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Das E-Book ist mehr als eine Sammlung von Gedichten und Texten – es ist ein literarischer Aufschrei gegen Faschismus, Militarismus und soziale Ungerechtigkeit. Mit messerscharfer Satire, kämpferischem Pathos und unerschütterlicher Solidarität gibt Weinert der Arbeiterklasse eine Stimme, die weit über ihre Zeit hinaus hallt. In Versen, Reden und Erzählungen zieht sich ein roter Faden des Widerstands: vom „roten Feuerwehrmann“ über den Aufruf an die Jugend bis hin zu erschütternden Bildern aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Diese Auswahl zeigt Weinert als engagierten Poeten, politischen Kämpfer und Chronisten eines Jahrhunderts im Umbruch – eindringlich, provokant, hochaktuell. Ein Buch für alle, die wissen wollen, wie Literatur Haltung zeigen kann.
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Seitenzahl: 116
Veröffentlichungsjahr: 2025
Erich Weinert
Vorwärts! Unsere Zeit beginnt!
Gedichte, Erzählungen, Skizzen, Reden
ISBN 978-3-68912-475-5 (E–Book)
Erschienen 1958 im Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin.
Zusammengestellt von Willi Bredel
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
© 2025 EDITION digital®
Pekrul & Sohn GbR
Godern
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Tel.: 03860 505788
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Internet: http://www.edition-digital.de
Dann kam die Zeit der strengen Pickelhaube
Und die der Stiftungsfeste mit Musik.
Und war’s auch keine Botschaft, war’s der Glaube!
Wir fühlten uns auf einmal sehr antik.
Wir lösten Rätsel in der Gartenlaube
Und träumten von der deutschen Republik.
Weil die Herren, schapoklackend,
Pupkorrekt und hackenknackend,
Die feudale Form beherrschten,
Schwoll Herrn Nehring seine hehre
Preußische Beamtenehre,
Und sie kriegten wie die Ferschten.
Lebten wie der alte Fritze.
Ehrensäbel! Strandhaubitze!
Carlowitze, Zitzewitze!
Deckung? Kennt man höhren Ortes
Nicht den Sinn des Ehrenwortes?
Herrn mit von? Bei der Besitzung?
Und Herr Nehring, der Gefällige,
Zahlte eine siebenstellige
Arbeitslosenunterstützung.
Und es schwammen im Besitze
Raffinierter Busenschlitze
Carlowitze, Zitzewitze!
Nehring kriegt man beim Schlafittchen:
Schlecht gedeckt sind die Kreditchen.
Aber gut die Grandkokotten.
Nehrings öffentliche Gelder
Flossen statt in Rübenfelder
Reichlich in Champagnergrotten.
Sauer wurde Nehrings Grütze;
Plötzlich saßen in der Pfütze
Carlowitze, Zitzewitze!
Waren das nicht einst die gleichen
Mit feudalen Gradabzeichen,
Die durchdeutschten Hochgehurten,
Die, für Dreck und Marmelade
Und den Heldentod zu schade,
Herrlich in Etappen hurten,
Nie belästigt vom Geschütze?
Selbstverständlich! An der Spitze
Carlowitze, Zitzewitze!
Ja, hei lewet noch, der alte
Korpsgeist mit der Bügelfalte,
Als das höchste der Gefühle.
Selbst bei offiziellen Gäulen
Straffen sich die Wirbelsäulen.
Ist man doch vom alten Stile!
Feine Sache! Gott beschütze
Republik mit Gardelitze!
Carlowitze, Zitzewitze!
Ist euch noch das Gedicht bekannt,
Das man in Lesebüchern fand
Von jener alten Bauernmähre,
Die früher mal beim Militäre
Als Kavallerieross stand?
Der alte Gaul, wie das so ist,
Tat keinem Feind mehr was zuleide
Und graste auf der grünen Weide
Als Pazifist.
Bis eines Tags vom Waldessaum
Ein Kavalleriesignal erklang.
Der alte Gaul stand wie im Traum
Und streckte seine Ohren lang.
Es zog ins Feld die Reiterei;
Und er war diesmal nicht dabei.
Zwar war er Pazifist,
Doch wie das mal so ist:
Als die dort drüben Sammeln bliesen,
Da hielt es ihn nicht mehr.
Da ließ er seine grünen Wiesen
Und trabte hinterher. –
Das ist der Inhalt ungefähr.
So geht es heut der SPD.
Seit Jahren fraß sie Friedensklee
Und Paneuropas Sauerampfer.
Doch als in London und Paris
Das Kapital zum Sammeln blies,
Gab’s ein Gewieher und Gestampfer.
Beim Antibolschewistenritt,
Da hält sie’s nicht, da muss sie mit!
Zwar weiß sie nicht, warum sie’s tut.
Für solche alte Kriegerkracke
Genügt der Hornruf zur Attacke.
Das steckt im Blut!
Für eine politische Revue
Hallo, hier geht es drauf und dran!
Wo brennt’s im Land? Wo wackelt die Wand?
Ich bin der rote Feuerwehrmann!
Wir halten stand, den Hydrant in der Hand!
Wo ist Alarm? Immer umgeschnallt!
Wem ist zu warm? Dem geb ich kalt!
Wo die vaterländische Flamme blakt,
Wo die Schupo auf die Proleten drescht,
Da wird rangehakt,
Da wird gelöscht!
Wo’s quiemt in der deutschen Kaffeemütze
Vor lauter Kriegsbegeisterungshitze,
Immer ran mit der Spritze!
Wo sich die Stahlhelmkadetten besaufen
Für Kirche und Kapital,
Da nehmen wir sie untern kalten Strahl!
Da lernen sie laufen!
Achtung, wer hier mit dem Feuer spielt,
Der wird abgekühlt!
Die Fratzen mit den Etappenmonokeln,
Die sollen uns nicht die Bude verkokeln!
Straße frei! Wir rücken an!
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Bei Tag und Nacht geht’s feste ran!
Mit Herz und Hand! Da wackelt die Wand!
So lebt der rote Feuerwehrmann,
Mal durchgebrannt und mal abgebrannt!
Wer unsre Fahne in Brand gesteckt,
Dem schlagen wir die Fassade ein!
Wir sind Soldaten ohne Respekt
Und wollen es sein!
Wir pfeifen auf jede Ordnungsstütze!
Und qualmt der Spießer aus jeder Ritze,
Immer ran mit der Spritze!
Wo es mufft nach altem Weihrauchduft,
Da machen wir frische Luft!
Der Ministerbonze mit Ordensschmuck,
Der kriegt eins auf den Zünder!
Ein Strahl mit drei Atmosphären Druck!
Immer runter mit dem Zylinder!
Mit Gott für König und Vaterland?
Jawohl, mit dem Beil in der Hand!
Nur keinen blinden Alarm gezogen!
Sonst werden die Fensterscheiben verbogen!
Straße frei! Wer hat, der kann!
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Mal geht es los, mal fängt es an!
Dann kommt der Krach! Da wackelt das Dach!
Hallo, der rote Feuerwehrmann!
Den ersten Schlag! Immer feste nach!
Paläste stürzen, die Straße brennt!
Es qualmt und stinkt im Parlament!
Wie stehn die Kurse? Die Börse brennt!
Letzte Notierung! Die Welt ist kaputt!
Bis zum letzten Prozent
Alles Dreck und Schutt!
Das Zuchthaus brennt, es brennt die Kaserne!
Sprengkapseln ran! Hier krachen Konzerne!
Die Menschenschinder an die Laterne!
Wir schlagen die alte Welt in Stücke!
Und wenn die letzte Zwingburg fällt,
Dann rauf auf die Trümmer, und ran mit der Picke
Dann bauen wir uns eine neue Welt!
Straße frei! Wer fängt hier an?
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Wir schliefen als kalter, toter Granit
Viel hunderttausend Jahre.
Da weckten sie uns mit Dynamit
Und machten uns zu Ware.
Der Kuli im Steinhruch stöhnte heiß.
Sein Meißel sprühte Funken.
Wir haben des Kulis Blut und Schweiß
In uns hineingetrunken.
Wir wurden in eine Straße gestampft.
Der Kuli stampfte uns ein.
Es tropfte sein Schweiß, er ist verdampft,
Doch das Salz zog in den Stein.
Dann haben wir alles tragen gemusst,
Karren und Luxuswagen.
Doch fühlten wir in der steinernen Brust
Das Herz des Kulis schlagen.
Und eines Tages dröhnte der Tritt
Von tausend Demonstranten.
Die Kulis sangen, wir klangen mit.
Unsre steinernen Stirnen brannten.
Da schlugen die Kugeln in unsre Stirn.
Es spritzten Dreck und Funken.
Es spritzte des Kulis Blut und Hirn.
Wir haben das Blut getrunken.
Sie rissen uns aus der Straße heraus.
Da wurden wir Barrikaden.
Wir hörten die Kulis in Lärm und Braus
Ihre Gewehre laden.
Und wieder sind Dreck und Funken gespritzt.
Wir haben die lebenden Brüder
Mit unsren steinernen Leibern geschützt.
Wir schlugen den Angriff nieder.
Das Blut des Kulis hämmert im Stein,
Ist uns ins Herz geflossen.
Wir werden das Denkmal des Sieges sein
Auf dem Grabe unsrer Genossen!
Von Rudolf Herzog
Der Rhein zog ruhig. Seine Plätscherwogen
Bespülten mild den Uferrain von Deutz,
‘s war Abend! … Aber plötzlich kam geflogen
Vom Kölner Dom ein Fetzen Sturmgeläuts!
„Was ist, Herr Wirt?“ – Ein Bote mit Depeschen!
Es pocht das Herz! „Gib her! – ‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!
Nun gilt’s, die Bolschewistenbrut zu dreschen!“
Mein Nachbar weinte vor sich hin und schwieg …
Ich küsste ihm aus seinem Bart die Zähren:
„Hallo, Kumpan! Was rührt euch all so sehr?
‘s ist Krieg, Kumpan! Wir müssen uns bewähren!
Krieg gegen das verlauste rote Heer!“
Da stand er auf. – Es krampfte sich graniten
Die Arbeitsfaust: „In Moskau bleibt kein Stein!“
Wir träumten, dass wir gegen Osten ritten …
„Hallo, Herr Wirt, noch einen Becher Wein!“
Von Heinrich Lersch
Schmied, schmiede wacker das einige Schwert!
Arbeitsmann, schütz deinen heiligen Herd!
Arme und Reiche, ein Volk, ein Blut
Gegen die halbasiatische Flut!
Vater Reichspräsident, dir legt dein Land
Millionen Hände in deine eiserne Hand!
Auch der harte Werkmann harrt deiner Befehle
Zum Marsch gegen die Entgöttrer der Seele!
Paneuropa bricht auf gegen Stalins Barbaren!
Tragt die Demokratie bis Sibirien vor
Und zieht auf der Zwingburg der roten Zaren
Stresemanns Friedensstandarte empor!
Von Pfarrer Lic. D. Schettler
Hurra, Soldat, die Klinge saust!
Gott hat sie dir verliehen.
Das kalte Eisen in der Faust,
Sollst du vor Gott hinknien!
Den liebt der HERR, der mit Gebet
Auf rote Teufel pirschet!
Dein Gottesdienst, wenn’s Bajonett
In ihren Rippen knirschet!
Die Handgranate ins Geweid
Den roten Tempelschändern!
Des freuet sich die Christenheit
In allen Gottesländern.
So wird Europas Volk im Zorn
Sich neues Land erschließen.
Dann soll uns der Petroleumborn
Als Gottesgabe fließen.
Es geht durch die Welt ein. Geflüster.
Arbeiter, hörst du es nicht?
Das sind die Stimmen der Kriegsminister!
Arbeiter, hörst du es nicht?
Es flüstern Kohle- und Stahlproduzenten,
Es flüstern die chemischen Industrien,
Es flüstert von allen Kontinenten,
Aus London, aus Tokio, aus Berlin,
Aus Rom, aus New York, aus Budapest,
Aus Prag, aus Warschau, aus Bukarest.
Es flüstert Dollars, es flüstert Kanonen,
Es flüstert Panzerplatten und Gas,
Es flüstert Gewehre, es flüstert Patronen,
Es flüstert Kredite und Kriegsschulderlass.
Es flüstert die Stimme des Weltfaschismus:
Mobilmachung gegen den Bolschewismus!
Es rollen die Züge Nacht für Nacht!
Maschinengewehre für Polen!
Für Japan deutsche Gewehre 08,
Für Finnland Armeepistolen,
Schrapnells für die Tschechoslowakei,
Für Rumänien Gasgranaten –
Sie rollen von allen Seiten herbei
Gegen die roten Soldaten!
Arbeiter, horch, sie ziehen ins Feld!
Doch nicht für Nation und Rasse!
Das ist der Krieg der Herrscher der Welt
Gegen die Arbeiterklasse!
Denn der Krieg, der jetzt vor der Türe stellt,
Das ist der Krieg gegen dich, Prolet!
Arbeiter, Bauern, dann nehmt die Gewehre
Für das proletarische Vaterland!
Zerstampft die faschistischen Räuberheere,
Setzt alle Bruderherzen in Brand!
Pflanzt eure roten Fahnen des Sieges
Auf jede Schanze, auf jede Fabrik!
Dann blüht aus der Asche des letzten Krieges
Die sozialistische Weltrepublik!
Legionäre, Tommys und Poilus:
Was habt ihr zu erben, Soldaten?
Für wen marschiert ihr? Ist es so süß,
Für die Börsen in London, Berlin, Paris
Als Helden zu sterben, Soldaten?
Wenn ihr eines Tages nach Osten marschiert
Mit Klang und Gesang, Soldaten,
Wer weiß, ob ihr nicht den Mut verliert!
Denn der Weg, der euch zur Schlachtbank führt,
Der Weg ist lang, Soldaten!
Es stehen überall rote Armeen
In eurem Rücken, Soldaten!
Ihr mögt euch nach allen Seiten drehn:
Ihr werdet zwischen den Fronten stehn,
Die euch zerdrücken, Soldaten!
Es ist ein erbärmlicher Krieg, den ihr führt,
Gegen euresgleichen, Soldaten!
Wisst ihr noch nicht, für wen ihr krepiert?
Und wollt ihr, dass die Freiheit marschiert
Über eure Leichen, Soldaten?
Wollt ihr die traurigen Toten sein
Des letzten Krieges, Soldaten?
Armeen Europas, reiht euch ein,
Kameraden der roten Front zu sein –
Am Tag unsres Sieges, Soldaten!
Es war im März 1930. Die Hamburger Arbeiterschaft war zu Zehntausenden nach dem Ohlsdorfer Friedhof marschiert, wo die Feier für die Opfer der Revolution stattfand. Von einer Bank am Kapellenhügel sprachen Ernst Thälmann und ich. Tausende von Fahnen leuchteten in der Märzsonne. Zehntausende von gespannten Gesichtern schauten zum Hügel hinauf, als Thälmann sprach. Die Weiteststehenden konnten seine Stimme gar nicht mehr vernehmen; aber sie verstanden an seinen Gesten, was er sagte. Und sie hoben die Fäuste als Zustimmung.
Nach dieser Kundgebung sollten wir in einem Meeting in Altona sprechen. Da aber der Aufmarsch in Ohlsdorf zwei Stunden später geendet hatte, als vorgesehen war, so war die Altonaer Versammlung inzwischen geschlossen worden.
Wir hatten nun ein paar Stunden Zeit bis zur Abendversammlung. Ernst Thälmann, der Genosse Sch. und ich standen auf der Straße; und Thälmann sagte: „Wat mok wi nu?“
Ein Hitler oder Göring wären in einem solchen Falle wohl in ihren Luxuswagen zum Diner in die Villa irgendeines ihrer Geldgeber gefahren.
Ernst Thälmann sagte: „Kommt, Genossen, setzen wir uns hier in eine kleine Budike, wo wir ein bisschen diskutieren können!“
Wir gingen in die nächste Eckkneipe und bestellten drei Becher. Ernst sah sich aufmerksam im Lokal um, dann verzog er das Gesicht und sagte: „Hier is et muffig, hier verkehrt nix Gutes! Kommt!“
Wir gingen durch die kleinen Straßen. Endlich fanden wir ein kleines Lokal, das Ernst Thälmann gefiel. „Hier sitzen wir gut. Das ist ein solides Proletenlokal.“
Da es Sonntagnachmittag war, saßen wir fast allein im Gastzimmer. Nur selten kam ein Gast, der im Vorbeigehen an der Theke sein Glas Bier trank.
Meine Begegnungen mit Ernst Thälmann waren im Trubel der Versammlungskampagnen immer nur flüchtig gewesen. An diesem stillen Sonntagnachmittag saß mir nun nicht der ernste und arbeitsame Parteiführer gegenüber, sondern der vitale, liebenswerte und heitere Mensch. Er sprach fast nur Hamburger Platt und erzählte mit viel Humor, was die sozialdemokratische Presse ihm alles anzuhängen versuchte. Zu seiner Tochter hätte vor einigen Tagen eine Mitschülerin bedauernd gesagt: „Nun hast du ja keinen Vater mehr, deinen Teddybär haben sie ja gestern in die Heilanstalt geholt!“ Mit einer bösen Niedertracht hatten die Gegner versucht, Thälmann in den Augen der Hamburger Arbeiter herabzusetzen.
An der Wand des Gastzimmers entdeckten wir ein Bild. Es war ein Holzschnitt in der Art der Neunzigerjahre, auf welchem in einer Reihe von Abbildungen Rückkehr und Empfangsfeierlichkeiten der unter dem Sozialistengesetz Ausgewiesenen dargestellt waren. „Na“, sagte Ernst Thälmann, „so gemütlich würde das wohl das nächste Mal nicht wieder zugehen!“ Er betrachtete das Bild und meinte: „Das ist aber ein interessantes Dokument!“ Er rief die Wirtin und fragte sie, ob sie das Bild nicht verkaufen wolle. „Nein“, sagte die, „das ist ein sozialdemokratisches Verkehrslokal, und das Bild hängt schon bald vierzig Jahre hier.“
Mittlerweile waren einige Arbeiter an der Theke erschienen. Sie flüsterten miteinander. Zweifellos hatten sie Thälmann erkannt. Einer ging wieder hinaus und brachte nach kurzer Zeit ein Dutzend anderer mit. Aller Augen waren nun auf unseren Tisch gerichtet. Aber es war kein einziger feindseliger Blick wahrzunehmen. Die Hetze gegen Thälmann konnte bei den einfachen Proleten nicht verfangen. Wir hörten keine böse oder höhnende Bemerkung; ihre Unterhaltung hatte einen durchaus ernsten Charakter. Vielleicht stellten sie Vergleiche an: Hier sitzt der Kommunistenführer bescheiden im sozialdemokratischen Arbeiterlokal, ein Arbeiter unter Arbeitern! Kann man sich dagegen vorstellen, dass ein Wels einmal in einem Berliner Kommunistenlokal einkehrte?
Als wir das Lokal verließen, grüßten die Arbeiter ruhig und achtungsvoll. – Ich habe in den Jahren der Emigration, sooft ich an Ernst Thälmann dachte, auch an die sozialdemokratischen Arbeiter in der Altonaer Kneipe denken müssen. Vielleicht sitzen einige von ihnen auch heute noch da, in Flüsterunterhaltung; und einer von ihnen sagt: Hier in dieser Ecke hat auch mal unser Genosse Thälmann gesessen!
Dieselbe Lust: gehorchen wie befehlen!
Ein Machtanbeter hat im Zug der Zeit
Im Dunstkreis domestizierter Seelen
Zum Herrenmenschen sich hinauflakait.
So habt ihr die Sache euch ausgedacht:
Der Reichstag brennt. Ein Mann wird gefunden,
Mit rotem Parteibuch. Historische Stunden!
Bolschewistenumsturz verhindert! Gemacht!
Habt ihr gedacht.
Habt ihr gedacht!
Ihr habt erschossen und eingesperrt.
Doch zu viel Radau angestellt!
Es gab nur ein großes Pfeifkonzert
Rund um die Welt!