Versprechen der Dunkelheit - Nalini Singh - E-Book

Versprechen der Dunkelheit E-Book

Nalini Singh

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Beschreibung

Eine neue Kurzgeschichte aus der Gestaltwandler-Reihe von Nalini Singh! Lange hatte der DarkRiver-Leopard Bastien Smith nach seiner Gefährtin gesucht und als er ihr nun endlich gegenübersteht, ist er fest entschlossen, sie nie wieder gehen zu lassen. Denn die süße Kirby entfacht eine Begierde in ihm - so ungezähmt und ekstatisch, wie er sie noch nie zuvor gespürt hat ... (ca. 110 Seiten)

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Seitenzahl: 191

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

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Epilog

Die Autorin

Nalini Singh bei LYX

Impressum

NALINI SINGH

Versprechen der Dunkelheit

Ins Deutsche übertragen von

Dorothee Danzmann

Zu diesem Buch

Lange hatte der DarkRiver-Leopard Bastien Smith nach seiner Gefährtin gesucht, und als er ihr nun endlich gegenübersteht, ist er fest entschlossen, sie nie wieder gehen zu lassen. Denn die süße Kirby entfacht eine Begierde in ihm – so ungezähmt und leidenschaftlich –, wie er sie noch nie zuvor gespürt hat …

1

Sie hatte ihn reingelegt, das war Bastien Smith inzwischen vollkommen klar. Seine eigene Mutter hatte ihn nach Strich und Faden ausgetrickst, und eigentlich gab es jetzt nur noch eine Sache, die ihn unter Umständen versöhnlicher stimmen könnte – dass es ihn nicht allein getroffen hatte. »Schwöre, dass du keine Ahnung hattest!«, zischte er seinem jüngeren Bruder Sage zu, der sich wie er in der Nähe der Tür herumdrückte, durch die sie jederzeit hätten flüchten können – was sie jedoch nicht wagten.

Sage verschränkte empört die Arme vor der Brust: »Traust du mir wirklich zu, dass ich gegen den Bro-Code verstoße?«

Bastien fuhr sich schon wieder mit der Hand durch das dunkelrote Haar, das mittlerweile ganz in Unordnung geraten war. »Tut mir leid!« Er war erschöpft und mürrisch, sonst wäre er nie auf die Idee gekommen, Sage eine solch ruchlose Tat zu unterstellen. »Mir hat Mom gesagt, sie brauche kurz mal eine starke Hand.«

»Womit sie im Prinzip ja nicht gelogen hat.« Sage deutete mit dem Kinn auf den schweren Esstisch, den die beiden im großen Wohnzimmer ihres Elternhauses aufgestellt hatten, nachdem vorher viele der restlichen Wohnzimmermöbel in andere Zimmer des Hauses verbannt worden waren. So hatte nicht nur der Tisch in dem Zimmer Platz, sondern auch die große Menge der Gäste, die sich darum drängte.

Für die beiden Männer war das keine besondere Sache gewesen, sie hatten ihrer Mutter gern geholfen, alles für den Lunch vorzubereiten, zu dem sie ihre Lesegruppe eingeladen hatte und auf den sie sich schon die ganze Woche gefreut hatte. Allerdings war ihnen verschwiegen worden, dass die Lesefreunde ihrer Mutter nicht allein, sondern in Begleitung sämtlicher heiratsfähiger Frauen ihrer Bekanntschaft auftauchen würden: Töchter, Nichten, Nachbarinnen, Arbeitskolleginnen und alle, die sich sonst noch hatten überreden lassen, an dieser unglaublich peinlichen Veranstaltung teilzunehmen.

Unter normalen Umständen hätte Bastien das alles zwar murrend, aber gutwillig durchgestanden, denn er liebte seine Mutter und wollte sie auf keinen Fall kränken. Aber unter normalen Umständen hätte er sich auch nicht so ausgelaugt und total durch den Wind gefühlt wie jetzt, nachdem er zwei Wochen lang kaum geschlafen hatte. Bastien wollte nämlich nicht irgendeine Frau, sondern eine ganz bestimmte. Er wollte die, in der sein innerstes Gefühl die richtige erkannt hatte, er wollte seine Partnerin – die er allen Gesetzen der Paarung von Gestaltwandlern zum Trotz einfach nicht wiederfinden konnte.

Er hatte die Witterung seiner schwer zu fassenden Auserwählten vor vierzehn Tagen, acht Stunden und siebzehn Minuten zum ersten Mal aufgenommen, und zwar auf einer Straße in Chinatown. Ihr Duft hatte sofort eine wilde, mit umwerfender Freude gepaarte Besitzgier in ihm geweckt, die ihn verharren und dann kehrtmachen ließ. Ja!, hatte er gedacht, denn dieser Duft sprach zu ihm, wie nie zuvor etwas zu ihm gesprochen hatte, und er hatte ihm unbedingt folgen wollen – nur war er da schon wieder verschwunden gewesen. Die Witterung hatte sich in einem dichten Nebel aufgelöst, den selbst die scharfen Sinne eines Gestaltwandlers nicht zu durchdringen vermocht hatten.

Er hatte es nicht fassen können. Er mochte nicht glauben, dass er sie wirklich verloren hatte, und verbrachte Stunden damit, das Gebiet abzusuchen, in dem er ihre Witterung zuerst wahrgenommen hatte. Erst als der Tag längst verblasst war und Mitternacht dunkel heraufzog, war er mit leeren Händen und aufgewühlter Seele nach Hause zurückgekehrt, voller Sehnsucht nach ihr, die er nicht finden konnte. Sein Leopard hatte ihn nicht lange schlafen lassen und nur wenige Stunden später wachgekratzt, weil er das Gefühl hatte, sie sei ganz in der Nähe, schwer verletzt und leidend. Seine Partnerin litt, und er war nicht bei ihr – er war sofort wieder losgezogen, denn allein schon der Gedanke daran drohte ihn zu zerreißen.

Draußen auf den Straßen zauberte die Morgenröte Inseln aus Licht, die stetig größer wurden. Hunderte erwachten und kamen aus ihren Wohnungen, Leute in allen Formen und Farben – nur sie nicht.

Auf dem Rest der Welt mochte die Anspannung einer abwartenden Stille lasten, denn niemand wusste, ob die tiefgreifenden Veränderungen in der Welt der Medialen, dem Volk, das sich den Planeten mit Menschen und Gestaltwandlern teilte, nicht erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen würden, doch Bastien hatte nur eins im Sinn: Er musste sie finden.

Seit jener ersten Nacht wiederholte sich das Muster jeden Abend von Neuem: Sobald die Bewohner der Stadt zu Bett gegangen waren, streifte Bastien in Leopardengestalt durch die leeren, nebelverhangenen Straßen der Stadt. Er hatte Tausende von Spuren geprüft und wieder verworfen, war unzähligen Geheimnissen auf die Schliche gekommen, und drei- oder viermal hatte er sogar den wilden, süßen, durch und durch einmaligen und berauschenden Duft in der Nase gehabt, der zu ihr gehörte, ohne ihn richtig zu fassen zu bekommen. Er blieb nicht hängen, ihr Duft, wie er es eigentlich hätte tun müssen, er ließ sich nicht verfolgen. Er war da – und dann wieder nicht, war einfach verschwunden an Stellen, wo es nicht hätte möglich sein dürfen, wie zum Beispiel in einem schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden oder auf halbem Weg eine Treppe hinauf. Wie hätte sie an diesen Orten verschwinden können? Es sei denn, sie hatte Flügel …

Wenn sie eine Gestaltwandlerin der Lüfte war, vielleicht zu der Gruppe von Falken gehörte, mit der Bastiens Rudel eine Allianz unterhielt, würde das manches erklären und ihm Möglichkeiten eröffnen, sie zu finden. Aber ihrer Witterung haftete etwas Katzenartiges an, ein spezieller Duft, der ihm verriet, dass er nach einer Gestaltwandlerin suchte, die wie er eine Katze war, eine Katze, die eben noch hier war, im nächsten Moment aber schon wieder verschwunden.

Und immer wenn er die Witterung der Gestaltwandlerin verlor, bekam er einen anderen, weicheren Duft in die Nase, der irgendwie mit ihrer Witterung zusammenging und ebenfalls seine ureigensten Instinkte weckte. Bastien folgte auch diesem zweiten Duft, wohl wissend, dass er als Gestaltwandler nicht zwei Frauen gegenüber das Gleiche empfinden konnte, aber dieser zarte Duft verlor sich womöglich noch schneller unter den bitteren Aromen von Gewürzen und Kaffee, die aus den Restaurants drangen, oder in den Duftwolken vor einem der zahlreichen Schönheitssalons. Für Bastiens Sinne war die Stadt ein einziges Kaleidoskop von Düften.

Eigentlich waren beide Witterungen weniger intensiv, als sie es hätten sein dürfen, und er vermochte der katzenartigen nur deswegen länger zu folgen als der anderen, weil sie eine gewisse beißende, sehr ursprüngliche Note besaß, durch die sie sich sogar von den anderen Gestaltwandlerwitterungen der Stadt abhob.

Die ganze Sache trieb Bastien langsam in den Wahnsinn.

»Ich komm noch nicht mal an die Brownies ran.« Die traurige Stimme seines jüngeren Bruders riss ihn aus seinen Grübeleien. Er sah auf: Sage warf gerade sehnsüchtige Blicke auf den Esstisch mit all seinen Köstlichkeiten, die sich für ihn unerreichbar jenseits der Wand aus Frauenkörpern auftürmten, die sich davor gebildet hatte. »Ich wollte mir gerade einen holen, als die Ersten eintrudelten, und ich dachte, ich schaffe es noch bis zur Hintertür.«

Das mit der Hintertür hatte Bastien auch versucht, war aber von seiner Mutter in barschem Ton zurückbeordert worden.

Bastien verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust und bemühte sich um einen finsteren Blick. »Eins wüsste ich wirklich zu gerne: Wenn wir Männer angeblich diejenigen sind, die wählen dürfen, warum fühle ich mich hier wie das Ausstellungsstück auf einem Fleischmarkt?«

Sage bleckte die Zähne, als sich eine große, attraktive Blondine so in seiner Nähe aufbaute, dass man es nur als Einladung auffassen konnte. Die Frau, ein Mensch, sah hastig in eine andere Richtung, und Sage wollte sich schon freuen, als er den eisigen Blick seiner Mutter auf sich ruhen fühlte. Lia Smiths zierliche, aufrechte Gestalt drückte vom Scheitel bis zur Sohle tiefste Missbilligung aus.

Sage verging jede Lust am Grinsen. Wenn seine Mutter ihn so ansah, musste er sich ins Getümmel stürzen, auch wenn er sich vorkam wie ein geprügelter Leopard, der den Schwanz eingezogen hat. »Jetzt muss ich nett zu ihr sein, sonst kann ich mir Moms Brownies auf ewig abschminken.« Er warf Bastien einen flehenden Blick zu. »Lass mich bitte nicht allein, Mann!«

Bastien wurde im Handumdrehen zu einem Felsen, beide Beine fest auf dem Boden, den Rücken an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. »Vergiss es! Und mit dem Bro-Code brauchst du mir erst gar nicht zu kommen, ich habe schon wesentlich mehr von diesen Veranstaltungen hinter mir als du.«

Während er zusah, wie sein Bruder beide Hände in den Jeanstaschen versenkte und sich unter die wunderbar duftenden Frauen mischte, als gelte es, in ein Haifischbecken zu steigen, musste Bastien sich sehr zusammenreißen, um nicht einfach die Tür zu öffnen, neben der er sich verschanzt hatte, und das Weite zu suchen. Es ging nicht an, seine Mutter so vor den Kopf zu stoßen, ganz gleich, wie aufgewühlt er war und wie sehr er sich belagert und eingesperrt fühlte. Seine Mutter wollte ihm doch nur helfen. Lia Smith kannte ihre Kinder, sie wusste, wie es Bastien ging, auch wenn er ihr nichts erzählt hatte.

Sie hatte nicht nur gespürt, wie unglücklich er war, sondern sogar völlig richtig daraus geschlossen, dass es an seinem Singledasein lag. Aber wie sollte er seiner Mutter das Unmögliche erklären? Man verlor als Gestaltwandler die Witterung seiner Partnerin nicht, wenn man sie einmal in der Nase hatte. Es hätte ihm möglich sein müssen, der Unbekannten, die seine Sinne so aufwühlte, durch Feuer und Sturm, Schnee, Regen und Hagel zu folgen, von den Straßen einer zivilisierten Großstadt ganz zu schweigen.

»Liebling?« Seine Mutter war neben ihn getreten und hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt. Sie roch unendlich vertraut und nach Zuhause. »Komm kurz mit in die Küche, du musst mir ein paar Gläser oben aus dem Schrank holen.«

Er folgte ihr, ohne zu protestieren, achtete aber peinlich genau darauf, keine der anwesenden Frauen anzusehen. Sein Leopard legte keinen Wert auf die Berührung eines weiblichen Wesens, das ohne Partner war – mit Ausnahme des einen, das er einfach nicht finden konnte. Falls sich auch nur eine der Frauen hier im Raum das Privileg der Berührung herausnähme und er nackte Haut an seinem Körper spürte, würde er sie ganz sicher wütend anknurren, dachte er, obwohl er sich wirklich alle Mühe gab, sich zusammenzureißen. Da war es besser, solche Zusammenstöße von Anfang an zu vermeiden.

»Ich weiß, welche Gläser du meinst«, sagte er, als seine Mutter und er es endlich bis in die Küche geschafft hatten, die wundersamerweise leer war. Lia hätte einen Tritthocker gebraucht, um die Gläser aus dem Schrank zu holen, die er ihr jetzt reichte und die nur benutzt wurden, wenn sehr viel Besuch im Haus war.

»Danke, mein Kleiner.«

Bastien hatte es aufgegeben, gegen diese Anrede zu protestieren. Egal, wie alt er wurde, egal, wie erwachsen er war und welche Stellung er im Rudel einnahm, in den Augen seiner Mutter war und blieb er ihr Junges. Jetzt nahm sie sein Gesicht in beide Hände, um ihn prüfend anzusehen. Um ihre braune Iris hatte sich ein gelbgrüner Rand gebildet, ein Zeichen dafür, dass ihre Leopardin sich an die Oberfläche ihres Bewusstseins drängte. »Das hier heute war ein Fehler, nicht wahr?«

Wie er sie liebte, diese Frau, die ihn als Kind so oft getröstet, so oft seine aufgeschürften Knie geküsst hatte. Bastien schloss die Augen. »Ach, mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin einfach nur schlecht drauf.«

»Nein!« Sie zupfte den Kragen des weißen Hemdes zurecht, das er zu einer schwarzen Hose trug, weil er eigentlich vorgehabt hatte, nach dem Möbelrücken noch ins Büro zu gehen und zu arbeiten. »Irgendetwas läuft falsch, und ich habe es noch schlimmer gemacht. Ich weiß ja, ich sollte mich nicht einmischen, aber ich liebe euch nun mal.« Sie warf ihm einen reumütigen Blick zu. »Da kann ich manchmal nicht anders.«

»Das weiß ich doch!« An der Liebe seiner Eltern hatte Bastien nie zweifeln müssen, im Gegenteil, sie war das Fundament, auf dem sein ganzes Leben aufgebaut war. Deswegen war er auch geblieben, als Lia Sage und ihm befohlen hatte, gefälligst nicht das Weite zu suchen. Seiner Mutter wehzutun half weder der menschlichen Seite seines Ichs noch seinem Leoparden. Beide fühlten sich dabei nicht wohl.

»Möchtest du darüber sprechen?«

»Nein, jetzt noch nicht.« Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. Sein Leopard rieb sich innen an seiner Haut, so, wie er sich früher, als er noch klein gewesen war, oft an Lias Flanke gerieben hatte, wenn sie beide in Leopardengestalt durch den Wald gestreift waren. »Das muss ich selbst auf die Reihe bekommen.«

Lia drückte ihn kurz und voll stürmischer Zuneigung an sich, ehe sie ihn von sich schob und ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. »Dann mach, geh schon«, flüsterte sie ihm mit Verschwörermiene zu. »Ich gestatte dir, durch die Hintertür zu verschwinden.«

»Wunderbar!«, meinte Vera Robbins von der Tür her. »Dann kannst du mich ja gleich mitnehmen, Jung Bastien.«

Bastien unterdrückte nur mit Mühe einen lauten Seufzer. Vera war trotz ihrer hundertfünfundzwanzig Jahre eine höchst lebendige, energiegeladene Frau, die alle ihrer Weisheit und Güte wegen schätzten, die es sich aber ungern nehmen ließ, Bastien an seine Vergangenheit als Frauenheld zu erinnern. Sie hatte ja recht, Bastien war als junger Erwachsener kein Kostverächter gewesen und hatte kaum etwas anbrennen lassen, worin er sich jedoch nicht wesentlich von anderen jungen Leoparden-Gestaltwandlern unterschied, die ihre Sexualität als integralen Bestandteil ihres Wesens sahen und auslebten.

»Klar nehme ich dich mit«, sagte er höflich. Wenn Vera gewusst hätte, dass Bastien sich schon seit acht Monaten keine Affäre mehr geleistet hatte und sich zur Zeit nach einer Frau verzehrte, die sich mehr und mehr als unauffindbare Illusion erwies, wäre sie zutiefst irritiert gewesen. Aber sie ahnte nichts davon, und das war auch besser so. Er hätte ihre Spötteleien in seiner momentanen Gemütsverfassung nur schlecht ertragen, und ihr die Bitte abzuschlagen, mitgenommen zu werden, war unmöglich. Vera gehörte nicht nur zum Rudel. Als ehemalige Soldatin hatte sie noch dazu mehr als einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um andere zu beschützen.

Sie durfte verlangen, was sie wollte, Bastien würde es ganz bestimmt nicht ablehnen.

Er küsste seine Mutter zum Abschied auf die Wange, reichte Vera den Arm und führte sie zu seinem schicken schwarzen Auto, wo er sie vorsichtig auf dem Beifahrersitz unterbrachte, ehe er selbst sich hinter das Steuer klemmte.

»Was für ein schönes Auto!« Vera streichelte bewundernd das weiche Kunstleder ihres Sitzes. »Allerdings nicht ganz das, was ich bei einem gesunden jungen Dominanten in der Blüte seiner Jahre erwarten würde.« Sie zog spöttisch die rechte Braue hoch. »Eigentlich hatte ich mich auf einen rasanten Ritt auf deinem Jet-Bike gefreut.«

Bastien musste trotz seiner schlechten Laune grinsen, während er in den Gleitgang schaltete und seinen glänzenden schönen Wagen fast lautlos aus dem dichten Wald tief im Yosemite Gebiet der DarkRiver-Leoparden lenkte, wo sein Elternhaus stand. »Ich komme nächste Woche mal mit dem Bike bei dir vorbei, dann machen wir eine Spritztour.«

»Pah!« Vera klopfte mit ihrem Gehstock gegen das Armaturenbrett. »Hättest du nicht wenigstens dafür sorgen können, dass dieses Auto rot ist?«

»Ich habe genug Rot für mein ganzes Leben.« Bastien deutete auf seine Haare.

Woraufhin Vera den Kopf in den Nacken warf, um laut und herzlich zu lachen. »Und für einen von diesen flotten Sportflitzern bist du sicher zu lang geraten.«

So war es. Bastien hatte einmal in einem von diesen Dingern gesessen, ganze zwei Sekunden lang. Dann hatte ihn ein heftiger Anfall von Klaustrophobie wünschen lassen, das verdammte Ding mit den Klauen zerfetzen zu können.

»Nichts als breite Schultern und Muskeln«, fuhr Vera fort, ehe er etwas sagen konnte. »Und feste Oberschenkel!«

»Baggerst du mich an, Vera?«

»Träum weiter, Jung Bastien.« Wieder ertönte das laute, ansteckende Lachen, ehe sie ihm ihren Zeigefinger in den Arm bohrte. »Warum hast du dich noch nicht gepaart oder lebst wenigstens in einer festen Beziehung? Das dürfte doch kein Problem sein, da doch die Frauen so auf dich stehen, wie wir alle wissen.«

Die Frage traf ihn wie ein Schlag in den Magen. »Hat denn eigentlich niemand mehr Respekt vor meiner Privatsphäre?«

»Natürlich nicht, du lebst in einem Rudel.« Die Antwort kam prompt und so, dass sich nichts dagegen sagen ließ. »Und jetzt will ich eine Antwort. Ich bin hundertfünfundzwanzig Jahre alt, ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.«

»Mercys Tests kann eben keine bestehen.« Wie konnte er Vera von dem Thema abbringen, das ihn gerade in den Wahnsinn zu treiben drohte? Fragen zu Liebe und Paarung taten ihm zurzeit einfach zu weh.

»Ein kluges Mädchen, deine Schwester.«

Bastien drehte wortlos die Heizung höher, als er sah, wie Vera sich fester in ihre Stola wickelte.

»Und?« Sie wollte einfach nicht lockerlassen. »Übertreibt sie es mit ihrer Fürsorge, oder was ist los?«

Bastien musste an die schändlichen Werkzeuge zum »Kätzchen häuten« denken, mit denen Mercy die letzte seiner Flammen in die Flucht geschlagen hatte. Sie hatte die entsprechende Dame davon überzeugen können, dass Bastien zum Frühstück lebende Kätzchen verzehre, und war sogar so weit gegangen, eine »Kätzchenfalle« in seinen Küchenschrank zu schmuggeln, was der Frau dann den Rest gegeben hatte. Zu der Zeit hatte Bastien allerdings schon gewusst, dass sie nicht die Richtige war, und ihre Leichtgläubigkeit den haarsträubend lächerlichen Geschichten seiner Schwester gegenüber war nur der letzte Nagel zum Sarg ihrer Beziehung gewesen. »Wenn die Richtige kommt, spielt Mercys Fürsorglichkeit keine Rolle mehr.«

Veras Lächeln zauberte Falten auf ihr Gesicht, die von einem langen, großzügig aus dem Vollen geschöpften Leben zeugten. »Genau.« Mehr sagte sie nicht, ehe sie sich wieder in ihren Sitz zurückfallen ließ.

Eine halbe Stunde später – Bastien hatte seinen schwarzen Panther auf Rädern beleidigen und zum Kriechen zwingen müssen, weil er Veras Stock fürchtete – hielt er vor einem kleinen Haus unweit vom Heim der Heilerin ihres Rudels. Er stieg aus, um Vera die Wagentür zu öffnen, hütete sich aber, ihr seine Hilfe beim Aussteigen anzubieten, denn das hätte sie als Affront aufgefasst, und es wäre womöglich doch noch Blut geflossen. Veras Stock kam so gut wie nie als Gehhilfe zum Einsatz.

Eine Sekunde später kribbelte es Bastien im Nacken. Ein wilder, berauschender Duft mit einer weicheren Note darunter ließ seine Nasenflügel beben und sein Herz höher schlagen: Ihr Duft als Ganzes, das Weiche und das Scharfe, Ursprüngliche. Nicht zwei Frauen, nein, eine.

Zu verdutzt und viel zu glücklich, um sich zu fragen, warum sich die Witterung seiner Gefährtin auf der Straße in zwei Duftnoten aufteilte, richtete sich Bastiens Leopard mit zitternden Muskeln und erwartungsvoll zur Seite gelegtem Kopf angespannt auf. Da hatte er tagelang die Stadt nach ihr abgesucht, dabei war sie hier.

Er musste sich oben an der Wagentür festhalten, um sich umdrehen zu können. Da hinten, in der Einfahrt …

Das Gefühl der absoluten Gewissheit war wie ein Tritt in den Magen, ein Überfall auf das Herz.

Als hätte er die Welt bisher durch eine Nebelwand hindurch betrachtet und sähe erst jetzt alles klar vor sich. Und was er sah, war eine kleine, wohlproportionierte Frau mit einem dichten Schopf honigfarbener Haare und großen, nussbraunen Augen in einem Gesicht, dessen Haut wie dunkler Honig schimmerte.

Eine Katze, dachte Bastien sofort. Er hatte recht gehabt, sie war eine Katze. Nur verflüchtigte sich die Katzenwitterung auch jetzt wieder so plötzlich, wie sie es draußen auf der Straße immer getan hatte. Was blieb, war der satte, frische Duft eines weiblichen Menschen, den er am liebsten an Ort und Stelle von Kopf bis Fuß abgeschleckt hätte. Katze oder Mensch, sie gehörte ihm.

»Kirby, Schatz, das nenne ich gutes Timing!«

Kirby. Sie hieß Kirby.

Bastien schlug die Wagentür zu und ballte die Hände, damit niemand die Krallen sah, die er ausgefahren hatte, als sein Leopard auf die Fremde reagierte. Und dann wartete er höflich, bis Kirby zu ihnen gekommen war, statt auf sie zuzuspringen, wie es sich so ungefähr jede einzelne Zelle seines Körpers wünschte.

Geduld!, mahnte er seine primitivere Hälfte. Er zwang sich, die Krallen einzuziehen, obwohl sein Leopard ihn dafür anknurrte. Aber letztlich beugte sich das Raubtier dem Willen des Menschen, denn es ging ja nun wirklich nicht an, diese Frau zu erschrecken und womöglich gar zu verscheuchen. Nein! Er würde ihr schmeicheln, all seinen Charme einsetzen, sie streicheln und liebkosen, sie in seine Arme, sein Leben locken. Bastien Michael Smith hatte seine Gefährtin gefunden, und er würde sie behalten.

Als die lebhaften grünen Augen sie keinen Moment losließen, richteten sich auf Kirbys Armen sämtliche Härchen auf. Ihr Magen zog sich zusammen, in der Brust wurde es ihr so eng, dass sie schon fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen. Ohne den großen, muskulösen Mann mit der goldbraunen Haut zu kennen, vermutete sie, dass er zum DarkRiver-Leopardenrudel gehörte. Es lag etwas Katzenartiges in der Art, wie er dastand und ihr beim Näherkommen zusah, wie ein Raubtier, das abwartete. Sie wäre am liebsten auf ihn zugerannt. Mehr noch: Es überkam sie das dringende Bedürfnis, ihn zu berühren, sich nackt an ihn zu schmiegen, seine nackte Haut auf ihrer Haut zu spüren.

Dieser mächtige, sinnliche Drang war so ungewöhnlich für sie, dass sie sofort wieder zu sich kam. Vera sah sie an, einen eindeutig fragenden Ausdruck im Gesicht. Kirby, die nicht mehr hätte sagen können, wie lange sie schon dagestanden und einen völlig Fremden angestarrt hatte, hielt eilig die flache weiße Schachtel hoch, die sie mitgebracht hatte. »Ich habe gestern gebacken.« Ihr Herz schlug immer noch viel zu hastig und laut, ihre Stimme klang ganz heiser. »Und da dachte ich, ich bringe dir die Hälfte vom Kuchen vorbei. Du magst doch Schwarzwälder Kirschtorte.«

»Auch ich mag Schwarzwälder Kirschtorte.« Eine tiefe männliche Stimme, die Kirbys Sinne berührte wie ein kostbarer weicher Pelz. Die Lippen des Fremden hatten sich zu einem leicht spöttischen Lächeln verzogen – hatte sie sich die leidenschaftliche Intensität etwa nur eingebildet, mit der er sie vorhin angesehen hatte?

Vera klopfte mit dem Stock auf den Boden. »Dann willst du wohl welchen abhaben?«, fragte sie den Mann mit den grünen Augen, dessen Blick Kirbys Inneres in so hellen Aufruhr versetzt hatte.

»Ja, bitte!« Er hatte die Hände hinter dem Rücken gefaltet und sah so unschuldig aus wie ein Fünfjähriger.

Vera verdrehte die Augen. »Darf ich dir Bastien vorstellen?«, wandte sie sich an Kirby. »Lass dich von seinem Charme bloß nicht einwickeln, sonst liegst du schneller nackt bei ihm im Bett, als dir vielleicht lieb ist.«