Verliebte Schwindler - Toni Waidacher - E-Book

Verliebte Schwindler E-Book

Toni Waidacher

0,0

Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Thomas Kramer fuhr an den rechten Straßenrand und stieg aus. Der Dreißigjährige reckte die Arme und unterdrückte ein Gähnen. Dabei blickte er über die herrliche Landschaft und genoss den wunderbaren Anblick, der sich ihm bot. Majestätisch erhoben sich in einiger Entfernung die Berge. Ihre schneebedeckten Gipfel schienen die Wolken zu berühren, die wie ein leichter Schleier dahinzogen und den Sonnenschein kaum behinderten. Es musste herrlich sein, dort oben zu wandern, überlegte der junge Mann, obgleich er alles andere als ein Naturbursche war. Sein Revier waren eher die Grandhotels dieser Welt, in denen Thomas gerne die Bekanntschaft alleinstehender Frauen suchte. Vornehm gekleidet und mit besten Manieren ausgestattet, war es ihm ein Leichtes, ihnen dabei zu helfen, ihre Einsamkeit zu vergessen … Denn er hatte nicht nur eine gute Erziehung genossen, war ein blendender Unterhalter und fabelhafter Tänzer, er sah überdies auch noch umwerfend aus, sodass es nicht wunderte, dass die Frauen ihm ihre Herzen öffneten – und ihre Geldbörsen. Denn freilich tat Thomas Kramer dies nicht ganz uneigennützig, schließlich verdiente er auf diese Weise seinen Lebensunterhalt. Um es auf den Punkt zu bringen, er war schlicht und einfach ein Heiratsschwindler und ein erfolgreicher noch dazu! Er kam gerade aus der Schweiz, wo er für einige Zeit am Genfer See gelebt hatte. Doch dann war ihm dort der Boden unter den Füßen zu heiß geworden, nachdem er eine millionenschwere Moskauerin ­be­circt und um einiges Bargeld erleichtert hatte. Die Dame, eine bild­hübsche Frau, denn andere kamen für Thomas Kramer ohnehin nicht infrage, hatte schließlich die Geduld verloren, nachdem er sie immer ­wieder mit Ausreden abgespeist hatte, was die offizielle Verlobung betraf. Da hatte sie ihm einen Detektiv auf den Hals gehetzt. Thomas sah sich daher genötigt, die gastliche Schweiz zu verlassen und sein Glück anderswo zu versuchen. Dass er ausgerechnet auf das beschauliche Wachnertal verfallen war, hatte seinen Grund. In seinem Beruf war es notwendig, immer über die neuesten Trends informiert zu sein, und so hatte er herausgefunden, dass das Tal in den letzten Jahren immer häufiger Ziel von Urlaubern war, die genau in sein Beuteschema passten. Gerade erst war ein großes modernes Hotel eröffnet worden, und Thomas wollte herausfinden, ob sich ein Abstecher nach Bayern lohnte. Er stieg wieder ein und setzte seine Fahrt fort. Eine gute Viertelstunde später hatte er St.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 118

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Bergpfarrer – 281 –Verliebte Schwindler

Herzklopfen - wie beim ersten Mal

Toni Waidacher

Thomas Kramer fuhr an den rechten Straßenrand und stieg aus. Der Dreißigjährige reckte die Arme und unterdrückte ein Gähnen. Dabei blickte er über die herrliche Landschaft und genoss den wunderbaren Anblick, der sich ihm bot. Majestätisch erhoben sich in einiger Entfernung die Berge. Ihre schneebedeckten Gipfel schienen die Wolken zu berühren, die wie ein leichter Schleier dahinzogen und den Sonnenschein kaum behinderten.

Es musste herrlich sein, dort oben zu wandern, überlegte der junge Mann, obgleich er alles andere als ein Naturbursche war. Sein Revier waren eher die Grandhotels dieser Welt, in denen Thomas gerne die Bekanntschaft alleinstehender Frauen suchte. Vornehm gekleidet und mit besten Manieren ausgestattet, war es ihm ein Leichtes, ihnen dabei zu helfen, ihre Einsamkeit zu vergessen … Denn er hatte nicht nur eine gute Erziehung genossen, war ein blendender Unterhalter und fabelhafter Tänzer, er sah überdies auch noch umwerfend aus, sodass es nicht wunderte, dass die Frauen ihm ihre Herzen öffneten – und ihre Geldbörsen.

Denn freilich tat Thomas Kramer dies nicht ganz uneigennützig, schließlich verdiente er auf diese Weise seinen Lebensunterhalt.

Um es auf den Punkt zu bringen, er war schlicht und einfach ein Heiratsschwindler und ein erfolgreicher noch dazu!

Er kam gerade aus der Schweiz, wo er für einige Zeit am Genfer See gelebt hatte. Doch dann war ihm dort der Boden unter den Füßen zu heiß geworden, nachdem er eine millionenschwere Moskauerin ­be­circt und um einiges Bargeld erleichtert hatte. Die Dame, eine bild­hübsche Frau, denn andere kamen für Thomas Kramer ohnehin nicht infrage, hatte schließlich die Geduld verloren, nachdem er sie immer ­wieder mit Ausreden abgespeist hatte, was die offizielle Verlobung betraf. Da hatte sie ihm einen Detektiv auf den Hals gehetzt. Thomas sah sich daher genötigt, die gastliche Schweiz zu verlassen und sein Glück anderswo zu versuchen.

Dass er ausgerechnet auf das beschauliche Wachnertal verfallen war, hatte seinen Grund. In seinem Beruf war es notwendig, immer über die neuesten Trends informiert zu sein, und so hatte er herausgefunden, dass das Tal in den letzten Jahren immer häufiger Ziel von Urlaubern war, die genau in sein Beuteschema passten. Gerade erst war ein großes modernes Hotel eröffnet worden, und Thomas wollte herausfinden, ob sich ein Abstecher nach Bayern lohnte.

Er stieg wieder ein und setzte seine Fahrt fort. Eine gute Viertelstunde später hatte er St. Johann erreicht und lenkte seinen Wagen, ein Oldtimer aus England, auf den Parkplatz des Hotels. Er stieg aus und schlenderte gemächlich zum Eingang. Die Tür öffnete sich automatisch und Thomas betrat die Lobby. Ein paar Gäste hatten sich in der Sitzecke niedergelassen, am Empfang stand eine junge Frau in einem hübschen Trachtenkleid und begrüßte den Gast mit einem freundlichen Lächeln.

»Grüß Gott und herzlich willkommen im Hotel ›Zum Löwen‹«, sagte sie.

Thomas trat näher und lächelte ebenfalls.

»Guten Tag. Mein Name ist Cramm. Ich habe eine Suite reserviert.«

Die Haustochter nickte.

»Einen Moment«, bat sie und tippte etwas in ihren Computer. »Ja, da haben wir es schon. Herr Thomas Cramm aus Genf.«

»Richtig.«

Sie nahm einen Schlüssel vom Brett und klingelte nach dem ­Hausburschen. Thomas übergab ihm die Schlüssel für das Auto und folgte der jungen Frau die Treppe hinauf.

Die ›Prinzregenten-Suite‹ verfügte über einen geräumigen Wohnbereich, einem Schlafzimmer und ein großes Bad. Thomas nickte nach dem Rundgang zufrieden und gab den beiden Angestellten ein Trinkgeld. Dann trat er ans Fenster und schaute hinaus. Die Suite lag nach hinten hinaus, von der Straße war hier nichts zu hören. Der Heiratsschwindler wandte sich um und machte sich daran, seinen Koffer und die Reisetasche auszupacken. Dabei ermahnte er sich mehrfach, sich seinen neuen Namen einzuprägen. Er wählte immer ein Alias, das seinem richtigen Namen, Krämer, ähnlich war. Also Kremser oder jetzt eben Cramm, mit einem vornehmer wirkenden ›C‹ geschrieben.

Nachdem alles verstaut war, ließ er sich auf das Bett fallen und schloss die Augen. Für ein paar Sekunden sah er das Gesicht von Natascha Kurikowa vor sich. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie ihn mit einem finsteren Blick bedacht.

»Thomas Kromer«, hatte sie mit ihrer rauen und zugleich betörenden Stimme gesagt, »in zwei Tagen sind wir verlobt, oder du wirst mich kennen lernen!«

Es hatte sehr bedrohlich geklungen, obgleich sie dabei gelächelt hatte. Doch ihr finsterer Blick redete eine andere Sprache.

»Leb wohl, mein Täubchen«, murmelte er im Halbschlaf und drehte sich auf die andere Seite.

Mitten in der Nacht war er aus Genf losgefahren, hatte keine Pause eingelegt und war nun entsprechend müde. Es dauerte auch keine zehn Sekunden mehr, bis Thomas Kramer, der sich nun Cramm nannte, tief und fest schlief.

*

Ann-Kathrin Lindner passierte das Ortsschild und blickte sich neugierig um.

Lieber Himmel, wo war sie denn jetzt hingeraten!

Die Häuser mit ihren Lüftlmalereien waren ja ganz hübsch, aber ansonsten schien in St. Johann die Zeit stehen geblieben zu sein.

Die attraktive Frau, mit den blonden schulterlangen Haaren stellte das Cabrio auf dem Parkplatz ab und stieg aus. Sie schaute sich kurz um und ging schließlich zum Hoteleingang. Drinnen herrschte angenehme Kühle, offenbar gab es eine Klimaanlage, die gegen die Hitze, die von draußen hereindrängte, ankämpfte. An der Rezeption stand ein älterer Mann, der sie lächelnd ansah.

»Grüß Gott und herzlich willkommen in St. Johann«, sagte er. »Gräfin Leiderthal?«

Sie nickte.

»Richtig, Anne von Leiderthal. Ich hatte reserviert.«

Sepp Reisinger, der Inhaber des Hotels ›Zum Löwen‹, nickte.

»Ja, selbstverständlich, gnädige Frau. Die Suite ist auch schon gerichtet.«

Er gab dem Hausburschen einen Wink.

»Karl, das Gepäck der Gräfin.«

Ann-Kathrin Lindner, die sich nun Gräfin Leiderthal nannte, händigte dem Angestellten die Autoschlüssel aus und folgte dem Hotelier, der die Treppe hinaufstieg. Oben angekommen, schritten sie über einen langen Flur, auf dem sich Zimmertür an Zimmertür reihte. Dann beschrieb der Flur eine Biegung, und Sepp Reisinger blieb vor einer Tür, mit der Aufschrift ›Edelweiß-Suite‹ stehen und schloss auf.

»Bitte einzutreten«, sagte er mit einer Verbeugung und ließ der ›Gräfin‹ den Vortritt.

Anne trat ein und nickte wohlgefällig, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte.

»Wunderbar, Herr Reisinger«, meinte sie mit einem huldvollen Lächeln.

Inzwischen war auch der Hausbursche mit dem Gepäck angekommen und stellte die beiden Koffer und eine große Reisetasche auf Annes Geheiß im Schlafzimmer ab. Sie bedankte sich mit einem Trinkgeld und wandte sich an den Hotelier.

»Wäre es möglich, einen Kaffee zu bekommen?«

Sepp Reisinger nickte sofort.

»Aber selbstverständlich«, antwortete er und deutete auf das Telefon. »Wenn Sie künftig irgendwelche Wünsche haben, drücken sie bitte die Eins, dann sind Sie mit der Rezeption verbunden, die Ihre Bestellung entgegennimmt. Ihr Kaffee wird Ihnen unverzüglich gebracht.«

Er verbeugte sich noch einmal und folgte dem Hausburschen nach draußen. Anne atmete tief durch und setzte sich in einen der bequemen Sessel, mit denen der Wohnbereich der Suite eingerichtet war. Während sie auf den Kaffee wartete, schweiften ihre Gedanken ab.

Gestern um diese Zeit hatte sie noch im Luxushotel ›Excelsior‹, in ­Cannes, gewohnt. Beinahe sehnsüchtig dachte sie an die vergangenen drei Monate zurück, an die Partys in den Häfen von Cannes, Nizza und Monte Carlo, die Empfänge auf den teuren Jachten der Reichen und Superreichen. Und daran, wie sie und ihre Freundinnen mit schnellen Sportwagen über die Croisette gejagt waren, der breiten Prachtstraße in Cannes, mit ihren teuren Geschäften, in denen das billigste Stück, das man kaufen konnte, mehr kostete, als ein Arbeiter im Hafen von Marseille in einem Vierteljahr verdiente.

Und erst die Abende im Casino von Monte Carlo!

Gespielt hatten sie, gewonnen und verloren, und der Champagner war geflossen, und trunken waren sie im Morgengrauen barfuß am Strand spaziert und hatten den neuen Tag mit einem glückseligen Gefühl begrüßt.

Was kostet die Welt?

Ich kaufe sie!

Doch dann war dieser Traum schnell verflogen. Ein Schauspieler, den sie vor einem guten Jahr hereingelegt und um eine ziemlich hohe Summe gebracht hatte, war im Hotel aufgetaucht. Anne hatte sich bis dahin sicher gefühlt, mit dieser Begegnung war nämlich gar nicht zu rechnen gewesen, eigentlich sollte der Star gerade irgendwo in Asien einen Film drehen. Glücklicherweise hatte er sie auch nicht entdeckt. Dennoch hatte sie sofort das Hotel verlassen und in Nizza den nächstbesten Flug gebucht – der ging zufällig nach München.

Das passte durchaus in Annes Planung. In ihrem Metier musste man immer auf solche Situationen eingestellt sein, und so hatte sie schon lange für den Fall der Fälle vorgesorgt und sich eine neue Identität ausgesucht. Es war der Name eines alten preußischen Adelsgeschlechts, das ursprünglich in Mecklenburg Vorpommern beheimatet war, jetzt aber in aller Welt Familienzweige hatte. Es war nicht anzunehmen, dass jemand aus dieser kaum bekannten Adelsfamilie überhaupt noch in Deutschland anzutreffen war. Der Name schien Anne von daher gut gewählt.

Eine Haustochter klopfte und servierte den Kaffee auf einem silbernen Tablett. Anne von Leiderthal genoss ihn und ließ sich dann ein Schaumbad ein. Während sie in der Wanne lag, hoffte sie, dass sich ihr Abstecher hierher auch lohnen würde. Was sie über St. Johann und das Wachnertal herausgefunden hatte, gab durchaus Anlass zu dieser Hoffnung. Immer mehr Urlauber fuhren nach Oberbayern, und die falsche Gräfin freute sich schon darauf, die Bekanntschaft eines allein reisenden Herrn zu machen …

*

Sebastian Trenker begrüßte die junge Frau herzlich.

»Wie geht’s Ihnen, Frau Stein?«, erkundigte sich der gute Hirte von St. Johann.

Susanne Stein lächelte, indes war es eher ein gezwungenes Lächeln.

»Ehrlich gesagt, nicht besonders gut«, antwortete sie. »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden …«

Der Bergpfarrer sah sie bestürzt an.

»Sie gehen nach Frankfurt zurück? Für immer?«

Sie nickte.

»Ja, Hochwürden, ich habe eingesehen, dass ich mit völlig falschen Erwartungen nach St. Johann gekommen bin. Für Torben …, ich meine, für Herrn Mahlberg, werde ich immer nur seine Sekretärin sein.«

»Kommen S’ erst mal herein: Frau Tappert hat grad Kaffee gekocht, und ein Stückel Kuchen ist auch da.«

Sebastian führte die Besucherin auf die Terrasse des Pfarrgartens, wo sie von der Haushälterin begrüßt wurde. Sophie Tappert hatte einen lockeren Zitronenkuchen gebacken, der besonders saftig war. So etwas Erfrischendes war gerade richtig bei diesen Temperaturen.

»Weiß Herr Mahlberg, dass Sie abreisen?«, erkundigte sich der Geistliche.

Susanne schüttelte den Kopf.

»Ich habe ihm einen Brief geschrieben, den er morgen auf dem Frühstückstisch finden wird«, erklärte sie.

Sebastian schenkte Kaffee nach.

»Und wenn ich mal mit ihm red’?«, schlug er vor. »Manchmal ist ein Wink mit dem Zaunpfahl notwendig, um die Leute aufzuwecken.«

»Ich fürchte, das ist zwecklos«, entgegnete die hübsche blonde Frau. »In diesem Fall würde ein ganzer Staketenzaun nichts nützen. Er lebt ja nur für seine Rache an Patricia Vangaalen.«

Susanne biss sich auf die Lippe und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen steigen wollten.

»Nein«, sagte sie dann mit fester Stimme, »es ist das Beste, wenn ich nach Hause zurückkehre. Heute ist unwiderruflich mein letzter Tag hier in St. Johann, Herr Mahlberg wird schnell eine andere Sekretärin finden.«

Sie trank ihre Tasse aus und stand abrupt auf.

»Vielen Dank für alles, Hochwürden«, verabschiedete sie sich. »Ich werde Sie ganz bestimmt nie vergessen. Und Sie auch nicht, Frau Tappert. Grüßen Sie Ihren Bruder und Claudia von mir und Elena …«

Wieder lächelte sie gequält.

»Die beiden hätten meine ersten Freundinnen werden können«, setzte sie hinzu und wischte sich traurig über die Augen.

»Verzeihen Sie …«

Der Bergpfarrer nahm sie in die Arme.

»Da gibt’s nix zu verzeihen«, sagte er ruhig und er schüttelte den Kopf. »Ich find’s schad’, dass Sie so schnell aufgeben, Susanne. Alles Gute, und wenn S’ einmal einen Menschen brauchen, dann können S’ sich jederzeit an mich wenden.«

Susanne Stein nickte. Sebastian brachte sie zur Tür und schaute ihr nachdenklich hinterher.

Ihm war klar, warum sie so schnell wieder aufgebrochen war. Susanne hatte befürchtet, er könne sie zum Bleiben überreden, und vermutlich wäre sie dann nicht mehr stark genug gewesen, ihr Vorhaben durchzuführen. Dabei hätten Susanne Stein und Torben Mahlberg ganz wunderbar zueinandergepasst. Es war ein Jammer, dass der Unternehmer so auf seinen Rachefeldzug fixiert war, dass er für nichts anderes um sich herum einen Blick hatte – noch nicht einmal für die attraktive und kluge Susanne Stein. Dabei war sie, als seine ›rechte Hand‹, fast immer an seiner Seite!

Aber vielleicht war es ja gerade das!

Torben wusste augenscheinlich nicht, dass seine Sekretärin ihn liebte.

Sollte er ihm reinen Wein einschenken? Oder war es klüger, sich da nicht einzumischen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen?

Allerdings war es wieder mal ein Schicksal, auf das Patricia Vangaalen auf ungute Art Einfluss genommen hatte! Sebastian musste sich zügeln, seinem Zorn auf die skrupellose Unternehmerin nicht freien Lauf zu lassen. Auch ihm selbst hatte sie den Krieg erklärt. Bisher hatte er sich gegen ihre Attacken immer wehren können, Torben hingegen war von der ebenso schönen wie reichen Frau auf übelste Art und Weise hereingelegt worden und hatte mehrere Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen.

Auch wenn er Rache niemals gutheißen konnte, so brachte der Bergpfarrer doch auch Verständnis für Torben Mahlberg auf. Zumindest war es eine subtile Rache, die der Unternehmer ausübte. Einmal war es ihm gelungen, der ›Vangaalen Privatbank‹, ein Vermögen von mehreren Millionen Euro abzuluchsen, Geld, das er indes nicht für sich behalten, sondern etlichen wohltätigen Organisationen überall auf der Welt anonym gespendet hatte. Und dann hatte er seiner Konkurrentin im letzten Moment ein Haus samt Grundstück vor der Nase weggeschnappt, das Patricia hatte kaufen wollen.

Und in genau dieses Haus wollte Torben Mahlberg seinen Firmensitz von Frankfurt verlegen. Aus diesem Grund hatte er seine Sekretärin nach St. Johann geholt und sie gefragt, ob sie für immer ins Wachnertal ziehen wolle.

Freilich hatte Susanne Stein eine andere Hoffnung gehabt. Sie liebte ihren Chef, seit sie für ihn arbeitete. Auch als Torben Mahlberg ins Gefängnis musste, hielt sie ihm die Treue. Mehr noch, sie rettete den größten Teil seines Vermögens und transferierte es in die Schweiz, sodass er nach seiner Entlassung in die Freiheit nicht mit leeren Händen dastand.

Leider schien er die Zeichen, die sie ihm gab, nicht zu erkennen, oder er war so blind vor Hass auf Patricia Vangaalen, dass er nichts anderes mehr sehen konnte.

Sebastian hatte ihr hintergeschaut, bis Susanne Stein nicht mehr zu sehen war. Immer noch in Gedanken versunken ging er ins Pfarrhaus zurück.

»Hoffentlich macht sie nix, was sie hinterher bitter bereut«, murmelte er im Selbstgespräch.

*