Ungeduldiges Herz - Toni Waidacher - E-Book

Ungeduldiges Herz E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Christopher Bartel machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Es war früh am Morgen, als er zusammen mit seinem Vater die achtzig Kühe versorgte, die auf dem Bartelhof im Stall standen. Während Johann Bartel die Kühe an die Melkmaschine angeschlossen hatte, war Christopher damit beschäftigt, frisch gemähtes Gras vor den Gattern zu verteilen. Das Muhen der Kühe und das Blöken einiger Kälber erfüllten den Stall. »Was ist denn los, Sohnemann?«, fragte Johann Bartel seinen Sohn. »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, oder bist du heut früh mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden? Du schaust drein, als hätten dir die Hühner das Brot weggestohlen.« Der Einunddreißigjährige verzog das Gesicht. »Ich hab' mich maßlos geärgert«, erwiderte er. »Und zwar über die Vanessa. Die hat's mich gestern Abend wieder, und dieses Mal vollkommen unmissverständlich, merken lassen, dass ich mich vergeblich um sie bemüh'. Ich bin wütend nach Haus gefahren und hab' fast die ganze Nacht kein Auge zugetan, weil mich ihr Verhalten so aufgeregt hat.« »Dabei sollt' sie froh sein, dass sie's ist, auf die du ein Auge geworfen hast, Christopher. Jede andere würd' sich die Finger abschlecken, wenn s' dich kriegen könnt'. Außerdem sollt' das dumme Madel net vergessen, dass ich die Leupold-Sippschaft am ausgestreckten Arm verhungern lassen kann, wenn ich auf Rückzahlung des längst fälligen Darlehens besteh', mit dem ich dem Leupold-Werner vor einigen Jahren aus der Patsche geholfen hab'. Wie hat sie dich denn spüren lassen, dass sie nix von dir will?« »Wir sind beim Vereinsabend gestern nebeneinander gesessen, und ich hab' ihr den Arm um die Schultern gelegt. So schnell hab' ich gar net geschaut, wie sie sich aus meiner Umarmung gewunden, mir einen Stoß versetzt hat und von mir weggerückt ist.

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Der Bergpfarrer Extra – 46 –Ungeduldiges Herz

Gibt es für Vanessa keine Zukunft im Wachnertal?

Toni Waidacher

Christopher Bartel machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Es war früh am Morgen, als er zusammen mit seinem Vater die achtzig Kühe versorgte, die auf dem Bartelhof im Stall standen. Während Johann Bartel die Kühe an die Melkmaschine angeschlossen hatte, war Christopher damit beschäftigt, frisch gemähtes Gras vor den Gattern zu verteilen. Das Muhen der Kühe und das Blöken einiger Kälber erfüllten den Stall.

»Was ist denn los, Sohnemann?«, fragte Johann Bartel seinen Sohn. »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, oder bist du heut früh mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden? Du schaust drein, als hätten dir die Hühner das Brot weggestohlen.«

Der Einunddreißigjährige verzog das Gesicht. »Ich hab’ mich maßlos geärgert«, erwiderte er. »Und zwar über die Vanessa. Die hat’s mich gestern Abend wieder, und dieses Mal vollkommen unmissverständlich, merken lassen, dass ich mich vergeblich um sie bemüh’. Ich bin wütend nach Haus gefahren und hab’ fast die ganze Nacht kein Auge zugetan, weil mich ihr Verhalten so aufgeregt hat.«

»Dabei sollt’ sie froh sein, dass sie’s ist, auf die du ein Auge geworfen hast, Christopher. Jede andere würd’ sich die Finger abschlecken, wenn s’ dich kriegen könnt’. Außerdem sollt’ das dumme Madel net vergessen, dass ich die Leupold-Sippschaft am ausgestreckten Arm verhungern lassen kann, wenn ich auf Rückzahlung des längst fälligen Darlehens besteh’, mit dem ich dem Leupold-Werner vor einigen Jahren aus der Patsche geholfen hab’. Wie hat sie dich denn spüren lassen, dass sie nix von dir will?«

»Wir sind beim Vereinsabend gestern nebeneinander gesessen, und ich hab’ ihr den Arm um die Schultern gelegt. So schnell hab’ ich gar net geschaut, wie sie sich aus meiner Umarmung gewunden, mir einen Stoß versetzt hat und von mir weggerückt ist. Ich soll das sein lassen, hat sie mich angefahren.«

»Und wie hast du reagiert?«, fragte Johann seinen Sohn.

»Ich hab’ ihr geraten, sich net so anzustellen und sie gefragt, was sie auf einmal gegen mich hat. Sie war doch immer freundlich zu mir, wenn wir uns getroffen haben oder ich zu ihnen auf den Hof gekommen bin. Was sag’ ich denn? Sie hat öfter als einmal mit mir geflirtet und mir Hoffnungen gemacht, dass sie net abgeneigt wär’, die Meinige zu werden.«

»Was hat sie dir auf deine Frage geantwortet?«

»Dass sie nix gegen mich hat, dass ich aber net der Mann bin, mit dem sie eine Familie gründen will. Ganz unverblümt hat sie mir das ins Gesicht gesagt. Es war, als hätt’ sie mich abgewatscht. Aber dann bin ich zornig geworden und hab’ net damit hinterm Berg gehalten, dass wir ihnen den Hahn abdrehen können, wenn s’ meint, sie muss mich vor den Kopf stoßen.«

»Und?«

»Sie ist ebenfalls wütend geworden. Ich könnt’ sie net zwingen, mich zu lieben, hat s’ mich angeschrien. So hat schließlich ein Wort das andere gegeben und wir sind im Streit auseinandergegangen.«

»Streit gibt’s in den besten Familien«, kam es lakonisch von dem neunundfünfzigjährigen Bauern. »Was meinst du, wie oft deine Mutter und ich uns gestritten haben, bis wir uns zusammengerauft hatten. Da sind einige Male ganz schön die Fetzen geflogen.«

»Als mir die Vanessa brühwarm unter die Nase gerieben hat, dass ich net der bin, mit dem sie ihr Leben teilen möcht’, war das net im Streit, Papa. Das hat sie sachlich und nüchtern zu verstehen gegeben, und sie hat es genauso gemeint, wie sie’s zum Ausdruck gebracht hat. Ich hab’s in letzter Zeit ja schon einige Male gemerkt, dass sie mir gegenüber recht zurückhaltend geworden ist. Sie hat auch des Öfteren vom Fraunholz-Julian gesprochen und gefragt, was aus dem wohl geworden sei.«

»Der ist doch vor drei Jahren nach Köln gegangen, und seitdem hat niemand mehr was von ihm gehört«, sagte Johann.

»Er und die Vanessa hatten damals ein Techtelmechtel miteinander. Sie hat mir zwar immer erzählt, dass es nix Festes war und dass die Sach’ für sie längst abgehakt ist, aber nachdem s’ in letzter Zeit immer wieder die Rede auf den Julian gebracht hat, bin ich mir net sicher, ob das wirklich so ist.«

»Ich geb’ dir einen guten Rat, Bub«, sagte Johann. »Lass die Finger von dem Madel. Du kannst es net zwingen, dich zu mögen. Schau dich doch mal um im Tal. Da laufen genügend hübsche Frauenzimmer herum, und die wenigsten würden dich verschmähen, hätten s’ doch für den Rest ihres Lebens ausgesorgt, würden s’ auf dem Bartelhof einheiraten.«

»Ich will aber die Vanessa«, stieß Christopher hervor und rammte die Mistgabel in einen Haufen Grünfutter. »Sie hat’s mir angetan, sie gefällt mir, und drum lass’ ich net locker.«

»Ich könnt’ ja mal mit dem Leupold-Werner reden und ihn fragen, wie er sich die Rückzahlung der vierzigtausend Euro vorstellt, die ich ihm geliehen hab’, als damals die Bank die Hände auf seinen Besitz gelegt und ihm das Wasser bis zum Hals gestanden hat. Ganz nebenbei könnt’ ich es ja anklingen lassen, dass du dich in die Vanessa verknallt hast und sich die Sach’ mit dem Darlehen in Wohlgefallen auflösen könnt’, wenn das Geld im Endeffekt in der Familie bleiben würd’.«

»So könnt’ man den Vater der Vanessa vielleicht dazu bringen, ein bissel auf sie einzuwirken«, spann Christopher den Faden weiter, den sein Vater begonnen hatte. »Sie kann ja net wollen, dass sie und ihre Eltern alles verlieren. Zurückzahlen kann der Werner das Geld auf keinen Fall. Seine Klitsche mit der bissel Milchviehwirtschaft wirft ja kaum was ab, und als Arbeiter im Sägewerk wird er auch net gerade ein Vermögen verdienen.«

»Das seh’ ich auch so«, pflichtete Johann seinem Sohn bei. »Die paar Euro, die die Mutter der Vanessa als Reinemachefrau im Rathaus verdient und das, was die Vanessa selber nach Hause bringt, machen das Kraut bei denen sicher auch net fett. Die leben sozusagen von der Hand in den Mund. Ja, man könnt’ dem Werner die Pistole auf die Brust setzen. Wenn wir Ernst machen, wenn die Vanessa merkt, dass es für sie und ihre Leut’ fünf Minuten vor zwölf ist, dann wird sich ihre Gesinnung dir gegenüber schnell ändern und sie frisst dir aus der Hand.«

»Wann wirst du mit dem Leupold-Werner reden?«, wollte Christopher hoffnungsvoll wissen. Er war davon überzeugt, dass es ein guter Plan war, den sein Vater gestrickt hatte. Das Schicksal der Leupold-Familie lag in ihren Händen, und Werner, Vanessas Vater, würde es ganz sicher nicht riskieren, dass er so ziemlich alles verlor.

»Ich ruf’ ihn heut’ noch an«, versprach Johann. »Glaub’ mir’s, Sohnemann, wir kriegen das hin. Du bekommst die Frau, die du haben möchtest. Das wär’ ja noch schöner. Du bist eine der besten Partien im ganzen Wachnertal, und wenn sich die Vanessa einbildet, sie darf besondere Ansprüche stellen, dann werden wir ihr schon zeigen, wo der Bartl den Most holt. Es wird ihren Stolz brechen, wenn ihr der Werner eröffnet, dass ich sie von Haus und Hof jagen kann.«

Jetzt lachte Christopher wieder. Seine miese Stimmung war guter Laune gewichen. Zuversichtlich, dass alles so laufen würde, wie er sich das vorstellte, verteilte er weiter das Grünfutter vor den Standplätzen der Kühe.

*

»Ich muss mit dir reden, Werner«, sagte Johann Bartel an diesem Abend in die Sprechmuschel seines altertümlichen Telefonapparats.

Werner Leupold, der mit Frau und Tochter beim Abendessen saß, ahnte Unerfreuliches. »Ich glaub’, Johann, ich kann mir denken, weswegen zu mich sprechen möchtest. Ich bin im Moment net liquid. Aber ich versichere dir, dass ich …«

»Das erzählst du mir seit anderthalb Jahren, Werner. Ich hab’ lang genug Geduld bewiesen. Jetzt müssen wir mal ein ernstes Wort miteinander reden. Das möcht’ ich aber net am Telefon tun. Treffen wir uns in einer halben Stunde im Biergarten des Hotels. Ich lad’ dich zu einer Maß Bier ein. Ist das ein Wort?«

Werner Leupold zögerte. Seine Hand, die den Hörer hielt, zitterte leicht. Nahte die Stunde der Wahrheit? Würde der Bartelbauer auf Rückzahlung des Darlehens bestehen? Die Frage und die Angst, dass es so sein könnte, wühlten ihn bis in sein Innerstes auf.

»Ich wart’«, kam es etwas ungeduldig von Johann Bartel.

Werner überwand sich. »In Ordnung, Hans, in einer halben Stund’.«

»Sehr vernünftig, Werner. Bis dann also.«

Johann Bartel beendete das Gespräch, und Werner Leupold ließ die Hand mit dem Hörer müde sinken. »Der Bartel-Hans …«, murmelte er mit brüchiger Stimme, »… will sich in einer halben Stunde mit mir im Biergarten treffen. Ihr könnt euch ja denken, um was es geht. Er wird sein Geld zurückhaben wollen. Gerade jetzt, wo wir dabei sind, uns finanziell ein bissel zu erholen, kommt er daher.«

»Du musst ihn halt bitten, uns noch eine Frist einzuräumen«, sagte Anneliese, die Hausherrin. »Der Johann ist doch kein Unmensch. Er wird’s doch einsehen, dass wir finanziell net so können, wie wir gern wollen. Er hat jetzt so lang auf sein Geld gewartet, sodass es ihm doch auf ein paar weitere Monate gewiss net ankommen wird.«

»Ich vermut’«, mischte sich Vanessa ein, »dass sich der Christopher bei seinem Vater über mich beklagt hat. Ich hab’ ihm nämlich gestern klargemacht, dass ich ihn net als Mann haben möcht’. Er scharwenzelt seit längerer Zeit um mich rum. Ich hab’ nix gegen ihn. Wir sind seit mehr als fünfzehn Jahren ein Tanzpaar im Trachtenverein und pflegen eine gute Freundschaft. Aber gestern ist er am Stammtisch ein bissel aufdringlich geworden, und ich hab’ ihn in seine Schranken gewiesen. Es ist zum Streit gekommen, und er hat gedroht, uns den Hahn abzudrehen, wenn ich mich so anstell’. Natürlich war mir klar, was er damit gemeint hat. Ich hab’ aber keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass ich mich von ihm zu nix nötigen lass’.«

Ihre Eltern wechselten einen bedeutungsvollen Blick.

»Der Hof steht auf dem Spiel«, murmelte Werner. »Und der Johann kann die Rückzahlung der vierzigtausend von heut’ auf morgen fordern, denn das Darlehen wär’ schon vor anderthalb Jahren fällig gewesen.«

Vanessas Miene verschloss sich. »Du erwartest doch net von mir, dass ich mich an den Bartel-Christopher verkauf’, Papa?«, fragte sie geradezu perplex.

»Nix wird so heiß gegessen, wie’s gekocht wird«, antwortete ihr Vater ausweichend. »Ich hör’ mir einfach mal an, was der Johann vorzubringen hat. Und dann schauen wir weiter.«

Sein Blick war, während er gesprochen hatte, abgeirrt und nun auf einen unbestimmten Punkt im Raum gerichtet. Er hatte den vorwurfsvollen Augen seiner Tochter nicht länger standhalten können. Das Unbehagen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Jetzt wandte er sich ab. »Ich zieh’ mich um, und dann will ich den Hans net warten lassen.« Mit dem letzten Wort setzte er sich in Bewegung und verließ die Küche. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, das war deutlich.

»Erwartet der Papa wirklich, dass ich Christophers Werben nachgeb’ und die Seine werd’?«, fragte Vanessa beklommen ihre Mutter.

»Der Bartel hat uns in der Hand, Madel«, erwiderte Frau Anneliese. »Er kann uns im schlimmsten Fall zu Obdachlosen machen. Von der Sparkasse kriegen wir kein Geld, denn wir konnten unseren Verpflichtungen ihr gegenüber schon einmal net nachkommen. Das ist ja auch der Grund, weshalb wir dem Johann einen Batzen Geld schuldig sind. Er hat uns damals aus der Bredouille geholfen. Dass wir finanziell überhaupt nimmer auf die Füß’ kommen, war ja net abzusehen.«

Vanessa wurde das Herz schwer. Sie ahnte, dass es an ihr liegen würde, ob sie weiterhin hier leben konnten oder alles verlieren würden. »Ich geh’ auf mein Zimmer«, murmelte sie bedrückt.

Vom Fenster ihres Zimmers sah sie wenig später ihren Vater das Haus und den Hof verlassen. Bis in den Ort hatte er nur ein paar Minuten zu gehen, sodass er den Weg auf Schusters Rappen zurücklegte.

Es war Sommer, die Tage waren heiß, seit über einer Woche hatte es nicht mehr geregnet. Die Meteorologen sprachen schon von einem Jahrhundertsommer. Für die Landwirte war diese Aussicht allerdings ein Schrecknis, denn sie hatten in Zeiten großer Hitze- und Trockenperioden immense Ernteausfälle zu beklagen.

Der Biergarten des Hotels ‚Zum Löwen’ war gerammelt voll mit Touristen. Stimmengewirr und launiges Gelächter vermischten sich zu einer gleichbleibenden, die Trommelfelle strapazierenden Geräuschkulisse.

Johann Bartel war schon da. Er saß im Schatten eines alten Kastanienbaums, vor ihm stand bereits eine Halbe Bier. Er sah Werner und winkte ihm zu. »Servus, setz’ dich«, sagte er, als Werner am Tisch ankam, und wies auf den Stuhl, der auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches stand.

Werner rückte sich den Stuhl zurecht und ließ sich nieder. Verunsichert, mit unruhigem Blick, musterte er Johann Bartel. »Habe die Ehre, Hans. Das ist wieder eine Hitze heut’«, fügte er seinem Gruß hinzu, nur, um überhaupt etwas zu sagen und verbindlich rüberzukommen.

»Ja, ja, verdammt heiß«, versetzte der Bartelbauer. »Hoffentlich bleibt’s net so. Regen tät’ net schaden. Leider können wir uns das Wetter net aussuchen.«

»Das ist nun einmal so. Wir müssen’s nehmen, wie’s kommt.« Das Unbehagen stand Werner Leupold ins Gesicht geschrieben.

Gitti Reisinger, die jüngste der drei Haustöchter, kam zum Tisch. »Grüaß Ihnen, Herr Leupold. Was darf ich Ihnen denn bringen?«

»Gib mir auch eine Halbe Bier, Gitti«, antwortete Werner.

Lächelnd bedankte sich Gitti, gab per Handcomputer die Bestellung an die Theke weiter, und entfernte sich wieder. Johann Bartels Blick heftete sich auf Werners Gesicht. »Langsam solltest du dir einfallen lassen, wie du mir mein Geld zurückzahlst, Werner«, sagte er.

»Ich komm’ seit dem Brand damals finanziell einfach nimmer auf die Füß’, Hans«, gab Werner niedergeschlagen zu. »Aber es zeichnet sich ab, dass es besser wird. Gib mir noch ein Jahr, Hans, dann fang’ ich mit der Rückzahlung an. Du hast mein Wort. Dir tut’s doch net weh, wenn du noch ein bissel wartest, denn du bist auf das Geld net angewiesen.«

Johann Bartel winkte ab. »Dein Madel war gestern ganz schön grantig meinem Buben gegenüber.«

Es sah aus, als würde Werner den Kopf zwischen die Schultern ziehen oder ein wenig auf seinem Stuhl schrumpfen. »So, davon weiß ich gar nix«, log er. »Ich weiß nur, dass sie beim wöchentlichen Treffen des Trachtenvereins in ihrem Vereinslokal waren. Haben s’ denn gestritten, die zwei?«

»Der Christopher macht deinem Dirndl seit Längerem den Hof. Bisher hat s’ gegen sein Werben auch nix einzuwenden gehabt. Gestern aber, als er versucht hat, der Vanessa ein bissel zu zeigen, wie sehr er sie mag, hat s’ ihn recht rigoros vor den Kopf gestoßen, indem s’ ihm erklärt hat, dass sie nix von ihm will und dass er sich seine Annäherungsversuche sparen kann.«

Werner seufzte. »Das ist halt das Problem mit den jungen Madeln. Die haben ihren eigenen Kopf und setzen ihn auch durch. Zu unserer Zeit war das noch anders.«

»Das Problem ist, dass sich der Christopher in dein Dirndl verliebt hat, Werner. Ich hab’ ihm geraten, sich nach einem anderen Madel umzuschauen, wenn er bei der Vanessa net landen kann. Er hat es sich aber in den Kopf gesetzt, dass sie die Seine werden müsst’.«

»Wenn ihn die Vanessa net will, dann dürft’ da kaum was zu machen sein«, erklärte Werner, ahnend, was sich anbahnte.

Gitti brachte das Bier. »Zum Wohl«, wünschte sie und stellte das Glas mit der herrlichen Schaumkrone vor Werner hin, lächelte ihn an und entfernte sich wieder.

Johann Bartel nahm sein Glas, hob es und sagte: »Prost, Werner. Trinken wir, und dann reden wir Tacheles.«

Das Wissen, einen denkbar schlechten Stand gegen den Bartelbauern zu haben, tat geradezu weh, und Werner hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust gewürgt zu werden. Dennoch nahm auch er sein Glas, stieß mit Johann an und murmelte: »Zum Wohl, Hans. Ich denk’, wir werden uns einig werden.«

»Davon geh’ ich aus.« Johann Bartel strotzte geradezu vor Selbstsicherheit.

*

Als Werner Leupold fast drei Stunden später nach Hause kam, war es finster und er war nicht mehr ganz nüchtern. Seine Frau und Vanessa erwarteten ihn angespannt.

»Na, wie war’s?«, empfing ihn Anneliese.

Sie befanden sich im Wohnzimmer. Der Fernseher lief, aber Vanessa schaltete ihn jetzt aus. »Will der Bartelbauer sein Geld zurück?«, fragte sie fast beklommen.

Seufzend legte sich Werner auf die Couch. »Drei Bier und drei Schnäpse«, murmelte er. »Ich bin ganz schön fertig.«