Weihnachten auf Tedoleranisch - Nova Edwins - E-Book + Hörbuch

Weihnachten auf Tedoleranisch E-Book und Hörbuch

Nova Edwins

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Beschreibung

Vier weihnachtliche Geschichten in einem Band Kurz bin ich mir sicher, den Verstand verloren zu haben, denn mir ist durchaus klar, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Was es allerdings ganz offensichtlich gibt, sind riesige Aliens mit roter Haut und schneeweißen Haaren … Enthält: Ein Alien zu Weihnachten Ein Alien im Kamin Ein Alien im Schneegestöber Ein Alien unterm Tannenbaum Dark Sci-Fi Romance. Weihnachtlicher Inhalt. Definitiv übertrieben und nicht realistisch. Lichterketten, Zuckerstangen und Happy Ends.

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Seitenzahl: 307

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Zeit:7 Std. 19 min

Sprecher:Irina Bell

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WEIHNACHTEN AUF TEDOLERANISCH

SAMMELBAND

NOVA EDWINS

DARK SCI-FI ROMANCE

INHALT

Weihnachten auf Tedoleranisch

I. Ein Alien zu Weihnachten

Ein Alien zu Weihnachten

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Weiche Ingwer-Plätzchen

II. Ein Alien im Kamin

Ein Alien im Kamin

Prolog

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Schneetaler

III. Ein Alien im Schneegestöber

Ein Alien im Schneegestöber

Prolog

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Zimtrollenkekse

IV. Ein Alien unterm Tannenbaum

Ein Alien unterm Tannenbaum

Prolog

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Schokoladen-Minz-Plätzchen

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Über Nova Edwins

Copyright: Nova Edwins, 2020, Deutschland.

Sammelausgabe: Nova Edwins, 2023, Deutschland

Covergestaltung: Nova Edwins

Korrektur: http://www.korrekturservice-bingel.de

ISBN: 978-3-910412-31-6

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

WEIHNACHTEN AUF TEDOLERANISCH

Vier weihnachtliche Geschichten in einem Band

Kurz bin ich mir sicher, den Verstand verloren zu haben, denn mir ist durchaus klar, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Was es allerdings ganz offensichtlich gibt, sind riesige Aliens mit roter Haut und schneeweißen Haaren …

Enthält:

Ein Alien zu Weihnachten

Ein Alien im Kamin

Ein Alien im Schneegestöber

Ein Alien unterm Tannenbaum

Dark Sci-Fi Romance. Weihnachtlicher Inhalt. Definitiv übertrieben und nicht realistisch. Lichterketten, Zuckerstangen und Happy Ends.

TEIL1

EIN ALIEN ZU WEIHNACHTEN

EIN ALIEN ZU WEIHNACHTEN

Eigentlich wollte ich Weihnachten in Ruhe mit meinen besten Freundinnen in einer Hütte feiern, die wir über die Feiertage gemietet haben – mitten in der verschneiten Wildnis von Colorado.

Doch stattdessen schaffe ich es, kopfüber einen Berg hinunterzustürzen und vor dem Weihnachtsmann zu landen. Kurz bin ich mir sicher, den Verstand verloren zu haben, denn mir ist durchaus klar, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Was es allerdings ganz eindeutig gibt, sind riesige Aliens mit roter Haut und schneeweißen Haaren. Da wird man sich auf den ersten Blick ja wohl irren dürfen …

Dark Sci-Fi Romance. Weihnachtlicher Inhalt. Definitiv übertrieben und nicht realistisch. Lichterketten, Zuckerstangen und Happy Ends.

Empfohlene Reihenfolge bitte unbedingt einhalten.

Band 1: Ein Alien zu Weihnachten

Band 2: Ein Alien im Kamin

Band 3: Ein Alien im Schneegestöber

Band 4: Ein Alien unterm Tannenbaum

1

DASHAR

»Das ist doof«, knurrte Pranzor und verschränkte die Arme. »All das hier ist absolut doof.« Er schnaufte und schüttelte den Kopf, sodass sein weißes Haar herumflog und ihn noch angepisster wirken ließ.

»Versuch wenigstens, es positiv zu sehen«, bat ich und hob das Backblech. »Kekse?«

Auf seiner Wange zuckte ein Muskel und ich ahnte, dass er kurz davor war, mir das Blech direkt aus der Hand zu schlagen.

»Nein. Ich will keine Kekse. Ich will zurück nach Tedoleran und unter Tedoleranern sein. Wie sollen wir hier nicht auffallen? Es ist alles weiß. So ah’tze weiß!« Mit seiner Hand beschrieb er die makellose Schneedecke, die sich vor dem Fenster erstreckte und unser Camp umgab, bevor er sich mit einer Reihe weiterer saftiger Flüche umdrehte und durch die Tür nach draußen stapfte. Leider hatte er nicht ganz unrecht, denn seine leuchtend rote Haut hob sich wirklich stark vom Schnee ab. Bloß hatten wir alle vier dieses Problem, weshalb ich gedacht hatte, diese hinterletzte Ecke von Colorado wäre ein gutes Versteck.

»Gib ihm ein bisschen Zeit«, sagte Voxen und klopfte mir auf die Schulter. »Du weißt, wie Pranzor ist. Für ihn ist es eine Strafe, hierhingeschickt worden zu sein. Er sieht die endlosen Möglichkeiten gar nicht. Ich finde es …« Er machte eine Pause und betrachtete die bunten Häuser, Zuckerstangen und Plastikrentiere. »Nett?«

Ich rang mir ein schwaches Lächeln ab.

»Pranzor ist in erster Linie ein Krieger und würde wahrscheinlich am liebsten ohne Ausrüstung im Wald campen, also mach dir keine Sorgen. Ich nehme so einen Keks. Wie heißen die noch gleich?«

»Weihnachtsplätzchen.« Ich hielt ihm das Backblech hin, bevor ich mich zu Copid drehte.

Copid sagte wie immer nichts, sondern zog bloß kaum merklich eine Augenbraue hoch, bevor er mit spitzen Fingern nach einem der Kekse griff. Von uns vieren war er definitiv der Schweigsamste, weshalb ich nur vermuten konnte, wie er zu unserem Abenteuer auf diesem Planeten stand. Ich fand die Erde und ihre Spezies aufregend und empfand es keineswegs als Strafe, herzukommen und auf die Menschheit aufzupassen. Die tedoleranische Regierung hatte Wind davon bekommen, dass die Horgerianer planten, über die technisch leider sehr rückständige Erde herzufallen und die Menschen auszurotten. Oder zumindest die männliche Hälfte, denn weibliche Menschen waren als Sklavinnen in allen Galaxien sehr begehrt.

Wir waren hergeschickt worden, um das Ganze zu verhindern, und sobald die Menschheit fortschrittlich genug war, würde unsere Regierung ein Abkommen mit ihr schließen. Ich fand das eine große Herausforderung und extrem wichtig. Doch meine Freunde sahen das anders.

Voxen kaute langsam. »Das ist Gebäck für Feiertage, richtig?«

»Richtig.«

»Soll das so scharfkantig sein? Auf den wenigen Vids, die ich gesehen habe, wirken Menschen weich und schwach. Sind ihre Gaumen mit zusätzlichen Platten verstärkt?«

Traurig musterte ich mein Backblech und stellte es auf den großen Holztisch, ehe ich seufzte. »Ich glaube nicht. Vielleicht habe ich etwas falsch gemacht, als ich das Rezept befolgt habe. Dabei wirkte es so einfach.«

Copid kaute mit stoischer Miene und selbst bis hier hörte ich das Knirschen. »Zu süß«, sagte er schließlich, drehte sich um und verließ genau wie Pranzor meine Hütte, die sich in der östlichen Ecke unseres Camps befand.

Ich hatte nahezu drei Erdenwochen damit zugebracht, dieses Dorf zu errichten, weil ich alles – bis auf das Holz – mit dem Drucker auf unserem Raumschiff hatte ausdrucken müssen. Leider konnte ich nicht in den nächsten Spitzenmarkt gehen und kaufen, was ich brauchte. Nein, das hieß anders. Tollmarkt? Supermarkt. Das war es. Supermarkt.

Vorher hatte ich eine ganze Weile recherchiert, sodass die Menschen nicht auf den ersten Blick merken würden, was mit dieser kleinen Siedlung nicht stimmte. Ich war ziemlich stolz auf mich gewesen.

»Also zu süß finde ich sie jetzt nicht. Aber die harten Stücke stören irgendwie beim Kauen. Erzähl mir mehr über diesen Feiertag.« Voxen klopfte mir erneut auf die Schulter und ich wusste, dass er mich bloß besser fühlen lassen wollte.

»Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben die Menschen auf der Erde verschiedene Gottheiten und streiten oft darüber, welche die richtige ist. Dieses spezielle Fest wird zu Ehren des Sohnes einer der Götter veranstaltet, um seinen Geburtstag zu feiern. Ich habe die Geschichte nicht richtig verstanden. Aber im Dezember feiern die Menschen Weihnachten.«

»Das ist die Schnee-Saison? Dezember?«, wollte Voxen wissen.

In mir stieg langsam, aber sicher der Verdacht auf, dass niemand außer mir die Briefings gelesen hatte. Bei Pranzor überraschte es mich nicht. Damit er etwas las, musste man es auf die Brust eines Feindes drucken, sodass Pranzor es durch sein Zielfernrohr sah, bevor er abdrückte.

Aber Copid und Voxen? Da musste ich ungelogen zugeben, dass ich ein wenig enttäuscht war.

»Es schneit zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten auf der Erde.«

»Oh, okay.« Voxen musterte das Backblech und stritt offenbar mit sich, ob er noch einen Keks wollte oder nicht. Ich wusste, dass er süße Speisen liebte, aber die scharfkantigen Stücke im Teig konnten wohl kaum für den Verzehr geeignet sein, weshalb ich mich zwischen ihn und das Blech stellte. Mit verschränkten Armen lehnte ich mich an den Küchentresen. »Die Menschen haben viele merkwürdige Feiertage und Traditionen. Nach Weihnachten gibt es noch ein zweites großes Fest, um diesen speziellen Sohn des einen Gottes zu feiern.«

»Was wird denn da gefeiert? Die Volljährigkeit? Oder der erste Kampf?« Voxen streckte seine Brust raus, als würde er sich an sein erstes Mal auf dem Schlachtfeld erinnern.

»Sein Tod.«

»Das ist makaber.« Mein Freund dachte kurz nach und fuhr sich mit der Hand durch das weiße Haar.

»Nicht so makaber wie die Tatsache, dass das Fest drei Tage dauert – von seinem Tod bis zur Wiederauferstehung.«

Seine Miene war deutlich interessierter geworden. »Auferstehung? Zombies?«

»Nicht ganz. Ich sage doch, es ist kompliziert.«

»Wenn es hier Zombies gibt, ändert Pranzor seine Meinung bestimmt und sieht die Mission nicht mehr als Bestrafung für die Aussätzigen.«

Das Wort ließ mich beinahe zusammenzucken. »Wir sind keine Aussätzigen.«

»Soll ich lieber Mutanten sagen? Wir fallen hier genauso auf wie auf Tedoleran, nur dass unser Haar hier wenigstens zum Schnee passt.« Voxen nickte mir zu und verließ meine Hütte.

Mir war klar, dass er nicht ganz falschlag, aber unser weißes Haar war ein sensibles Thema für uns vier und der Grund, warum wir so eng befreundet waren. Die Außenseiter mussten zusammenhalten, denn es war absolut ungewöhnlich, mit vollkommen weißem statt schwarzem Haar geboren zu werden.

Mit einem Seufzen nahm ich meinen Communicator und rief das Rezept für die Kekse auf. Ich wollte einen neuen Versuch unternehmen und herausfinden, was ich falsch gemacht hatte.

2

JENNIFER

»Ähm, Leute? Ist das normal?« Harry beugte sich vor, sodass sie zwischen den beiden Frontsitzen durchschauen konnte, und deutete auf das altersschwache Navigationsgerät, das genau wie diese Rostlaube meiner Mitbewohnerin gehörte.

Das Display blinkte und zeigte Störungen an; manche davon wirkten wie Spezialeffekte aus den Achtzigerjahren.

Taylor klopfte mit der flachen Hand einige Male auf das Ding, während ich das Lenkrad fester umklammerte und mich darauf konzentrierte, nicht von der Straße abzukommen. Wobei ich die Straße seit guten zwei Meilen nicht mehr gesehen hatte. Die dicke Schneedecke machte es mir unmöglich, überhaupt zu erkennen, wo ich herfuhr. Dass die Anzeige des Navis ständig umsprang und ich mir nicht mehr sicher war, ob wir überhaupt noch richtig fuhren, wollte ich lieber nicht ansprechen.

Leider war Harry da wesentlich schmerzfreier als ich. Sie räusperte sich auf diese ganze spezielle Art, wie sie es immer machte, bevor sie jemanden verbesserte oder manchmal auch belehrte. »Sind wir hier überhaupt noch richtig? Die Hütte sollte doch nur etwa eine Meile hinter Glenwood Springs liegen. Sind wir da nicht schon vor ungefähr zwanzig Meilen dran vorbeigefahren? Außerdem habe ich eine leichte Steigung gespürt. Haben wir uns in den Bergen verirrt? Jen, sei ehrlich.«

»Ich weiß es nicht«, gestand ich.

Taylor lachte neben mir auf dem Beifahrersitz. »Aber wir haben noch genug Sprit, richtig?«

»Ja.« Ich nickte und biss mir auf die Unterlippe, weil ich das dringende Bedürfnis verspürte, den Kopf auf das Lenkrad zu legen und loszuheulen. So hatte ich mir Weihnachten nicht vorgestellt. Also schon, nur die Details waren etwas anders gewesen.

Taylor lachte lauter, bis sie regelrecht gackerte.

»Ich weiß überhaupt nicht, was du so lustig findest«, fauchte Harry vom Rücksitz.

»Beruhig dich, mein kleiner Kontrollfreak. Dass du die Situation nicht amüsant findest, ist mir klar. Allerdings bin ich so froh, von meinem Boss wegzukommen, dass mir alles andere eigentlich egal ist. Hauptsache, ihr seid dabei.« Taylor zuckte mit den Achseln.

Prompt milderten sich Harrys Gesichtszüge und sie seufzte, bevor sie sich den Hals verrenkte, um aus dem Fenster zu sehen. »Okay, aber wo sind wir jetzt? Und wie finden wir den Weg zurück zur Hütte? Ich habe keine Lust, heute Nacht im Freien zu schlafen, und in spätestens drei Stunden wird es dunkel.«

»Warum schmeißt du nicht die Navi-App auf deinem Handy an?«, schlug Taylor vor.

»Hab ich schon – aber sie stürzt immer wieder ab, als würde ich kein GPS-Signal bekommen oder als würde etwas das Signal stören.«

»Isla?«, fragte ich und suchte im Rückspiegel ihren Blick.

Sie hatte sich an die Tür gekuschelt und kniff die Augen zusammen. »Ich schlafe.«

Isla hasste Konfrontationen, selbst wenn es nur so kleine Sticheleien wie zwischen Taylor und Harry waren, die nun einmal beide starke Meinungen hatten und nicht auf den Mund gefallen waren.

»Warum halten wir hier nicht einfach kurz an?«, schlug Taylor vor. »Wir vertreten uns die Beine und schauen alle nach, ob wir es hinbekommen, mit unseren Handys zu navigieren. Ansonsten halten wir nach hervorstechenden Merkmalen Ausschau. Vielleicht haben wir Glück und irgendwo steht zufällig Colorados höchste Tanne, an der wir uns orientieren können.«

»Klingt gut«, sagte Harry.

»Okay, aber ich fahre links rüber und parke an den Bäumen, weil ich nicht weiß, wo rechts die Straße aufhört und der Abhang anfängt.«

Taylor reckte ihren Daumen in die Luft und wühlte in ihrer Handtasche nach ihrem Handy. Ich beneidete sie ein wenig um das schicke Designermodell, auch wenn ich wusste, zu welchem Preis es kam. Nur war mir vor ein paar Stunden erst alles gestohlen worden, was ich im Grunde besessen hatte, dass selbst eine simple Handtasche mir gerade die Tränen in die Augen trieb.

Als ich von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte ich die Wohnungstür offen vorgefunden und meine Mitbewohnerin Claire war mit all meinen Sachen verschwunden. Fast allen meinen Sachen zumindest. Ein paar Bücher, Kleidungsstücke und die Bettwäsche hatte sie zurückgelassen. Alles andere war weg: Schmuck, mein Laptop, alle anderen Wertgegenstände, Handtaschen, Schuhe, Möbel. Mir war nur das geblieben, was ich zufällig schon für meinen Weihnachtstrip gepackt und was sich in meiner Handtasche befunden hatte. Oh, und ihre Schrottlaube hatte sie zurückgelassen, während sie mit meinem Ford davongefahren war. Auf dem Küchentresen hatte eine Notiz mit dem Wort »Sorry« gelegen – als würde mich die Entschuldigung darüber hinwegtrösten, dass sie selbst den Kühlschrank vor ihrer Flucht leer geräumt hatte.

Ich schniefte und wischte mir mit dem Ärmel über die Nase, weil ich beschlossen hatte, erst nach Weihnachten wieder über die Katastrophe nachzudenken, die mein Leben momentan war.

Taylor drückte aufmunternd meine Schulter, während ich den Wagen vorsichtig ausrollen ließ.

Zwar hatte ich meinen besten Freundinnen davon erzählt, schon allein, weil Claires Auto ein kaum zu übersehender Hinweis gewesen war, dass etwas nicht stimmte, aber ich hatte sie gebeten, mich nicht alle zwei Sekunden zu trösten, damit ich wenigstens die Chance hatte, mein Dilemma zwischendurch für einige kostbare Augenblicke zu verdrängen.

Es war Harrys Idee gewesen, eine Hütte am Arsch der Welt zu mieten und uns dort mehr oder weniger über die Feiertage zu verstecken. Ich wollte auf keinen Fall zu meiner Familie, Harry wollte nicht in der Uni festsitzen, Isla hatte sich gerade erst von ihrem Freund getrennt, der sich daraufhin als verrückter Stalker entpuppt hatte, und Taylor …

Tja, Taylors Probleme spielten in einer ganz anderen Liga.

Ich war erleichtert, als ich die Tür öffnete, meine Füße in den Schnee stellte und die kalte Luft einatmete. Erst jetzt merkte ich, wie erhitzt meine Wangen waren.

»Okay, meine Damen, ich brauche euch einmal da drüben am Abgrund«, sagte Taylor, nachdem auch Isla sich aus dem Auto bemüht hatte und missmutig ihre Kapuze über ihren Kopf gezogen hatte, obwohl sie bereits eine Mütze trug und den Schal bis zur Nasenspitze gewickelt hatte.

Eigentlich war unsere Hoffnung gewesen, dass Isla wieder zu ihrem alten Selbst zurückfinden würde, sobald wir uns von der Heimat entfernten, aber sie schien mit jeder Meile ruhiger und verschlossener zu werden, was wirklich beachtlich war, denn sie war ohnehin schon extrem introvertiert.

Harry stöhnte. »Selfie?«

»Selfie«, bestätigte Taylor.

»Nur von hinten.« Harry verschränkte die Arme. »Ich glaube, mein Prof folgt dir auf Instagram und ich will nicht, dass er weiß, wo ich bin.«

»Ich will nur, dass mein Boss nicht an meiner Geschichte zweifelt.« Taylors Lächeln bröckelte ein wenig.

»Was gibt es da zu zweifeln? Es ist ja keine Geschichte.«

»Sag das dem paranoiden Mafiaboss.« Sie zuckte mit den Achseln und dirigierte uns zum Abgrund.

Wir gaben vor, die Aussicht zu bewundern, während alle von uns der Kamera den Rücken zuwendeten. Taylors lange, feuerrot gefärbte Haare waren auch unter ihrer Mütze nicht zu verfehlen, während Isla und Harry sich unter ihren Kapuzen versteckten. Mir persönlich war egal, wer meinen Rücken und meine langweiligen glatten braunen Haare sah, weshalb ich ein wenig bereitwilliger für das Foto posierte.

Taylor richtete ihr Handy auf dem Autodach aus und eilte zu uns. »Perfekt«, murmelte sie.

»Wobei die Aussicht wirklich schön ist.« Harry lächelte endlich entspannt. »Alles andere wird sich schon finden.«

Isla zog bloß eine Augenbraue hoch und wirkte nicht ganz so überzeugt. Taylor eilte bereits wieder zum Auto. »Hashtag no filter?«

Ich lachte und holte mein eigenes Handy aus der Jackentasche. Als ich die Tastensperre löste, bemerkte ich, dass mein Display ähnlich verpixelt war wie das Navigationsgerät im Auto.

Harry schaute mir über die Schulter. »Hm, merkwürdig. Und Netz hast du auch keins, oder? Ist das hier ein schlechter Film, in dem wir gleich über den geheimen Untergrundbunker der Regierung stolpern, die unseren Empfang mit großen Antennen stört?«

»Ist mir egal, solange es da warm ist.« Isla verschränkte demonstrativ die Arme.

»So kalt ist es auch wieder nicht«, gab Harry zurück. »Die durchschnittliche Temperatur beträgt in Colorado nur minus ein Grad im Dezember.«

»Danke für den Hinweis. Da fühlen meine Zehen sich gleich besser.«

Ich grinste, während ich Isla und Harry zuhörte und dabei beobachtete, wie Taylor sich auf der Suche nach Empfang um sich selbst drehte. Sie musste das Bild posten, damit ihr Boss wusste, dass sie tatsächlich mit uns unterwegs war und keinesfalls im Verhörraum des FBI saß.

Bei mir flackerte ein Balken auf dem Display und ich machte einen Schritt nach rechts, denn wenn ich tatsächlich Netz hatte, konnte ich vielleicht die Navi-App anwerfen. Nach zwei weiteren Schritten hatte ich tatsächlich einen Balken.

»Hey, Mädels«, sagte ich und trat sicherheitshalber noch einen Schritt zur Seite. Gerade als ich die frohe Botschaft verkünden wollte, dass ich Netz hatte, spürte ich, wie der Boden unter meinem Fuß nachgab – schnell und ohne Vorwarnung.

Ich verlor das Gleichgewicht, ruderte mit den Armen in der Luft und ließ das Handy fallen. Wie in Zeitlupe kippte ich nach hinten. Ich sah, wie Harry die Augen aufriss und in meine Richtung rannte, doch da fiel ich bereits.

Panik flammte in mir auf, mein Puls schnellte in die Höhe und ich spürte meinen ganzen Körper überdeutlich, weil ich wie ein Stück Blei in die Tiefe fiel. Der erste Aufschlag war wesentlich weicher, als ich ihn mir ausgemalt hatte, weil der Pulverschnee den Fall dämpfte. Doch ich blieb keineswegs liegen, sondern rutschte weiter in einem irrsinnigen Tempo nach unten. Ich schrie und versuchte, irgendetwas zu greifen, um die Talfahrt zu stoppen. Doch da war nichts, nur Schnee – und etwas, woran ich mir die Schulter stieß. Offenbar endete der erste Vorsprung, denn wie bei einer Schlittenfahrt wurde ich in die Luft geworfen und landete mit dem Gesicht nach unten im Schnee.

Ich zitterte am ganzen Leib, als ich mich keuchend aufrappelte und umsah. Weiß, weiß, Schnee und noch ein wenig mehr Schnee. Ich wischte mir das Gesicht ab und spürte bereits das brennende Stechen der Kälte.

Mühselig kam ich auf die Füße und klopfte meine Gliedmaßen ab. Wie durch ein Wunder schien ich mir nichts gebrochen zu haben. Meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und meine Schulter pochte minimal, aber ich war unverletzt.

»Harry? Taylor? Isla?«, brüllte ich, die Hände vor den Mund gelegt. So weit meine Augen reichten, sah ich bloß endlosen Schnee und einen riesigen Abhang, der vor mir in schwindelerregende Höhen ragte. War ich wirklich dort heruntergefallen? Das konnte nicht sein. Das hätte ich niemals überlebt.

Ich drehte mich um. Hinter mir befand sich in einiger Entfernung ein Wald, doch abgesehen davon schien ich mitten in unberührter Natur zu stehen.

»Taylor!«, rief ich noch einmal. »Ich bin hier unten. Mir geht es gut.«

Bis auf das Echo meiner eigenen Stimme hörte ich nichts, was mich irritierte. Aber ich sah auch keine besorgten Gesichter oben an der Kante des … des Gletschers. So sah das Ding aus meiner Perspektive nämlich aus. Sollte ich so weit gefallen sein, dass sie mich nicht hörten?

Harry hatte die Steigung erwähnt, die sie während der Fahrt bemerkt hatte, doch ich würde wohl kaum einen ganzen Berg hinuntergestürzt sein, oder?

Verwirrt klopfte ich mir mehr Schnee von der Mütze und den Schultern, während ich überlegte, was ich tun sollte. Es war völlig ausgeschlossen, dass ich die schneebedeckte Wand vor mir würde bezwingen können. Und mein Handy hatte ich auch nicht mehr.

Vermutlich musste ich mich für eine Richtung entscheiden und einfach loslaufen. Hoffnungslosigkeit ergriff von mir Besitz und trieb mir die ersten Tränen in die Augen.

Nein.

Nein, ich würde jetzt nicht weinen.

Bevor mich endgültig der Mut verließ, marschierte ich los. Hätte ich damals bei den Pfadfinderinnen mal besser aufgepasst! Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich Himmelsrichtungen anhand des Sonnenstandes ablesen konnte. Es hätte mir aber auch nichts genützt, weil ich nicht wusste, in welche Richtung ich musste.

Ich würde einfach laufen müssen. Und laufen. Und laufen. Und noch ein bisschen mehr laufen.

Mir war nicht ganz klar, wie lang ich unterwegs gewesen war, als ich glaubte, eine merkwürdig verzerrte Version von Jingle Bells zu hören. Sie klang irgendwie blechern, als wäre der Lautsprecher kaputt.

Unwillkürlich beschleunigte ich meine Schritte. Die Musik wurde immer lauter. War das meine Rettung? Ich betete darum, als ich ein merkwürdiges Geflecht aus Metall und Kunststoff auf dem Boden entdeckte. Es war grün-rot gestreift und röhrte Jingle Bells in die Welt.

Verwirrt hob ich es auf und drehte es in meinen Händen. War das eine Drohne? Der kleine Propeller an der Seite sprach dafür, aber was hatte es mit den weihnachtlichen Farben und der Musik auf sich?

Ich starrte nach unten und wunderte mich, als ich den Schnee knirschen hörte. Da kam meine Rettung, wahrscheinlich auf der Suche nach seiner oder ihrer Weihnachtsdrohne.

Ich schaute auf und erstarrte auf der Stelle. Der Weihnachtsmann stand vor mir. Also nicht wirklich, aber die leuchtend rote Farbe seiner Haut und die schneeweißen Haare riefen diese Assoziation in mir wach. Allerdings hatte ich den Weihnachtsmann nie in einer engen schwarzen Hose und einem ebenso engen Shirt gesehen, das seine muskulösen Oberarme enthüllte. Und Santa war auch nicht über zwei Meter fünfzig groß. Ich schluckte, bevor ich beschloss, dass es ein guter Zeitpunkt war, zum ersten Mal in meinem Leben in Ohnmacht zu fallen.

3

DASHAR

Ich machte einen schnellen Schritt nach vorn und fing die menschliche Frau mit ausgestreckten Armen auf, ehe sie im Schnee zusammensackte. Soweit ich wusste, durfte die innere Temperatur der Menschen nicht unter eine gewisse Gradzahl sinken, sonst starben sie. Warum sie also einfach zusammensank, war mir ein Rätsel.

Hoffentlich hatte der Schreck über meinen Anblick sie nicht getötet! Das wäre furchtbar. Sie war so leicht in meinen Armen, dass ich sie mühelos mit einer Hand halten konnte, während ich die andere vor ihrer Nase und dem kleinen Mund platzierte. Erleichterung erfasste mich, als ich ihre Atmung spürte.

Sie war also nur vor Schreck bewusstlos geworden. Das war zwar nicht unbedingt gut für meinen Stolz, jedoch um Welten besser, als am Tod einer Frau schuld zu sein.

Ich betrachtete ihr Gesicht und fragte mich, wie ich sie aufwecken sollte. Einfach hier im Schnee liegen lassen konnte ich sie nicht. Ihre Kleidung wirkte ohnehin schon klamm und nicht sonderlich gut für einen Marsch durch den Schnee geeignet. Ich zupfte an dem merkwürdigen Mantel, den sie trug, und runzelte die Stirn.

Und ihr Gesicht war schmutzig. Ich strich die braunen Haarsträhnen zur Seite. Menschliches Haar war sehr viel weicher, als ich gedacht hatte. Mit dem Daumen rieb ich über die kleinen Punkte, die sich über ihre Nase und die Wangen erstreckten. Da sie nicht verschwanden, während die Haut darunter sich rötete, nahm ich an, dass es doch kein Schmutz, sondern ihre Pigmentierung war. Sollte sie so aussehen oder war es eine Mutation wie mein weißes Haar?

Vielleicht war die Frau hier allein unterwegs, weil sie auch keinen richtigen Platz in der Gesellschaft der Menschen hatte? Alles in mir drängte danach, sie mitzunehmen und mich um sie zu kümmern.

Ich schaute auf und musterte die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen. Da die Frau sich nicht regte, konzentrierte ich mich ein wenig und glitt für einen kurzen Moment in den Kampfmodus, obwohl keine Gefahr drohte. Schon als die Stacheln an meinen Schultern und im Nacken durch die Haut drangen, konnte ich wesentlich besser sehen, hören und riechen.

Bis zum Horizont war nichts und niemand zu sehen. Es war so still im Tal wie bei meiner Ankunft auf der Erde. Das Dorf befand sich ungefähr zwei Meilen hinter mir und die Drohne, die ich programmiert hatte, war inzwischen in den Ruhezustand gegangen.

Ich konnte weder meine Freunde hören noch andere Menschen. In der Ferne schrie ein Vogel, der auf der Erde heimisch war, und manchmal knackten Äste oder Schnee fiel von den Baumkronen im Wald. Abgesehen davon hörte ich nichts.

Ich schnüffelte in die Luft und bereute es in der gleichen Sekunde wieder. Bis auf die Frau roch ich nichts, dafür hing ihr Duft sehr deutlich in meiner Nase. Süß, fruchtig und so durch und durch feminin. Für meine Begriffe roch sie regelrecht unwiderstehlich.

Ich nahm wieder meine normale Gestalt an und bückte mich, um die Drohne in eine der Taschen an meiner Hose zu stecken. Eigentlich hatte ich all unsere Geräte so programmiert, dass sie sich nicht zu weit von unserer Behausung entfernen sollten. Doch etwas schien das Signal gestört zu haben, weshalb sie bis hier geflogen war. Das würde ich überprüfen müssen. Allerdings sollte ich erst die Frau ins Warme bringen.

Ihre helle Haut hatte zwar einen rosigen Unterton, aber dieser schien mit jeder Minute blasser zu werden.

Nur musste ich sie heimlich in meine Hütte bringen, denn Pranzor hatte eine zu kurze Zündschnur, um rational darüber zu diskutieren, was wir mit der Frau machen sollten. Er würde sie als Bedrohung oder sogar Spionin sehen und eine Exekution befürworten. Immerhin war es wichtig, dass unser Aufenthalt auf der Erde geheim blieb.

Ich hatte keine Lust, mich Pranzor in den Weg zu stellen, doch ich würde es notfalls tun.

Die bewusstlose Frau fest an meine Brust gepresst, setzte ich mich in Bewegung. Der Schnee knirschte unter meinen Stiefeln und ich hatte meine Umgebung genau im Blick, damit ich mich schnell genug verstecken konnte, falls ich Pranzor oder Copid sah. Ich kannte meine Freunde schon lange und wusste, wie sie tickten. Voxen würde dafür plädieren, dass wir die Frau aufnahmen, Pranzor und Copid wären dagegen. Damit stünde es zwei gegen zwei.

Es war einfach klüger, die Frau zu verstecken und abzuwarten, bis sie aufwachte. Vielleicht gab es eine Erklärung, warum sie hier war. Ansonsten würde ich mir etwas einfallen lassen, wie wir das Problem lösten.

Ich könnte ihr ein starkes Betäubungsmittel injizieren und sie an einem sicheren Ort aussetzen, während wir uns eine neue Bleibe suchten. Da die meisten Menschen nicht an Aliens und Leben im Weltraum glaubten, bestand eine gute Chance, dass sie unter Umständen dachte, sie hätte sich meinen Anblick nur eingebildet.

Zögerlich sah ich nach unten. Ihr kleines, herzförmiges Gesicht war hübsch und der Anblick rührte etwas in mir, was dafür sorgte, dass ich sie aus einem mir nicht erklärlichen Grund nicht gehen lassen wollte.

Allein wie klein und delikat ihre geschwungenen Augenbrauen waren, faszinierte mich zutiefst. Meine eigenen waren so viel größer und prominenter in meinem Gesicht. Zwar hatte ich Bilder und Vids von Menschen gesehen, doch so aus nächster Nähe war es etwas ganz anderes. Rochen alle von ihnen dermaßen verlockend? Auch die Männer? Die Vorstellung war befremdlich.

Wir waren noch etwa eine halbe Meile vom Camp entfernt, als ich die Weihnachtsmusik der verbleibenden Drohnen hörte, die regelmäßig das Terrain kontrollierten, um uns frühzeitig vor unerwünschtem Besuch zu warnen. Mir wurde klar, dass ich die Musik wahrscheinlich etwas zu überenthusiastisch einprogrammiert hatte. Ich hatte bloß gedacht, dass wir so weit weg von der nächsten menschlichen Siedlung und allen passierbaren Straßen waren, dass sie niemanden stören würde. Nun fürchtete ich, dass die Drohne den Menschen angelockt hatte.

Ich sah über meine Schulter und schlich förmlich zu meiner Hütte. Zu meiner Erleichterung begegnete ich keinem der anderen Tedoleraner und stieß die Tür ungehindert auf. Nachdem ich meine kostbare Fracht auf dem Bett abgelegt hatte, warf ich einen letzten Blick nach draußen und verriegelte die Tür.

Auf einen Tastendruck hin sorgte mein Communicator dafür, dass die Fenster sich verdunkelten, damit mich niemand mehr ausspionieren konnte.

Ich rief die Datei auf, die ich über die Menschen angelegt hatte. Richtig, die interne Temperatur durfte nicht unter fünfunddreißig Grad sinken, alles darunter konnte bereits schwerwiegende Folgen haben.

Es war vermutlich besser, ihr die nasse Kleidung auszuziehen und sie zuzudecken. Außerdem konnte ich sicherheitshalber den Kamin anzünden.

Meine Nasenspitze kribbelte, weil ich mich kaum gegen den wunderbaren Duft der Frau wehren konnte, der stärker wurde, je mehr der klammen Kleidungsschichten ich entfernte.

Als sie nur noch das trug, was Menschen als Unterwäsche bezeichneten, betrachtete ich einen kurzen Moment ihre ansprechende Form, ehe ich sie schnell zudeckte und nicht versuchte, darüber nachzudenken, wie weich und einladend ihre Brüste wirkten oder wie verführerisch gerundet ihre Hüften waren.

Ich schluckte und machte mich lieber daran, den Kamin anzuzünden, damit sie es warm hatte.

Die Flammen leckten am Holz, als ich mich aufrichtete und mir eine Schweißperle von der Stirn wischte. Tedoleranische Körper waren sehr viel besser darin, die Temperatur gemäß den äußeren Einflüssen zu regulieren, sodass ich nach wenigen Stunden auf der Erde an die Kälte angepasst gewesen war und eigentlich nicht heizen musste.

Mit einem leisen Schnaufen zog ich mein Shirt aus und seufzte aufgrund der Erleichterung.

Ich sollte mich wahrscheinlich erneut an dem Plätzchenrezept versuchen, denn dann konnte ich der Frau nach dem Aufwachen etwas ihr Vertrautes anbieten, und sie würde hoffentlich nicht hysterisch werden.

Ja. Das war eine gute Idee.

4

JENNIFER

Ich seufzte wohlig, weil es so wunderbar warm war, und überlegte, ob ich mich noch einmal auf die andere Seite drehen sollte, um ein wenig länger zu schlafen. Welcher Tag war heute? Konnte ich überhaupt ausschlafen oder musste ich später arbeiten?

Mein Kopf brauchte ein paar Sekunden, bis mir schlagartig bewusst wurde, dass ich keineswegs in meinem eigenen Bett lag. Ich richtete mich auf und blinzelte mehrfach, bis ich klar sehen konnte. Mir war wieder eingefallen, dass ich mit Harry, Taylor und Isla unterwegs in die Berge gewesen war.

Ich erinnerte mich an den Sturz und wie ich durch den Schnee gestapft war, bis ich den Weihnachtsmann getroffen hatte. Nur dass der Weihnachtsmann in meiner Version ein locker zwei Meter fünfzig großes Alien gewesen war.

Es trug gerade auch nicht zu meiner Beruhigung bei, dass ich in einem riesengroßen Bett lag, das mit rot-grün karierter Bettwäsche bezogen war. So musste Santas Werkstatt am Nordpol aussehen.

Ein Feuer prasselte im Kamin, an dem gleich vier Strümpfe hingen, die mit Namen bestickt waren, die ich noch nie gehört hatte. Dashar? Praxor? Copid? Und Voxen?

Links von mir klapperte Geschirr, aber die breiten Holzpfeiler, die das Dach der rustikal anmutenden Hütte stützten, behinderten meine Sicht.

Mir wurde klar, dass ich die Bettdecke mit beiden Händen gegen meine Brust presste, woraufhin ich meinen ganzen Mut zusammennahm und sie anhob. Jemand hatte mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Wer außer Alien-Santa sollte das gewesen sein?

Angesichts der Tatsache, dass meine Kleidung nach dem Sturz in den Schnee durchnässt gewesen war, hatte er mir vermutlich nur helfen wollen, aber ich rümpfte die Nase.

Gott. Ich wusste überhaupt nicht, wo ich vor lauter Weihnachtsdekorationen hinschauen sollte. Überall standen Weihnachtsmänner, Engel, Rentiere, Zuckerstangen, Geschenke und Tannenbäume, unter der Decke verliefen etliche Meter Lichterkette, die abwechselnd rot und grün blinkte. In meiner Verwirrung bildete ich mir sogar ein, dass es nach Weihnachtsplätzchen roch.

Vorsichtig, ganz vorsichtig schwang ich die Beine aus dem Bett und stellte fest, dass der Boden kalt unter meinen Füßen war. Nur leider konnte ich weder meine Kleidung noch meine Schuhe irgendwo entdecken.

Auf Zehenspitzen schlich ich zu dem nächsten breiten Holzpfeiler und fühlte mich wie ein Kind, denn alles hier drin war überdimensioniert und riesig.

Als ich an dem Pfeiler vorbeischielte, entdeckte ich in der Tat das Alien, das ich draußen im Schnee gesehen hatte. Es wirkte, als wäre der Kerl mit einem Backblech beschäftigt.

Außerdem trug er kein Shirt und sein langes weißes Haar war nach vorn gefallen. Kein Wunder, dass meine erste Assoziation mich an den Weihnachtsmann hatte denken lassen.

Ich wurde immer nervöser, weil ich das Muskelspiel in seinem breiten Rücken deutlich sehen konnte. Wenn das Alien schlechte Absichten hatte, würde ich mich nie im Leben wehren können. Allein sein Bizeps war so groß, dass mir angst und bange wurde.

Moment mal! Backte er Kekse?

Egal. Es spielte keine Rolle, was genau er gerade machte. Wenn ich nicht gestorben und das hier eine wirklich merkwürdige Version des Himmels war, sollte ich zusehen, dass ich verschwand. Allerdings brauchte ich dazu meine Kleidung und Schuhe. In meinem momentanen Aufzug konnte ich nicht raus. Mir war ja schon vollständig angezogen und mit Schal und Mütze kalt gewesen.

Rechts von mir stand eine große Zuckerstange, die beinahe meine Größe hatte und recht solide wirkte. Wenn ich sie hochheben konnte, würde ich sie dem Alien vielleicht über den Kopf ziehen können.

Ich brauchte bloß ein paar Minuten, um meine Sachen zu suchen. Das sollte funktionieren, wenn er bewusstlos war. Hoffentlich.

Mit zitternden Knien und klopfendem Herzen tastete ich nach der Zuckerstange, ohne das Alien aus den Augen zu lassen. Meine Finger schlossen sich um die Stange und ich war irritiert, weil ich das Material, aus dem sie bestand, noch nie zuvor berührt hatte. Die Oberfläche erinnerte mich an eine Mischung aus Kunststoff und Holz, war gleichermaßen rau und glatt – was überhaupt keinen Sinn ergab.

Die Zuckerstange war nicht so schwer, dass ich sie nicht heben konnte, hatte aber genug Gewicht, um wie ein Baseballschläger zu funktionieren. Zumindest in der Theorie.

Ich umfasste meine improvisierte Waffe mit beiden Händen und ignorierte, dass mir vor Sorge regelrecht schlecht war, während ich mich langsam auf mein Opfer zubewegte.

Da ich bisher niemanden vorsätzlich verletzt hatte, musste ich mir gut zureden. Außerdem betete ich zu einer nicht näher definierten Gottheit, dass das Alien sich nicht umdrehen würde.

Als ich nah genug hinter ihm stand, hob ich die Stange und schlug mit voller Kraft zu. Dabei murmelte ich innerlich eine Entschuldigung.

Das Alien zuckte nicht einmal zusammen. Stattdessen drehte er sich langsam um und lächelte mich an. »Ich bin froh, dass es dir gut geht.«

Ich war zu perplex, dass ich ihn verstehen konnte, auch wenn seine Sprachmelodie für meine Ohren etwas ungewohnt klang. Verwirrt sah ich von ihm zu der Zuckerstange und wieder zurück.

»Darf ich?«, fragte er höflich und nahm mir die Stange ab. »Nachher verletzt du dich damit.«

Ich spürte, wie meine Unterlippe zitterte, weil ich kurz davor war, in Tränen auszubrechen. So viel zu meinem tollen Plan und dem Fluchtversuch.

Nachdem er die Stange zur Seite gestellt hatte, griff er nach einem Geschirrhandtuch und öffnete den Backofen. Gebannt und ratlos beobachtete ich, wie er ein Backblech mit Keksen herausholte und es auf einen Rost zum Abkühlen stellte. Die Weihnachtsplätzchen sahen relativ normal aus – solange ich ignorierte, dass Eierschalenstücke aus ihnen ragten.

»Möchtest du gleich einen Keks?«, bot das Alien an. Er hob ein Stück Glas von der Anrichte und studierte es. »Oder einen Kakao?«

Da er sich zu mir drehte, brach sich das blinkende Licht der Lichterkette anders in dem Glas und ich sah, dass es mit Schriftzeichen bedeckt war, die ich nicht lesen konnte. War das vielleicht die Alien-Version eines Smartphones? Hatte er gerade nachgeschlagen, was Menschen gern zu Weihnachtsplätzchen tranken?

Ich war vollkommen überfordert. Mit aller Kraft, die ich noch zur Verfügung hatte, deutete ich auf das Blech. »Die kann ich nicht essen.«

Sein Lächeln bröckelte und er wirkte so enttäuscht, dass es mir beinahe das Herz brach. »Nicht?«

»Die Eierschalen … ähm … die kann ich nicht schlucken. Oder kauen. Wobei … kauen schon, aber angenehm ist das wahrscheinlich nicht. Und vermutlich auch nicht gut für die Zähne …« Ich brach ab, weil mir klar wurde, dass ich mich vor Nervosität um Kopf und Kragen quasselte.

Er blinzelte langsam, senkte den Blick und bewegte den Finger über das Glas-Smartphone-Ding in seiner Hand. »Aber hier steht: Ei hinzufügen.«

»Ja.« Ich räusperte mich, weil ich keine Ahnung hatte, wie dieser über zwei Meter große Gigant reagieren würde, wenn ich ihm gegenüber die Klugscheißerin spielte. »Ohne die Schale.«

Die rote Stirn runzelte sich, als er erneut den Text vor ihm beäugte. »Die Schale besteht aus Kalzium. Menschen brauchen Kalzium für Knochen und Zähne. Und hier steht nicht, dass man die Schale öffnen soll.«

»Ähm, das stimmt streng genommen. Allerdings ist Kalzium nicht gleich Kalzium und wir benutzen nur das Innere des Eis.«

Der Riese legte den Kopf schräg und schien nachzudenken. Nach einer Weile wandte er sich ab und suchte auf dem Küchentresen herum, bis er ein Ei in der Hand hatte. Er hielt es neben sein Ohr und schüttelte es. »Ha! Ich schätze, das macht mehr Sinn. Also muss ich es irgendwie … klein reiben?«

»Nein, wir schlagen –« In der nächsten Sekunde verstummte ich. Wahrscheinlich war es besser, wenn ich etwas cleverer an die Sache ranging. »Ich kann es dir zeigen – wenn du versprichst, mir nichts zu tun.«