Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Grell zuckte ein Blitz über den Nachthimmel und tauchte das Schlafzimmer in ein fahles Licht. Ein krachender Donnerschlag folgte. Elke hielt sich die Ohren zu und drückte ihren Kopf ganz fest in ihr Kissen. Sie hatte schreckliche Angst. Schon als Kind hatte sie sich vor Gewittern gefürchtet. Auch als sie zur Frau herangewachsen war und geheiratet hatte, hatte sich nichts daran geändert. Nur dass Horst, ihr Mann, es aufs Beste verstanden hatte, sie zu trösten und zu beruhigen. Bei ihm hatte sie sich auch in Gewitternächten sicher und geborgen gefühlt. Er hatte sie ganz fest in seine Arme genommen und ihr mit seiner ein wenig rauen Stimme geduldig versichert, sie bräuchte sich nicht zu fürchten. Vor nichts und niemand. Nicht einmal vor Blitz und Donner. Unwillkürlich tastete Elke zur anderen Seite des breiten Doppelbetts, zog ihre Hand aber rasch wieder zurück, als sie nur den kühlen glatten Damast unter ihren Fingern spürte. Nie mehr würde Horst ihr übers Haar streichen und ihr liebevolle, beschwichtigende Worte ins Ohr flüstern. Wieder folgten Blitz und Donner in Sekundenschnelle aufeinander. Das Gewitter musste immer noch direkt über St. Johann stehen. Elke wartete vor Angst erstarrt unter ihrer Bettdecke, bis das grelle Aufflackern der Blitze seltener wurde und das Grollen und Grummeln des Donners sich weiter und weiter entfernte. Endlich setzte Regen ein. Gleichmäßig trommelten die Tropfen gegen die Fensterscheibe. Elke war erleichtert.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 121
Veröffentlichungsjahr: 2020
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Grell zuckte ein Blitz über den Nachthimmel und tauchte das Schlafzimmer in ein fahles Licht. Ein krachender Donnerschlag folgte. Elke hielt sich die Ohren zu und drückte ihren Kopf ganz fest in ihr Kissen.
Sie hatte schreckliche Angst. Schon als Kind hatte sie sich vor Gewittern gefürchtet. Auch als sie zur Frau herangewachsen war und geheiratet hatte, hatte sich nichts daran geändert.
Nur dass Horst, ihr Mann, es aufs Beste verstanden hatte, sie zu trösten und zu beruhigen. Bei ihm hatte sie sich auch in Gewitternächten sicher und geborgen gefühlt. Er hatte sie ganz fest in seine Arme genommen und ihr mit seiner ein wenig rauen Stimme geduldig versichert, sie bräuchte sich nicht zu fürchten. Vor nichts und niemand. Nicht einmal vor Blitz und Donner.
Unwillkürlich tastete Elke zur anderen Seite des breiten Doppelbetts, zog ihre Hand aber rasch wieder zurück, als sie nur den kühlen glatten Damast unter ihren Fingern spürte.
Nie mehr würde Horst ihr übers Haar streichen und ihr liebevolle, beschwichtigende Worte ins Ohr flüstern. Nie mehr …
Wieder folgten Blitz und Donner in Sekundenschnelle aufeinander. Das Gewitter musste immer noch direkt über St. Johann stehen.
Elke wartete vor Angst erstarrt unter ihrer Bettdecke, bis das grelle Aufflackern der Blitze seltener wurde und das Grollen und Grummeln des Donners sich weiter und weiter entfernte.
Endlich setzte Regen ein. Gleichmäßig trommelten die Tropfen gegen die Fensterscheibe. Elke war erleichtert. Mit einem Mal merkte sie, wie schwül und schwer die Luft im Zimmer war. Sie erhob sich, tappte mit bloßen Füßen zum Fenster und öffnete es. In tiefen Zügen sog sie die rein gewaschene kühle Nachtluft ein.
Lange stand sie so und schaute in das Geviert des Hofes hinunter. Erst als sie fröstelte kroch sie wieder in ihr Bett zurück.
Doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Schließlich gab Elke auf, fingerte nach dem Schalter der Nachttischlampe, machte Licht und warf einen Blick auf den Wecker. Es war drei Uhr morgens. In zwei Stunden würde sie schon wieder aufstehen müssen, weil die Arbeit wartete. Die viele Arbeit im Stall und im Haus. Sie hatte sie Horst zuliebe gerne auf sich genommen, aber seit sie allein war, wuchs sie ihr immer mehr über den Kopf.
Elke seufzte, während ihr Blick wie magisch von Horsts Foto auf dem Nachttischchen angezogen wurde. Es stand gleich neben der Lampe, und der silberne Rahmen trug an der rechten oberen Ecke einen Trauerflor.
Horst war gut getroffen auf der Aufnahme. Sein Lächeln wirkte genauso jungenhaft und spitzbübisch wie früher.
Siebenundzwanzig Jahre war er alt gewesen, als das Foto gemacht worden war. Sie waren damals erst ein paar Wochen verheiratet gewesen. Niemand wäre auch nur im Traum auf den Gedanken gekommen, dass Horst bereits zwei Jahre später tot sein würde.
Wie aus dem Nichts stieg eine Flut von Bildern in Elke auf.
Sie sah sich wieder neben Horst vor dem Traualtar stehen, wo Pfarrer Trenker feierlich ihren Bund fürs Leben gesegnet hatte. Sie sah sich im großen Saal des ›Löwen‹ in Horsts Armen den Hochzeitswalzer tanzen: eine strahlende, rundum glückliche Braut im weißen Dirndl, einen Kranz mit Alpenblumen im Haar. Sie sah, wie Horst sie nach der Feier heimführte und ebenso kraftvoll wie behutsam über die Schwelle seines Hofes trug. Und sie erinnerte sich noch ganz genau an die Nacht, die folgte. Es war die wunderbarste Nacht ihres Lebens gewesen.
Elke lächelte traumverloren, doch schon ein paar Sekunden später erstarb ihr das Lächeln auf den Lippen.
Mit einem Mal tauchte auch die andere Nacht wieder aus ihrer Erinnerung auf. Die Nacht, die die schrecklichste in ihrem Leben gewesen war. Die Nacht, in der plötzlich Max Trenker und sein Bruder Sebastian mit ernsten Gesichtern vor ihrer Tür standen. Und wieder glaubte Elke zu hören, wie Pfarrer Trenker ihr leise und mit stockender Stimme mitteilte, dass Horst bei dem Bergwachteinsatz, zu dem er wenige Stunden vorher aufgebrochen war, den Tod gefunden hatte.
Sie hatte es zuerst gar nicht glauben wollen …
Noch in der Erinnerung füllten sich Elkes Augen mit Tränen, doch schon im nächsten Moment stellten sich gottlob wieder freundlichere Bilder ein. Elke dachte an ihre Flitterwochen. Horst und sie hatten sie daheim in St. Johann verbracht, um ihr schmales Budget zu schonen. Trotzdem waren es unvergesslich schöne Tage gewesen.
Sie hatten eine Zeit vollkommenen Glücks erlebt.
Die Welt war wie verzaubert gewesen. Voller Lachen und Liebe. Und voller Hoffnungen und Erwartungen in die Zukunft.
Als Elke am nächsten Morgen aufwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Wie ein böser Spuk hatte sich das nächtliche Gewitter verzogen und eine in klaren, satten Farben leuchtende Welt zurückgelassen.
Gähnend rieb Elke sich den Schlaf aus den Augen und hörte auf den Schlag der Kirchturmuhr von St. Johann. Unwillkürlich zählte sie mit. Erst als sie mit dem letzten Schlag bei neun angelangt war, begriff sie, dass sie verschlafen hatte. Von einer Sekunde auf die andere war sie hellwach und sprang mit einem Satz aus dem Bett.
Neun Uhr! Es war heller Vormittag! Das durfte doch nicht wahr sein! Warum war sie denn nicht wach geworden?
Ein Blick auf ihren Wecker erklärte Elke den Grund. Die Zeiger standen auf halb vier Uhr. Der Wecker musste also, kurz nachdem sie wieder eingeschlafen war, stehen geblieben sein.
In fliegender Hast ging Elke unter die Dusche und fuhr in ihre Arbeitskleidung. Ihr Haar ordnete sie mit den Fingern, während sie schon die Treppe hinunter in Richtung Küche eilte.
Sie war noch nicht auf der untersten Stufe angelangt, als Resl, die Magd, ihr mit einem Korb voller Wäsche unter dem Arm entgegenkam.
»Guten Morgen, Resl. Tut mir leid, ich hab verschlafen«, entschuldigte sich Elke, während ihre Wangen sich purpurrot färbten.
Resl winkte ab.
»Das ist net schlimm, Bäuerin«, sagte sie mit einem nachsichtigen Lächeln und stellte den Korb ab. »Wenn man Tag für Tag vor lauter Arbeit als Letzte ins Bett geht und als Erste wieder aus den Federn ist, darf man auch einmal verschlafen. Ich hab den Frühstückskaffee in eine Thermoskanne gegossen, damit er net kalt wird. Brot, Butter und Marmelade stehen auf dem Tisch. Und der Honig auch. Ein paar weich gekochte Eier sind auch noch da. Im Körbchen auf dem Küchenbüffet.«
Elke schluckte.
»Das …, das ist wirklich lieb von dir, Resl«, stotterte sie. »Aber ich …, ich hab jetzt zum Frühstücken keine Zeit mehr. Ich muss gleich in den Stall, damit die Kühe und die Ziegen …«
»Die Kühe und die Ziegen sind gemolken, Bäuerin«, fiel die Magd Elke ins Wort. »Der Tobias hat alles erledigt, ehe er aufs Feld gefahren ist.«
Elke wurde noch verlegener.
»Dann sag ich euch beiden halt ein herzliches Vergelt’s Gott«, meinte sie. »Ich wüsste wirklich net, was ich machen würde ohne euch. Wenn ihr nach Horsts Tod net dageblieben wärt und mir überall helfen würdet …«
»… würde die Welt sich genauso schnell oder langsam weiterdrehen«, vollendete die Magd Elkes Satz. »Dann hättest du mit Sicherheit eine andere Magd und einen anderen Knecht gefunden. Aber jetzt wird erst einmal gefrühstückt. Und zwar net zu knapp.«
Resl warf einen fast vorwurfsvollen Blick auf Elkes überschlanke Gestalt, öffnete energisch die Küchentür und wies mit dem Kinn auf das bereitgestellte Frühstück.
Elke trat ein und näherte sich zögernd dem gedeckten Tisch, während Resl sich den Wäschekorb wieder unter den Arm klemmte und ins Freie verschwand.
Immer noch schuldbewusst sah Elke ihr nach. Dann nahm sie aber doch auf der Eckbank Platz und schenkte sich aus der Thermoskanne Kaffee ein. Essen wollte sie nichts.
Der Kaffee schmeckte vorzüglich. Und als Elke die erste Tasse getrunken hatte, kam zu ihrer Überraschung auch der Appetit. Sie aß ein Butterbrot mit reichlich Johannisbeermarmelade und dann sogar noch ein Ei.
Nachdem sie fertig war, spülte sie das Geschirr und schrieb einen Einkaufszettel mit all den Dingen, die sie an diesem Vormittag in St. Johann beim Herrnbacher besorgen wollte.
Die Liste wurde recht umfangreich. Es würde eine gute Weile dauern, bis sie alles zusammenhatte. Aber bestimmt war sie in einer Stunde wieder zurück. Dann hatte sie vor dem Kochen noch Zeit, in ihrem Bauerngärtchen nach dem Rechten zu sehen.
Die Arbeit im Bauerngärtchen liebte Elke über alles.
Alle Sorten von Gemüse und Beeren gediehen prächtig unter ihren Händen, noch mehr aber die Blumen. Blumen waren schon von Kindesbeinen an Elkes große Leidenschaft gewesen.
Als Mädchen hatte sie immer davon geträumt, einmal einen kleinen, aber feinen Blumenladen zu betreiben. Dann jedoch hatte sie Horst kennengelernt. Und alles war ganz anders gekommen …
*
Der Kaffeegarten des ›Löwen‹ in St. Johann war rappelvoll, aber Irmi Weber war wild entschlossen, sich an einem der Tische noch ein Plätzchen zu suchen. Sie würde schon etwas finden. Das wäre ja gelacht!
Mit ein bisschen Glück konnte sie sich bestimmt zu ein paar netten jungen Touristen setzen und ein bisschen flirten! Hatte sie nicht erst neulich in ihrem Horoskop gelesen, dass sie in punkto Liebe die Augen offen halten und stets in der Erwartung einer überraschenden Begegnung leben sollte?
Irmi seufzte.
Hoffentlich ließ diese Begegnung nicht mehr allzu lange auf sich warten! Es gab wirklich nichts Öderes und Langweiligeres als allein zu sein. Schließlich sehnte sich doch jeder normale Mensch nach seinem passenden Gegenstück!
Ihre Freundin Elke Heim einmal ausgenommen.
Aber bei Elke lag die Sache eigentlich auch ganz anders. Sie hatte das große Glück ja schon einmal erlebt. Sie war nur nicht bereit zu glauben, dass eine Wiederholung möglich war. Oder dass die erste gute Ehe sich vielleicht sogar noch toppen ließ.
Irmi selbst dagegen war noch nie verheiratet gewesen. Sie hatte notorisch Pech in der Liebe.
Verstohlen zog Irmi ihre Puderdose aus ihrer Handtasche, klappte sie auf und betrachtete sich prüfend in dem kleinen runden Spiegel. Zufrieden mit dem Ergebnis, steckte sie die Puderdose wieder an ihren Platz zurück und ging entschlossen über den knirschenden Kies auf die Tische des Kaffeegartens zu.
Sie war bereit.
Die Suche konnte losgehen.
Gleich in der ersten Reihe hätte sie sich zu einem älteren Ehepaar setzen können, das sie im Vorbeigehen freundlich grüßte. Aber das erschien ihr wenig verlockend. Auch eine Gruppe von drei jungen Mädchen, die in einem fort lachten und kicherten, fand sie nicht sonderlich interessant. Da drüben dagegen … Zwei nicht übel aussehende junge Männer, von denen der eine ihr auch noch zublinzelte! Das war doch schon einmal gar nicht schlecht!
Mit wiegenden Hüften bewegte Irmi sich auf die beiden zu.
So wie sie angezogen waren, schien es sich um Einheimische zu handeln. Jedenfalls trugen sie Lederhosen mit bestickten Lätzen und Trachtenhemden. Und einer von ihnen – der, der geblinzelt hatte – hatte sogar einen kunstvoll gezwirbelten schwarzen Schnauzbart, dessen Enden keck nach oben standen.
»Grüß dich Gott, schönes Madl«, sagte der Schnauzbärtige und blinzelte schon wieder. »Magst dich ein bissel zu uns setzen?«
Irmi zierte sich erst ein wenig, dann nickte sie.
»Warum auch net?«, gab sie zurück. »Es ist sowieso gar net leicht, hier noch ein freies Platzerl zu finden.«
»Nein, bestimmt net«, bekräftigte der Schnauzbärtige mit einem tiefen Blick in Irmis Augen. »Aber bei uns bist du genau an der richtigen Adresse. Bei uns bist du prima aufgehoben, Madl. Besser könntest’ es gar net treffen. Ich bin übrigens der Michel. Und mein Freund da, das ist der Xaver.«
Irmi lachte etwas nervös.
Xaver, der struppige strohblonde Haare und leuchtend blaue Augen hatte, zog Irmi einen Stuhl zurecht und nahm beinahe schuldbewusst seinen Trachtenhut mit dem riesigen Gamsbart vom Tisch.
Dabei vermied er es, Irmi in die Augen zu sehen. Nur ab und an musterte er sie kurz von der Seite, was ihm jedes Mal einen Anflug von Röte ins Gesicht trieb.
Michel schmunzelte in sich hinein.
Xaver war wirklich schwerblütig wie ein Haflingergaul. Besonders was Frauen anging. Da konnte man nichts machen. Aber genau genommen war es sogar gut so. Dann kam Xaver ihm wenigstens beim Flirten nicht dauernd in die Quere.
Mit seinem charmantesten Lächeln wandte Michel sich wieder Irmi zu.
»Die ganze Zeit überleg’ ich schon, wo du wohl herkommst, Madl. Aus Johann bist du jedenfalls net. So viel steht fest. Sonst würd’ ich dich nämlich kennen«, fing er an, als Irmi sich noch kaum gesetzt hatte. »Eine Norddeutsche bist du aber auch net. Sonst würdest du mit Sicherheit net so schön bayerisch können. Kommst’ am Ende aus Garmisch? Oder ganz aus der Großstadt? Aus München?«
Irmi fand Michels Fragen ein wenig direkt und unverblümt. Auch dass er sie so spontan duzte, war ihr irgendwie unangenehm. Trotzdem – wenn schon einmal ein fescher junger Mann Interesse an ihr zeigte, durfte sie nicht so pingelig sein.
Wie sollten sie sich sonst näher kennenlernen?
»Ich komm’ aus München«, erklärte sie deshalb bereitwillig. »Ich hab dort ein kleines Ladengeschäft. ›Brautmoden Weber‹, falls Ihnen der Name etwas sagt.«
Michel zog die Augenbrauen hoch, dann schüttelte er bedauernd den Kopf.
»Nein, der Name sagt mir leider gar nix«, gab er zu. »Mit Bräuten, Hochzeiten und dergleichen bierernsten Dingen hab ich mich bis jetzt nämlich noch kaum befasst. Und der Xaver auch net. Gelt Xaver?«
Xaver grinste verlegen, was ihm einen belustigten Blick Michels eintrug.
»Dir sieht man es allerdings auch net an, dass du Hochzeitskleider verkaufst«, wandte Michel sich sofort wieder Irmi zu.
Mit einem raschen Blick auf den Ringfinger ihrer rechten Hand hatte er festgestellt, dass sie keinen Ehering trug. Nun fragte er sich, wieso eine junge Frau, die Tag für Tag glückliche Bräute für den schönsten Tag ihres Lebens einkleidete, selber als Single durch die Welt ging.
Zumal es an einem Mangel an Attraktivität wahrhaftig nicht liegen konnte.
Fragend sah Michel auf Irmi, erhielt aber keine Antwort außer einem Lächeln.
»Und heute bist’ nach St. Johann gefahren, weil du einem Madl aus unserem Dorf ihr Brautkleid bringen willst, oder?«, plauderte er weiter, um Irmis Schweigen zu überbrücken. »Allerdings hab ich in unserer Kirche letzten Sonntag gar kein Aufgebot gelesen. Und kann mir deshalb net so recht denken, wer die Glückliche sein könnte. Da müsst’ ich direkt raten. Ist’s am Ende die Hirlinger-Kathi, oder vielleicht die …«
Michel unterbrach sich, weil Christel Kronauer, eine der Bedienungen im ›Löwen‹ an den Tisch trat und Irmi nach ihren Wünschen fragte.
Irmi bestellte sich eine Flasche Mineralwasser gegen den brennenden Durst, den ihr die Fahrt im
heißen Auto verursacht hatte. Und für hinterher orderte sie noch einen Eisbecher, der den klangvollen Namen ›Wachnertaler Traum‹ trug.
Er bestand, wie sich herausstellte, aus einer Mischung aus Vanille- und Holundereis mit Schokosauce, garniert mit einem wahren Berg an Sahne.