nach den Maßstäben des Delta-Quadranten.«

»Mmm-hmm«, murmelte Cambridge.

»Man hat mir befohlen, darüber nachzudenken.«

»Und Sie sind besonders gut darin, Befehle zu befolgen?«

»Ja, bin ich.« Die angedeutete Kritik überraschte Janeway.

Cambridge schwieg, fragte sich offensichtlich, ob sie ihr Loch noch tiefer schaufeln würde, bevor er ihr ein Seil zuwarf.

Als Janeway die Arme sinken ließ, sackten auch ihre Schultern herab. »Ich bin besonders gut darin, die wichtigen zu befolgen.«

Dem Counselor entfuhr ein leises Lachen. »Herzlichen Glückwunsch, Admiral. Wir sitzen nun schon seit Tagen daran, und das war das Erste, was einer objektiven Selbsteinschätzung nahekommt.«

»Was erwartet man von mir?«

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte er, ihren fassungslosen Tonfall imitierend.

»Sie dienen seit mittlerweile fast vier Jahren unter Admiral Montgomery.«

»Und Sie haben beinahe drei mit ihm zusammen gedient. Ich wage zu behaupten, Sie kennen ihn besser, als ich ihn kennen wollte.«

Janeway schwieg einen Moment lang, dachte über Admiral Kenneth Montgomery nach, in dessen Händen nun die Zukunft der Raumschiffe Voyager, Galen und Demeter lag. Man konnte nicht bestreiten, dass Montgomery und Janeway ihre Bekanntschaft nicht unter besten Voraussetzungen begonnen hatten. Aber nachdem sie das Problem mit Direktorin Covington vom Geheimdienst der Sternenflotte und deren waghalsigem Plan, sich zur neuen Borg-Königin zu machen, gemeistert hatten, waren sie zu Verbündeten geworden, wenn nicht sogar zu Freunden. Auch wenn er nicht so gründlich darüber nachdachte, wie ihr lieb wäre, bevor er zur Tat schritt, konnte man Montgomery nicht vorwerfen, unvernünftig zu sein, und wenn er Lust dazu hatte, konnte er richtig nett sein. Während ihrer langen Unterhaltungen in den letzten Tagen hatte er auf jeden Fall geduldig und verständnisvoll gewirkt.

»Vielleicht hat er es sich anders überlegt«, grübelte Janeway.

»Dazu müsste er sich eingestehen, dass seine ursprüngliche Sichtweise falsch war. Eine nützliche Fähigkeit, die ich wie oft bei Montgomery erlebt habe … lassen Sie mich nachdenken … oh, richtig, nie.«

Janeway spürte, wie sich ihre Gesichtszüge verhärteten. »Vor fünf Monaten haben Montgomery und seine Vorgesetzten neun Schiffe in den Delta-Quadranten geschickt. Obwohl sie mit Slipstream-Antrieben ausgerüstet waren und dem Besten, was die Sternenflotte zu bieten hat, hat die Flotte in dieser kurzen Zeit unvorstellbare Verluste erlitten. Darunter die Zerstörung von fünf Schiffen, die Tode von über achthundert Offizieren und Besatzungsmitgliedern und den Verlust von zwei Kommandanten. Er hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, den Befehl über die Reste zu übernehmen: ein Schiff der Intrepid-Klasse, das nie wirklich für Tiefenraumforschung entworfen wurde, ein experimentelles medizinisches Schiff, das zum Großteil mit ungetesteten Hologrammen bemannt ist, und ein drittes kleines Schiff, das meiner Meinung nach nicht viel mehr als eine selbstständig herumfliegende Aeroponik-Bucht ist. Mit diesen Mitteln soll ich damit weitermachen, eine der gefährlichsten Regionen zu erforschen, in die sich die Sternenflotte jemals gewagt hat, und nach Überresten der Borg suchen, die ihrerseits vor ein paar Monaten für den Tod von dreiundsechzig Milliarden gesorgt haben. Und dann soll ich auch noch nach den Caeliar Ausschau halten, einer Spezies, die fortschrittlich genug ist, dass sie die größte Bedrohung, der sich die Föderation jemals gegenübergesehen hat, mit einer Technik zerstört hat, die unsere Wissenschaftler im Grunde noch immer als Magie bezeichnen.«

»Das ist ziemlich viel verlangt, das gestehen ich Ihnen zu«, räumte Cambridge ein.

»Und als Montgomery gesagt hat, ich soll so lange darüber nachdenken, wie ich für angemessen halte, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass es mir als Charakterschwäche angelastet wird, wenn ich das tatsächlich tue.«

»Sie glauben, das ist der Grund, warum das Angebot zurückgezogen wurde?«

»Sie haben gerade gesagt …«

»Admiral, bitte«, fiel ihr Cambridge ins Wort. »Sie sind einiges, aber nicht blöd. Mir ist klar, dass Sie wegen der Befehle, die Sie nur Minuten vor Betreten dieses Büros erhalten haben, beunruhigt sind, aber reißen Sie sich zusammen und denken Sie eine Minute lang nach.«

Janeway zwang sich, ihre ganze Frustration beiseite zu schieben. Ihr Atem beruhigte sich zu einem tiefen, langsamen Rhythmus, und ein paar Augenblicke später kam ihr ein neuer Gedanke.

»Der Befehl kommt nicht von Montgomery.«

Cambridge lächelte. »Sehen Sie, das war doch gar nicht so schwer, oder?«

Der Admiral nahm sich einen Moment, rief sich die aktuelle Kommandostruktur über Montgomery ins Gedächtnis, und ihr Herz blieb beinahe stehen, als sie erkannte, dass der fragliche Befehl realistisch betrachtet nur von einer Person stammen konnte.

»Admiral Akaar?«

»Er ist der Oberbefehlshaber der Sternenflotte.«

»Aber warum sollte er sich die Mühe …?«

»Weil er selbst kein Pferd im Rennen hat«, erwiderte Cambridge. »Seine Perspektive unterscheidet sich etwas von der Montgomerys.«

»Akaar steht an der Spitze der Nahrungskette, Counselor. Ihm gehören alle Pferde.«

Nickend fuhr Cambridge fort: »Ja, nun, wer auch immer die Entscheidung getroffen hat, die Sie gerade so stört, hat sie nicht nach Stunden der Unterhaltung mit Ihnen gefällt. Man hatte nichts als die kalten, harten Fakten als Grundlage.«

»Und diese Fakten haben Admiral Akaar zu dem Schluss gebracht, dass ich nicht in der Verfassung bin, diese Flotte zu befehligen?«

»Versetzen Sie sich in seine Lage«, schlug Cambridge vor.

»Mir ist klar, dass ich im Laufe der Jahre einige … na gut, vielleicht eine Menge fragwürdige Entscheidungen getroffen habe«, räumte Janeway ein.

»Ich glaube nicht, dass es hierbei um längst Vergangenes geht, Admiral. Ich würde sagen, fünfundneunzig Prozent dieser Entscheidungen haben nach der Rückkehr der Voyager aus dem Delta-Quadranten zu Ihrer Beförderung geführt.«

»Ja, aber in Anbetracht einiger der langfristigeren Auswirkungen dieser Entscheidungen kann sich diese Rechnung geändert haben.«

»Sie glauben, Akaar macht Sie persönlich für die Borg-Invasion verantwortlich?«

»Keine allzu abwegige Annahme.«

»Nein, eine unmögliche Annahme«, beharrte Cambridge.

Janeway schüttelte den Kopf. Sie hatten schon Stunden darüber gesprochen, was Cambridge für ein unangebrachtes Bedürfnis ihrerseits hielt, sich die Verantwortung zuzuschreiben. Sie gab sich die Schuld an den jüngsten Taten der Borg, die zu dreiundsechzig Milliarden Toten, dem Verlust von mehreren Hundert Schiffen und einigen Planeten geführt hatten. Man konnte nicht abstreiten, dass ihre vier Jahre zurückliegende Entscheidung, ein Transwarpzentrum im Delta-Quadranten zu zerstörten, die Borg dazu gebracht hatte, ihre Taktik gegen die Föderation zu überdenken, und sie sich in Folge dessen für deren Auslöschung entschieden hatten. Aber Cambridge hatte auch darauf hingewiesen, dass Janeway schon eine Kristallkugel gebraucht hätte, um vorherzusehen, dass ihre Entscheidung solch verheerende Auswirkungen nach sich ziehen würde. Basierend auf ihren damaligen Informationen wäre es einer Pflichtverletzung nahegekommen, wenn sie nicht versucht hätte, die Borg aufzuhalten, ungeachtet der daraus resultierenden Konsequenzen. Ihr Herz konnte er allerdings nicht überzeugen.

»Warum dann?«, fragte Janeway.

Cambridge setzte sich ruckartig auf. »Verdammt nochmal, Kathryn, Sie sind gerade mal anderthalb Wochen wieder am Leben. Die letzten vierzehn Monate galten Sie als tot, aber für Sie hat diese Zeit nicht stattgefunden. Ihrem eigenen Empfinden nach sind Sie vor zwei Wochen zu einer Routinemission aufgebrochen, um etwas zu untersuchen, das Sie für einen inaktiven Borg-Kubus gehalten haben. Sie sind angekommen, wurden von einer Wand verschluckt und zu einer Borg-Königin gemacht, die dann auf ihre ehemaligen Kameraden feurigen Tod niederregnen ließ. Die meisten von uns können sich Gewalt dieser Größenordnung, Missbrauch dieser Art, gar nicht vorstellen. Dieser Angriff hat einen verletzten, verängstigten Fetzen von ihnen zurückgelassen, den die Q irgendwie gerettet haben. Und dann hat man diesen zarten Fetzen aufgefordert, rational zu entscheiden, ob er endgültig sterben oder zu seinem früheren Leben zurückkehren möchte, um zu verhindern, dass das Multiversum Billionen Jahre zu früh in Flammen aufgeht. Wenige Stunden nach Ihrer Rückkehr in diese Existenz sahen Sie sich mit dem Tod des Manns, den Sie lieben, konfrontiert. Desselben Manns, an dem so viele Ihrer Hoffnungen und Erwartungen an die Zukunft hingen. Und obwohl er letztendlich überlebt hat, beinhaltete die einzige Möglichkeit, den gordischen Knoten zu öffnen, den Tod eines anderen Captains, den Sie respektiert haben, und Ihres Patensohns, für den Sie sich nur zu gerne selbst geopfert hätten.«

Janeway spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde, sie schwieg aber.

»Das Erstaunliche hierbei ist nicht, dass sich gemäßigtere Köpfe über Montgomery hinweggesetzt und befohlen haben, dass Sie für eine Beurteilung und zur Erholung in den Alpha-Quadranten zurückkehren sollen, bevor eine endgültige Entscheidung über Ihre zukünftige Karriere getroffen wird. Was Sie sich fragen sollten, ist: Warum hat Ihnen Montgomery diese Aufgabe überhaupt angeboten? Welche Dämonen müssen den Mann geritten haben, Sie offenen Auges ins Messer laufen zu lassen?«

»Sie glauben nicht, dass ich diese Flotte befehligen kann?«

»Sie sind unbestreitbar einer der besten Offiziere, die jemals diese Uniform getragen haben. Sie verspeisen das Unmögliche zum Frühstück. Sie stellen sich Herausforderungen, die die meisten nicht einmal in Erwägung ziehen würden, stellen geradezu lächerlich hohe Ansprüche an sich selbst und tun das alles mit einem Lächeln, Scharfsinn, überragender Intelligenz und mitfühlendem Herzen. Sie sind das verfluchte Leuchtfeuer in der Finsternis, eine Inspiration für jeden, der sein Leben der Sternenflotte verschrieben hat. Jeder Einzelne, der in der Vergangenheit mit Ihnen gedient hat, würde für Sie nackt durchs Feuer gehen. Aber in diesem Moment würde ich Ihnen nicht einmal in den Speisesaal folgen.«

»Ich verstehe.« Janeway lege die Hände auf die Lehne des Sessels, der dem Counselor gegenüberstand.

Cambridge sah sie besorgt an.

»Und haben Sie zufällig irgendwas davon Admiral Montgomery oder Admiral Akaar gesagt?«, fragte Janeway weiter.

Cambridge schüttelte sichtlich verärgert den Kopf. »Sie haben nicht danach gefragt.«

Ihr Herz schlug langsam, aber mit beachtlicher Kraft. »Haben sie nicht?«

Erneut schüttelte Cambridge den Kopf. »Ich habe gewartet, damit gerechnet, dass sie es tun würden. Aber bislang nichts.«

»Das ist …« Sie wurde leiser, unfähig, die passenden Worte zu finden.

»… besorgniserregend«, beendete er für sie, stand auf und trat neben sie, woraufhin sie sich zu ihm umdrehte. »Die da oben haben eine Entscheidung getroffen, die sie für endgültig halten, und interessieren sich nicht im Geringsten für die Meinung anderer. Es ist unwichtig, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sind. Achten Sie so genau wie möglich darauf, was die sagen und was nicht. Irgendwo wird sich die Wahrheit zeigen. Aber machen Sie keinen Fehler. Im Moment haben Sie noch andere Baustellen. Selbst nachdem Sie Chakotay das Kommando über die Voyager überlassen haben, haben Sie eine Verbundenheit mit Ihrem ehemaligen Kommando gezeigt, die manche als ungesund bezeichnen würden. Sie haben für die, die einst unter Ihrem Kommando standen, Grenzen überschritten, an die sich nur wenige in Ihrer Position herangewagt hätten. Das haben Sie getan, weil Sie von Ihrer Natur her nicht anders können. Aber wenn Sie wirklich darauf hoffen, wieder das Kommando über diese Leute zu bekommen, wenn Sie diese Aufgabe wirklich wollen – und im Moment bezweifle ich, dass Sie es vernünftig entscheiden können –, dann müssen Sie Ihre Prioritäten ändern. Sie müssen sich die nötige Zeit nehmen, Ihrem alten Leben hinterherzutrauern, diese außergewöhnliche Verwandlung zu verarbeiten und zu entscheiden, wer Sie jetzt sind. Die Kathryn Janeway, die in den Borg-Kubus gegangen ist, hätte keinen Sekundenbruchteil gezögert, wenn man ihr das Kommando über diese Flotte angeboten hätte.«

»Aber ich schon«, sagte Janeway leise.

»Genau. Und ich möchte sagen, das war eine gute Entscheidung. Das alleine sagt mir, dass Sie sich bereits auf die Ihnen eigene Weisheit verlassen können.«

»Herrlich«, seufzte Janeway.

»Sie werden nie wieder die Frau sein, die Sie mal waren. Sie haben auf subatomarer Ebene einen Blick auf sich selbst geworfen. Sie wurden auf ewig verändert von Ereignissen, über die Sie die Kontrolle hatten, und auch von solchen, die Sie nicht beeinflussen konnten. Die Geheimnisse des Universums, der Existenz, sind nicht länger Hindernisse, über die Sie bei ein paar Drinks spät nachts nachdenken können. Sie starren Ihnen kalt ins Gesicht. Sie lassen sich nicht ignorieren oder auf später verschieben. Es existiert keine medizinische Diagnose, die den ganzen psychischen Stress beschreiben könnte, den Sie erlitten haben, oder die emotionalen Auswirkungen, die er gehabt hat, und vor allem gibt es keinen Behandlungsplan. Genau wie damals, als die Voyager im Delta-Quadranten verschollen war, sind Sie Lichtjahre von zu Hause entfernt. Diese Reise müssen Sie allerdings alleine bewältigen. Sie müssen all die Gewalt, den Schmerz und den Verlust sowie die Liebe und das Licht, die so sehr zu Ihnen gehören, zu einem funktionierenden Ganzen vereinen. Und es wird etwas länger dauern, als Sie jetzt gerade wahrhaben wollen. Das ist nichts, worum ich Sie beneide, aber ich bedaure, nicht derjenige sein zu können, der diese ersten Schritte mit Ihnen gemeinsam unternimmt.«

»Das weiß ich zu schätzen, Counselor. Und in gewisser Weise weiß ich, dass Sie wahrscheinlich recht haben.«

»Aber?«

»Ich glaube, ich würde mich wohler fühlen, wenn es meine Entscheidung gewesen wäre. So wie Sie das sagen, klingt es, als hätte ich kein Mitspracherecht.«

»Natürlich haben Sie das. Sie könnten am Tag Ihrer Ankunft schnurstracks in Montgomerys Büro marschieren und verlangen, dass er noch einmal darüber nachdenkt. Sie könnten alle Counselors einschüchtern, die die Aufgabe bekommen, Sie zu beurteilen. Sie könnten Akaar das Leben privat und beruflich schwer machen, indem Sie ihn und jeden anderen, der zuhören wird, daran erinnern, dass Sie gerade diese Schiff und das ganze Multiversum gerettet haben, und das allein sollte Ihnen das Recht geben, verdammt noch mal zu tun, was Ihnen in den Sinn kommt. Sie können versuchen, dieser Aufgabe für den Rest Ihres Lebens aus dem Weg zu gehen. Aber wenn Sie das tun, verspreche ich Ihnen, werden Sie irgendwann daran zerbrechen.«

Der Admiral lächelte betrübt. »Vielleicht. Aber nicht sehr lange.«

»Ich drücke Ihnen die Daumen. Sie können das schaffen. Wenn Sie die Frau sind, für die ich Sie halte, dann werden Sie es schaffen. Aber nicht einmal ich wage im Moment eine Voraussage, wie Ihre Entscheidung lauten wird, sobald Sie Ihren Weg gefunden haben. Und Sie sollten das auch nicht versuchen. Ich weiß nur, falls Sie zurückkehren, muss es aus den richtigen Gründen geschehen. Und falls dieser Tag kommt, werde ich Ihnen wahrscheinlich überallhin folgen.«

Lieutenant Commander Thomas Eugene Paris betrat genau um 0700 Captain Chakotays Bereitschaftsraum, wie befohlen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass sein Morgen vor drei Stunden begonnen und hauptsächlich darin bestanden hatte, seiner Frau bei ihrem bisher schlimmsten Anfall von Morgenübelkeit beizustehen, war das eine beachtliche Leistung. Hätte Paris es nicht mit eigenen Augen gesehen, er hätte es nicht für möglich gehalten, dass eine einzelne Person am Stück, über so viele Stunden hinweg, so viel von sich geben könnte. Er hatte sich gefragt, aber nicht den Mut aufgebracht, es laut auszusprechen, ob eines der redundanten Organe von Klingonen der Magen war. Von heute Morgen zu schließen, musste B’Elanna sechs haben.

Trotz ihres beharrlichen Widerspruchs hatte Tom sie schließlich überredet, auf die Krankenstation zu gehen. Dann hatte er Mirals holografisches Kindermädchen aktiviert, damit es auf sie aufpasste, sich eilig eine frische Uniform repliziert und war dann für ihr morgendliches Treffen in Richtung Bereitschaftsraum des Captains gehetzt. Glücklicherweise war der Gedanke an Frühstück nicht verlockend gewesen, ansonsten hätte er sich verspätet.

Chakotay saß an seinem Schreibtisch und starrte durch die Fenster des Besprechungsraums hinaus. Vor ihm auf dem Schreibtisch stapelten sich unberührte Padds.

»Guten Morgen, Sir«, begrüßte ihn Paris knapp.

Als sein Captain ihn ansah, bemerkte er die Betroffenheit und einen Hauch von Ärger in dessen Augen.

»Chakotay?« Ohne zu zögern schob Paris die professionellen Höflichkeiten beiseite.

»Wir haben ein Problem, Tom.«

Wann ist das nicht so? Aber Paris war schlau genug, die Frage für sich zu behalten. Stattdessen ging der Erste Offizier in Gedanken den Schiffsstatus durch: laufende Personalangelegenheiten, anstehende Aufgaben, letzte bekannte Befehle. Ihm fiel aber nichts ein, das für Chakotays Stimmung verantwortlich sein könnte. Wobei, in ein paar Stunden würde die Voyager Neu-Talax erreichen, sich mit den letzten beiden Schiffen der Flotte, der Galen und der Demeter, zusammenschließen und ein paar Stunden danach würde eine lange Trauerfeier stattfinden, auf die sich niemand freute.

Aber Chakotay hatte die letzten Monate im Kommandosessel der Voyager gesessen und es zu einer regelrechten Kunstform erhoben, Chaos gelassen entgegenzublicken. Und vor nicht einmal zwei Wochen war er wieder mit Admiral Janeway vereint worden, der einzigen Frau, von der Paris annahm, dass Chakotay sie jemals wirklich geliebt hatte und die sie alle ungefähr ein Jahr lang für tot gehalten hatten. Wenn überhaupt, hatte diese unerwartete Wendung des Schicksals Chakotays Reserven nur vergrößert und ein frisches, gesundes Strahlen in seine Augen zurückkehren lassen.

»Was ist passiert?«, fragte Paris schließlich, als er zu keinem Ergebnis gelangte.

Chakotay faltete vor sich die Hände und fing damit an, sie zu kneten, als könnte er so irgendeine Erkenntnis heraufbeschwören.

»Wir haben neue Befehle vom Oberkommando.«

»In Ordnung.« Paris fragte sich, wie schlimm sie wohl sein konnten.

Chakotay stand auf und lehnte sich gegen den Handlauf, der seinen Arbeitsbereich vom kleinen erhobenen Sitzbereich trennte – dem gemütlichsten und einladendsten Teil des Raums. »Nach der Trauerfeier wird Admiral Janeway an Bord der Galen gehen und für einen ausgedehnten Erholungsurlaub in den Alpha-Quadranten zurückkehren.«

Paris’ Magen drehte sich derart heftig um, dass er froh war, nichts gegessen zu haben. »Ich dachte, man hätte ihr das Kommando über die Flotte angeboten.«

»Hat man.« Chakotay nickte. »Und ich war davon überzeugt, dass man uns nur dann gestatten würde, hier draußen im Delta-Quadranten zu bleiben, wenn sie akzeptiert.«

»Sie … hat das Angebot also abgelehnt?«, vermutete Paris zögernd.

»Nein.« Chakotay schüttelte den Kopf. »Es war etwas Überzeugungsarbeit nötig, aber sie hat beschlossen, anzunehmen. Und als sie heute Morgen ihre Entscheidung mitgeteilt hat, wurde das Angebot zurückgezogen.«

»Also geht es nicht darum, dass Admiral Janeway etwas dringend benötigte und wohlverdiente Erholung bekommt.«

»Nein.«

»Das werden Wochen voller intensiver psychiatrischer Beurteilungen und … Moment mal.« Paris unterbrach sich selbst, da ihm zu viele Gedanken durch sein unter Schlafmangel leidendes Gehirn rasten. »Fliegen wir nach Hause?«

Chakotays Blick traf Toms mit der Schärfe eines Laserskalpells.

»Nein«, widersprach er leise.

»Dann begreife ich es nicht«, gab Paris zu.

Chakotay seufzte. »Ich auch nicht. Das ist das Problem.«

Der Erste Offizier stieg die niedrige Stufe in den Sitzbereich hinauf, von wo aus er einen ungestörten Blick auf die Sterne hatte.

»Also sollen wir alleine damit weitermachen, eine Aufgabe zu erfüllen, für die man ursprünglich neun Schiffe losgeschickt hat?«

»Die Demeter bleibt hier.«

»Was ist mit der Achilles?«

»Offiziell gehört sie noch zur Flotte, aber es gibt keine Informationen darüber, ob sie in absehbarer Zeit in den Delta-Quadranten zurückkehren wird.«

Paris drehte sich zu Chakotay um. »Du glaubst, man hat uns abgeschrieben?«

»Im Alpha-Quadranten sind die verfügbaren Mittel momentan recht knapp, und Admiral Janeway hat besorgniserregende politische Entwicklungen erwähnt. Aber so wie es aussieht, traut man uns nicht zu, dabei zu helfen.«

»Haben wir eine neue Mission bekommen?«

»Nur für die Augen des Captains bestimmt.«

»Hmm.«

»Ich weiß.«

Während Paris die Hände auf den Handlauf legte, wandte sich Chakotay in seine Richtung. »Ich wage zu behaupten, aus der Sicht des Oberkommandos verliefen die letzten Monate nicht ganz so gut für unsere Flotte wie erhofft«, sagte Paris.

»Mag sein. Aber ich sehe die letzten Monate als unglaublichen Erfolg unter den Umständen«, beharrte Chakotay. »Ich weiß, dass es uns viel gekostet hat, aber ich weiß auch, dass die Kosten höher hätten sein können, und das wären sie auch gewesen, wenn wir nicht alle so verbissen und einfallsreich gewesen wären. Aber ich sehe keine Möglichkeit, wie wir mit zwei kleinen Schiffen unsere Mission, eine gründliche Untersuchung dieses Quadranten, erfüllen sollen. Und bislang wurde uns keine Verstärkung angeboten.«

»Du glaubst, man will, dass wir scheitern?«

»So weit würde ich nicht gehen. Ich glaube, im Moment wissen sie nicht, wo ihnen der Kopf steht. Meiner Meinung nach stehen sie nach der schieren Masse von katastrophalen Ereignissen im vergangenen Jahr mit dem Rücken zur Wand und suchen nach einer Möglichkeit, sich zu schützen. Auf dem Papier war es eine einfache Lösung, Admiral Janeway sofort mit dem Kommando zu betrauen. Aber jetzt sieht es so aus, als würde man ihre Eignung infrage stellen. Um meine zu hinterfragen, war um einiges weniger nötig, als assimiliert zu werden, zu sterben und von den Toten zurückzukehren.«

Nicht so viel weniger. Aber auch das sprach Paris nicht laut aus.

»Ihnen muss klar sein, dass ein Schiff der Intrepid-Klasse und ein Spezialschiff nicht viel dazu beitragen können, die Mysterien dieses Quadranten aufzudecken. Aber uns jetzt nach Hause zu holen, würde dem Eingeständnis gleichkommen, dass es von vornherein ein Fehler war, uns überhaupt loszuschicken. Und ich glaube nicht, dass irgendjemand darauf brennt, das auf seine Kappe zu nehmen.«

»Hältst du es für einen Fehler, Chakotay?«

»Nein«, antwortete er, als wäre der bloße Gedanke eine Beleidigung.

»Willst du bleiben?«

»Ich weiß, dass wir im Moment hier das meiste bewirken können, auch wenn die das nicht so sehen.«

»Also, wie machen wir ihnen das klar?«

»Wir machen das, was wir immer getan haben … Wir beweisen es ihnen … wieder einmal.«

»Klingt vernünftig, aber ich frage wieder einmal, wie?«

Der Captain trat vom Handlauf zurück und ging vor seinem Schreibtisch auf und ab. »Wir dürfen keinesfalls ungehörig oder widerspenstig erscheinen. Wir müssen der Sternenflotte zeigen, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen, und dass wir uns an die Regeln halten können. Aber gleichzeitig müssen wir dem Oberkommando beweisen, dass eine fortgesetzte Erforschung dieses Quadranten die benötigte Zeit und Ressourcen wert ist. Ich möchte, dass du eine Liste möglicher Forschungsziele zusammenstellst. Als wir den Delta-Quadranten damals verlassen haben, haben wir kaum an der Oberfläche seiner Tiefe und Breite gekratzt. Wir müssen eine Mission finden, die beträchtliche Ergebnisse bringt, nicht nur für uns, sondern für die Föderation.«

»Also keine Babysterne, unbewohnten Systeme oder interessanten Nebel?«

»Ein Erstkontakt wäre nett«, grübelte Chakotay.

»Sehe ich genauso, aber man kann schlecht vorhersehen, wie die verlaufen. Ich weiß, mit den Kindern des Sturms und Rileys Leuten ist es gut gelaufen, aber wir haben die Indign verärgert und sind auch den Tarkanern gewaltig auf die Füße getreten. Und dann wäre da noch das kleine Problem mit unserem verlorenen Hologramm.«

»Falls Reg während unserer Abwesenheit keine vielversprechende Spur gefunden hat, wüsste ich nicht, wo wir mit unserer Suche nach Meegan anfangen sollen.«

»Wir können sie nicht einfach entkommen lassen.«

»Nenn es Instinkt, aber wenn sie etwas gegen uns unternehmen will, wird sie uns meiner Meinung nach aufspüren, sobald sie dazu bereit ist.«

Paris zuckte mit den Schultern. »Wenn du vorschlagen willst, dass wir in der Zwischenzeit eines der Gebiete besuchen, über die wir schon ein wenig wissen, dann müssen wir auch mit dem Ruf zurechtkommen, der uns vorauseilt.«

»Nicht alle haben uns als das ›Schiff des Todes‹ bezeichnet.« Chakotay grinste.

»Nein, nur die, die unseren ersten Besuch überlebt haben.« Paris lachte.

»Du weißt, was ich meine«, beharrte Chakotay.

»Weiß ich.« Paris nicke. »Und mit deiner Erlaubnis werde ich Seven und Harry bitten, mir mit der Liste zu helfen.«

»Auf jeden Fall. Bereite dich darauf vor, sie gleich morgen früh vorzulegen.«

»Ich hatte vor, den Großteil des Tags mit dem Abschluss der Vorbereitungen für die Trauerfeier zu verbringen und dann daran teilzunehmen.«

»Und?«

»Schlaf ist für Weicheier.«

»Ist es nicht geradezu herrlich, Erster Offizier zu sein?« Chakotay grinste.

»Ja, Sir.«

Einen Moment später fügte Paris hinzu: »Wirst du das verkraften?«

Chakotay, der sich gerade wieder setzen wollte, hielt inne. »Was meinst du?«

Paris wollte behutsam vorgehen, aber für alles andere als einen wagemutigen Vorstoß, fehlte ihm die Geduld. »Ohne den Admiral zu sein.«

»Ja.« Chakotay lächelte und Paris spürte, dass es aufrichtig war. »Sie kommt zurück. Und wenn es so weit ist, werden wir in der Zwischenzeit gute Arbeit geleistet haben.«

Paris hätte es gerne dabei belassen, aber er wusste, dass er noch etwas tiefer bohren musste. »Du hast sie schon einmal verloren, und das endete alles andere als gut. Hast du keine Angst, sie erneut zu verlieren?«

Jeden anderen hätte Chakotay für diese Frage wahrscheinlich geschlagen, aber da es Paris war, der sie stellte – ein Mann, der beinahe Frau und Tochter verloren hatte –, war sie berechtigt.

»Ich kann es nicht abstreiten. Der Gedanke ist zu schlimm, um ihn überhaupt in Erwägung zu ziehen. Aber ich werde nicht den Rest meines Lebens in Angst verbringen. Und sie wird das auch nicht. Keinem ist das Morgen gewiss. Das Heute dürfen wir nicht verschwenden. Ein paar Tausend Lichtjahre Distanz ändern nichts. Sie wird zurückkommen.«

»Und wenn nicht?«

»Du glaubst, man wird entscheiden, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen ist?«

»Ich glaube, dass sie selbst an ihrem schlechtesten Tag überqualifiziert wäre«, erwiderte Paris aufrichtig. »Aber mir gefällt der Gedanke nicht, dass sie sich dem Ganzen alleine stellen muss. Ich frage mich, ob sie uns im Moment nicht mehr braucht, als wir sie.«

»Sie kann sich auf uns verlassen«, bekräftigte Chakotay.

»Das wird sich nie ändern.«

»Nein, wird es nicht«, stimmte Paris zu.

Während Paris zur Tür ging, um einen sehr viel arbeitsreicheren Tag zu beginnen, als er bei seiner Ankunft angenommen hatte, rief ihm Chakotay hinterher: »Conlon hat ihren morgendlichen Bericht eingereicht und angedeutet, dass B’Elanna nicht da war. Ist mit ihr alles in Ordnung?«

»Es geht ihr gut. Sie ist heute Morgen nur nicht ganz auf der Höhe. Aber ich bin mir sicher, Doktor Sharak wird sie schnell wieder auf die Beine bringen.«

»Gut. Weitermachen.« Mit diesen Worten entließ ihn Chakotay.

Paris ging weiter zur Tür, wobei es ihn ein wenig störte, seine und B’Elannas freudige Neuigkeit für sich behalten zu müssen. Paris wusste erst seit ein paar Tagen, dass seine Familie Zuwachs bekommen würde und B’Elanna hatte ihm verboten, ihren Freunden die nächsten Wochen davon zu erzählen. Die Bitte war nachvollziehbar, aber Paris konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass Chakotay besonders heute ein paar gute Neuigkeiten gebrauchen könnte.

Dennoch war er entschlossen, dem Captain am nächsten Morgen ein paar vorlegen zu können, komme was da wolle.

»Die korrekte Bezeichnung lautet Hyperemesis Gravidarum, Commander«, erklärte Doktor Sharak in seinem beruhigendsten Tonfall.

Zur Antwort würgte Lieutenant Commander B’Elanna Torres erneut und spuckte das Ergebnis in die kleine Schale, die ihr Sharak gegeben hatte, nachdem sie die Krankenstation betreten hatte.

»Mir … egal … wie Sie es nennen …«, erwiderte B’Elanna schließlich zwischen abgehackten Atemzügen. Die letzten Stunden hatten ihr alle verfügbare Kraft genommen. »Sorgen … Sie … nur dafür, … dass es … aufhört.« Sie bekräftigte die Worte mit weiterem Würgen.

»Das kann ich nicht.«

Erschöpft und entmutigt ließ sie den Kopf auf das geneigte Biobett sinken. »Was hält Ihr Volk von Euthanasie?«

Sharak schien über die Frage gründlich nachzudenken. »Nun, es ist viel mehr eine persönliche Wahl als eine von der Gesellschaft als Ganzes auferlegte.«

B’Elanna drehte den Kopf, um sicherzugehen, dass Doktor Sharak verstand, dass ihre letzte Aussage aus extremer Verzweiflung geboren und nicht ernst gemeint war. Obwohl er der erste Tamarianer war, dem sie jemals begegnet war, und sie die Mimik in seinem breiten, dunkelbraun gesprenkelten Gesicht häufig schwer interpretieren konnte, beruhigte ein zuversichtliches Lächeln in Verbindung mit dem Zwinkern in seinen Augen ihre Befürchtungen.

»Aber verzagen Sie nicht, Commander. Sie haben diesen Zustand zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt während ihrer Schwangerschaft erreicht, als es für gewöhnlich der Fall ist. Und es wird aller Wahrscheinlichkeit nach schnell enden, sobald die Hormone, die dem Fötus sein anfängliches Wachstum ermöglichen, auf die normaleren Werte abfallen, die sie dann die restlichen Monate beibehalten. In der Zwischenzeit werde ich Ihre Flüssigkeitsaufnahme und Elektrolytwerte überwachen und ergänzen. Ich werde Ihnen tägliche Injektionen mit Vitaminergänzungen verabreichen, um die zu ersetzen, die Sie höchstwahrscheinlich nicht bei sich behalten werden, bis Ihr Appetit zurückkehrt.«

»Sie wollen mir also sagen, wir können über Subraum kommunizieren, Warpfelder erschaffen, komplexe Materie nach unseren Wünschen dematerialisieren und rematerialisieren und Waffen herstellen, die im Multi-Phasen-Bereich arbeiten, aber die medizinische Wissenschaft der Föderation ist noch nicht dahintergekommen, woher Morgenübelkeit stammt?«

»Oh, doch, sind wir. Wir verstehen nun die genauen hormonellen und chemischen Zusammenhänge, die für Ihre Symptome verantwortlich sind, und durch jahrelange Erfahrung haben wir herausgefunden, dass es das Beste ist, der Natur ihren Lauf zu lassen. Solange es Ihre Gesundheit nicht bedroht.«

»Das ist natürlich?«

»Ja. Und in Ihrem speziellen Fall begründet sich die Intensität wahrscheinlich auf dem genetischen Faktor der gemischten Abstammung Ihres Sohns.«

»Tom und ich haben schon ein Kind, und meine erste Schwangerschaft lässt sich hiermit nicht vergleichen.«

»Jede Vereinigung genetischen Materials ist einzigartig, Commander«, versicherte ihr Sharak, »so wie jede daraus resultierende Schwangerschaft.«

B’Elanna stockte, als sie begriff, was Sharak gesagt hatte.

»Die Abstammung meines Sohns?«

»Ja, Commander.«

»Es ist ein Junge?« Einen Augenblick lang wurde ihre Übelkeit von Staunen verdrängt.

Sharak sah sie traurig an. »Tut mir leid, Commander. Wollten Sie das Geschlecht Ihres Kinds erst bei der Geburt erfahren?«

Der Magen der Flotteningenieurin meldete sich wieder, und sofort rollte sie sich auf die Seite und packte die Schale. Nachdem das Gefühl abgeflaut war, lehnte sie sich wieder zurück. »Schon gut.« Schützend legte sie die Hände auf ihren Bauch, der noch nicht die geringste Wölbung aufwies, und stellte sich Toms Blick vor, wenn sie ihm erzählen würde, dass sie einen Sohn bekommen würden. Damit würden die letzten Stunden es mehr als wert gewesen sein.

Wie die meisten werdenden Mütter hatte B’Elanna auf zehn kleine Finger und zehn kleine Zehen gehofft. Der Rest, darunter auch das Geschlecht des Kinds, war Zugabe. Aber irgendwie erfüllte sie das Wissen, dass es ihr Sohn, Toms Sohn, war, mit Ehrfurcht.

Es wird alles gut werden, kleiner Mann. Deine Mutter ist eine klingonische Kriegerin. Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht.

Lieutenant Harry Kim, Sicherheitschef und taktischer Offizier der Voyager, war mit seiner Arbeit zufrieden. Er stand neben der Chefingenieurin Nancy Conlon und Seven of Nine in den ehemaligen Frachträumen zwei und drei. Vorläufig waren die Räume zu einer großen Halle zusammengelegt worden, die bis auf ein paar neu installierte Kontrollkonsolen und Dutzender speziell entwickelter holografischer Generatoren leer war.

»Kann ich es noch einmal sehen?«, bat Kim.

Conlon und Seven tauschten einen bedeutungsschweren und müden Blick aus, aber der Lieutenant befolgte die Bitte kommentarlos. Auf ihren Befehl hin wurden die leeren, grauen Schotten durch eine große Empfangshalle ersetzt, die in pietätvollen Erdtönen gehalten war. Auf einer Seite lag ein kleines erhöhtes Areal, das für die Vertreter jedes Schiffs vorgesehen war – mit Ausnahme der Planck, deren Trauerfeier bereits stattgefunden hatte. Lange Reihen niedriger gepolsterter Bänke, die von Wand zu Wand verliefen, nahmen den Rest des Raums ein. Sie waren während des formellen Teils der Zeremonie für die Überlebenden der Schiffe Voyager, Quirinal, Esquiline, Hawking, Curie, Achilles, Galen und Demeter vorgesehen.

»Und der Park?«

Augenblicklich veränderte sich die Umgebung, und dasselbe Podium und die Bänke befanden sich inmitten einer nächtlichen Darstellung des Föderationsparks in San Francisco. Sie würde gegen Ende der Feier kurz benutzt werden. Nach Beendigung würde der Raum wieder den Empfangssaal darstellen, dieses Mal allerdings mit locker verteilten Tischen und Stühlen, damit sich die verschiedenen Besatzungen miteinander unterhalten konnten.

Kim und Conlon hatten zusammen mit Seven und Paris die letzten Tage damit verbracht, sich zu überlegen, was die angebrachteste und persönlichste Weise wäre, die Personen, die gerade mal ein paar Monate zusammen gedient hatten und durch eine Tragödie erst vor Kurzem voneinander getrennt worden waren, als Flotte zusammenzubringen, um diejenigen zu betrauern, die von ihnen gegangenen waren. Conlon hatte vorgeschlagen, mit den Überlebenden, die vor nicht einmal einer Woche eilig zurück in den Alpha-Quadranten gebracht worden waren, Kontakt aufzunehmen. Der Plan sah eine gemeinsame Feier vor, indem man über die Kommunikationsbojen, die die Flotte bei ihrer Ankunft im Delta-Quadranten abgeworfen hatte, eine Echtzeitverbindung herstellte. Kim hatte zuerst an einen deckenhohen Bildschirm gedacht, um die Illusion zu erzeugen, dass sich die Versammelten im selben Raum befanden. Seven hatte daraufhin vorgeschlagen, ein Holodeck anzulegen, das groß genug war, die etwas mehr als zweihundert Besatzungsmitglieder der Voyager, der Galen und der Demeter aufzunehmen, wodurch sie die Möglichkeit hatten, mit den mehr als siebenhundert zu interagieren, die sich im Alpha-Quadranten versammeln würden.

Dieses kleine Wunder wäre ohne die Hilfe der Offiziere vom Pfadfinder-Projekt, die schon Jahre zuvor daran gearbeitet hatten, die Voyager wieder mit dem Alpha-Quadranten zu verbinden, als diese in den Weiten des Delta-Quadranten verschollen war, niemals möglich gewesen. Obwohl sich Pfadfinder nach der Rückkehr der Voyager neuen Aufgaben zugewandt hatte, fühlten sich viele der Mitarbeiter noch immer der Besatzung der Voyager verbunden. Ein paar von ihnen hatten beim Start der neuen Flotte den Auftrag erhalten, die Relais der Flotte zu überwachen und eine beständige Kommunikation sicherzustellen. Seven hatte Verbindung mit einem alten Bekannten, Commander Varia, aufgenommen und er hatte alles stehen und liegen lassen, um ihr bei den notwendigen Vorbereitungen auf seiner Seite zu helfen.

Holografische Echtzeitkommunikation dieser Größenordnung war nur für äußerst dringliche Besprechungen von Vertretern der Sternenflotte und der Föderation vorgesehen. Als Kim und Seven Varia von ihrer geplanten Trauerfeier erzählt hatten, hatte er zugestimmt, dass es möglich und in diesem Fall auch völlig angemessen war.

»Glauben Sie, wir sollten …«, fing Kim an.

»Ich werde nicht noch einmal mit Varia Kontakt aufnehmen, Harry«, fiel ihm Conlon ins Wort. »Die Relais sind stabil. Wir haben die Matrix schon fünfzigmal getestet, und alle, die mit dem technischen Teil zu tun haben, kennen ihre Aufgabe. Wir sind bereit.«

»Seven?« Kim hoffte, dass sie Conlons absolut zutreffender Beurteilung widersprechen würde.

»Obwohl ich mir ein wenig Sorgen wegen Fluktuationen der Energiewerte in den Relais neunzehn und sechsundzwanzig mache, können wir sie notfalls umgehen.«

»Machen die noch immer Schwierigkeiten?« Conlon überprüfte das auf ihrer Konsole.

»Wir sind bereit, Lieutenant Kim«, bestätigte Seven.

Kim nickte. Einen Moment lang freute er sich über ihre erfolgreiche Arbeit. In ein paar Stunden würden ein paar Hundert Männer und Frauen, obwohl sie mehr als zwanzigtausend Lichtjahre voneinander trennten, den Eindruck haben, dass sie zusammen wären. Doch zu schnell wurde diese Freude von dem bedrückenden Gedanken daran verdrängt, warum dieses Zusammenkommen nötig war.

»In Ordnung.« Jetzt freute er sich nur noch auf das Ende des Abends, wenn er das alles wieder abbauen und mit dem viel schwereren Prozess beginnen konnte, die letzten Wochen hinter sich zu lassen.

2

U.S.S. VOYAGER, NEU-TALAX

Als sich Captain Chakotay erst einmal an ihre holografische Erscheinung gewöhnt hatte, die ebenso deutlich wie alles andere auf dem Podium stand, konnte er sich nicht mehr gegen die verhalten gute Laune wehren, die während Regina Farkas’ Rede aufgekommen war.

Er hätte schwören können, dass sie größer gewesen war; sie war eine durchtrainierte Frau in ihren Siebzigern mit weißem Haar und einer verblassenden Narbe, die sich über ihre rechte Gesichtshälfte zog. Seit fast fünfzig Jahren diente sie in der Sternenflotte, und die während dieser Zeit gewonnene Erfahrung war ihr deutlich anzusehen. Alles an Farkas ließ in Chakotay den Wunsch aufkeimen, dass ihr Schiff, die Quirinal, nicht unter denen wäre, die sie vor Kurzem verloren hatten. Und auch, dass er während der kurzen Monate, in denen sie in derselben Flotte gedient hatten, die Zeit gefunden hätte, sie besser kennenzulernen.

»… und dann hat sich Parimon zu seiner Mutter umgedreht, das um seinen Hals gebundene Laken keck über die Schulter geworfen und herausfordernd gerufen: ›Parimon eilt zur Rettung!‹« Farkas schwieg kurz, wartete, bis das leise Lachen, das die Menge erfasst hatte, nachließ. »Dann hat er, mit nichts anderem bekleidet als seiner Unterhose und diesem magischen Umhang, alles daran gesetzt, den Baum mit der Kraft eines Fünfjährigen zu bezwingen. Und ob man es glaubt oder nicht, wenige Minuten später war das Keekit wieder sicher auf dem Boden.« Farkas schwieg erneut, während das Leuchten, das diese Erinnerung in ihre Augen gebracht hatte, verschwand.

»Ich weiß, manche von Ihnen sind der Meinung, dass eine solche Erinnerung bei einer Zusammenkunft wie dieser unangebracht ist. Aber ich kenne seine Eltern, Lukas und Selena Dasht, seit vierzig Jahren, und obwohl ich wegen meiner Pflichten den Großteil seines Lebens nicht miterlebt habe, werde ich diese erste Begegnung nie vergessen, ebenso wenig wie die Gewissheit, die ich damals verspürt habe, dass dem jungen Parimon Dasht eine großartige Zukunft bevorstand.

Das Problem bei Veranstaltungen wie dieser ist Folgendes: Wir wollen an die guten Zeiten denken, an unsere schönsten Erinnerungen, die wir von den Verblichenen haben. Aber jetzt, da wir wissen, wie ihre Leben geendet haben, sind diese Erinnerungen von dem ganzen ungenutzten Potenzial beschmutzt; dem Gefühl, dass es nicht so hätte kommen sollen.

Ich habe den letzten Bericht gelesen, den Captain Eden vor ihrem Tod verfasst hat. Darin enthalten sind die Beschreibungen dessen, was sie im Inneren des Omega-Kontinuums gesehen hat, während viele von Ihnen, die Sie hier sitzen, alles in Ihrer Macht Stehende versucht haben, mein Schiff und die von Parimon, Itak und Chan zu retten. Ich weiß nicht, was ich von Edens Bericht halten soll. Aber ich möchte das Wort eines anderen Sternenflottenoffiziers nicht anzweifeln, darum sind die von ihr berichteten Eindrücke nun Teil dessen, wie ich die Ereignisse verstehe, während ich versuche, mein Leben weiterzuführen.

Captain Eden zufolge gab es kurz vor der Zerstörung der Quirinal, der Esquiline, der Hawking und der Curie irgendeine Art von Treffen von vier Offizieren. Es waren die Captains Itak und Chan sowie Lieutenant Waverly von der Esquiline und Ensign Sadie Johns, ein Mitglied meiner Besatzung, das ich leider nicht sehr gut kennenlernen durfte. Seltsam finde ich, dass Parimon nicht bei ihnen war. Er hätte dort sein sollen. Captain Edens Bericht liefert keinerlei Erklärung dafür, also habe ich meine eigenen Schlüsse gezogen. Parimon war nicht dabei, weil er sich einem anderen Kampf stellen musste. Irgendwer von den siebenhundertfünfundachtzig unserer Kameraden, die wir an Omega verloren haben, hat ihn gebraucht. Also hat er die Aufgabe an einen Untergebenen delegiert, dem er vertraut hat, und befand sich zu diesem kritischen Augenblick woanders, um zur Rettung zu eilen.«

Chakotay hatte, kurz nachdem Eden diese Vision gehabt hatte, mit ihr gesprochen und die Logbucheinträge, auf die sich Farkas bezog, ihren Erinnerungen entsprechend verfasst. Seines Wissens war Eden der Meinung gewesen, dass Hunderte von Bewusstseinen vor ihrem Tod dem Schrecken im Inneren des Omega-Kontinuums nicht gewachsen gewesen waren, und es war wahrscheinlich, dass Parimon unter ihnen gewesen war. Für Chakotay war das der einzige vorstellbare Grund, warum ein Sternenflottencaptain bei einem Treffen fehlen würde, dessen Ergebnis die absichtliche Zerstörung seines Schiffs gewesen war. Aber Chakotay machte Farkas keinen Vorwurf, dass sie ihre eigene Meinung von Captain Dasht hatte. Die Geschichte wurde von den Überlebenden geschrieben, und mit ihrer Version konnte man auf jeden Fall leichter leben als mit dem, was wahrscheinlich der Wahrheit entsprach.

Obwohl ihre weiteren Kommentare über die Captains Itak und Chan und einige ihrer eigenen Offiziere nicht so persönlich waren, waren sie in keiner Weise weniger ergreifend. Aber ihre abschließenden Worte waren Chakotays Meinung nach die einprägsamsten.

»Gedenkfeiern sind etwas Gutes. Sie sind notwendig. Sie ermöglichen den Teilnehmenden, damit zu beginnen, zu akzeptieren. Und Akzeptanz ist möglicherweise der wichtigste Teil der Trauer. Ohne sie ist es uns unmöglich, unser Leben ohne ein Gefühl des Verlusts fortzusetzen. Weil ich das Leben jedes einzelnen Manns und jeder einzelnen Frau, die sich an Bord dieser Schiffe befanden, ehre und auch ihre Entscheidung, zwischen den Sternen zu dienen, werde ich akzeptieren, dass sie uns durch eine Macht, die ich nicht begreifen kann, zu früh genommen wurden. Das werde ich tun, weil das Einzige, das ich tun kann, um ihr Opfer zu würdigen, ist, weiter derselben Pflicht nachzukommen, die uns alle verbindet. Aber ich werde nicht die Schuld vergessen, in der ich ihnen gegenüberstehe und die ich nie begleichen kann. Ebenso wenig die Lehre, die uns ihre Entscheidung zu sterben, damit wir weiterleben können, erteilt hat. Es genügt nicht, seinen Frieden zu machen. Wir müssen unsere Entscheidungen mit Bedacht treffen.

Die Klingonen beginnen jeden Tag mit einem Sprichwort: ›Heute ist ein guter Tag zum Sterben.‹ Ich habe in meinen trostlosesten Augenblicken lange über diese Worte nachgedacht. Aber mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass sie uns nicht auffordern sollen, den Tod herbeizusehnen oder ihn zu verherrlichen. Die dahinter liegende Weisheit ist, dass man jeden Tag in seiner vollen Gänze nutzen muss. Wir müssen jeden Augenblick jedes Tags in der Gewissheit verbringen, dass wir durch die von uns getroffenen Entscheidungen in Erinnerung bleiben wollen. Die Klingonen fordern den Krieger in uns nicht dazu auf, den Tod zu suchen. Sie fordern uns dazu auf, jeden Moment eines jeden Tags so gut zu sein, wie es in unserer Macht steht, damit wir, sollte der Tod unangekündigt vor der Tür stehen, ihm ohne Bedauern entgegenblicken können.

Ich weiß nicht, was die Verblichenen in ihren letzten Augenblicken bedauert haben, aber ich hoffe, es war wenig. Wir erweisen ihnen unserer Liebe und unseren Respekt, indem wir uns hier und jetzt dazu verpflichten, alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, was wir hätten anders machen können, sollte unser eigener Tod bevorstehen.«

An diesem Augenblick standen alle Versammelten auf und blieben so lange stehen, bis Captain Farkas neben Admiral Janeway Platz genommen hatte. Chakotay erkannte die Bewunderung in Kathryns Augen, als sie den Captain ansah. Farkas hingegen schaute geradeaus, ihren Blick auf die Männer und Frauen geheftet, die entschlossen schienen, ihrer Aufforderung nachzukommen.

Schließlich war Chakotay an der Reihe. Vor Farkas hatten bereits Lieutenant Vorik, der dienstälteste überlebende Offizier der Hawking, und Lieutenant Downs, einer der wenigen Überlebenden der Curie, ein paar Worte gesagt.

»Bitte setzen Sie sich«, sagte Chakotay leise, als er seinen Platz auf dem Podium einnahm. Nachdem die Versammelten wieder saßen, begann er: »Meine Mitoffiziere haben bereits derer gedacht, die mit ihnen gedient haben. An mir ist es nun, ein paar Worte für den Verlust zu finden, den nur ich alleine zum Ausdruck bringen kann.

Projekt Full Circle war Captain Afsarah Edens Vision. Die Jahre zwischen der Rückkehr der Voyager in den Alpha-Quadranten und dem Start dieser Flotte hat sie damit verbracht, jeden Aspekt unseres Rückwegs zu analysieren. Sie hat alles katalogisiert, zusammengefasst und ausgesiebt, was wir in Erfahrung gebracht haben und hat allem, was wir bei unserer einzigartigen Erfahrung erleiden mussten, eine Bedeutung gegeben, indem sie es für künftige Generationen bewahrt hat. Diese Arbeit hat sie davon überzeugt, dass eine fortgesetzte Erforschung dieser Region des Weltraums für zukünftige Missionen der Sternenflotte sehr wichtig ist.

Als ich damals, zu Beginn unserer Heimreise, auf der Brücke der Voyager stand und an die vor uns liegenden siebzigtausend Lichtjahre gedacht habe, ist mir diese Strecke unvorstellbar erschienen. Sie war so riesig, dass ich es kaum begreifen konnte. Ich habe das Einzige getan, das mir möglich war: Ich habe mich auf die kleinen Schritte konzentriert. Das Ziel war immer in Sichtweite, aber meine Priorität lag darauf, wie wir diese Reise bewältigen würden.

Afsarah Eden hat das große Ganze nie aus den Augen verloren. Als unsere technische Entwicklung endlich mit ihrer unnachgiebigen Leidenschaft für die Forschung mithalten konnte, hat Captain Eden sichergestellt, dass diese Technik auf die beste Weise genutzt wurde, die möglich war.

Ich weiß, viele von Ihnen fragen sich noch immer, welche Rolle sie bei dieser Tragödie gespielt hat. Eines der enttäuschenderen Gerüchte, die ich gehört habe, lautet, dass sie diese Mission aus rein selbstsüchtigen Gründen unterstützt und geleitet habe. Nichts könnte weniger der Wahrheit entsprechen. Der Bericht von Commander Drafar von der Achilles, den ich nur bestätigen kann, besagt, dass seit dem Moment, als sie von der Bedrohung durch Omega erfahren hat, ihre einzige Sorge war, die Sicherheit von so vielen ihrer Untergebenen zu gewährleisten, wie sie nur konnte. Die Achilles erhielt den Befehl, in den Alpha-Quadranten zurückzukehren, um die Leben derer zu retten, die wir retten konnten.

Möglicherweise war das die einzige selbstsüchtige Entscheidung, die sie jemals getroffen hat.