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Ein leidenschaftlicher Aufruf zur Solidarität und Menschlichkeit im Angesicht des Faschismus. Inmitten des Spanischen Bürgerkriegs kämpfte der deutsche Schriftsteller Erich Weinert nicht nur mit der Waffe, sondern auch mit dem Wort. Als Mitglied der Internationalen Brigaden begleitete er die Kämpfer an der Front und dokumentierte das Leben, Leiden und Hoffen der Freiheitskämpfer in bewegenden Reportagen, Gedichten und Szenen. Dieses Buch ist mehr als eine Sammlung literarischer Zeugnisse – es ist ein persönlicher Bericht aus einem Krieg, der zu einem Symbol wurde: für Widerstand, internationale Solidarität und den unerschütterlichen Glauben an eine bessere Welt. Ein erschütterndes und zugleich inspirierendes Zeitdokument – heute aktueller denn je.
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Seitenzahl: 292
Veröffentlichungsjahr: 2025
Erich Weinert
Camaradas
Ein Spanienbuch
ISBN 978-3-68912-513-4 (E–Book)
Erschienen 1951 im Verlag Volk und Welt Berlin.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
© 2025 EDITION digital®
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Dieses Buch handelt vom Krieg in Spanien, der von 1936 bis 1939 währte.
An diesem Krieg habe ich als Freiwilliger von 1937 bis zu seinem Ende teilgenommen.
Alle Beiträge, die dieses Buch enthält, habe ich in Spanien geschrieben. Das Buch hätte ursprünglich viel mehr enthalten und ein anderes Gesicht haben sollen. Auch wäre es schon 1939 fällig gewesen. Auf die Umstände, die meine ursprünglichen Absichten vereitelten, werde ich noch zurückkommen.
Für notwendig halte ich in erster Linie ein Wort der Aufklärung über den Charakter dieses Krieges. Bis heute herrscht darüber in weiten Kreisen noch die (von den Faschisten gewünschte und daher genährte) Vorstellung, dass die „Roten“ (womit man natürlich die Kommunisten meint) in Spanien 1936 einen revolutionären Putsch gemacht hätten, der dann von Franco niedergeschlagen worden wäre, wodurch der Eindruck entsteht, als sei dieser Inhaber der legitimen Macht und als seien die „Roten“ die staatsfeindlichen Rebellen gewesen.
In Wirklichkeit hatte sich die bei den Wahlen vom Februar 1936 geschlagene monarcho-klerikale Reaktion unter Francos Führung gegen die Republik gesammelt, nicht ohne vorher in geheimer Abrede sich der militärischen Unterstützung der verkommensten Mächte Europas, Hitler-Deutschlands und Mussolini-Italiens, versichert zu haben.
Franco versuchte, sich am 18. Juli 1936 an die Macht zu putschen. Aber die Überrumpelung des Volkes, wie sie einem Mussolini und einem Hiller gelungen war, gelang ihm nicht. Das spanische Volk nahm den Überfall des Volksfeindes nicht wie ein Schicksal hin, es griff zu den Waffen und lieferte den Faschisten blutige Schlachten. Zum Unterschied von Deutschland, das 1933 den Faschisten keine geeinigte Abwehrfront entgegenstellen konnte, trat hier die mächtige Kraft der demokratischen Einheit auf den Plan: Sozialisten, Kommunisten, Syndikalisten und Demokraten, die im Parlament die Mehrheit bildeten, schlossen ein brüderliches Kampfbündnis auf Leben und Tod.
Dass die Republik geschlagen werden konnte, nachdem sie sich zwei und ein halbes Jahr im leidenschaftlichen opfervollen Widerstand behauptet hatte, war weder Francos militärischer noch moralischer Kraft zuzuschreiben. Es war die massive militärische Unterstützung durch Hitler und Mussolini mit Truppen und schweren Waffen, denen die schlecht bewaffnete Republik nicht standhalten konnte.
Dass die Republik schlechter als ihre Feinde bewaffnet war und blieb, verdankte sie den heuchlerischen Regierungen der bürgerlichen Demokratie, die ihr den Kauf von Waffen verweigerten unter dem jesuitischen Vorwand, es handle sich da um einen Bürgerkrieg, und Lieferung von Waffen könnte als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates ausgelegt werden. Nein, das war kein Bürgerkrieg; in einem solchen hätte die Republik in wenigen Wochen gesiegt, es war ein Aggressionskrieg gegen die Republik, an dem die Faschisten offen, die bürgerlichen Demokratien heimlich teilnahmen. Was die kapitalistischen Länder zu dieser Haltung gegenüber Spanien bewog, liegt auf der Hand. Sie sahen in einem Spanien, in welchem der linke Flügel so stark war, dass mit der Enteignung der Großkapitalisten und der Aufteilung der Latifundien gerechnet werden musste, eine Gefahr. Denn eine Demokratie neuen Typus, deren erste Umrisse schon erkennbar wurden, trug sicher den Bolschewismus im Schoße. Dann schon lieber Faschismus!
Aber Spanien war nicht verlassen. An seiner Seite stand die Solidarität der Antifaschisten der ganzen Welt. Von allen Kontinenten strömten Freiwillige zu den Fahnen der Republik. Die meisten kamen aus faschistischen oder kryptofaschistischen Ländern, aus Italien, Deutschland, Österreich, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, China und anderen, die in der Heimat ein illegales Leben geführt oder in der Verbannung gelebt hatten. Hier gab es endlich eine Front, wo man dem Ungeheuer Faschismus nicht mehr mit papiernen Drohungen, sondern mit soliden Maschinengewehren zu Leibe rückte. Zu diesen Freiwilligen gesellten sich Männer und Frauen aus Frankreich, der Schweiz, England, Amerika, Skandinavien und Holland, dem Ruf der internationalen Solidarität folgend. Diese Tausende von Freiwilligen waren die Kerne der sogenannten Internationalen Brigaden, die bis zum Ende des Krieges neben ihren spanischen Brüdern kämpften und fielen.
Im Frühjahr 1937 hatten Willi Bredel und ich Gelegenheit, nach Spanien zu gelangen, wo der Internationale Kongress der Schriftsteller stattfinden sollte, zu dem wir neben anderen deutschen Schriftstellern delegiert waren. Einige von ihnen, wie Ludwig Renn, Hans Marchwitza, Bodo Uhse und Alfred Kantorowicz, waren bereits an der Front; Anna Seghers und Egon Erwin Kisch begegneten wir bei unserer Ankunft in Valencia.
Der Kongress war eine manifestante Kampfansage an den Weltfaschismus. Noch kein Schriftstellerkongress hat unter solchen Aspekten getagt. In Madrid donnerten die Geschütze der nahen Front in die Reden der Delegierten. Soldaten im Stahlhelm postierten sich mit den Fahnen der siegreichen internationalen Bataillone auf der Tribüne. Schriftsteller in Uniformen, von der Sonne der Front verblichen, traten ans Pult. Man brachte ihnen Ovationen dar.
Nach dem Kongress meldete ich mich beim Oberkommando der Internationalen Brigaden zum Dienst an der Front. Mit meiner Verwendung in einer militärischen Funktion war man dort nicht einverstanden; es gäbe für einen Schriftsteller genügend Kulturarbeit an der Front und im Hinterland, auch wäre es notwendig, dass über diesen Krieg Bücher geschrieben würden von Dichtern und Reportern, die gleichzeitig militante Antifaschisten seien und keine gesinnungslosen Schlachtenbummler wie die bürgerlichen Büchermacher. Der Kommandant, ein alter deutscher Genosse, hatte recht; es galt, diesen Schlachtenbummlern, die eine Plage aller Stäbe wurden, das Terrain streitig zu machen, auf dem sie bereits ihre bekannten antikommunistischen Gräuelschaubuden aufschlugen. Unsere Stimme war die der Wahrheit; wir mussten sie hören machen.
Ich erhielt die Qualifikation eines Mitarbeiters des Kriegskommissariats der Elften Brigade, die zu dieser Zeit, nach schweren, verlustreichen Kämpfen, bei Madrid in Ruhe lag. Als Kulturarbeiter hatte ich die Freiheit, mich überall umzusehen, wo ich es für meine Arbeit für dienlich hielt. Ich verbrachte die anderthalb Jahre bis zum Ende des Krieges teils an der Front, teils im Hinterland. Zwei Aufgaben hatte ich mir gesetzt: mich der täglichen Propagandaarbeit für Front und Hinterland zu widmen und dem großen Erlebnis dieses Freiheitskrieges dichterischen Ausdruck zu geben. Die propagandistische Tätigkeit bestand darin, unter den Kameraden den Geist der Solidarität und der Zuversicht lebendig zu erhalten. Ich schrieb Lieder und Gedichte, die zum Teil ins Spanische übersetzt wurden, und übersetzte Dichtungen aus dem Spanischen, Russischen, Französischen und Englischen, die in aller Welt über den Kampf in Spanien geschrieben worden waren, und bereicherte damit auch unsere deutsche Spanienliteratur. An der Front musste für Zeitungen geschrieben, mussten Wandzeitungen hergestellt, Bunte Abende mit der Bevölkerung veranstaltet werden. In den Lazarettorten und in den großen Zentren des Hinterlands wie in Barcelona und Valencia wurden Vorträge, Vorlesungen, Liederabende, Gedenkstunden vor deutschen und internationalen Kameraden abgehalten. Von den Sendern Madrid und Barcelona wurde nach Deutschland gesendet. Die ausländische Presse musste mit wahrheitsgetreuen Reportagen beliefert werden. Es gab viel zu tun.
Wir deutschen Schriftsteller hatten uns vorgenommen, dieser imposanten Erhebung eines Volkes gegen den Versuch seiner Wiederversklavung in geschichtsschreibender oder dichterischer Form Ausdruck zu geben. Wir diskutierten oft über die Frage: Kann man als Dichter oder Reporter über die Fülle der andrängenden Erscheinungen und Erlebnisse schreiben, wie etwa der Journalist Impressionen sammelt und sie reproduziert? Soll man das sich Ereignende täglich in der Form des Tagebuches aufzeichnen, also nur chronikmäßig registrieren? Oder soll man nicht lieber Rohmaterial sammeln und später, wenn der ganze Geschichtsabschnitt aus größerem Abstand überschaubar geworden ist und das tausendfache Nebensächliche sich nicht mehr aufdrängt, das Aufgezeichnete am ruhigen Schreibtisch ordnen? Das letztere schien sich uns am meisten zu empfehlen, zumal wir alle die Erfahrung gemacht hatten, dass die Unruhe des Front- und Quartierlebens die zum Schaffen notwendige innere Sammlung fast nie zulässt. Kisch klagte einmal darüber, dass hier jedes Erlebnis, das nach literarischer Gerinnung drängt, oft schon durch ein neues, stärkeres verdunkelt würde und man mit der Zeit statt ausgereifter Formen nur Torsi und Fragmente in der Hand habe. Von einem anderen Kameraden, ich glaube, es war Marchwitza, hörte ich einmal die resignierte Äußerung, dass alles Geschriebene doch nur ein blasses Abbild des Erlebten bedeute. Schließlich wurde die wichtige Frage aufgeworfen: Für welches Publikum schreiben wir eigentlich? Wer liest uns denn? Zu wem sprechen wir Deutsche wirklich? Unser Volk kann unsere Stimme nicht erreichen. Allenfalls lesen uns unsere Genossen, die im Exil leben. Die paar deutschen Emigrationszeitungen hatten keinen Wirkungsradius. Für deutsche Bücher gab es außerhalb Deutschlands nur einige Verlage. Wir trösteten uns damit, dass nach dem Sieg über den Faschismus in Spanien auch der Tag kommen müsse, wo unser Volk auch seine Henker verjagen werde. Dann würden wir im freien Deutschland von Spanien erzählen und von unseren tapferen Brüdern, die, vor Madrid verblutend, die Ehre unseres Volkes retteten. Aber die Geschichte ging einen unerwarteten Weg.
In den anderthalb Jahren meines Aufenthalts in Spanien habe ich nicht wenig geschrieben, vieles aufgezeichnet und gesammelt. Alles, was an Gedichten, Liedern, Erzählungen, Szenen, Reportagen, Übersetzungen und anderem mir druckwürdig schien, hatte ich bereits im Herbst 1938 zusammengestellt, um es als Buch bei einem deutschen Verleger in Barcelona, der sich einen guten Absatz davon versprach, unter dem Titel „Camaradas“ herauszubringen. Damals aber begannen die Druckereien wegen Mangels an Strom, Papier und Menschen schon auszusetzen. Außerdem trat der Krieg in eine kritische Phase, wo es um andere Dinge ging. Das Manuskript kam wieder in den Koffer, der sich schon mit Aufzeichnungen, Dokumenten, Ausschnitten, Entwürfen und Bildern gefüllt hatte.
Es kam die Zeit, wo die Soldaten der Internationalen Brigaden kaltgestellt wurden. Die Regierung Negrin hatte beim Nichteinmischungskomitee in London wegen der Einmischung Hitlers und Mussolinis Beschwerde geführt. Die Antwort war, dass das Komitee der Einmischung ein Ende setzen werde, aber auch der Einmischung durch die Teilnahme von Ausländern am Krieg auf der republikanischen Seite. So musste die Regierung uns demobilisieren, wodurch das Kräfteverhältnis der Kriegführenden für die Republik noch ungünstiger wurde. Dass Franco natürlich nicht daran dachte, die deutschen und italienischen Legionen zum Abzug zu nötigen, versteht sich am Rande.
Im Februar 1939 war der Krieg zu Ende. Nach Österreich und der Tschechoslowakei hatten die bürgerlichen Demokratien nun auch Spanien dem Faschismus ausgeliefert.
Unser Empfang in Frankreich fand nicht, wie wir es uns einst ausgemalt hatten, im großen Velodrome d’Hiver in Paris statt, sondern in einem Konzentrationslager an der Mittelmeerküste. Mein Manuskript- und Dokumentenkoffer wurde mir dort geraubt. Ich erzähle davon im letzten Kapitel dieses Buches. Dass die Beiträge, die es enthält, gerettet wurden, verdanke ich dem Umstand, dass ein Teil bereits ins Ausland verschickt und dort zum Teil in Zeitschriften veröffentlicht worden war und ein weiterer Teil sich in meinem Marschgepäck befand, das ich als Bündel unter dem Arm trug.
Alles Übrige ist verloren gegangen.
In Spanien hatte ich mir vorgenommen, mich, falls es mir gelänge, nach Moskau zurückzukehren, sofort an das projektierte Buch „Camaradas“ zu machen, das aber nur zu einem kleineren Teil Gedichte, Erzählungen und Reportagen, zu einem weit größeren aber alles, was in diesen Jahren in meinem Gesichtskreis sich ereignete, enthalten sollte. Dieser Teil sollte nichts als erzählen, aber nicht in der Art eines Tagebuches das Wahrgenommene in zeitlicher Folge schildern, vielmehr in der Form einer breiten dichterischen Darstellung, die den Leser dieses großartige und erregende Stück Geschichte miterleben lassen sollte. Was wäre da nicht alles zu erzählen gewesen vom Enthusiasmus eines erwachten Volkes, das sich für seine junge Freiheit schlägt, das verlernt hat, die Mütze vor Pfaffen und Granden zu ziehen, dessen Bauern sich eigenmächtig Streifen abschnitten vom Überfluss des Herrenlandes, damit ihre Kinder Brot haben. Wie vieles wäre zu erzählen gewesen vom neuen Leben, das mit neuen Liedern durch das Land geschritten kam, vom flammenden Hass gegen uralte grausame Ordnungen. An vielen Beispielen hätte ich zeigen mögen, wie schnell ein Volk reifen kann, wenn es sich seiner Kraft bewusst wird, wie mit kühnem Schritt es Epochen zu überschreiten vermag (ich denke an ein Stalinbild in einer armen Bauernstube über dem uralten tönernen Öllämpchen aus der Vorzeit). Ich hätte von jungen Soldaten und alten Bauern erzählen mögen, die am Tage kämpften und unter Feuer ihre Äcker bestellten und abends in den Klassen der Dorfschulen saßen, um lesen und schreiben zu lernen. Vom Heldentum der Soldaten der Volksarmee und ihrer internationalen Kameraden gab es unzählige Zeugnisse, die in eine solche Erzählung gehört hätten. Von der Tätigkeit unserer offenen und heimlichen Widersacher, von Hitleragenten, Trotzkisten und anderen Zersetzern in unseren Reihen hätte ausführlich berichtet werden müssen, belegt mit Protokollen und Dokumenten. Auch von großartigen Menschen, von Freunden und Genossen war viel zu erzählen. Ich denke an Begegnungen mit spanischen Dichtern, wie mit dem feurigen Rafael Alberti und seiner schönen Gefährtin Maria Teresa Leon, mit dem alten begeisterten Luis de Tapia, mit vielen jungen Dichtern und Musikern, die Kampflieder schufen. Vom Leben und Wirken meiner deutschen Kameraden hätte ich vieles zu berichten gehabt, von Ludwig Renn, dem mutigen Kommandeur, Vorbild an Kameradschaftlichkeit und Bescheidenheit, von Willi Bredel, dem tapferen Kommissar des Thälmann-Bataillons, der, am ersten Tage an der Front, ohne je einen Krieg aus der Nähe gesehen zu haben, an Stelle des neben ihm gefallenen Bataillonskommandeurs das Bataillon zum Sturm auf Quinto führte, von Hans Kahle, der bis zum letzten Tage des Krieges eine Division kommandierte, von Egon Erwin Kisch, der im Schneegestöber der Teruelschlacht durch die Trümmer kroch und Notizen aufzeichnete, von Hans Marchwitza, Eduard Claudius und Bodo Uhse, die im Feuer der Front ihre Erzählungen schrieben, von Alfred Kantorowicz, der an der Front und aus den Archiven mit dankenswertem Fleiß Material für eine künftige Geschichte der Internationalen Brigaden zusammentrug und bewahrte, von Franz Dahlem, der unermüdlich um die politische Moral der Genossen und um die Festigung der Einheitsfront besorgt war, von Ernst Busch, der nicht nur mit Liedern und Gedichten auftrat, sondern auch Schallplatten und Liederbücher unter großen technischen Schwierigkeiten herstellte und bei Veranstaltungen oft Dekorationen und Kulissen mit eigener Hand sägte und nagelte. Ich hätte von Begegnungen erzählen wollen mit deutschen Sozialdemokraten, mit denen wir hier zum ersten Male uns sachlich und kameradschaftlich auseinandersetzten; ich denke im besonderen an Erich Kuttner, der unsre Einheit mit Leidenschaft verfocht und uns beschwor, nach der Liquidierung des Faschismus nie wieder eine Spaltung der Arbeiterklasse zuzulassen. Von wie vielen anderen Begegnungen wäre nicht zu berichten gewesen!
Im Sommer 1939 saß ich wieder an meinem Schreibtisch in Moskau. Der Plan der großen Erzählung über den spanischen Krieg musste aufgegeben werden, da alle meine Aufzeichnungen, Entwürfe und Dokumente verloren waren. Es blieb also nichts übrig, als aus dem, was noch da war an Gedichten, Erzählungen, Szenen und Reportagen, einen Sammelband zusammenzustellen. Nun aber drängte sich die Frage wieder auf: für welche Leser? Ein solches Buch, in Moskau deutsch erscheinend, erreichte nur deutschlesende Sowjetleser und bestenfalls ein paar Deutsche in der westlichen Emigration. An die Deutschen in Deutschland konnte es ja nicht gelangen.
Über all diesen Erwägungen brach der zweite Weltkrieg aus. Hitlers Kolonnen stampften durch Europa. Vor dieser kontinentalen Apokalypse schrumpfte der spanische Krieg zu einem Lokalereignis zusammen.
Der Plan zu einem Spanienbuch wurde fallengelassen. Ich hatte ihn auch nicht wiederaufgenommen, weil die Welt, besonders seit dem Einbruch Hitlers in die Sowjetunion, andere Dinge bewegten als der fast schon vergessene kleine spanische Krieg. Auch beschäftigten mich wichtigere Aufgaben.
Heute rückt Spanien wieder in unser Blickfeld. Die neuen Kriegsmacher, die es heute umwerben, sind die alten „Nichteinmischer“, die seinerzeit den Sieg des Faschismus an diesem Ende Europas brauchten und zu ihm verhalfen. Deshalb gewinnt auch die Geschichte Spaniens in den Jahren 1936 bis 1939 wieder an Bedeutung. Heute, wo der Weltfaschismus zu neuem Schlage ausholt, sollten wir uns der mächtigen Kraft erinnern, die im spanischen Krieg ihre Feuerprobe bestanden hat: der Solidarität der Völker. So brauchen gerade wir Deutsche heute den Geist der kämpferischen Einheit gegen die Mächte des Krieges und des Faschismus. Und diesen Geist lebendig zu machen, soll auch dieses Buch mit beitragen.
Berlin, März 1951
Erich Weinert
1936
Musik von Espinosa und Palacio
Wir, im fernen Vaterland geboren,
Nahmen nichts als Hass im Herzen mit.
Doch wir haben die Heimat nicht verloren,
Unsere Heimat ist heute vor Madrid.
Spaniens Brüder stehn auf der Barrikade.
Unsre Brüder sind Bauer und Prolet.
Vorwärts, Internationale Brigade!
Hoch die Fahne der Solidarität!
Spaniens Freiheit heißt jetzt unsre Ehre.
Unser Herz ist international.
Jagt zum Teufel die Fremdenlegionäre!
Jagt ins Meer den Banditengeneral!
Träumte schon in Madrid sich zur Parade.
Doch wir waren schon da; er kam zu spät.
Vorwärts, Internationale Brigade!
Hoch die Fahne der Solidarität!
Mit Gewehren, Bomben und Granaten
Wird das Ungeziefer ausgebrannt.
Frei das Land von Banditen und Piraten,
Brüder Spaniens, denn euch gehört das Land!
Dem Faschistengesindel keine Gnade,
Keine Gnade dem Hund, der uns verrät!
Vorwärts, Internationale Brigade!
Hoch die Fahne der Solidarität!
1937
Nach einem Volkslied
Aus dem Spanischen
Wir sind es satt, noch die Ketten zu tragen,
Noch ohne Recht und erniedrigt zu sein.
Doch es wird niemand die Ketten zerschlagen,
Wenn wir uns selbst nicht entschlossen befrein.
Die uns Tod und Verzweiflung geschaffen,
Die wurden satt und reich von unsrer Not.
Erhebt euch, Söhne des Volks, mit den Waffen!
Für unsre Freiheit, für Recht und Brot!
Die Fahne glüht,
Die Schlacht begann.
Söhne des Volkes, zum Sturm voran!
Die Stunde schlug
Der neuen Zeit.
Söhne des Volkes, die Gewehre bereit!
Reicht her die Hand
zur Brüderschaft!
Hammer und Sichel sind unsre Kraft.
Kühn sei das Herz!
Stark sei die Hand!
Denn wir erobern ein Vaterland.
Wie glüht das Herz uns vom Gruß der Genossen!
Mit uns im Kampf sind die Brüder der Welt.
Haltet zusammen! Der Sieg ist beschlossen.
Schlagen den Feind wir im offenen Feld!
Lasst ihn feuern aus tausend Kanonen!
Noch einmal bluten wir, doch nicht für den.
Denn heute schlägt ihn die Kraft der Millionen.
Der Freiheit Fahne soll ewig stehn!
Die Fahne glüht,
Die Schlacht begann.
Söhne des Volkes, zum Sturm voran!
Die Stunde schlug
Der neuen Zeit.
Söhne des Volkes, die Gewehre bereit!
Reicht her die Hand
zur Brüderschaft!
Hammer und Sichel sind unsre Kraft
Kühn sei das Herz!
Stark sei die Hand!
Denn wir erobern ein Vaterland.
1937
Nach Herrera Petere
(Lied)
Aus dem Spanischen
Zur Attacke, Bataillone!
Zur Attacke, du stählern Regiment!
Brich wie ein Wind von den Bergen herab
Mit Kanonen, Gewehren, Granaten!
Zur Attacke, Kameraden!
Seid die Flamme, worin der Feind verbrennt!
Denn von den siegreichen Fahnen umwallt,
Stürmt vor das Fünfte Regiment.
Zur Attacke! Vor zum Siege!
Jede Kugel sei der Bedrücker Tod.
Zeigt den verschwornen Vernichtern der Welt,
Was es heißt, für die Freiheit zu kämpfen!
Zur Attacke, Bajonette!
Seid ein Heer, das das Wort zurück nicht kennt!
Vorwärts zum Sieg! sei das eiserne Wort
Fürs ganze Fünfte Regiment!
Zur Attacke, Kameraden!
Nehmt Fabriken und Land in eure Hand!
Hinter dem Krieg steht des Friedens Gestalt,
Neue Saat in die Erde zu pflanzen.
Volk in Waffen, stolze Garde,
Sprengt die Schanze, die vom Frieden uns trennt!
Vorwärts! der Ruf durch die Straßen erschallt.
Hoch unser Fünftes Regiment!
1937
Nach Rafael Alberti
Aus dem Spanischen
Vorwärts!
Rief er mit der letzten Stimme,
Als getroffen fiel Hans Beimler.
Und es hörten alle Spanier,
Und es hörten seine Deutschen
Und Franzosen, Italiener,
Und es hört Madrid, der Himmel,
Und es hört die heiße Kugel,
Die ihm durch sein Herz geschlagen –
Vorwärts!
Und er stürzte auf die Erde,
Auf Kastiliens freie Erde,
Der aus fremdem Land gekommen,
Hier sein Herzblut zu vergießen –
Vorwärts!
Ja, dass sie es drüben hören,
dass es Kerkerdeutschland höre
Und die Henker, die das scharfe
Beil in alle Nacken schlugen,
Die sich nicht vor ihnen beugten –
Vorwärts!
Töne, brause, schreie, brülle,
Pfeif heraus wie eine Kugel
Über Erd und Meer und Himmel
Zu den Sternen, zu den Weiten,
Donnre, ruf dein Sturmgeläute:
Vorwärts!
Donnre, bis du wieder tönest
In den Herzen, aus den Herzen,
Bis die Welt von ihm erfüllt ist!
Vorwärts!
Und Madrid, den Ruf vernommen,
Wird ihn rufen aus Gewehren,
Bis die Läufe heiß vom Rufen.
Vorwärts!
Pfeift der Zug durch Spaniens Felder.
Und es grüßen ihn die Dörfer,
Und es grüßen ihn die Städte;
Aus den Gärten, aus den Hainen
Grüßt es, mit umkränzten Fahnen
Grüßt Valencia den Toten:
Vorwärts!
Und das Grab Hans Beimlers grüßen
Brandend Kataloniens Wässer,
Seine Reben und Oliven.
Auf den Plätzen Barcelonas
Weht sein Ruf wie eine Fahne:
Vorwärts!
1937
Nach E. Polonskaja
(Lied)
Aus dem Russischen
Es ruft uns die Heimat. Die Waffen zur Hand!
Dem Volk und der Freiheit ergeben!
Drum vorwärts, und schlagt uns den Feind aus dem Land!
Und Spanien wird frei sein und leben.
Es steht in Granada der schwarze Bandit.
Von Toten ist voll die Arena.
„Wer fährt in die Nacht, in des Feindes Gebiet?“
Die erste ist Lina Odena.
„Kommt mit noch ihr beiden! Wir fahren zu dritt.“
Das Auto schleicht an durch die Hecken.
Noch nichts ist zu hören. Sie fahren im Schritt.
Wo mag der Bandit sich verstecken?
Es hämmern die Herzen. Was rührt sich da vorn?
Da bricht aus der Nacht ein Geknalle.
„Gebt Feuer!“, ruft Lina. „Den Graben aufs Korn!
Genossen, wir sind in der Falle!“
„Komm runter, mein Liebchen! Die beiden sind tot.“
Schon fühlt sie am Leib seine Tatze.
Da flammt ihr vor Augen ein wütendes Rot.
Sie schießt ihm den Schuss in die Fratze.
„Mich habt ihr. Doch habt ihr mein Spanien noch nicht.
Und Spanien wird laut nach mir fragen.
Es fordert euch einst vor des Volkes Gericht,
Weil ihr seine Tochter erschlagen.
Ihr wollt mich lebendig. Das wär euch ein Scherz.
Ich sterb nicht in eurer Arena.
Es lebe die Freiheit!“ Sie schoss sich ins Herz.
So starb unsre Lina Odena.
Es ruft uns die Freiheit. Die Waffen zur Hand!
Dem Volk und der Freiheit ergeben!
Drum vorwärts, und schlagt uns den Feind aus dem Land!
Und Spanien wird frei sein und leben.
Nach Luis de Tapia
Aus dem Spanischen
O Sowjetfrauen,
Aus Leningrad, Odessa, Samarkand,
Aus allen Gauen,
Ich grüß euch heiß, ich küsse eure Hand.
Ihr wendet nach dem blutgen Westen
All euer mütterlich Gesicht.
Ihr habt die Liebe unsrer Besten.
Und diese Liebe hat Gewicht.
O Sowjetfrauen,
Ihr habt uns euer Herz gebracht.
Von Menschengüte und Vertrauen
Zeugt eurer „Newa“ reiche Fracht.
Das Traumgesicht der Zeit
Gewinnt Gestalt.
Hier spricht der Menschenheit
Zusammenhalt!
Wie weit kam über Land und Meer,
Wie weit kam eure Liebe her
Und legt wie segnend ihre Hand
Auf unsrer Söhne Hände
Und teilt die große Spende,
Den Gruß vom Sowjetvaterland.
O Sowjetfrauen,
Wie eurer Freiheit Blick erhellt
Die Dunkelheit entmenschter Welt
In Gram und Grauen!
Ihr schickt nicht Pflästerchen,
Um Schmerz zu lindern,
Wie fromme Schwesterchen
Den armen Kindern.
Ihr steht mit unsrem Volk im Feld,
Denn ihr seid selbst geboren im Gewitter.
Ihr gabt für eine Bruderwelt,
Ihr, aller Freiheit Frauen, Schwestern, Mütter!
O Sowjetfrauen,
Empfangt die dankbar heißen Tränen
Und Gegenliebe und Vertrauen!
Und gehn auf eurer „Newa“ die Sirenen,
Dann steht das Volk am Hafen dicht.
Dann lässt das Schwarze Meer uns grüßen.
Wer hat das jemals schwarz gehießen,
Das doch so hell und voll von Licht!
1937
Nach Luis de Tapia
Musik von Carlos Palacio
Aus dem Spanischen
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
In hartem Ringen
Den Sieg zu erzwingen
Für Freiheit und Brot.
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
Wir sind die Stahlbataillone,
Wir tragen die Fahne voran,
Zum Sieg voran.
Unter dem Schlag der Granaten
Haben die Front wir geschlossen:
Bauern, Proleten, Soldaten,
Nur noch ein Volk von Genossen,
Einig gegen Not und Tod!
Einig gegen Not und Tod!
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
In hartem Ringen
Den Sieg zu erzwingen
Für Freiheit und Brot.
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
Wir sind die Stahlbataillone,
Wir tragen die Fahne voran,
Zum Sieg voran.
Stahl ist der Mut der Soldaten.
Es gilt die Heimat zu retten!
Falln wir im Sturm der Granaten,
Ledig der Plagen und Ketten
Sollen unsre Kinder sein!
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
Von schwarzen Räubern
Die Heimat zu säubern
Ist heilges Gebot!
Wir sind die Stahlbataillone
Und ziehn mit Gesang zum Kampf.
Wir sind die Stahlbataillone,
Wir tragen die Fahne voran,
Zum Sieg voran.
1937
Kein Deutscher hat die Schande je vergessen,
Und auch in hundertfünfzig Jahren nie,
Wie einst für bares Geld ein Fürst von Hessen
Die Söhne seines Volks verkauft wie Vieh
An fremden General als Söldnerbande
Gegen den Freiheitskampf Amerikas.
Sie starben draußen auf dem Feld der Schande,
Indes ihr Fürst den Bluterlös verfraß.
Die Schande wiederholt sich! Deutschland, höre,
Wie du vor aller Welt erniedrigt wirst!
Es handeln heut die braunen Bankrotteure
Mit deinen Söhnen wie der Hessenfürst.
Sie stellen für ein Stück von Francos Beute
Den Mördern eure Söhne zum Verkauf.
Im eignen Lande kriegt er keine Leute;
Drum kauft er Menschen beim Komplizen auf.
Ist das das viel gerühmte Feld der Ehre,
Ihr Mütter, wo man eure Söhne jetzt
In fernem Land als Fremdenlegionäre
Verkauft und gegen freie Völker hetzt?
Wo man sie schwören lässt auf Mörderfahnen,
In deren Zeichen Brand und Plündrung stehen,
Wo mit verkommnen Strolchen und Kumpanen
Sie ehrlos und vergessen untergehn?
O nein, das wagen sie nicht anzukleben.
Die Wahrheit wär für sie das größte Gift.
Drum werden die zehntausend jungen Leben
Bei Nacht und Nebel heimlich eingeschifft.
Nie, wirst du, Mutter, eine Nachricht haben.
Dein Kind kam um. Du weißt nicht, wo, für wen?
Fürs Dritte Reich verkauft, krepiert, vergraben.
Auf keinem Denkmal wird sein Name stehn.
Wer zahlt die Bomber, Panzer und Pistolen,
Wer zahlt den ganzen exportierten Tod?
Bei Krupp und Thyssen dürfen sie’s nicht holen.
Euch stehlen sie dafür vom Tisch das Brot.
Ihr zahlt mit Hunger, zahlt mit eurem Blute
Den Tod, den Hitler zu den Spaniern trägt.
Er hasst dies Volk, das sich mit heißem Mute
Für seine Freiheit, seine Ehre schlägt.
Sein Hass ist Angst. Er weiß: wenn dort den Reichen
Das Volk aus ihren Klauen reißt die Macht,
Dann wird der Freiheit Spaniens Feuerzeichen
Auch Feuer zünden in der deutschen Nacht.
Ihr seht: Nicht unbesiegbar sind die Schinder.
Ein einiges Volk zerreißt ihr Privileg.
Deutschland, es geht ums Leben deiner Kinder!
Deutschland, erwache! Spanien zeigt den Weg.
1937
Maria sitzt auf dem Stein,
Maria, bist du allein?
Komm doch in meinen Garten zu mir!
Wo ist die Tür?
Ach, such sie dir!
Die Kinder singen und springen im Kreis.
Sie freuen sich ihres heitren Geschreis.
Maria sitzt auf dem Stein allein.
Sie kann nicht mit tanzen, sie hat nur ein Bein.
Ihr ganzes Beinchen hüpft mit im Schritt,
Da hüpft auch das halbe Beinchen mit.
Der kleine Pedro geht tastend im Kreis.
Er langt nach Gesichtern, behutsam und leis.
Er tastet mit offenen Augen umher,
Denn Pedro hat keine Augen mehr.
Maria sitzt auf dem Stein.
Maria, bist du allein?
Komm doch in meinen Garten zu mir!
Wo ist die Tür?
Ach, such sie dir!
Und wie es zu dunkeln begonnen hat,
Da heult und donnert es über der Stadt.
Der Kinder Augen sind schreckensgroß.
Sie lassen die heißen Händchen los.
Maria zittert auf einem Bein.
Der blinde Pedro wird blass und klein.
Doch als der letzte Donner verscholl,
War wieder die Straße von Kindern voll.
Und wo auch der Tod seinen Hammer schwingt,
Das unbesiegbare Leben singt:
Maria sitzt auf dem Stein.
Maria, bist du allein?
Komm doch in meinen Garten zu mir!
Wo ist die Tür?
Ach, such sie dir!
30
1937
Nach deinem Madrider Revolutionslied
Aus dem Spanischen
Reißt an den Masten hoch die Fahne,
dass flammend sie die Wolken leckt,
dass sie das Volk zum Angriff mahne
Und ihr Triumph die Feinde schreckt!
Vertreibt den Stank verwester Lüge!
Das Brot ist euer, esst euch satt!
Ein Volk, das Freiheit hat,
Hat Glück und Frieden zur Genüge.
Die Einheit bringt den Sieg.
Sie mögen schrein und drohn.
Es bringt uns Brot und gleiches Recht
Die Revolution.
Mag der Bourgeois die Schnauze spitzen
Für Vaterland und Religion,
Wir haben nicht mehr Lust, zu schwitzen
Für großes Wort und kleinen Lohn.
Die uns Jahrhunderte misshandelt,
Jetzt naht die Stunde ihres Falls.
Jetzt geht’s an ihren Hals!
Denn jetzt hat sich die Welt verwandelt.
Die Einheit bringt den Sieg.
Sie mögen schrein und drohn.
Es bringt uns Brot und gleiches Recht
Die Revolution.
Uns in der Demut Joch zu zwingen,
Des sind wir aller Zeiten satt.
Der Zug, mit dem wir sie bedrängen,
Setzt der Tyrannen Spiel auf Matt.
Aus unsrem Blut sind die Peseten,
Die das Gesetz den Reichen schenkt,
Der uns bestiehlt und henkt.
Drum lasst uns dies Gesetz zertreten!
Die Einheit bringt den Sieg.
Sie mögen schrein und drohn.
Es bringt uns Brot und gleiches Recht
Die Revolution.
Um alles geht’s in unserm Kriege.
Drum nehmt das Pack nicht mehr in Kauf,
Und bindet nicht nach halbem Siege
Schon Freiheitsblüten an den Lauf!
Lasst von Betrug euch nicht verleiten!
Räumt die Faschisten aus dem Weg!
Der Schinder Privileg
Sei abgeschafft für alle Zeiten!
Die Einheit bringt den Sieg.
Sie mögen schrein und drohn.
Es bringt uns Brot und gleiches Recht
Die Revolution.
1937
Es war kurz vor Mitternacht. Ein milder Sommerwind kam von den Bergen des Eskorial hernieder. Vier Kameraden saßen noch am Abhang, der von der Carretera nach Torreladones tief ins Tal abschießt: Ewald, der Deutsche, Jan, der Holländer, Daniel, der Tscheche, und Perez, der Katalane.
So leise und ruhevoll, wie die Nacht war, sprachen sie miteinander über ihre Heimaten, über Väter und Mütter, über Brüder, Frauen und Kinder.
Der Holländer erzählte von seinem Vater, der zeitlebens ein kleiner kummervoller Zolleinnehmer geblieben war. Aber dessen Bruder, sein Onkel, hatte es zu was gebracht, der habe wohl tausend Hektar Plantagen in Soerabaya.
„Ja“, sagte der Tscheche, „man kann aus derselben Familie kommen; und die einen werden was, und die andern werden nichts. Und die was geworden sind, die wollen dann von ihrer ärmlichen Herkunft nichts mehr wissen. Und die nichts geworden sind …“
„Warum sind die nichts geworden?“, fragte der Deutsche. „Weil sie den traurigen Mut nicht aufgebracht haben, andere für sich arbeiten zu lassen. Das ist alles.“
Der Katalane, dem der Tscheche das Gespräch übersetzte, sagte: „Aber wie kann denn jemand, der selbst ein Ausgebeuteter war, sich nicht schämen, andere auszubeuten?“
„Ihr dürft nicht vergessen“, sagte Ewald, „dass unser Bewusstsein doch immer von der Umwelt abhängt, in der wir leben.“
Der Holländer lachte freundlich. „Du siehst die Sache immer gleich so wissenschaftlich-theoretisch. In Wirklichkeit ist die Sache doch so: Wer einmal das Elend kennengelernt hat, der kann niemals ein richtiger Ausbeuter werden.“
„Was ist das für ein Unsinn!“, rief Ewald. „Nicht auf die Herkunft kommt es an, sondern wie weit das soziale Gewissen ist. Herzensträgheit, Habgier, Ehrgeiz und Dummheit spielen hier eine große Rolle. War der Bruder deines Vaters nicht Prolet, Jan? Und ist er nicht trotzdem Plantagenbesitzer geworden?“
„Schon richtig“, sagte Jan, „aber sieh mal, das ist eine Ausnahme. Mein Onkel hat Glück gehabt. Natürlich war er seiner Herkunft nach Prolet. Aber der Chef der Kompanie hat ihn zum Verwalter gemacht, weil der Junge clever war. Und als der Chef dann drüben am Fieber einging, hat er ihm in einem Legat vermacht, dass ihm ein Zehntel des ganzen Areals gehöre. Aus Dankbarkeit.“
„Woher kam denn die Dankbarkeit?“, fragte der Katalane, dem der Tscheche das Gespräch übersetzt hatte. „Er muss doch etwas getan haben, was seinem Herrn gefiel oder was ihm Vorteil brachte.“
„Keine Frage“, sagte Jan. „Natürlich hat er im Sinn seines Chefs gearbeitet.“
„Also ausgebeutet!“
„Wie du willst.“
„Also kann ein Ausgebeuteter doch zum Ausbeuter werden oder wenigstens zum Gehilfen des Ausbeuters.“
„Zweifellos.“
„Nun also“, sagte Daniel, „das wollt ich bloß wissen. Ich glaube nämlich, dass es falsch ist, wenn wir immer meinen, dass ein Prolet immer nur proletarisch-solidarisch fühlen könne.“
„Die Frage ist völlig berechtigt“, sagte Ewald. „Klassenbewusstsein kommt doch nicht einfach von selbst aus der Erkenntnis der Zugehörigkeit zu einer Klasse. Und auch nicht aus der bloßen Unzufriedenheit. Dazu gehört vor allen Dingen, dass man sich klar wird darüber, warum es Klassen gibt, und dass es die höchste Verpflichtung einschließt, gegen diese sogenannte gottgewollte Ungerechtigkeit den Kampf aufzunehmen.“
Jan lachte wieder. „Ewald, du sprichst immer wie ein Lehrbuch. Aber im Grunde hast du recht. Auf dieses Bewusstsein nämlich kommt es an.“
Der Katalane, der von Daniel über das Gespräch auf dem Laufenden gehalten wurde, erzählte: „Natürlich hat er recht. Mein Vater zum Beispiel war ein Besitzer. Ich bin gar nicht proletarischer Herkunft. Aber, ich habe schon als Kind den Jammer unserer armen Bauern nicht mit ansehen können. Und ich habe meinen Vater gehasst, weil das ganze Dorf ihn hasste. Meinen Vater haben sie damals im Juli gleich am ersten Tag erschlagen. Mit Recht. Er war ein Menschenschinder. Und der Deutsche hat ganz recht: Es kommt darauf an, welches Bewusstsein man hat.“
Als sie so sprachen, wurde es über dem Nachthimmel im Norden plötzlich hell. Über den dünnen Dunst strichen die Scheinwerferhände. Man hörte das Gesumm von Propellern. Ferne begannen die Abwehrbatterien zu blaffen.
„Flieger!“, rief der Katalane und sprang auf. „Da oben ist eben einer ins Licht gekommen.“
Alle standen sie jetzt und schauten gespannt hin. Der Flieger kam ein zweites Mal ins Licht; der Scheinwerfer ließ nicht von ihm. Er voltigierte; aber der Scheinwerfer ging mit. Die weißen Bälle der Himmelsgranaten standen dicht um ihn herum. Plötzlich schoss vom Flugzeug ein quirlender Feuerstrahl auf. Es wirbelte brennend, einen Strich glühenden Qualms hinterlassend, in die Tiefe. Aber dort oben, wo noch die Scheinwerfer hinlangten, ging ein Fallschirm hernieder, vom Wind langsam nach Süden getrieben.
Die vier verfolgten aufgeregt das Schauspiel.
Dann wurde es wieder Nacht und still.
Ein Jagdflieger brauste dicht über die Chaussee hin und verbrummte in der nächtlichen Ferne.
Die vier gingen in ihre Quartiere.
„Hoffentlich ist der Kerl hinter unsre Linien gefallen!“, sagte der Deutsche. „Wäre große Scheiße, wenn er wieder durch die Front käme! Ihr wisst ja, hier in den Bergen ist leicht durchzukommen. Man hätte direkt hinlaufen sollen, wo der gelandet ist.“
„Das waren aber doch zwei bis drei Kilometer“, sagte Daniel. „Unsere werden ihn schon gesehen haben. Den haben sie geschnappt.“
„Sag mal“, fragte Ewald nach einer Weile, als sie sich schon auf die Strohsäcke geworfen hatten, Jan, „was hättest du mit so einem Strolch gemacht, wenn der mit seinem Fallschirm dir direkt vor die Nase gefallen wäre?“
Der Holländer antwortete nicht gleich. Er musste sich wahrscheinlich erst einmal vorstellen, welche Gefühle das sind, die einen in so unvorhergesehenem Fall ankommen können.
Daniel sagte: „Das ist natürlich eine seltsame Sache. Da stehst du plötzlich in der schwarzen Nacht einem Faschisten gegenüber. Die ganze Welt ist auf einmal um dich verschollen. Nur die beiden Weltfeinde, zu zwei Personen zusammengeschrumpft, stehen da. Vielleicht ziehen beide ihre Pistolen. Und dann wird ein nächtliches Duell daraus. Also das Beste ist schon für unsereinen, gleich schießen, eh der sich vom Fallschirm losmachen kann.“
„Siehst du, das hatte ich mir grade überlegt“, sagte Jan, „und deshalb konnte ich auch nicht gleich antworten. Ich hätte nicht gleich geschossen. Denn schließlich führen wir ja beide hier keinen Privatkrieg. Ich hätte mir den Kerl viel lieber angeschaut und mit ihm gesprochen, wie der blöde Teufel dazu kommt, hier herumzubomben. Vielleicht kann man den sogar aufklären. Warum soll man aus einem solchen Landsknecht nicht sogar einen Antifaschisten machen können?“
Ewald stieß heraus: „Das sind wieder so lächerliche Sentimentalitäten! Wären wir Deutschen nicht so sentimental gewesen, kein Faschist wäre in Deutschland groß geworden.“
„Aber das muss nicht Sentimentalität sein“, unterbrach Daniel. „Was der Holländer sagt, ist richtig. Kann der Prolet auf der anderen Seite nicht ein armes irregeführtes Schwein sein? Kann man den nicht gewinnen? Muss man den gleich abschießen?“
„Du weißt ja selbst“, sagte der Deutsche, „dass wir noch keinen Proleten erschossen haben, der uns in die Hände fiel. Wir haben uns doch immer viel Mühe gegeben, anständige Kerle aus diesen Menschen zu machen. Aber wenn ich mir vorstelle, so ein Schuft hat eben über einem armseligen Nest seine Bomben abgeschmissen, und da liegen unter dem Schutt die armen Frauen und Kinder, wie könnt ich in solchem Augenblick noch lange Betrachtungen über Humanität anstellen! Ich weiß nicht, was ich mit so einem Schinder anfinge.“
Er brüllte so laut und aufgeregt, dass ein paar Kumpels aus dem Schlaf auffuhren und riefen, er solle nicht solchen Krach machen. Zu Diskussionen wäre am Tage Zeit.
Nun sprachen nur noch der Deutsche und der Holländer miteinander; flüsternd, denn sie lagen auf derselben Matratze.
Sie kamen nicht ins Reine. Die Müdigkeit nahm ihnen das Gespräch weg.