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Magische Weihnachten hat einen Namen: Frostmagie! "Weihnachtswunder in Frost Creek" ist ein Frostmagie-Sammelband. Die bereits 2020 und 2021 erschienen Geschichten "Eine feurige Bescherung" und "Rocking Christmas" sind in diesem Sammelband mit einer exklusiven Bonusgeschichte kombiniert. Erlebt Weihnachtswunder in Frost Creek auf 480 Taschenbuchseiten plus die exklusive Bonusgeschichte "Happy End for Everyone". Eine feurige Bescherung: Der alljährliche Winterball in Frost Creek steht kurz bevor. Vier Wochen vor Weihnachten kommt in Frost Creek nicht wirklich winterliche Stimmung auf. Die Temperaturen sind zu hoch und es regnet in Strömen. Mandy Talbots Laune kommt jedoch auf dem Gefrierpunkt an, als der neue Chief sie beinahe überfährt. Wutentbrannt stapft sie in die neue Feuerwache, um Mason Miller zur Rede zu stellen. Doch zwischen ihnen fliegen nicht nur die Fetzen, es knistert auch ganz gewaltig. Wird es für Mandy und Mason ein weihnachtliches Happy End geben oder passen sie tatsächlich nicht zusammen? Rocking Christmas: Ein Schneesturm tobt über Frost Creek. Wo sonst winterlich romantischer Apfelzimtduft in der Luft liegt, bläst ein Blizzard Schneemassen durch die Straßen. Stromausfälle und Verkehrschaos sind die Folgen. Danyell »Brock« Brocksby wäre liebend gerne im Hochsommer durch Frost Creek gefahren, doch eine Meinungsverschiedenheit darüber, in wessen Bett die Frau seines Bosses am besten aufgehoben ist, trieb ihn zur Flucht. Und als auch noch sein Motorrad den Geist aufgibt, ist für Brock eines glasklar: Er wird mitten in einem Schneesturm dem Erfrierungstod erliegen. Wäre da nicht die junge Tiffany Sherman, die sich nicht zu schade ist, einen wildfremden, furchteinflößend tätowierten Mann bei sich aufzunehmen. Happy End vor Everyone: Mason möchte Mandy das größte Geschenk überhaupt machen und überreicht ihr eine kleine Schachtel, passend für einen Ring. Doch sie darf sie nicht öffnen. Erst wenn er ihr die Erlaubnis dazu erteilt. Mandy bekommt Panik und rennt davon. Können die Freunde gemeinsam Masons Beziehung retten?
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Veröffentlichungsjahr: 2022
1. Auflage
©Danara DeVries 2022
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Widmung
Für Mandy,
weil ich ihr die Idee
zu diesem Buch verdanke.
Sechs Monate zuvor
»Ich sagte Ihnen doch, wie perfekt es ist, oder?« Guiliana Watson klemmte die lederne Aktenmappe unter ihren Arm und stöckelte klangvoll durch die alte Feuerwache in Frost Creek. »Zwar nicht ganz, was Sie aus Los Angeles gewohnt sind, aber ich denke, es wird gehen, oder?«
Ich schob die Hand in die Tasche meiner Jeans und folgte ihr in das heruntergekommene alte Gebäude. Guiliana war die Bürgermeisterin von Frost Creek, meiner Heimatstadt, und verfolgte den irrwitzigen Plan, eine eigene Feuerwache zu unterhalten. Seit Jahren arbeitete sie daran, mich zurückzuholen, denn der Senat bestand darauf, einen Einheimischen zum Chief zu ernennen. Viele, die dafür in Frage kämen, gab es nicht. Niemand in diesem beschaulichen Örtchen hatte auch nur annähend genug Erfahrung, aus ein paar Ladenbesitzern, Mechanikern und Kellnern eine schlagkräftige Truppe in Sachen Brandlöschung zu machen. Außer mir, vielleicht. Aber ich war vergeben. Die Betonung lag auf war. L.A. wollte mich nicht mehr und nach dieser Sache wollte ich L.A. auch nicht mehr. Also hatte ich bei Guilianas fast schon traditionellem Anruf nicht mehr abgelehnt.
»L.A. ist nicht mehr von Bedeutung«, murmelte ich einsilbig und nahm einen tiefen Zug. Okay, und die Kippe war nicht das, was Ms. Mayor von ihrem zukünftigen Chief erwartete. Hastig schnippte ich den Zigarettenstummel in eine Pfütze vor den Garagentoren und folgte ihr ins Innere. Guiliana nickte mir wohlwollend zu, bevor sie die Besichtigungstour fortsetzte.
»Ihnen stehen Bezüge aus dem Vermögen der Stadt für die Renovierung zu. Die Löschzüge müssen ebenfalls instant gesetzt werden. Sie erinnern sich noch an Hunter Davis? Ihm gehört die Werkstatt. Vielleicht könnten Sie sich mit ihm in Verbindung setzten.«
Hunter, ja. Ich erinnerte mich. Zehn Jahre war es jetzt her, ich hoffte, er erinnerte sich noch an mich. Damals hatte ich mich vom Acker gemacht, statt wie versprochen bei ihm anzufangen. »Alles klar. Und Guiliana?«
Die adrett gekleidete, dunkelhaarige Frau drehte sich zu mir um und musterte mich mit hochgezogener Augenbraue. »Vielleicht könnten wir das Erwachsenenspiel lassen. Immerhin kennen wir uns seit dem Sandkasten. Der Bürgermeistertitel steht dir, aber nicht das Gehabe.«
Guiliana schnappte nach Luft. »Flirten Sie etwa mit Ihrem Boss, Mason?«
Ich lachte leise. »Nein, Ms. Watson, das würde mir nie einfallen. Ich würde Sie noch nicht einmal zum Abendessen einladen.«
Sie schmunzelte verhalten. »Denk an deine Manieren, Mason, ich könnte deine Mutter sein.«
Als ich damals fortging, war Guiliana Watson Leiterin der örtlichen Grundschule gewesen, wo auch ich hingegangen war. Mathe und amerikanische Geschichte hatte sie unterrichtet. Mittlerweile war sie Bürgermeisterin und ja, vielleicht ein wenig zu alt für mich. Aber meine Absichten lagen auch nicht in der Horizontalen. »Trotzdem können wir auf die Förmlichkeiten verzichten. Immerhin soll ich für dich arbeiten.«
Guiliana nickte. »Meinetwegen, wir sind hier sowieso alle per Du. Also machst du den Job?«
Mein Blick glitt durch die marode Halle, nach oben. Das Dach leckte, die Wagen waren in einem erbärmlichen Zustand und ich würde mein letztes Hemd drauf verwetten, dass die Heizung ebenfalls im Arsch war. »Wenn du zahlst, werde ich mein Bestes geben, um aus dieser Bruchbude ein vernünftiges Fire Department zu machen. Allerdings sollte der erste Einstz nicht vor Ende das Jahres erfolgen.«
Guiliana nickte. »Sag mir, was du brauchst.«
Mein Kopf glitt eine Etage höher, wo sich ein großzügiges Loft befand, früher mal Aufenthaltsraum, heute vermutlich eine Brutstätte für Tauben. »Eine Bleibe, das ist es, was ich brauche.«
Guiliana hielt mir die Hand hin. »Abgemacht.«
[Mandy]
»Scheiße, verdammt noch mal!« Mit dem Coffee-to-go in der Hand stolperte ich direkt in eine riesige Pfütze. Emily, der das gemütliche Cafè in der Nähe meiner Wohnung gehörte, rief mir noch irgendetwas hinterher, aber ich konnte ihre Worte über das Läuten der Glocke, die über der Tür zu ihrem Laden angebracht war, nicht verstehen. Der Scheißregen ging mir so auf die Nerven. Seit Tagen goss es wie aus Kübeln und überall in der Stadt hatten sich große Pfützen gebildet. Ich hasste es. In vier Wochen war Weihnachten und zu Weihnachten gehörte Schnee! Überall in den Schaufenstern hatten die Ladenbesitzer bereits die weihnachtliche Deko angebracht. Es war Ende November und genauso sah Frost Creek auch aus. Kalt, verregnet und stürmisch. Ostküste halt.
Ergeben blickte ich gen Himmel und schickte einen Fluch in die Wolken. Doch durch das triste Grau verdunkelte sich meine Stimmung nur noch mehr. Wenn sich wenigstens die Temperaturen endlich dem Gefrierpunkt näherten, würde es auch anfangen zu schneien. Ja und dann wurde aus dem nasskalten Regenwetter nasskalter Schneematsch. Wunderbar.
Meine Laune besserte sich nur mäßig, als ich mich dem Salon näherte. Tiffany wirbelte bereits durch den Laden, die Weihnachtsdeko war auf Hochglanz poliert und Dallas, mein Mitarbeiter für die männliche Kundschaft, bediente bereits einen Herrn im Barberbereich. Der Laden war mein ganzer Stolz. Vor ein paar Jahren hatte ich ihn von meinem Vater übernommen. Den ehemaligen Barbershop hatte ich halbiert und einen Friseursalon hinzugefügt. Links bedienten nun Tiffany und ich die Damen, rechts Dallas die Herren. Die Kasse teilte den Laden in die zwei Bereiche. Man traf sich und es wurde gelacht und geredet, was schon seit jeher mein kleiner persönlicher Traum gewesen war. Ich wollte eine Begegnungsstätte schaffen. Klingt vielleicht etwas skurril, das mit einem Friseursalon und nicht einer Bar zu tun, aber für mich war der Barbershop meines Vaters genau das gewesen. Dort war ich aufgewachsen und mit dem Geruch nach Rasierschaum verband ich Heimat. Viele ältere Herren hatte ich dort kennen und lieben gelernt. Manche verließen erst abends wieder den Stuhl, auf dem sie kurz nach dem Öffnen Platz genommen hatten. Und mein Vater? Der störte sich nicht daran. Es wurde geredet, getrunken und hin und wieder Kundschaft bedient. Für mich war es das ideale Leben gewesen. Und jetzt, nach jahrelanger harter Arbeit, konnte ich mich endlich zurücklehnen und meinen Traum leben. Nämlich dieses Ambiente des Barbershops mit einem Friseursalon zu vereinen. Schade, dass mein Vater Paul den Laden so nicht mehr sehen konnte. Das war der einzige Wermutstropfen, der das Glück trübte. Das und dieses grässliche Wetter.
Mit beschwingten Schritt ging ich an der Kirche vorbei, über die Straße und … HUPPP!
Gerade noch rechtzeitig wich ich einem vorbeifahrenden Pick-up in Knallrot aus. »Verdammt, pass doch auf!«, schimpfte ich und erkannte gerade noch das Symbol der Stadt an der Seitentür des Wagens. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich das Nummernschild zu erkennen, bis mir klar wurde, dass ich mir eigentlich überhaupt keine Mühe zu machen brauchte. Rot und dieses Zeichen konnten nur eines bedeuten. Feuerwehr! Verdammt, das musste der neue Chief gewesen sein. Der fuhr seit Monaten mit dem Pick-up in der Stadt herum, sammelte Leute und Baumaterial und versuchte aus dem alten Brandwehrgebäude am anderen Ende der Stadt eine brauchbare Feuerwache zu machen. Mason … irgendwer. Keine Ahnung, bei mir war er noch nicht gewesen und auch sonst hatte er sich nicht viel in der Stadt blicken lassen. Aber immerhin brachte er das alte Gebäude wieder auf Vordermann. Eine wirklich ehrenhafte Aufgabe, aber das bedeutete nicht, dass er sich in der Stadt wie ein Straßenrowdy aufführen konnte. Missmutig sah ich seinen Rücklichtern hinterher und wollte mich gerade an die erneute Überquerung der Straße machen, diesmal mit etwas mehr Rücksichtnahme auf den Verkehr, als ich merkte, wie etwas Warmes und Feuchtes meinen Mantel durchdrang. Tief durchatmend schloss ich die Augen und konzentrierte mich nur aufs Luftholen. Es war noch nicht einmal neun und ich bereits kurz vorm Durchdrehen. Aber nein, nicht jetzt, nicht heute, niemals! Wir lebten in Frost Creek, dem wohl beschaulichsten Örtchen an der Ostküste, es goss aus Strömen und in vier Wochen war der Ball. Ich zimmerte mir ein Lächeln ins Gesicht, hüpfte in die nächste Pfütze und lief – den Verkehr nicht aus den Augen lassend – über die Straße. Kein Grund, sich aufzuregen. Erst würde ich heute den Tag hinter mich bringen, Dutzende Köpfe aufhübschen, und heute Abend würde ich beim Sheriff vorbeischauen und mich über Masons Verhalten im Straßenverkehr beschweren. Jawohl! Allein der Gedanke, ihm eine saftige Rechnung für die Reinigung meines Mantels zu präsentieren, hellte meine Stimmung merklich auf. Daran änderte auch das beschissene Wetter nichts!
»Na wie siehst du denn aus?«, begrüßte mich Tiffany, als ich, begleitet vom Läuten der Eingangsglocke mein Heiligtum betrat.
»Na wie schon?«, murrte ich und stellte meinen leeren Kaffeebecher auf die Theke, die Tiffany gerade mit einer weißen Plüschgirlande verzierte. »Wie eine mit Kaffee durchnässte Chefin, ohne Koffein im Blut, dafür aber mit feuchten Füßen?«, schimpfte ich vor mich hin und fixierte das glitzernde Etwas, das sich um meine – MEINE – Theke schlang. »Was genau ist das?« Mit spitzen Fingern zupfte ich an dem Plüsch.
»Hab ich bei Belle erstanden!«, flötete Tiffany. »Hübsch, nicht?«
Tief einatmend schloss ich die Augen. »Nicht. Hübsch. Vielleicht könntest du dich auf ein Farbkonzept einigen?« Wenn ich nach links sah, verätzte mir ein Albtraum aus weißem Plüsch die Netzhaut, sah ich nach rechts in Dallas' Reich drehte sich mir der Magen um. Rot, grün und lila! Dallas hatte es tatsächlich geschafft, sämtliche Deko aus dem Lager in seinem Bereich zu horten und daraus ein regenbogenfarbenes Kaleidoskop zu kreieren. Okay, das war nicht lustig.
»Sagt mal, was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?«
Dallas war gerade mit seinem Kunden – Mr. Wilson – fertig, schüttelte den Umhang aus und geleitete ihn zu seinem Mantel. »Du, Schätzchen, hast gesagt, wir sollen dekorieren. Und da die da«, missmutig deutete er auf Tiffany, »nicht mit meinen Ideen einverstanden war …«
»… dachtest du, du raffst sämtliche Deko zusammen und verteilst sie gießkannenartig im Barbershop?«, half ich aus.
Dallas zuckte mit den Schultern, als er Mr. Wilson abkassierte. »Stimmt so«, meinte der alte Herr und drückte ihm einen Zwanziger in die Hand. »Für die Kaffeekasse, ich glaube, Mandy hat‘s nötig.«
»Bitte?«, warf ich Mr. Wilson einen pikierten Blick zu. »Wenn überhaupt hab ich ein großes Glas Whisky nötig! Ich bin heute morgen beinahe überfahren worden!«
»Von wem?« Tiffany beugte sich über die Theke. »Sah er gut aus? Was hatte er an?«
Ich verdrehte die Augen. »Wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass es sich um einen ER handelt?«
Tiff lachte, doch Mr. Wilson antwortete für sie. »Weil du viel biestiger wärst, wenn es eine Frau gewesen wäre, deshalb. Schönen Tag noch. Und reg dich nicht auf, Kleines. Es gibt Wichtigeres im Leben.« Mr. Wilson setzte seinen Hut auf und zwinkerte mir zu. Er kannte mich, seit ich ein Dreikäsehoch war. Möglich, dass ich sogar einen Milchzahn auf seinem Schoß verloren habe.
»Zum Beispiel?« Mr. Wilson antwortete nicht mehr, stattdessen tippte er sich kurz an den Hut und verließ den Laden. Wunderbar. Was bitte schön konnte es Wichtiges als Kaffee geben?
»Und?«, bohrte Tiffany weiter und hielt mir eine verführerisch duftende Tasse unter die Nase, während ich noch Mr. Wilson hinter her sah und darüber nachdachte, wie seine Bemerkung aufzufassen war. Der Geruch frisch gebrühten Kaffees flutete meine Sinne. Genüsslich schloss ich die Augen und folgte dem Duft, während Dallas hinter mich trat und mir aus dem Mantel half.
»Was und?«, äffte ich Tiffany nach und streckte gierig meine Hände nach der Tasse aus. Sie wich einige Zentimeter zurück, sodass ich die Tasse nur um Haaresbreite verfehlte. Dallas legte seinen Kopf auf meine Schulter.
»Sah er gut aus?«, hauchte mir mein Mitarbeiter ins Ohr. Ich fröstelte und bei jedem anderen Mann wäre mir vermutlich ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen, aber nicht bei Dallas. Er stand nicht auf Frauen. Viel mehr interessierte er sich für den Fahrer des roten Pick-ups.
»Weiß ich doch nicht! Ich war voll und ganz damit beschäftigt, nicht durchnässt zu werden. Gibst du mir jetzt endlich den Kaffee!«, fuhr ich Tiff an. Meine Freundin lachte herzlich.
»Nein, erst setzt du dich und dann erzählst du uns alles. Und ich verrate dir den Namen des Fahrers.« Überrascht starrte ich Tiff an und ließ mich widerstandslos von Dallas auf den ersten freien Bedienstuhl setzen.
»Woher weißt du den? Soweit ich weiß, hat sich der Chief noch nirgendwo blicken lassen.«
Tiff reichte mir die Tasse, sonnte sich in meinem Blick und betrachtete gelangweilt ihre perfekt manikürten Nägel. »Du weißt eben nicht alles. Ich war lezte Woche bei Hunter und da habe ich zufällig einen Blick auf ihn werfen können. Er sah verdammt gut aus.«
»Name, Süße, ich will einen Namen«, flötete Dallas und lehnte sich gegen die Theke.
Tiffany spitzte die Lippen. »Was kriege ich denn dafür, wenn ich euch zwei Raubtieren den Namen des neuen Chiefs verrate?«
Dallas rollte mit den Augen. »Na vielleicht lasse ich dich zusehen, wenn ich mich von ihm …«
»Oh bitte! Verschone uns mit deinen Bettgeschichten!«, brachte ich Dallas zum Schweigen.
»Ich glaube sowieso nicht, dass er auf Kerle steht«, lachte Tiff. »Also was bietest du mir an, Cheffin?«
Vorsichtig nippte ich an meiner Tasse. Obwohl mich der Name des neuen Chiefs brennend interessierte, war ich nicht so dämlich, Tiffany gegenüber eine Schwäche zu zeigen. Sie war ein Raubfisch, wenn es darum ging, andere auszunutzen. Und wenn ich auch nur mit der Wimper zuckte, würde sie mich fertig machen. Natürlich auf liebevolle, kollegiale Weise. »Du darfst die ganze nächste Woche früher gehen, aber dafür übernimmst du die Frühschicht.« Tiffs Augen wurden groß. Das war ein Angebot, dem sie nicht widerstehen konnte. Tiff besuchte jeden Abend einen Tanzkurs, um beim jährlichen Winterball perfekt über die Tanzfläche schweben zu können. Mit ein paar zusätzlichen freien Stunden am Abend könnte sie auf Hochglanz poliert im Studio erscheinen und sich einen Begleiter angeln. Nicht, dass sie das nötig hätte, und ich auch nicht. Nach einer gescheiterten Beziehung war mein Bedarf an Männern mehr als gedeckt. Trotzdem, den Namen des Chiefs wollte ich schon wissen, allein um ihn beim Sheriff anschwärzen zu können.
Tiffany biss sofort an. »Mason Miller«, gurrte sie. »Zumindest hat Hunter ihn so genannt.« Hunter gehörte die örtliche Werkstatt, nur leider sagte mir der Name überhaupt nichts.
»Okay«, machte ich. »Hast du deiner Aussage noch irgendetwas hinzuzufügen? Das reicht nicht annähernd für die Frühschicht.«
Tiffany grinste. »Groß, dunkles Haar, muskulös.« Dallas ließ einen tiefen Seufzer hören und griff sich theatralisch an die Brust. Genau sein Beuteschema, meines auch, aber – wie gesagt – mein Interesse lag derzeit nur darin, diesem Straßenrowdy das Handwerk zu legen. Wenn er nicht gerade einen Einsatz hatte, sollte er so wie jeder Bürger der Stadt ein degressives Fahrverhalten an den Tag legen.
»Weiter …«, bohrte ich nach, doch Tiffany zuckte mit den Schultern.
»Er wohnt auch in der Wache, hat Hunter gesagt. Du kannst also gleich bei ihm übernachten, wenn du ihn zur Schnecke machst.«
»Was?«, schnappte ich. Tiff lachte.
»Na das hattest du doch vor, oder? Ihn wegen deines Mantels runterputzen.«
»Nope«, wehrte ich ab und versank im Kaffee. »Ich werde den Sheriff auf ihn ansetzen.« Und damit war das Gespräch beendet, denn die Glocke über der Ladentür kündigte Kundschaft an.
[Mandy]
Als ich die Ladentür hinter dem letzten Kunden für den heutigen Tag schloss, goss es längst nicht mehr so stark wie heute Morgen. Ja, der Regen hatte soweit nachgelassen, dass ich beschloss, mich ohne Regenschirm auf den Weg zum Büro des Sheriffs zu machen. Mason Miller, der Name des Typen wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich meinte, mich an einen Mason Miller erinnern zu können. Er war ein paar Klassen über mir zur örtlichen High School gegangen. Nicht, dass ich jeden Kerl kannte, der zufällig die gleiche Schule besucht hatte. So eine war ich nicht. Allein die Angst vor meinem Vater, was er mit den Jungs gemacht hätte, die ich auch nur einmal kurz angesehen hätte, ließ mich jegliche amourösen Gedanken beiseiteschieben. Paul Talbot war ein herrischer Mann gewesen, aber auch ein liebevoller Vater. Jeder in der Stadt kannte ihn und allein aus diesem Grund hatten die Jungs von mir die Finger gelassen.
In Gedanken versunken stieß ich einen wehmütigen Seufzer aus, während ich die Hauptstraße hinunter schlenderte. Letztendlich hatte es mir wenig genützt und ich war an den wohl miesesten Kerl geraten, den man sich vorstellen konnte. Nur um meinem Vater eins auszuwischen. Um ihm die Stirn zu bieten. Höchstwahrscheinlich hatte ich mir genau deshalb einen Kerl ausgesucht, den ein Mädchen mit gesundem Menschenverstand nie auch nur angeschaut hätte. Aber nein, ich musste mich Hals über Kopf in einen Gangster verlieben. Insgeheim machte ich mein jugendliches Aufbegehren für sein Herzleiden verantwortlich und so kam eines zum anderen. Es hatte immer nur meinen Vater und mich gegeben. Wir gegen den Rest der Welt. Mom hatte ihn verlassen, als ich noch ganz klein gewesen war. Ich kannte sie nur von Bildern. Umso schlimmer muss es für ihn gewesen sein, als ich ihn auch wegen eines Kerls verließ. Doch ich kam zurück, übernahm seinen Laden und hielt mich von jedem männlichen Zeitgenossen fern, der auch nur einen Hauch Interesse an mir zeigte.
Erst recht seit dem Tod meines Vaters. Ich war schuld daran und meine Strafe war … Einsamkeit. Und ich würde nicht versuchen, ihr zu entgehen, denn sie war genau das, was ich verdiente. Als ob das Wetter meine Meinung teilte, setzte erneuter Regen ein. Kein Nieselregen, nein, ein regelrechter Wolkenbruch ergoss sich über mir. Konnte der Tag eigentlich noch schlimmer werden?
»Mist!«, rief ich, zog die Kapuze meines Wintermantels über und rannte Richtung Sheriff. Doch was immer ich heute verbrochen hatte, das Schicksal fand, ich sei noch nicht genug gestraft. Vor verschlossener Tür und in strömendem Regen blickte ich auf ein mich verhöhnendes Schildchen im Fenster der Tür von Clives Büro: Bin gleich wieder da! Das konnte doch nicht wahr sein! Nicht mal seine Frau war da! Vermutlich sind die beiden Abendessen im Frosts Inn. War ja klar. Bis die wiederkamen, konnte es dauern. Aber ich war nicht gewillt, so leicht aufzugeben. Dann musste ich meine Probleme eben selbst lösen. So wie ich das immer getan hatte. Pah, wer brauchte schon einen Sheriff!
Hastig zog ich den Kopf ein und trat wieder ins Freie. Der Unterstand über der Eingangstür zum Büro des Sheriffs hatte mir nicht gerade viel Schutz geboten, aber der Regenschwall, der sich erneut über mich ergoss, als ich hinaustrat, ließ mich unwillkürlich frösteln. Super! Jetzt war es allerdings auch egal. Wo ich schon mal nass war, konnte ich meinen Unmut auch gleich an Mason Miller abreagieren.
Die Hände tief in die Taschen meines durchnässten Wintermantels vergraben stapfte ich die paar Meter zur Feuerwache. Noch vor ein paar Monaten hatte hier ein baufälliges Gebäude gestanden, das sich verzweifelt an das Sheriffdepartment klammerte und eher wie eine heruntergekommene Werkstatt aussah. Doch was Miller daraus gemacht hatte, verschlug mir schier die Sprache. Staunend und ungeachtet des Starkregens, der unaufhörlich auf mich einprasselte, stand ich vor dem geöffneten Garagentor und starrte an der in neuem Gelb erstrahlenden Fassade empor. Das Wasser lief mir übers Gesicht, doch der neue Schriftzug hatte mich komplett vereinnahmt. Frost Creek Fire Department stand da in roten Lettern. Als ich mich an den wirklich hübsch geschwungenen Buchstaben sattgesehen hatte, glitt mein Blick in das Innere des Gebäudes. Drei Löschzüge und ein Einsatzfahrzeug standen in der hell erleuchteten Werkstatt. Und am weitesten rechts von mir das corpus delicti. Der rote Pick-up von heute Morgen. Na also, der Täter war überführt. Wütend stapfte ich in die Garage und sah mich nach Mason um.
»Miller?«, rief ich, doch die laute Musik konnte ich nicht übertönen. Aber das brauchte ich auch gar nicht. Ich musste nur der männlichen Stimme folgen, die gerade den Refrain von Knocking on Havens door gröhlte. Schmunzelnd ging ich um den ersten Löschzug herum und entdeckte zwei Beine, die unter dem Fahrzeug hervorlugten und im Rhythmus des Songs mitwippten. Na wenn das nicht der Fahrer des Pick-ups, respektive Mason Miller war. Während ich ihn dabei beobachtete, wie er mitsang und am Fahrzeug herumwerkelte, vergaß ich fast, warum ich eigentlich hergekommen war. Aber eben nur fast. Ich gehörte eben nicht zu der Sorte Mensch, die leicht verzieh. Der Mantel war verdammt teuer gewesen. Echte Schurwolle! Keine Reinigung – zumindest nicht in dieser Stadt – traute sich an das Zeug ran!
Ich räusperte mich einvernehmlich, doch Mason hatte gar keine Chance, mich überhaupt zu hören. Mir war das absolut klar, aber mein von Wut vernebeltes Hirn wollte nicht klar denken. Zu wenig Koffein im Blut, und dafür war er ja auch noch verantwortlich! Wütend stieß ich gegen sein Bein. Zweimal!
»Was zur Hölle!?«, brüllte Mason, zuckte zusammen und stieß mit dem Kopf gegen den Unterboden des Löschzugs.
»Mein Mantel ist im Arsch, du Arsch!«, rief ich und trat noch einmal zu. »Außerdem hatte ich keinen Kaffee und du bist schuld!«
»Sag mal spinnst du?!«, fauchte Mason und schob sich unter dem Wagen hervor. Er schien auf einer Art Rollbrett zu liegen, mit denen man von unten arbeiten konnte. Ich trat einen Schritt zurück, damit er hervorrollen konnte und starrte auf … einen ziemlich ölverschmierten Oberkörper, einen ziemlich nackten ölverschmierten Oberkörper. Shit. Glänzende Muskelstränge, ein Sixpack, das zum Darüberstreichen einlud, und sich heftig zusammenziehende Bauchmuskeln. Oh, Mist. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe, ließ meinen Blick über seinen perfekt gestählten Körper gleiten und traf schließlich auf sich amüsiert hebende Mundwinkel, versteckt unter einem dunklen Vollbart.
Mason richtete sich auf und streckte mir die Hand hin, schien sogar irgendetwas zu sagen, aber ich konnte ihn leider nicht verstehen, mein Gehirn hatte sich bereits vor ein paar Minuten verabschiedet.
»Hey?!« Er schnipste mit den Fingern. Das Geräusch passte so gar nicht zu dem perfekten Oberkörper und holte mich somit aus dem hinter meiner Stirn ablaufenden Porno.
»Häh?«, machte ich wenig geistreich.
Mason lachte überheblich. »Hier spielt die Musik, Süße!« Er deutete auf eine imaginäre Linie oberhalb seines Kinns. Ertappt blickte ich auf. Böser Fehler! Blaue Augen, so hell und klar wie der Himmel an einem frostigen Tag in Frost Creek eigentlich sein sollte. Gerade noch rechtzeitig riss ich mich von seinem kristallklaren Blick los und griff seine anzügliche Bemerkung auf, holte die Wut zurück und konzentrierte mich auf meinen Mantel aus sehr teurer Merino-Schurwolle. Das war das Einzige, was zählte. Weg mit den Muskeln, der ölverschmierten glänzenden Haut, dem herrlichen Sixpack, dem klaren Blick, dem zarten Haarflaum, der meinen Augen v-förmig den Weg in tiefere, sinnlichere Regionen wies …
»Nenn mich nicht Süße!«, fuhr ich ihn an und starrte grimmig auf die steile Falte zwischen seinen Augen. Keine Gefahr, im tiefen Blau dieser Bergseen zu versinken.
Mason lachte leise, griff nach einem Tuch, das im Bund seiner Hose steckte, und wischte sich geschäftig die Hände sauber. »Wie soll ich dich denn sonst nennen?«
»Mandy Talbot«, krächzte ich, da mein Blick dem verschmierten Lappen gefolgt war. »Mir gehört der Friseursalon zwei Straßen weiter.«
»Aha«, machte Mason. »Und was führt dich her? Der Ausblick vielleicht?« Verschmitzt grinste er mich an.
»Höchstwahrscheinlich nicht. Warum bist du bei den Temperaturen nackt?« Ich räusperte mich verlegen. »Also halbnackt. Du hast ja noch ne Hose an, also …« Shit. Hitze stieg mir in die Wangen. »Hast du nichts anzuziehen?«
Mason warf den Lappen hinter sich. »Du interessierst dich also für meine Kleidung?« Äh, nein, eher dafür, was darunter ist. Aber das sagte ich natürlich nicht laut. Gequält griff ich mir an die Nasenwurzel.
»Nein, ich interessiere mich nicht für deine Kleidung. Von mir aus arbeite nackt … also … in Unterhose oder … ist mir völlig egal, wie du arbeitest, nein, ich interessiere mich nur für meine Kleidung.« Als ich die Augen wieder öffnete, konnte ich gerade noch sehen, wie Mason sich ein T-Shirt überzog. Schade.
»Was stimmt denn mit deiner Kleidung nicht?«
»Ähm, nichts stimmt mit meiner Kleidung nicht. Mit dir stimmt was nicht!« Der Kerl machte mich wahnsinnig. Wütend ballte ich die Fäuste.
»Häh?«, machte er und brachte mich damit fast zur Weißglut. »Das verstehe ich nicht.«
»Wie auch?! Du schaust ja nirgendwo hin!«
Verständnislos starrte er mich an. »Sag mal, geht es dir gut?«
»Nein!«, fuhr ich ihn an. »Mir geht es überhaupt nicht gut. Ich bin vollkommen durchnässt und du stellst doofe Fragen!«
Mason runzelte die Stirn. »Ich habe dir überhaupt keine Fragen gestellt, ich habe nur auf deine kryptischen Aussagen reagiert.« Er trat einen Schritt auf mich zu und streckte hilfreich die Hände aus. »Aber vielleicht solltest du dich ausziehen. Nicht, dass du dir noch den Tod holst.«
»Das hättest du wohl gerne!«, fauchte ich.
»Wie bitte?«
»Na dass ich mir den Tod hole.«
»Ähm, nein. Ich wollte nur, dass du dich ausziehst, weil …«
»Nein, ich ziehe mich ganz bestimmt nicht aus. Reicht schon, wenn du hier nackt herumläufst und mich damit aus dem Konzept bringst!«
Mason lachte leise. »Okay, Süße.« Wütend funkelte ich ihn an. »Okay, nicht Süße, ähm, Mandy?« Fragend blickte er mich an. Ich nickte widerwillig. »Okay, Mandy dann. Ich möchte, dass du deinen Mantel ausziehst, weil er nass ist. Damit du dich nicht erkältest. Und dann mache ich dir einen schönen heißen Tee und du kannst mir in aller Ruhe erzählen, was mit deiner Kleidung nicht stimmt, ja?«
Die steile Falte auf meiner Stirn grub sich noch tiefer ein. »Mit meiner Kleidung ist alles in Ordnung!« Ohne überhaupt zu wissen, warum, ließ ich mir von ihm tatsächlich aus dem Mantel helfen. »Außer vielleicht dass sie nass ist. Und du bist Schuld!«
»Ich?« Mit dem Mantel über dem Arm ging er voran, drehte sich im Laufen um und deutete hinter sich auf eine Stahltreppe. »Komm, du kannst mir oben alles erzählen.«
Misstrauisch folgte ich ihm, obwohl ich eigentlich gar nicht wollte. Instinktiv spürte ich, dass ich ihm lieber meinen Mantel entreißen und um mein Leben rennen sollte. Aber meine Augen klebten an seinem Oberkörper und er sah nicht so aus, als ob er meinen Mantel freiwillig hergeben würde. Ja, genau. Ich hatte einfach keine Wahl, ich musste ihm folgen.
»Ich fürchte, das ist keine so gute Idee«, murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu irgendwem sonst.
»Was? Tee trinken ist immer eine gute Idee. Außerdem brauchst du ein Handtuch und woran ich auch immer schuld sein mag, ich möchte nicht, dass du dich erkältest.«
Wie auf Kommando musste ich niesen. »Zu spät«, murmelte ich.
Mason ging die Stufen voran. »Für Tee ist es niemals zu spät.«
Zwanzig Minuten später hockte ich ohne Hosen, nur in Unterwäsche und in eine kuschelige Decke gehüllt in Masons Loft und klammerte mich zitternd an eine heiße Tasse Earl Grey.
»Du bist komisch«, brachte ich zwischen all dem Zähneklappern gerade so hervor. Entgegen meiner Beteuerungen war mir so schlagartig eiskalt geworden, dass ich mich kaum aus den klammen Sachen schälen konnte. Nur die Wut schien mein Innerstes die ganze Zeit über erwärmt zu haben und als Mason mir gastfreundlich einen Tee anbot, schien mein Körper erleichtert aufgegeben zu haben, sich gegen die Kälte zu wehren. Nur meinem Dickkopf hatte ich es zu verdanken, dass ich Mason nicht um Hilfe gebeten hatte. Fehlte noch, dass mich ein wildfremder Mann auszog! Hitze stieg mir in die Wangen und ich versank in der heißen Flüssigkeit. Das war nur der Blutfluss, der durch die von der Tasse ausgehende Wärme angeregt wurde. Nichts weiter.
Mason saß mir gegenüber und nippte an seinem Tee. »Wieso? Du sitzt mir fast völlig unbekleidet gegenüber. Das ist komisch.«
»Lass das«, murrte ich. Mir war echt nicht nach Scherzen zumute. Mir war saukalt, mein Mantel ruiniert und nach Hause konnte ich auch nicht. »Tee, ich meine den Tee. Jeder normale Mensch bietet einem Kaffee an, du nicht.«
Mason schmunzelte. »Kaffee ist ungesund.«
Empört zog ich eine Augenbraue hoch. »Aber das Koffein! Wie soll man denn den Tag ohne seine Dosis Koffein durchstehen?«
»Versuch es mal mit ausreichend Schlaf.«
»Ich schlafe genug.« Was wohl der Übertreibung des Jahrtausends entsprach. Selten schlief ich mir als vier Stunden pro Nacht. Nicht, dass ich nicht schlafen konnte. Wenn ich erst einmal in der Horizontalen war, schlief ich wie ein Murmeltier auf der Stelle ein. Nein, ich hielt Schlaf für reine Zeitverschwendung. Als Unternehmerin hatte ich mehr als genug zu tun und selten reichten vierundzwanzig Stunden für all das, was ich zu erledigen hatte.
»Tust du nicht. Niemand tut das heutzutage. Die meisten pumpen sich mit Koffein voll und halten das für völlig normal.«
»Aber das ist normal.«
»Normal weil es jeder macht? Das ist nicht normal, das ist nur der Herdentrieb.«
»Und was bist du? So ein Gesundheitsfreak?«
Mason schmunzelte. »Wohl kaum. Ich halte nur nichts von Drogen jeglicher Art, um etwas auszugleichen, was man sich auch auf natürlichem Weg holen kann.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Also rettest du die Welt? Wie diesen Laden zum Beispiel?«
Mason stellte die Tasse auf den Tisch zwischen uns und erhob sich, vergrub die Hände in der dreckigen Jeans und schlenderte zum Fenster. »Nein«, murmelte er. »Ich mag es, kaputte Dinge zu reparieren. Nichts sollte weggeworfen werden, nur weil es nicht mehr wie am ersten Tag funktioniert. Guiliana weiß das. Sie ruft mich jedes Jahr an, damit ich diese Feuerwache wieder instandsetze und jedes Jahr habe ich ihr einen Korb gegeben.« Seine Schultern verspannten sich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihn etwas bedrückte, aber ich konnte nicht sagen, was. War ja auch klar, immerhin kannten wir uns kaum. Dieser Umstand störte mich, warum auch immer. Von einem unbekannten Puppenspieler gelenkt erhob ich mich, zog die Decke hinter mir her und stellte mich neben ihn ans Fenster. Ich merkte erst, wie nah ich ihm war, als die von ihm ausgehende Körperwärme die Decke durchdrang. Ein flaues Gefühl ließ sich meinen Magen zusammenziehen. Am liebsten wäre ich von ihm wieder abgerückt. Ich tat es nur deshalb nicht, weil das irgendwie seltsam rüber gekommen wäre … und vielleicht ein ganz kleines Bisschen deshalb, weil er sich irgendwie gut anfühlte. Seltsam war das allerdings schon, also sich fast völlig unbekleidet an einen Fremden zu lehnen und das gut zu finden. Man, war ich heute eigenartig drauf. Total unterkoffeiniert.
»Und was hat sich geändert?«, fragte ich nach einer Weile. Die Stille fühlte sich nicht ungewohnt an, eher total natürlich, aber es wäre doch sehr eigenartig gewesen, länger hier herumzustehen und in den Regen zu starren. Mason wandte sich mir zu und blickte mir tief in die Augen. Fast erwartete ich so eine abgedroschene Phrase wie Du hast dich geändert, aber stattdessen räusperte er sich und brachte etwas Abstand zwischen uns.
»Es war ein Fehler«, krächzte er. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Was war ein Fehler? Das ich hier war? Shit. Das war ja so peinlich. Panisch ließ ich die Decke fallen. Natürlich war das ein Fehler, ich hätte nie mit hier heraufkommen dürfen.
»Okay, ich glaube, ich geh mal«, murmelte ich und wollte meine Sachen von der Lehne der Couch klauben.
»Nein, stopp«, räusperte sich Mason. Hektisch sah ich auf. Sein Blick traf mich wie ein Vorschlaghammer. Ich vornübergebeugt, wie ich nach meiner Jeans angelte und er, wie seine Augen über meinen Körper glitten und dabei eine Spur heißen Verlangens hinterließen. Seine Zähne gruben sich fest in die Unterlippe und verhinderten damit, dass er sich über die Lippen leckte. Fasziniert starrte ich auf seinen Mund, während eine längst vergessene Hitze die Kälte aus meinen Gliedern trieb. Aber das durfte nicht sein. Männer machten alles kaputt. Jedes Mal, wenn ich mich dem Glück nahe glaubte, trat ein Kerl in mein Leben und zerstörte alles. Nie wieder würde ich das zulassen. Gerade war ich glücklich und um nichts in der Welt würde ich das aufgeben. Also griff ich nach meiner noch feuchten Hose und stieg unter Masons gierigem Blick so gelassen wie möglich in den klammen Stoff.
»Was stopp? Du hast gesagt, es wäre ein Fehler gewesen, also ziehe ich mich besser an und gehe«, erklärte ich so gelassen wie möglich.
Mason fuhr sich frustriert durchs Haar. »Nein, das meine ich nicht. Also das war kein Fehler, also … nicht, dass du denkst, ich hätte dich nur mit raufgenommen, weil ich was von dir wollte und so …«
Amüsiert zog ich eine Augenbraue ich. Er stammelte. Man, das war süß. Mein Spieltrieb ging mit mir durch. Nein, ich war kein verständnisvoller Gegner. Wenn ich eine Chance witterte, andere zu reizen, musste ich es einfach tun. Es war wie ein Zwang, ich konnte mich nicht dagegen wehren. »Was?«, setzte ich an und beugte mich leicht vor, so dass Masons Blick unwillkürlich in mein Dekolletee fiel. Er konnte sich gar nicht dagegen wehren. Kein Mann konnte das. Titten zogen ihre Augen wie magisch an. »Gefalle ich dir etwa nicht?«
Masons Augen wurden noch eine Spur größer. »Nein, doch, aber nicht … ich meine, ich will keinen Sex. Mit dir. Aber du bist trotzdem heiß.« Er krächzte verzweifelt.
Unwillkürlich lachte ich auf und griff nach meinem Pullover. »Was? Kein Sex? Also stimmt doch etwas nicht mit dir?«
Mason stöhnte gequält. »Können wir das bitte lassen?«
»Was dann?«, versuchte ich mit einem unschuldigen Augenaufschlag abzulenken.
Mason starrte auf meine Lippen. »Das da! Ich. Will. Keinen. Sex. Und mit mir ist alles in Ordnung!«
»Nichts ist mit dir in Ordnung. Jeder normale gesunde Mann braucht Sex. Und wenn du meinst, das alles mit dir in Ordnung ist, dann brauchst auch du Sex.«
Seine Augen wurden groß. »Was? Willst du jetzt doch Sex?«
»Mit dir?« Ich zog mir den Pullover über den Kopf und musterte ihn kritisch, nachdem ich wieder aus dem Ausschnitt aufgetaucht war. »Mh«, machte ich und kam auf ihn zu. Er sah wirklich gut aus. Sanft legte ich meine Hand auf seine Brust und schloss die Augen, fühlte seinen Herzschlag. Schnell, aufgeregt. Definierte Muskelstränge verspannten sich unter meiner Handfläche. Interessant. Kalt ließ ich ihn jedenfalls nicht. Er mich auch nicht, doch aus uns konnte nichts werden. Das hinderte mich allerdings nicht daran, ihn anzufassen. »Das fühlt sich schon mal vielversprechend an«, murmelte ich und ließ meine Hände tiefer wandern. Mason atmete deutlich aus.
»Was tust du da?«, krächzte er, die Hände gruben sich fester in die Hosentaschen.
»Ich teste«, entgegnete ich und ließ meine Hände über seinen Bauch wandern. Shit, fest. Sanft umspielte ich seinen Bauch, umrundete ihn und blieb in seinem Rücken stehen. Meine Finger fuhren seine Taille entlang, seine ausgeprägte Rückenmuskulatur hinauf und ruhten schließlich auf seinen Schultern. Alles, was ich spürte, war durchtrainiert und fest. Zum Anbeißen heiß.
»Und?«, krächzte Mason. »Wie ist dein Urteil?«
»Perfekt. Ich denke, das könnte funktionieren.«
Er warf mir einen Blick über die Schulter zu. »Was genau meinst du? Mit uns?«
»Nein«, schüttelte ich den Kopf. »Ich mache sowas nicht mehr.«
»Sex?«
»Dito.«
»Was dann?«
Meine Hände wanderten über seine Schultern und ich ließ meine Finger durch das kurze, dichte Haar in seinem Nacken gleiten, zog verspielt daran, so dass er den Kopf nach hinten legen musste. »Mandy, was wird das?«
»Na, du bist offensichtlich total untervögelt, wenn du behauptest, kein Interesse an Sex zu haben. Also werden wir dir eine Frau suchen, die Sex mit dir haben will. Du siehst heiß aus, das sollte also funktionieren.«
»Wie bitte?« Mason riss sich los, wirbelte herum und griff nach meinen Händen. »Wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass ich überhaupt mit einer Frau zusammensein WILL?« Perplex starrte ich auf seine Finger, die sich schraubstockartig um meine Handgelenke krallten. Mason bemerkte meinen Blick. Hastig ließ er mich los und ich trat einen Schritt zurück. Dieser Mann war wirklich zu groß und zu gefährlich für mich, um längere Zeit in seiner Nähe zu verbringen. Wenn ich ihm allerdings eine Freundin suchte, würde ihn das für mich hoffentlich total uninteressant machen, denn dieses Verbot beachtete sogar meine Libido. Die Männer anderer Frauen waren absolut tabu.
»Schätzchen, wir sind in Frost Creek und du bist seit Monaten hier. Jeder wird sich fragen, was mit dir nicht stimmt, wenn du nicht bald eine Freundin aufweist. Also suchen wir dir eine.«
Schockiert starrte mich Mason an. »Und wenn ich nicht will?«
Ich lachte auf, als ob ich ihn für nicht ganz dicht halten würde. »Du bist in Frost Creek! Da geht sowas einfach nicht. Du brauchst eine Freundin.«
Masons Blick veränderte sich, wurde eine Spur raubtierhafter. Langsam bewegte er sich auf mich zu, mit seinem düsteren Blick und seinen dunklen Haaren hatte er deutliche Ähnlichkeit mit einem schwarzen Panther. Unwillkürlich wich ich zurück, bis ich gegen die Couch prallte und rücklings auf die Polster stürzte. Mason kletterte über mich und bohrte seinen intensiven Blick in meine Augen. Verspielt zupfte er am Ausschnitt meines Pullovers herum. »Warum spielst du nicht meine Freundin?«
Ich schluckte trocken. »Ich? Wieso ich?«
Mason grinste. »Na weil du keinen Sex mit mir willst. Das ist doch eigentlich perfekt.« Hastig schlug ich seine Hand fort und krabbelte unter ihm hervor. Sehr zu meinem Leidwesen machte er keine Anstalten, mich aufzuhalten. Hektisch brachte ich mich am anderen Ende der Couch in Sicherheit und griff mir - nur für alle Fälle - noch ein Schutzkissen, das ich mir vor den Bauch drückte. Mason lehnte sich zur Seite und grinste mich verwegen an.
»Weil ich überhaupt keine Zeit habe, mit dir auf den Ball zu gehen.«
Seine lüsterne Miene bekam Risse. »Ball?«, wiederholte er mit einem Anflug von Panik in der Stimme. »Was für ein Ball?«
»Na der Winterball. Am Abend vor Heiligabend findet hier im Ort der traditionelle Winterball statt und du als neuer Chief solltest daran teilnehmen. Mit einer Begleitung. Also wenn du da nicht auftauchst, dann … war‘s das.« Ich machte eine sinnbildliche Geste. »Du wärst sowas von tot.«
»Häh?«
»Alle Frauen der Stadt würden sich auf dich stürzen. Also ist es unumgänglich, erstens dort aufzutauchen und zweitens, nicht alleine aufzutauchen. Du kannst doch tanzen?«
»Wie bitte?«
»Tanzen? Walzer? Zumindest den solltest du draufhaben.«
»Ehrlich, Mandy, ich muss das alles nicht. Ich hab sowieso viel zu viel zu tun, wenn die Wache nächstes Jahr ihren Betrieb aufnehmen soll. Also, lass es gut sein, ja?«
Verbissen schob ich die Unterlippe vor. »Nein!«, widersprach ich. »Tue ich nicht. Du brauchst eine Freundin, mit der du zum Ball gehen kannst.« Um dich für mich absolut uninteressant zu machen. »Du musst das tun, weil …« Verzweifelt suchte ich nach einem Grund. Ich konnte ihm ja schlecht die Wahrheit sagen.
Mason witterte meine Bedrängnis. »Weil …?«, wiederholte er mit hochgezogener Augenbraue.
»Weil … weil …« Mein Blick fiel auf den Mantel. hah! »Weil du mir meinen Mantel runiert hast und es mir deshalb schuldig bist!«
»Was?«, stammelte er und folgte meinem Blick. »Was soll mit dem Mantel sein? Der ist doch völlig in Ordnung. Nur etwas nass, vielleicht.«
Jetzt reicht‘s! »Das ist Merinowolle und du bist heute Morgen durch eine Pfütze gefahren, hast mich von oben bis unten nass gespritzt und es noch nicht einmal gemerkt.«
»Oh«, machte er.
»Ja, Oh! Und deshalb wirst du dir von mir eine Freundin suchen lassen, weil ich sonst zum Sheriff gehe und dich anschwärze. Du kannst dich warm anziehen, wenn Clive dir die Hölle heiß macht.«
Mason zog amüsiert eine Augenbraue hoch. »Clive ist mein Nachbar, Süße.«
Wütend zog ich das Kissen enger an meinen Oberkörper. »Aber auch der Sheriff. Willst du es wirklich drauf ankommen lassen?«
Mason lachte. »Oh nein, ich will lieber dir dabei zusehen, wie du eine Frau für mich aussuchst.« Er stand auf, kam auf mich zu und zog seine Börse aus der Gesäßtasche. »Was hat dein Mantel gekostet?«
Ich bekam große Augen. »Du musst das nicht tun. Ich kann mir selbst einen neuen Mantel kaufen!« Alles in mir zog sich bei dem Gedanken daran, Masons Geld zu nehmen, zusammen. Aber genau deshalb war ich doch eigentlich hergekommen, oder? Ich wollte, dass er mir meinen Mantel bezahlte. Doch jetzt, wo ich ihn näher kennengelernt hatte, war der Mantel nicht mehr von Bedeutung.
»Aber …« Mason zog eine Augenbraue hoch. »Weshalb bist du dann hier?«
Verstimmt schob ich die Unterlippe vor. »Keine Ahnung, warum ich hier bin.« Hastig pfefferte ich das Kissen in die Ecke, stand auf und griff meinen Mantel. Verblüfft sah er mir mit geöffneter Brieftasche und ein paar Dollar in der Hand dabei zu, wie ich mir den Mantel überwarf und Richtung Treppe, die in die Garage führte, stapfte.
»Also nicht, um dir deinen ruinierten Mantel ersetzen zu lassen?«, bohrte er weiter nach. Irgendwas schien ihn schrecklich zu amüsieren, was mich nur noch wütender machte.
»Nein!«, fauchte ich.
»Um mit mir Sex zu haben?«
»Bloß nicht!«
»Weil du dir den neuen Chief angucken wolltest?«
»Absolut nicht!«
»Um mir eine Freundin zu suchen!«
»Nein!« Abrupt hielt ich am obersten Treppenabsatz inne und warf Mason einen grimmigen Blick zu. »Das war gemein!«, schimpfte ich auf sein amüsiertes Grinsen hin. »Ich werde dir eine Freundin suchen, darauf kannst du Gift nehmen.«
»Lieber nicht. Aber wenn es dich nicht stört, kann ich ja als kleine Entschädigung das Essen bezahlen.«
Verblüfft starrte ich ihn an. »Welches Essen?«
Mason faltete seine Brieftasche zusammen und warf sie auf die Couch, bevor er zu mir kam, sich auf dem Eisengeländer abstützte und mich intensiv musterte. »Wo genau wolltest du mir denn eine Frau suchen?«
Ratlos zuckte ich mit den Schultern.
»Im Frosts Inn vielleicht? Während wir eine Kleinigkeit essen? So unter Freunden?«
Ich spitzte die Lippen. Das war wirklich eine wunderbare Idee. Wie unter Freunden. Das Gefühl, welches sich daraufhin in meinem Magen ausbreitete, behagte mir überhaupt nicht. Ich wollte nicht Masons Freund sein, ich wollte etwas ganz anderes. Aber das zu erlauben kam überhaupt nicht in Frage. »Um Mädels abzuchecken?«
Masons Augen wurden groß, bevor er sich an seiner eigenen Spucke verschluckte. Ich konnte ihm förmlich ansehen, wie er vor der Friendzone zurückschreckte, aber er hatte doch genauso den Sex abgelehnt. Also war doch eigentlich alles okay, oder friendzonten wir uns gerade gegenseitig? Egal, ich war gerade zu wütend, um darüber nachzudenken. »Ja, Mädels abchecken. Wenn du meinst.«
»Genau. Bei Bier und Burger.«
»So gegen acht?«, spielte er den Ball zurück. Plötzlich schien ihn das gar nicht mehr so abzuschrecken. Und mich auch nicht.
»Freitag?«, warf ich ein.
»Perfekt!«
»Gut«, grinste ich und wollte den Mantel anziehen. Mason machte Anstalten, mir hineinzuhelfen, doch ich schüttelte energisch den Kopf, woraufhin er die Hände entschuldigend zurückzog. Freunde taten so was nicht.
»Dann bis Freitag!«, verabschiedete ich mich und lief hastig die Treppen hinunter. Ohne einen weiteren Blick zu riskieren, floh ich regelrecht aus der Feuerwache. Und war unglaublich froh, dass es nicht mehr regnete. Endlich klarte es auf, herrlich. Und ohne es wirklich zu wollen, freute ich mich auf Freitag, auch wenn es kein Date war, ich brannte regelrecht darauf, Mason näher kennenzulernen. Fast war als, es hätte ich ein Date. Ein Date? Oh, Himmel, nein!
[Mason]
Nur Freunde? Das mir das mal passieren würde. Ich war gerade in die Friendzone gesteckt worden, ohne es wirklich zu wollen. Ohne wirklich Sex zu wollen. Aber ich war ja selbst schuld. Die Kleine – Mandy – war heiß und es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre über sie hergefallen. Der Moment, als sie unter mir gelegen hatte, bescherte mir eine enge Hose. Aber ich würde mir keinen runterholen, nur weil ihr Blick – eine wilde Mischung aus Angst und Erregung – ein ungeahntes Sehnen in mir entfachte. Ich war nicht nach Frost Creek gekommen, um das erste Mädchen flachzulegen, das sich in meine Garage verirrte. Ich war hier, um endlich wieder zu mir zu finden. Seit dem Vorfall war ich längst nicht mehr ich selbst. Immer wieder waren meine Gedanken zu ihr geglitten, zu den Schreien und dem Tosen der Flammen. Aber ich war nicht in der Lage gewesen, sie zu retten. Was nützte mir das jahrelange Training, wenn ich doch versagte.
»Manchmal können wir sie nicht retten«, hatte mein Chief gesagt und mir aufmunternd auf die Schulter geklopft. Dem alten Piet war es zu verdanken, dass ich nicht im Alkohol versunken war. Aber meine Beziehung hatte er nicht retten können. Die war genauso in Flammen aufgegangen wie Amber.
Ich war nach Frost Creek gekommen, um all das hinter mir zu lassen. Der Aufbau einer eigenen Feuerwehr war genau das, was ich gebraucht hatte. Und dann kam sie. Stolperte wie ein triefend nasser Straßenköter in meine Garage, baute sich fuchsteufelswild vor mir auf und verlangte mit hochrotem Kopf, mir eine Frau suchen zu wollen. Dabei wäre sie perfekt. Aber ich respektierte ihren Wunsch und ließ mich friendzonen. Ich lachte leise und genehmigte mir einen weiteren … Tee. Alkohol war tabu. Nicht dass ich zum Alkoholiker geworden war, aber es hatte nicht viel gefehlt. Deshalb verzichtete ich lieber vollständig. Etwas unschlüssig stand ich immer noch am oberen Treppenabsatz, bis ich die in das Garagentor eingelassene Tür ins Schloss fallen hörte, erst dann wagte ich mich wieder runter, um weiter am Truck herumzuschrauben. Die Lust war mir allerdings gehörig vergangen.
Ständig drehten sich meine Gedanken um sie und als mir schließlich noch Öl ins Gesicht spritzte, weil ich nicht richtig bei der Sache war, ließ ich es lieber ganz bleiben. Wahllos tigerte ich durch die Garage. Selbst die harten Metalklänge aus der Anlage konnten mich nicht ablenken. Schöne Scheiße war das. Also pfefferte ich den Lappen, mit dem ich mir gerade die Hände gereinigt hatte, in die Ecke und kramte mein Smartphone heraus.
»Hey, Hunter, Lust auf ein Bier?« Das war das Schöne an Frost Creek. Wenn man nicht alleine bleiben wollte, musste man es auch nicht. Das Blöde war nur der umgekehrte Fall. Den respektierte hier niemand. Erst recht nicht so eine kleine Brünette.
[Mandy]
»Hey, hey, hey! Wo willst du denn hin?!« Tiffany stemmte empört die Hände in die Hüften und baute sich mit grimmiger Miene vor der Ladentür auf. Ich wollte gerade nach meinem Mantel greifen.
Irritiert blickte ich mich um. »Nach Hause?«, schlug ich hilfreich vor. Immerhin war das mein Laden. Tiffany war zwar auch meine Freundin, aber ebenso meine Angestellte. Ich musste sie nicht um Erlaubnis fragen, wenn ich früher gehen wollte. Außerdem war sie ja für die Spätschicht eingeteilt. Verdammt! Da fiel es mir wieder ein. Ich hatte ihr am Mittwochmorgen angeboten, sämtliche Spätschichten an den Abenden zu übernehmen, an denen sie zum Tanzkurs wollte. Freitagabend war einer dieser besagten Kurse. Zum Glück fanden die Kurse nur zweimal pro Woche statt.
»Entschuldige, Tiff, aber ich muss wirklich los.«
Meine Mitarbeiterin verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich auch! Ich muss noch duschen, mich umziehen, mich aufhübschen.« Sie wackelte provokant mit den Augenbrauen. Innerlich rollte ich mit den Augen. Tiff hatte es wirklich nicht nötig, Stunden in ihr Outfit zu investieren. Ich hingegen musste noch duschen, mich aufhübschen und … Ah! »Du hast es versprochen!« Schmollend schob sie die Unterlippe hervor und ich ließ ergeben die Schultern sinken. Verdammt, sie hatte recht. Versprochen war versprochen. Also ließ ich den Mantel wieder sinken und nickte. »Okay, dann sieh zu, dass du dich vom Acker machst.« Tiff strahlte mich an.
»Super, du bist wirklich die Beste!«
»Ja, ich weiß …«, setzte ich an, doch da war sie schon zur Tür hinaus. Schicksalsergeben ließ ich mich hinter meinen Schreibtisch sinken und vertrieb mir die Zeit mit liegen gebliebenen Tätigkeiten, eben all dem Zeug, dass frau zwar als Geschäftsführerin erledigen musste, aber eben vor sich her schob, wenn sie lieber quatschte, Haare schnitt und Kaffee trank. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, den Laden einfach früher zu schließen, um mich zurechtmachen zu können, aber schlussendlich entschied ich mich dagegen. Das war kein Date, ich traf mich nur mit Mason im Frosts Inn auf ein Bierchen und einen Burger. Mehr nicht. Kein Date, und damit basta. Doch irgendwie stand Mason der Nicht-Vögeln-Aufdruck überhaupt nicht. Säuerlich presste ich die Lippen aufeinander und widmete mich meinen Rechnungen. Das war mein Baby, mein Geschäft, mein Laden. Und kein Kerl der Welt würde mich davon ablenken.
Zwei Stunden später ließ ich erschöpft den Stift sinken, verstaute Taschenrechner und Ordner an ihrem zugehörigen Platz und ließ einen glücklichen Blick durch den Salon schweifen. Fast zärtlich strich ich über die ledernen Sitzbezüge, schaltete Lichter aus, ordnete Handtücher und inhalierte den in diesem Laden fest verankerten Geruch, der mir ein heimeliges Gefühl vermittelte. Als wäre diese Duftnote ein an der Wand installiertes Bild und sie gehörte mir. Ich atmete noch einmal tief durch, als ich die Ladentür öffnete, einen letzten Blick in mein Reich warf und dann hinter mir zuzog und abschloss. So süß Mason auch war, für mich stand absolut fest, dass ich niemals etwas mit ihm anfangen würde. Männer kamen und gingen, mein Laden nicht. Er war mein Baby und würde in meinem Leben immer an erster Stelle stehen. Beides – Liebe und Geschäft – funktionierte in meinen Augen nicht.
Kurz nach acht Uhr betrat ich das Frosts Inn. Wie jeden Freitagabend war der Laden bereits gut gefüllt. Ein paar Jungs hatten den Billardtisch bereits in Beschlag genommen, viele Tische waren besetzt. Wie in Kleinstädten üblich gab es nicht viele Lokale, wo man sich treffen und einen Happen essen konnte. Und wenn es einen Laden gab, dann vereinigte er mehrere Lokalitäten in einer. Das Frosts Inn war nicht nur eine Bar, es war gleichzeitig auch ein Restaurant rustikaler Art, der Ort, wo man sich traf, der Ort, an dem man sich daneben benehmen konnte und seine Verfehlungen am nächsten Tag in der örtlichen Tageszeitung wiederfinden konnte. Nicht, dass ich mich je daneben benommen hatte, ich wollte nur damit sagen, wenn man mich hier mit Mason Miller sah, wusste es morgen bereits die ganze Stadt. Toll. Wessen geniale Idee war es noch gleich gewesen, mich hier mit ihm zu treffen? Ach ja, meine. Den Ort hatte ich absichtlich ausgewählt, denn wenn es eine beziehungswillige Frau in der Stadt gab, würde sie sich heute Abend garantiert im Frosts Inn aufhalten.
Suchend ließ ich meinen Blick durch die Bar gleiten. Die Sache hatte nur einen Haken: Vermutlich war ich die Einzige, die solo aufgetaucht war. Jede in Frage kommende Frau hatte einen Begleiter. Nicht mal grüppchenweise tauchte das paarungswillige Weibsvolk hier auf. Wie sollte ich da für Mason eine Frau finden?
»Na, willst du dich nicht langsam mal setzen, Mandy?« Quentin rempelte mich an und schob mich unsanft in die Mitte der provisorischen Tanzfläche. Im Augenblick tummelten sich noch unzählige Tische hier und ich stolperte zwischen wahllos angeordneten Stühlen.
»Hey«, empörte ich mich und griff haltsuchend nach der Lehne eines freien Stuhles.
Quentin warf mir ein anzügliches Grinsen zu. »Wenn du dich nicht entscheiden kannst, komm rüber zum Billardtisch. Wir werden sicher den passenden Kö für dich finden!« Er lachte dreckig und ich rollte mit den Augen. Jede Stadt brauchte einen Quentin, was? Einen Trottel, der tagein, tagaus mit Anzüglichkeiten um sich warf.
»Nein, danke!«, erwiderte ich bissig und ließ meinen Blick erneut durch das Lokal schweifen. »Ich bin verabredet.«
»Oh!« Quentin wackelte mit den Augenbrauen. »Ms. Single-des-Jahres hat ein Date?« Seit meiner etwas ruppigen Trennung und Dads Herzerkrankung war allseits bekannt, dass ich mich mit niemandem traf. Seit Jahren nicht. »Ach, ich vergaß!«, winkte Quentin ab. »Du datest ja nicht.«
»Genau!«, bohrte ich meinen Zeigefinger in seine Brust. »Und deshalb geh ich jetzt erst mal was trinken!«
»Und später kommst du zu uns?«
»Vergiss es! Eher friert die Hölle zu!« Hastig wandte ich ihm den Rücken zu und stiefelte zur Bar. Genug freie Plätze gab es, also wählte ich meinen Hocker so, dass links und rechts Platz war. Mason konnte ich nirgends entdecken, und auf andere Gesellschaft hatte ich gerade keine Lust. Quentin hatte mit seiner ätzenden Art treffsicher dafür gesorgt, dass meine gute Laune gerade ihren Abflug machte. Und dabei hatte ich mich wirklich auf das Date … äh, auf ein Abendessen mit Mason gefreut. Nein, das war kein Date, ich hatte mich nämlich nicht hübsch gemacht. Puh, Glück gehabt.
Richard, dem die Bar gehörte, stand hinter dem Tresen und polierte eifrig Gläser. »Na, was darf‘s sein?«
»Scotch, ohne Eis«, entgegnete ich. »Ist draußen kalt genug.«
»Aber der Alkohol heizt dir bestimmt ordentlich ein.« Die Stimme des Typen zwei Sitze neben mir ließ mich wohlig schauern. Mason, Shit. Er blickte mich über den Rand seines eigenen Scotch-Glases ein, während Richard ein Glas vor mir abstellte und es füllte.
»Nicht das irgendetwas oder irgendwer mir einheizen könnte.«
Mason funkelte mich amüsiert an und prostete mir zu. Ich nickte, setzte das Glas an und starrte perplex in dessen Inneres. Richard hatte gerade mal so viel eingefüllt, dass der Boden bedeckt war.
»Sag mal, was soll das?«
Rich zuckte mit den Schultern. »Wir wollen ja nicht, dass du dich daneben benimmst.«
»Bist du jetzt mein Vater, oder was?« Richards Züge entgleisten. Wann immer die Sprache auf meinen Vater kam, fühlten sich die Leute mir gegenüber schuldig. Es könnte sein, dass ich ihn absichtlich erwähnte, um zu bekommen, was ich wollte.