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»Lost Trust and a frightened heart, tearing us apart. but is a child enough to handle over ten years of wicked love? you don’t let me free you still sing to me ...« Manchmal machen wir Fehler, wenn wir jemanden beschützen wollen, den wir lieben. Diese Lektion muss Cat bitter lernen, als sie und ihre Tochter auf einem Metal-Konzert Jaakko Salmela treffen. Sechzehn Jahre lang hat Cat geschwiegen, um ihre Tochter vor einem Leben mit einem alkoholabhängigen Vater zu schützen. Als Jaakko die Initiative ergreift, merkt Maxine schnell, dass hinter dem fremden Mann mehr steckt, als bloß der Bassist ihrer Liebslingsband. Cat kommt dem Wunsch ihrer Tochter nach und lässt zu, dass Maxine den Rockstar kennenlernt. Doch als sich weitere Überraschungen einstellen, wird Cats Familie auf eine harte Probe gestellt. Dies ist der erste Teil der Sing to me - Reihe. Dabei handelt es sich um einen in sich geschlossenen Liebesroman. Um allerdings die Geschichte richtig genießen zu können, sollte mit dem ersten Band begonnen werden. Band 1: Sing to me: Wicked Love Band 2: Sing to me: Wildchild Band 3: Sing to me: Sad but tru
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Sing to me – Wicked Love
Roman
Von Danara DeVries
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06869 Coswig (Anhalt)
Email: [email protected]
Cover: Alisha McShaw unter Verwendung der Bilder ©Shutterstock.
Lektorat: Wiebke Bohn
Korrektorat: Katharina Ushachov / phoenixlektorat
Bildmaterial: Adobe Stockphotos, ©Matthias Enter
Verwendete Schriftarten: Linux Libertine O, Times New Roman, Raustila (TT), Trajan 3 Pro, Arial
-- Alle Rechte vorbehalten! --
Lost Trust and a frightened heart,
tearing us apart.
but is a child enough
to handle over ten years of wicked love?
you don’t let me free
you still sing to me!
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Deine Danara
Manchmal, wenn ich schlafe, träume ich, dass ich falle. Dieses Gefühl, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben und einfach in die Dunkelheit zu stürzen. Es scheint, als befände sich mein Herz plötzlich in meinem Kopf und poche wild gegen die Schädeldecke, als wolle es sich vom Körper lösen und nach oben davonsegeln.
Manchmal fühle ich es über mir schweben. Es bleibt dort oben und ich falle immer weiter.
Schwindel ergreift von mir Besitz, ich trudele umher und verliere vollkommen die Orientierung.
Das Gefühl, das mich jetzt von den Füßen reißt, gleicht dem endlosen Fallen in meinen Träumen, aber es erreicht bei Weitem nicht die gleiche Intensität.
Ich falle nicht, nein, ich stehe fest mit beiden Beinen auf dem Boden, um mich herum der Lärm grölender Fans. Aber mein Herz hat sich in die Stratosphäre verabschiedet. Meine Knie zittern und das Handy fällt mir aus der Hand. Ich bin nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn eine Antwort auf die Frage meiner Tochter zu geben.
Sein Blick fährt mir durch Mark und Bein und als sich seine Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen verziehen, scheint es mich endgültig von den Füßen zu reißen.
Wie konnte das nur passieren? Was genau hat mich getrieben, hierher zu fahren? Warum er? Warum kann es nicht jede andere lausige Rockband sein?
Natürlich nicht. Das Schicksal hat sich heute voll und ganz auf mich eingeschossen.
»Mama?« Max ist verwirrt und sieht mich verständnislos an. Doch ich schüttele nur den Kopf und bücke mich nach meinem Handy. Die Nachricht, die ich an ihren Vater schreiben wollte, prangt noch vorwurfsvoll auf dem Display. Ich sollte ihm mitteilen, dass wir gut angekommen sind und uns gerade durch eine lange Schlange Richtung Autogrammstunde winden. Aber statt einfach auf ›Senden‹ zu drücken, lösche ich die Nachricht. Wie könnte ich auch jetzt meinem Mann schreiben …?
»Hi!«, macht der Typ vor mir und ich schaue vom Handy auf. Meine Unterlippe zittert und ich ringe um Beherrschung. Am liebsten würde ich mir jetzt Max und ihre Freundin Eve schnappen und nach Hause fahren. Aber die Mädchen würden mich häuten, vierteilen und anschließend verbrennen.
Seit Monaten freuen sie sich auf das Konzert ihrer Lieblingsband Moonstuck. Sie waren am Boden zerstört, als Eves Mutter sich vorgestern einen fiesen Magen-Darm-Virus einfing. Ich Trottel bot in meiner Gutmütigkeit an, die Mädchen zu begleiten. Die beiden fünfzehnjährigen Teenager fielen mir gleichzeitig heulend und lachend um den Hals. Sie kratzten sogar ihr Taschengeld zusammen und organisierten für mich ein eigenes Hotelzimmer. Wie auch immer sie das gedreht haben, ich war gerührt. Die Mädchen wollten mir den Ausflug so angenehm wie möglich machen.
Ich leide nämlich unter schweren Schlafstörungen und brauche absolute Stille, um überhaupt einschlafen zu können. Zwei schnarchende Teenies sind das Allerletzte, was ich in meiner Nachtruhe gebrauchen kann.
Natürlich hätte ich das Zimmer auch selbst zahlen können und ich werde ihnen das Geld irgendwann wiedergeben; aber zu dem Zeitpunkt wirkten sie wie auf Wolke Sieben und das konnte ich ihnen unmöglich kaputtmachen.
Erst das zweite »Hi!« reißt mich wieder aus den Gedanken. Zitternd öffne ich die Augen und starre in ein so viel älteres, bärtigeres Gesicht als damals. Ich hätte ihn nie wiedererkannt, nicht in diesem Aufzug, nicht mit diesem lächerlichen Bart und schon gar nicht mit dieser wallenden Mähne.
Aber seine Stimme hat sich absolut nicht verändert. Sie hat sich in meine Seele gebrannt und ich würde ihn unter Tausenden wiedererkennen. Ein simples »Hi!« genügt und die gleichen Gefühle wie damals überschwemmen mich. Sein Lächeln ist wie immer ansteckend und vertreibt meine Angst und den bohrenden Fluchtreflex. Das Schieben und Drängeln der Menschen hinter uns blende ich völlig aus. Ich nehme nur noch das spöttische Funkeln seiner Augen wahr.
Er betrachtet mich von oben bis unten. Das lässige Outfit haben mir die Mädels aufgezwungen, mit Schwarz konnte ich glücklicherweise nicht viel verkehrt machen. Unter der dunklen Sweatjacke mit den Spitzenapplikationen lugt ein Spruch-Shirt hervor. Ich sende ein Stoßgebet gen Himmel, dass er nicht mehr als die Hälfte des Spruchs erkennen kann: Auf dem Boden der Tatsachen liegt eindeutig zu wenig Glitzer, prangt in weißen Lettern auf meiner Brust, Glitzer natürlich in Pink.
Ich räuspere mich und sehe mich in Anbetracht der Menschenmenge hinter mir zu einer Antwort genötigt.
»Selber hi«, erwidere ich und versuche, mein dämliches Grinsen aus dem Gesicht zu bekommen.
»Willst du ein Autogramm?«
NEIN!, will ich erwidern, ich habe schon etwas viel Besseres von dir, aber dann besinne ich mich und nicke. Zu mehr bin ich nicht imstande.
»Wohin?« Er erhebt sich, den Stift in der Hand. »Bauch, Beine, Po?«
Spürt man eigentlich, wenn einem die Gesichtszüge entgleisen? Jetzt weiß ich es: ja, definitiv. Die Muskeln scheinen jeglichen Kontakt zu verlieren und geben sich der Schwerkraft geschlagen. Nicht gut.
Sein Grinsen bekommt eine anzügliche Note und einige in der Menge hinter mir geben anstößige Pfiffe von sich. Lauter pubertierende Teenager um mich herum. Und ich mittendrin.
Der Fluchtreflex kehrt zurück und ich suche gehetzt nach einem Ausgang, aber die jubelnden Fans lassen mir keine Möglichkeit.
Wenn man mich in die Enge treibt, trete ich um mich, egal ob verbal oder mit Fäusten. Die Leute verhindern allerdings, dass ich dem Typen vor mir für seine Unverschämtheit eine verpasse. Das und die rechts und links neben dem Tisch stehende Security. Am liebsten würde ich über die Absperrung hechten, mich quer über den Tisch werfen und … na ja, lassen wir das. Definitiv zu viele unbekannte Faktoren. Ich beschränke mich also auf eine verbale Erwiderung: »Aber nur in privater Atmosphäre«, flöte ich und ernte johlenden Beifall. Was, in drei Teufels Namen, hat mich gerade zu diesem Konter hinreißen lassen?
Bei Gott, ich weiß es genau: Sein Grinsen, sein Verhalten, alles an ihm reizt mich und ich lasse mich zu frechen Kommentaren hinreißen. Das war damals so und hat sich anscheinend in den letzten Jahren nicht geändert. Fünfzehn verdammte Jahre. Sie haben ihm nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Er strahlt nur so vor Gesundheit; verschwunden ist die kränkliche Blässe und ich bin überzeugt, dass er sogar ein paar Kilos abgenommen hat.
Mit mir ist die Zeit allerdings nicht so gnädig umgegangen. Meine mädchenhafte Figur habe ich an zwei Kinder verloren und von einem gesunden Lebensstil kann keine Rede sein. Aber ich schlage mich irgendwie durch. Wenn man Kinder hat, tut man das eben. Sie bedeuten Verantwortung. Wäre da nicht die Verantwortung, hätte ich schon längst das Weite gesucht. Dem widerspricht allerdings der Wunsch eben jenes Mädchens, das jetzt aufgeregt neben mir auf und ab hüpft. Meine Tochter.
Jaakkos Gesichtszüge entgleisen jetzt ebenfalls. Schockstarre. Zumindest einen Atemzug lang. Den Stift hält er fest umklammert. Und dann nickt er stoisch.
Panik macht sich erneut bemerkbar und ich weiß, dass ich mein Heil lieber in der Flucht suchen sollte. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, weil Jaakko noch hinter dem Tisch gefangen ist und mir nicht hinterherrennen kann.
Aber der Moment vergeht. Sein Blick gleitet zu seinen Bandkollegen. Sie geben ihm nickend zu verstehen, dass sein kleiner Ausflug okay ist. Er kämpft sich hervor, vorbei an der Security. Ich sehe ihm gebannt hinterher. Jaakko hat definitiv abgenommen und sieht gut aus; nicht zu gut, aber immer noch besser als … damals.
Max und Eve grölen mit den anderen Teenies um die Wette. Die beiden Mädchen ziehen mich und der Rest der Meute schiebt.
»Wie cool, Mom!« Max hakt sich lachend bei mir unter, während ich noch nervöser werde.
»Nicht wirklich«, korrigiere ich sie. Unruhig suche ich nach einem Ausgang. Das EXIT-Schild über der Tür, durch die ich jetzt geschoben werde, erscheint mir wie die Erlösung schlechthin. Mit einem geschickten Schlenker will ich abbiegen, aber mehr als einen Ausfallschritt bekomme ich nicht hin. Selbst Eve hat sich bei mir untergehakt und zusammen schleppen meine Tochter und sie mich ihm hinterher.
»Es sieht so aus, als würde er dich mögen!« Max verzieht das Gesicht. »Wer weiß, was du sonst noch aus ihm herausholen könnest.« Sie lachen, plappern aufgeregt und überlegen, ob sie sich lieber für meinen Bauch oder meinen Hintern entscheiden sollen.
Ach so, ja, das Autogramm hatte ich beinahe vergessen … aber hallo? Das ist mein Hintern! Wenn hier jemand entscheidet, wohin ich dieses lächerliche Autogramm bekomme, dann bin ich das. Eigentlich will ich überhaupt keins – und erst recht will ich nicht mit ihm alleine sein!
Aber mein vorlautes Mundwerk ist wieder einmal mit mir durchgegangen und jetzt sitze ich in der Falle. Gehetzt schaue ich mich um. Hinter mir zwei Securities, die locker als Profiboxer durchgehen würden. Im Schwergewicht. Sie haben uns von der grölenden Menge getrennt und treiben mich einen langen Gang hinunter. Und vor mir … er. Verdammt, wie konnte das nur passieren?
Die Tür schließt sich hinter mir. Die Preisboxer draußen, meine Mädels und ich drinnen; vor mir die Apokalypse, spöttisch grinsend und wie immer den Schalk im Nacken.
»Hosen runter!« Er zückt den Stift.
Empört verschränke ich die Arme vor der Brust und bewege mich keinen Zentimeter. Nun kann er sich nicht mehr vor mir verstecken. Keine Security, kein Tisch und vor allem keine Absperrung. Wenn ich wollte, könnte ich ihm jetzt sein bärtiges Gesicht polieren.
Endlich kann ich wieder klar denken. Ich atme tief durch und sehe mich nach den Mädchen um.
Sie glotzen mich an. An meinem Gesichtsausdruck scheinen sie bemerkt zu haben, dass ich nicht zu Scherzen aufgelegt bin und es absolut ernst meine: Ich bedenke Jaakko mit einem langen Blick und sein Grinsen verflüchtigt sich. »Kommt, wir gehen!«
Ich drehe mich auf dem Absatz und habe schon die Hand auf die Türklinke gelegt, das Protestgeheul der Mädchen ignoriere ich.
»Komm schon, Kitty, sei keine Spielverderberin«, mault Jaakko hinter mir.
Ich, eine Spielverderberin? Die unerwartete Begegnung mit ihm hat mir gerade den Schock meines Lebens verpasst und ich soll keine Spielverderberin sein? Entnervt schließe ich die Augen und atme tief durch.
»Mom!«, heult Max auf.
»Tante Cat, bitte!«, schließt sich Eve im selben weinerlichen Tonfall an. Doch ich blende die beiden aus, denn Jaakkos Stimme jagt mir heiße und kalte Schauer über den Rücken, während seine Worte mich auf die Palme bringen. Die Wut auf ihn, die ich seit mehr als einem Jahrzehnt unterdrücke, die ich zum Wohle meiner Tochter nie an die Oberfläche habe kommen lassen, frisst sich durch die dünne Schicht Selbstbeherrschung, unter der ich sie sicher vergraben glaubte. Es fehlt nur ein winziger Funke und ich bin wieder das Häufchen Elend, getrieben von dem Wunsch nach Sicherheit.
Ich will keine Spielverderberin sein, ich liebe Spiele. Aber das Spiel des Lebens hat mir gehörig in die Suppe gespuckt. Jaakko Salmela hat mir in die Suppe gespuckt, dreimal durchgerührt und sie mir ordentlich versalzen.
Und ich gehe jede Wette ein, dass er nicht die leiseste Ahnung hat, wie sehr es mich damals verletzt hat.
Doch sobald er die Wahrheit kennt, wird er sich vermutlich eher als Opfer und nicht als Täter sehen. Deshalb darf er es niemals erfahren und genau deshalb muss ich jetzt gehen.
Hastig lasse ich den Türgriff los, fahre herum und überbrücke die wenigen Schritte zu Jaakko. Wütend baue ich mich vor ihm auf und tippe ihm auf die Brust. »Ich bin keine Spielverderberin. Ich wollte dich bloß niemals wiedersehen. Und dann tauchst du hier auf und fängst mit so einer Scheiße an!«
Sein Lächeln erlischt und er lässt den Stift sinken. »Sorry, aber ich arbeite hier und im Übrigen wollte ich dich nicht ärgern. Du sahst nur so aus, als könntest du etwas Humor vertragen.« Etwas in meinem Augenwinkel erregt meine Aufmerksamkeit: Wie in Zeitlupe hebt Jaakko die Hand, sodass ich der Bewegung fasziniert folgen kann. Als seine Finger vorsichtig meine Wange berühren, falle ich fast in Ohnmacht.
Die Mädels hinter mir schnappen nach Luft, doch ich spüre nur ihn. Zitternd schließe ich die Augen und sauge jede noch so kleine Berührung in mich auf. Wie eine Ertrinkende.
Sein Daumen streichelt sanft meine Haut. »Es ist so verdammt lange her«, murmelt er.
In dieser Berührung könnte ich mich verlieren. Ich weiß es und er weiß es. Aber wir sind nicht allein. Wenn wir es gewesen wären, hätte ich alle Bedenken über Bord geworfen.
Scheiße, verdammt. Das ist genau der Grund, warum ich ihn nicht wiedersehen wollte. Warum ich diesen ganzen Mist vergessen und mich nur auf Max konzentrieren wollte. Sie ist mein Leben. Um sie geht es und … nicht um mich.
»Mom!«, quengelt sie wie auf Kommando und rupft an meinem Arm herum.
Danke, danke, danke! Hastig reiße ich mich von Jaakko los und lasse mich von meiner Tochter wegziehen. Sie sieht mich verstört an. Auch Eve ist nicht mehr ganz so euphorisch wie noch vorhin im Flur.
Offenbar merken die Mädels, dass zwischen mir und ihm, dem Bassisten ihrer Lieblingsband, mehr war als nur eine flüchtige Bekanntschaft. Oh, wie recht die Kinder doch haben! In ihren verständnislosen Blicken erkenne ich, dass sie noch keine Ahnung haben, was da los ist, aber Max’ Reaktion zeigt mir, dass sie instinktiv etwas ahnt. Sie wittert die Gefahr wie ein Raubtier. Mein kluges, kleines Mädchen.
Niemand scheint mehr erpicht auf Autogramme zu sein, aber Jaakko versucht die Situation trotzdem zu retten: »Hey, ihr seid doch wegen dem Konzert hier, oder?« Die Mädels drehen sich im Gleichschritt herum und wirken sofort abgelenkt. Das Konzert wollen sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Ich seufze leise und gebe mich geschlagen.
»Ihr könnt euch, wenn ihr wollt, alles von der VIP-Lounge aus anschauen«, schlägt Jaakko schuldbewusst vor und schaut zu Boden.
Ich will gerade etwas Passendes erwidern, da hüpfen die Mädels bereits begeistert in die Höhe und mir wird klar, dass ich ihnen seinen Vorschlag nicht ausreden kann. VIP-Lounge auf dem Konzert ihrer Lieblingsband ist wie Vanilleeis zum Frühstück.
Jaakkos Miene hellt sich auf, doch seine Begeisterung hält nicht lange an, als er zu mir schaut und meine Gewitterstimmung bemerkt. Er hat mich bewusst in die Enge getrieben. Und das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Max’ töchterliche Feinsensoren reagieren ebenfalls.
»Bitte, Mom!«, jault sie und wirft sich mir an den Hals.
Ich tätschele liebevoll ihren Arm und funkele Jaakko an. »Du bist so ein Arsch«, maule ich.
Jaakko grinst verschwörerisch. Er weiß genau, welche Knöpfe er beim jugendlichen Publikum drücken muss.
Seufzend gebe ich mich dem geballten Freudengeheul der Mädchen geschlagen. Wie könnte ich ihnen eine solche Chance verwehren? Vielleicht macht mich das nicht zu einer guten Mutter, aber mein dauerhaft schlechtes Gewissen kann ich mit ihrem Jubel vorerst beruhigen.
Ich erinnere mich an früher. Jaakkos Stil war damals ein anderer gewesen. Er bevorzugte harte Bässe und vor allem laut musste es sein. »Um sich die Birne wegzuknallen«, pflegte er immer zu sagen. Damals war Jahre her, sechzehn um genau zu sein.
Bevor ich meinen Mann kennenlernte, jobbte ich bei einer Eventagentur und bekam die Chance, für die Pain Guys – Jaakkos ehemalige Band – einen Gig organisieren zu müssen.
Kein gewöhnlicher Gig. Die Jungs hatten es sich in den Kopf gesetzt, unter der Erde aufzutreten. Mein Arbeitgeber war die einzige Eventagentur weit und breit und so fiel uns diese Veranstaltung zu.
Die Hallen unter Tage wurden in der Regel von namhaften Veranstaltern gebucht und dann auch nur über große Agenturen. Aber die Band wollte jemanden vor Ort und war nicht bereit, ständige Anreisen zu finanzieren. Außerdem wollten sie vor dem Event den Veranstaltungsort begutachten.
»Eine Mine ist schon krass. Aber wir suchen das Besondere. Wir wollen den Charme der …« Sami fehlten die Worte und er sah hilfesuchend zu Jaakko.
»Den Charme des Vergangenen einfangen.« Kurz geschoren und mit einem ungepflegten Dreitagebart, hatte er kaum Ähnlichkeit mit seinem Alter Ego von heute. Er hatte für mich das gewisse Etwas und ich konnte von Anfang an meine Augen nicht von ihm lassen.
Ich war gut über die Pain Guys informiert. Jaakko, der Bassist, war etwas älter als seine Bandkollegen, schon in den Dreißigern. Aber trotz des Lebenswandels mit stressigen Touren und ständigen Partys konnte er mit seinen Jungs, alle Anfang zwanzig, gut mithalten.
Wenn ich das als Zwanzigjährige behaupten konnte. Für mich hatte Jaakko ein fortgeschrittenes Alter, aber er war interessant. Er wirkte viel reifer und erfahrener als die anderen Bandmitglieder. Er grölte und pöbelte nicht, wenn, dann ließ er sich nur zu einem flüchtigen Lächeln hinreißen. Die Jungs bevorzugten harte Gitarrenriffs mit vielen Power-Cords und einer kräftigen Lead. Jaakko war bekannt für komplizierte Riffs, während Sami seiner Leadgitarre die eingängigsten Melodien entlockte. Mir fehlte bei ihrer Musik der Gesang und eine weibliche Leadstimme. Aber die Jungs blieben lieber unter sich und fanden ihre Musik auch ohne Gesang toll. Ich wusste vom Hörensagen, dass Jaakko sich hin und wieder mit Sami den Lead Part teilte, so dass ihre Songs zwischen instrumentalen Titeln und Gesangstiteln wechselten. Gesang konnte man das allerdings nicht nennen. Jaakko und Sami waren hervorragende Shouter. Die Kunst des Brüllens.
Mir fiel es zu, die Jungs beim Besuch der Mine zu begleiten. »Du bist doch aus der Gegend und warst bestimmt tausendmal dort unten, oder?« Meine Chefin klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. »Begleite die Jungs und überzeuge sie davon, dass das Bergwerk mit seinen 700m Tiefe ihrem Metal-Stil entspricht. Dort ist jedenfalls genug altes Metall vorhanden.« Jacky lachte und nahm mich in den Arm. »Du schaffst das schon.« Dass sie mich mit einem Haufen junger Männer in ein Bergwerk schickte, fiel ihr gar nicht auf. Vielleicht später, wenn wir verschollen durch die unterirdischen Gänge irren würden und ich mir vorkäme, wie das letzte weibliche Wesen auf diesem Globus.
Ein Blick auf Jaakko zeigte mir, dass der Ausflug bestimmt nicht das schlimmste Erlebnis werden würde. Mein Gott, ich war zwanzig! Und er der einzige richtige Mann in der Nähe. Allein sein Anblick und das Lächeln, das er mir immer wieder zuwarf, ließ meine Hormone hochkochen.
Die Band hatte einen Kleinbus gemietet und neben Jaakko und mir waren noch Sami, der andere Gitarrist, mit von der Partie und ein Keyboarder, dessen Name mir partout nicht einfallen wollte.
Sami und Jaakko waren die Einzigen, die mit mir sprachen. Jaakko plauderte regelrecht aus dem Nähkästchen und erzählte, dass seine Mutter aus Deutschland stamme und er daher zweisprachig aufgewachsen sei.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Schon nach einer halben Stunde bogen wir auf das Gelände der Betreiberfirma. Auch wenn Teile des Bergwerks für Events genutzt wurden, war ein großer Bereich noch immer aktiv. Die Jungs staunten Bauklötze, als sie den riesigen Turm sahen, der mit vier monströsen, sich ständig drehenden Rädern ein beeindruckendes Gebilde darstellte.
»Wird damit die Kohle gefördert?« Jaakko deutete auf den Turm.
Ich kicherte. »Das hier ist kein Kohlebergwerk, hier wird Salz abgebaut. Das Salz wird per Förderband nach oben geholt, dieser Turm ist für die Aufzüge.«
Ihre Gesichter hellten sich auf. »Cool, Aufzüge! Wie praktisch.«
Wieder musste ich leise lachen. Sobald sie die Aufzüge sahen, würde ihnen das Lachen schon vergehen. Mir war klar, dass die Jungs keine Ahnung hatten, um welche Art von Bergwerk es sich handelte. In unserer Gegend gab es gar keine richtigen Berge, nur die sanften Hügel der Rhön, und ihre Überraschung war groß, als wir auf das völlig flache Gelände fuhren.
Ich meldete uns an und Jaakko steckte neugierig seinen Kopf über meine Schulter. Die körperliche Nähe ließ mich angenehm frösteln. Mein Herz setzte für einen Moment aus, nur um im nächsten Augenblick mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuhämmern. Sein Atem streichelte sanft meine Nacken und meine Knie wurden weich. Er war mir so nahe, dass ich seine Hitze spüren konnte. Er atmete erneut gegen meinen Nacken und bescherte mir damit eine kribbelige Gänsehaut. Das fühlte sich so gut an, dass ich nur schwer dem Drang widerstehen konnte, mich einfach gegen ihn zu lehnen. Hastig schüttelte ich das Gefühl ab und konzentrierte mich auf die Empfangsdame. »Vier Erwachsene. Wir sind mit Herrn Schulze vom Eventmanagement verabredet. Das hier sind die Jungs von Pain Guys.«
Die Frau mittleren Alters rümpfte die Nase und beäugte die kleine Gruppe von Hardrockern und Metal-Punkern über ihre Hornbrille hinweg an. »Ich gebe ihm Bescheid. Holen Sie sich schon einmal Kittel, Helm und Grubenlampe, ja?«
Die Jungs sahen tatsächlich zum Fürchten aus. Alle bis auf Jaakko trugen lange Haare, ganz im Stil ihrer Musik offen und ungekämmt. Dazu trugen sie schwere Schnallenstiefel, zerrissene Hosen, Holzfällerhemden und Lederjacken. Ich fand ihren Aufzug nicht ungewöhnlich, aber die Empfangsdame erwartete vermutlich erlesenere Gäste.
»Sie haben die Erlebnisführung. Herr Schulze meinte, Sie wollen das volle Programm?«
Ich nickte und grinste in mich hinein. Das Bergwerk war etwas Besonderes, genau das, was die Pain Guys wollten und diese Führung mit den Special Effects würde genau das Richtige sein, um ihnen den nötigen Kick zu verpassen. Allein die Fahrt mit den Fahrstühlen – gefühlter freier Fall – würde ihnen beweisen, wie besonders diese Mine war. Das wurde bestimmt spaßig!
Da ich aus der Gegend kam, war ich bereits mehrere Male in der Mine gewesen. Unter Tage gab es nicht nur Konzerte und Veranstaltungsräume, sondern auch eine Ausstellung, eine Würstchenbude und den Alf: einen riesigen, stillgelegten Kran in einer dreißig Meter hohen Halle mit atemberaubender Akustik. Das würde den Jungs gefallen.
Die Erlebnisführung trieb den Jungs mit Sicherheit den Angstschweiß auf die Stirn, wenn nicht die rasante Grubenfahrt schon ausreichte.
»Das sollen wir anziehen? Das ist ja voll ungroovy!« Sami holte einen dunkelblauen Kittel vom Haken, während Tony – so hieß der Keyboarder – den Helm immer wieder zurechtschob, damit seine Haare ihm unter dem Helm nicht ins Gesicht fielen. Jaakko amüsierte sich derweil mit der Grubenlampe und ahmte Stroboskoplicht nach.
Ich holte tief Luft und nahm ihm die Lampe genervt aus der Hand. »Das Ding kann dir das Leben retten, also bitte nicht daran herumspielen.«
Seine Augen wurden groß. »Leben retten? Was ist das hier?«
»Ein aktives Bergwerk, meine Herren!« Herr Schulze betrat die Umkleide. In seiner weißen Arbeitskleidung sah er richtig professionell aus. »Bitte ziehen Sie die Kittel über, aber lassen Sie Ihre Jacken hier. Dort unten herrschen konstant 32 Grad.« Er nickte mir erfreut zu, weil ich mich bereits aus meiner Jacke geschält, sie ordnungsgemäß aufgehängt hatte und mir über mein kurzes Top den Grubenkittel zog. Helm und Lampe hatte ich vorschriftsmäßig angelegt. »Die junge Dame weiß jedenfalls Bescheid.«
Ich erwiderte sein Lächeln und erntete dafür von Jaakko ein gehauchtes »Streber«. Er stand direkt hinter mir und sein Atem kitzelte meinen Nacken. Heiße Schauer setzten mein Rückgrat in Brand und ich war unglaublich froh, dass ich ihn nicht ansehen musste. Ich versteifte mich darauf, nicht zu reagieren. Was auch immer er von mir erwartete. Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf Grubeneinfahrten. Ja! Grubeneinfahrten waren toll und derart unerotisch, dass mein Magen sich enttäuscht zurückzog und das wilde Flattern sofort einstellte. Warum tat der Kerl so etwas? Absolut unprofessionell. Ich drehte mich zu ihm herum und funkelte ihn herausfordernd an. Dass mein Gesicht in Flammen stand und glühte wie eine Tomate, bemerkte ich nicht. Doch Jaakko grinste überheblich.
Verdammt!
»Also meine Herren, meine Dame, dann wollen wir mal los!« Ich nahm mir heraus, Jaakko noch einen Augenblick länger anzusehen, bevor er sich spöttisch vor mir verbeugte und mir mit einer einladenden Handbewegung den Vortritt ließ.
Na, das konnte ja heiter werden!
Ich hatte mir nie viel auf mich eingebildet. Gut, ich war schlank und nicht gerade klein und mir gefiel mein Haar. Ich war so stolz darauf, dass ich meine naturblonde Mähne gerne zur Schau stellte. Meistens trat ich leger auf, Jeans, Top, Jacke, Sportschuhe.
Ich wollte keine männliche Aufmerksamkeit. Ich wollte ich sein und mich wohl in meiner Haut fühlen. Doch jetzt schien ich genau das zu bekommen, was ich eigentlich vermeiden wollte. Jaakkos offenkundige Flirtbereitschaft war mir eindeutig zu viel und ich beschleunigte meine Schritte, um gleich hinter Herrn Schulze in den Aufzug zu schlüpfen.
Sami und die anderen folgten mir, Jaakko bildete das Schlusslicht.
»Das ist ein Förderkorb, den wir zur Einfahrt nutzen. Er wird uns auf über fünfhundert Meter in die Tiefe bringen.« Die Augen der Jungs wurden groß.
»Angst?«, spöttelte ich in Jaakkos Richtung.
Er schüttelte den Kopf und drängte sich neben mich. »Ich fürchte mich vor gar nichts, und du?« Lässig lehnte er sich neben mich an die Wand. Der Fahrstuhl besaß zwei Ebenen, so dass mindestens fünfzig Personen gleichzeitig transportiert werden konnten. Die obere Ebene erreichte man nur über eine Treppe, salzverkrustet und rostig. Ich zog allerdings vor, auf der unteren Ebene zu bleiben.
Fasziniert beobachtete ich das sanfte Zucken seines Kinns und bemerkte überhaupt nicht, wie der Korb geschlossen wurde und ruckartig in die Tiefe fiel. Eigentlich war das nichts Neues für mich. Ich kannte die Grubeneinfahrten und wusste, wie rasant es nach unten ging. Genauso wusste ich, dass das Licht für die Dauer der Fahrt erlosch.
Jaakkos Mienenspiel lenkte mich allerdings so sehr ab, dass ich erschrocken aufschrie, als der Korb in die Tiefe fiel und haltsuchend nach jemandem griff. Die Dunkelheit, das laute Rattern und die entsetzten Rufe seiner Bandkameraden irritierten mich, sodass ich erst mit Verspätung wahrnahm, dass ich mich an Jaakko klammerte und nicht an jemand anderen. Es konnte nur Jaakko sein. Er hatte ja beim Eintreten in den Korb noch neben mir gestanden.
Er legte einen Arm um mich und zog mich an sich. Ich spürte das Vibrieren seiner Brust unter meiner Hand, trotz der rasanten Abwärtsfahrt. Er beugte sich vor und seine Lippen streiften mein Ohr. »Ich habe keine Angst, und du?« Sein herber Duft vermischte sich mit dem salzigen Geruch nach Meer, seine Hand lag auf meinem Lendenbereich und es fühlte sich aus irgendeinem Grund richtig gut an.
Bei so viel Nähe sprang ich normalerweise davon, aber ich bewegte mich keinen Zentimeter. Und das lag nicht an der Enge des Förderkorbes. Ich genoss Jaakkos Nähe und konnte der Versuchung nur mit Mühe widerstehen, mein Ohr an seine Brust zu legen und dem beruhigenden Schlagen seines Herzens zu lauschen. Meine Nasenspitze berührte seine Brust und selbst über dem salzigen Geruch des Kittels roch ich noch sein Aftershave und etwas ganz anderes: ein interessantes Aroma wie nach einem morgendlichen Waldspaziergang. Ich verlor mich in diesem Duft, genoss seine Nähe und die Art, wie er mich hielt. So fest, dass ich das Ruckeln des Förderkorbes überhaupt nicht mehr wahrnahm und den heftigen Plumps, als er das Ende des Schachtes erreichte. Das Licht ging an und die Türen wurden geöffnet.
»Aussteigen«, murmelte er leise und lächelte mich liebevoll an.
Verwirrt hob ich den Kopf und sah in Jaakkos freundliches Gesicht. Seine Augen funkelten amüsiert, ohne den Spott, den er noch an der Oberfläche und bei unserem ersten Treffen in Jackys Büro gezeigt hatte. Er hielt sich an den von der Decke des Förderkorbs hängenden Haltegriffen fest, während er mit der anderen Hand noch immer meinen Rücken berührte.
Verlegen räusperte ich mich und trat ein Stück zurück. »Verzeihung«, murmelte ich und hetzte aus dem Korb, ohne ihn noch einmal anzusehen. Meine Wangen glühten und ich stolperte irritiert den anderen hinterher, die bereits ausgestiegen waren.
»Du musst dich nicht entschuldigen, ich stelle mich gerne als Haltegriff zur Verfügung.«
Abrupt blieb ich stehen. Da war er wieder, der spöttische, aber keineswegs abwertende Unterton.
Was bildete er sich sein? Ich spürte, wie noch mehr Blut in meine Wangen schoss. Wenn überhaupt möglich, wurde ich noch roter, doch dank der diffusen Lichtverhältnisse konnte er das bestimmt nicht sehen.
»Jaakko, Cat? Wo bleibt ihr denn?« Sami. »Und macht eure Helmlampen an! Ich dachte, du warst schon einmal hier, Cat!«
Hastig fingerte ich nach meinem Helm und verhedderte mich dabei in den Ärmeln meines viel zu großen Kittels.
Geistesgegenwärtig griff Jaakko nach meinem behelmten Kopf und die Lampe über meinem Kopf erhellte plötzlich sein Gesicht. Er grinste mich an.
Empört verzog ich das Gesicht.
»Ich kann das alleine!« Ich klang wie eine schmollende Dreijährige, aber er lachte, schnappte sich meine Hand und zog mich hinter sich her.
»Bevor du hier unten verloren gehst«, erklärte er.
***
Ein Hauch von Bergwerk steigt mir auch heute noch in die Nase, wenn ich an die Stunden dort unten denke. Ich war so oft dort, dass ich einfach weiß, wie es dort riecht. Vermischt mit dem Geschmack von Salz wird diese Erinnerung jedes Mal vor mir lebendig oder auch, wenn ich Meeresluft einatme.
Der VIP-Bereich ist so ausgerichtet, dass wir seitlich vor der Bühne stehen. Das Konzert ist zwar der Hammer, doch meine erste Euphorie ist schnell abgeklungen. Ich persönlich mochte die harten Bässe und die schmetternden Metal-Gesänge der Pain Guys. Jaakos neue Band Moonstuck schlägt sanftere Klänge an, fast schon folklorisch. Jaakko wechselt immer wieder – je nach Song – zwischen Bass und Akustikgitarre. Die Musik ist gewöhnungsbedürftig, aber sie gefällt mir.
Nichtsdestotrotz habe ich noch immer Jaakkos Worte im Ohr, als er uns persönlich bei einem Security-Preisboxer abgegeben hat. »Ich würde mich gerne nach dem Konzert mit dir unterhalten«, hat er gemurmelt und mich eindringlich angesehen. »Dich wiederzusehen … lass uns einfach reden, ja? Ich will nicht …« Er brach ab und hat knapp gelächelt. »Lauf einfach nicht wieder weg, ja?«
»Doch!«, wollte ich schreien, aber da hat er sich umgedreht, dem Boxer zugenickt und ist verschwunden.
Jetzt stehen wir hier, die Mädchen drücken sich die Nasen an der Scheibe platt und schreien begeistert. Ich hingegen versuche, mich im Hintergrund zu halten. Zumal Jaakkos Blick immer wieder zu unserer Lounge huscht.
Ich lasse mich in einen Sessel fallen und nippe an einem Sekt, den mir ein aufmerksamer Kellner anbietet. Hier gibt’s sogar eine Bedienung! Ist das denn zu fassen? Auf einem Metal-Konzert in einer VIP-Lounge. Kopfschüttelnd schütte ich das ganze Glas auf einmal hinunter. Ich werde all meinen Mut brauchen, um Jaakko nachher gegenüberzutreten, denn so schnell kann ich mich nicht verziehen. Schon allein wegen der begeisterten Fans, die wie erschlagene Fliegen an der Scheibe kleben, sich gegenseitig fotografieren und bescheuerte Selfies verschicken. Ich lächele nachsichtig und beschließe, mir noch ein wenig mehr Mut anzutrinken.
»Mom! Mom!« Max kommt aufgeregt zu mir gelaufen und zieht mich so rasant aus dem Sessel, dass ich Sekt über meine Jacke verschütte.
Prächtig. Aber ich komme gar nicht erst dazu, mich lautstark zu beschweren, da werde ich schon von ihr und Eve an die Scheibe gequetscht. Und dann sehe ich, was sie meinen. Mein Herz setzt für einen Moment aus. Ich wusste nicht, dass so etwas anatomisch überhaupt möglich ist. Aber als es mit erhöhtem Tempo weiterhämmert, weiß ich, dass ich Herzklopfen habe. Ich. Erwachsen, eigenständig, Mutter von zwei Kindern und … verheiratet …
Aber der Mann dort unten am Mikro zupft ein paar Akkorde, sieht zu mir hinauf und singt ein paar mir nur zu bekannte Töne. Die Kinder können dieses Lied nicht kennen, damals haben sie noch nicht existiert, aber ich war live bei seiner Entstehung dabei. Es ist ein ruhiger Song, nur mit sanften Akkorden, gespielt von Jaakko auf der Akustik, gestreichelten Drums und zärtlichen Keyboardklängen. Dazu seine einmalige Stimme.
Scheiße!
Schnell trete ich ein paar Schritte zurück, drehe mich um und suche nach dem Ausgang. Das darf doch alles nicht wahr sein! Er tut das mit Absicht. Er weiß, wie sehr ich dieses Lied mag und wie gerne ich ihn singen höre …
Moment mal! Singt er das Lied etwa nur für mich? Seine Blicke sprechen eindeutig dafür.
»Max?«, wende ich mich an meine Tochter. Sie löst sich für eine Zehntelsekunde von der Scheibe und sieht mich flüchtig an. »Singt er? Ich meine, tut Jaakko das häufiger?« Meine Tochter ist nicht umsonst hier. Sie und Eve sind riesige Fans von Moonstuck, aber ich kann mich flüchtig erinnern, dass aus ihrem Zimmer bisher nur die weibliche Leadsängerin tönte. Ich finde ihren Gesang etwas nichtssagend. Jaakkos Stimme sagt mir mehr zu, aber schließlich bin ich nicht unparteiisch.
Max schüttelt den Kopf. »Manchmal schon, aber das Lied ist neu. Mom, guck mal, wie gefühlvoll er es singt. Ich glaube ja …« Meine Tochter grinst verschwörerisch und ich fasse mir an den Kopf.
Kind, hast du sie noch alle? Ich bin verheiratet … Hallo? Aber Max scheint das vollkommen vergessen zu haben. Eve genauso. Die Mädchen haben Jaakkos Blicke genauso bemerkt wie ich und wenn sie schwärmen wollen, dann tun sie es mit ganzer Seele. So sind Teenies eben. Aber ich bin kein Teenager mehr, und jede meiner Handlungen hat Konsequenzen.
»Mädels, wir müssen gehen«, murmele ich entschuldigend und greife nach den Kindern, doch sie sind schnell. Ihre eingebauten Teenie-Sensoren wissen sofort, was ich vorhabe, und sie entziehen sich meiner Reichweite.
»Du hast es uns versprochen!«, schmollt Max und zeigt mir ihre Trotzschulter.
Eve ist da umgänglicher und schenkt mir einen wissenden Blick. Sie braucht gar nichts zu sagen, ich erahne, was sie denkt. »Da kommst du nicht so einfach raus, Tante Cat.«
Herrlich.
Also gebe ich mich geschlagen und trete wieder an die Scheibe. Jaakko scheint völlig in seiner Musik versunken und zupft herzerweichende Akkorde. Ich bin verloren. Aus und vorbei.
Als die Band endlich den letzten Song gespielt hat, will ich nur noch verschwinden. Ich kenne diese Art von Konzert. Die Band wird noch eine Weile auf der Bühne stehen, sich feiern lassen, Hände abklatschen und vielleicht ein Foto vor dem Publikum machen. Genug Zeit zum Verschwinden.
Ich glaube mich schon in Sicherheit, da die Mädchen auf meinen halbherzigen Bestechungsversuch bezüglich Fastfood um Mitternacht eingehen. Sie sind total aufgekratzt, übernächtigt und voll mit Endorphinen, aber die Geheimwaffe in Form von Burger & Co zieht immer. Leider habe ich bei meiner Rechnung den Security-Boxer außenvorgelassen. Und er scheint keine Lust auf Fastfood zu haben.
»Mister Salmela sagt, Sie bleiben, bis er sie abholt.« Der Boxer grinst mich angriffslustig an und schiebt mich mit sanfter Gewalt zurück in den Raum. »Sie sich nicht verlaufen!« So gebrochen sein Deutsch auch sein mag, die Worte sind nicht misszuverstehen.
Dieser unverschämte Drecksack! Niemand hält mich hier gegen meinen Willen fest. Ich gehe, wohin ich will und wann ich will, da kann der Kerl zehnmal so viel wiegen wie ich.
Nach meinem dritten Versuch, mich erfolglos an ihm vorbeizuschieben, setzt er eine angsteinflößende Miene auf und ich gebe auf.
»Ich glaube, du musst warten und dich mit Jaakko Salmela unterhalten«, frotzelt Max und lässt sich in einen großen Sessel in der jetzt leeren VIP-Lounge fallen. »Und während wir warten, könntest du uns erzählen, woher du ihn kennst.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, will ich antworten, aber die beiden Teenies sind regelrechte Blutsauger, wenn sie eine gute Geschichte wittern; ihre Tragiksensoren sind auf höchste Sensibilisierung eingestellt. Und meine Vergangenheit mit Jaakko besitzt genug Drama-Potenzial. Aber das kann ich den beiden nicht auf die Nase binden, also beschränke ich mich auf die Kurzversion. »Vor deinem Vater, Max, war ich mit ihm befreundet.«
»Pah!« Max schlägt sich begeistert auf die Schenkel. »Ich wusste es!«
Ich schaue meine Tochter verblüfft an. Noch vor ein paar Monaten hätte sie angeekelt die Nase gerümpft und sich vor Scham in die Hose gemacht. Was ist nur aus meinem kleinen Mädchen geworden? »So richtig, richtig befreundet oder nur so … bekannt?«
»Max!« Meine Entrüstung braucht keine weiteren Erklärungen. Quietschend stürzen die beiden aufeinander zu und führen einen wahren Freudentanz auf, inklusive Mädchengeheul, wenn sie ein Geheimnis aufgedeckt haben. Meine Gesichtsfarbe verändert sich von Schamröte zu glühendem Vulkangestein. Am liebsten würde ich die beiden in der Luft zerfetzen, damit sie endlich still sind.
»Sind sie nicht entzückend?«, höre ich leise Worte hinter mir. Perplex fahre ich herum und stoße dabei mit Jaakko zusammen, der sich über mich gebeugt hat.
Schmerzerfüllt hält er sich den Kopf, kann aber ein Grinsen nicht unterdrücken.
Gott, aus der Nähe ist er noch attraktiver als aus der Entfernung. Er riecht nach einer herben Kombination aus frischem Schweiß und Zigarettenqualm, Bier und Deodorant, wodurch mein Herz einen aufgeregten Hüpfer macht. Normalerweise würde ich so eine Geruchszusammensetzung abstoßend finden, aber bei Jaakko … Ich glaube, er würde für mich sogar anziehend sein, wenn er gerade einer Jauchegrube entstiegen wäre.
Tja. Wer’s tragen kann … Ich pruste laut los. Nicht nur, weil ich über meinen eigenen Gedankengang lachen muss, sondern weil sein Grinsen ansteckend ist.
Die Mädchen im Hintergrund haben irgendwann in den letzten Augenblicken ihr Freudengeheul eingestellt und beobachten uns aufmerksam. Ich weiß, dass sie auf etwas lauern, ohne mich umdrehen zu müssen. Dazu kenne ich die beiden viel zu gut.
Jaakko wird wieder ernst. »Schön, dass ihr gewartet habt.« Er zieht sich einen Sessel heran und setzt sich neben mich.
»Der da hat uns keine Wahl gelassen.« Angefressen deute ich auf den Preisboxer, der mir zähnefletschend zuwinkt.
Jaakko lacht und winkt zurück. »Sam ist eigentlich ein total netter Kerl. Seine Erscheinung beeindruckt die Leute allerdings so sehr, dass sie sich keine Dummheiten erlauben.« Dabei guckt er mich vielsagend an.
Schmollend schiebe ich die Unterlippe vor, lasse sie aber im gleichen Moment wieder verschwinden. Zwanzigjährige schmollen, aber ich als erwachsene Frau will den Mädchen gegenüber ein Vorbild sein. »Also sag, was du zu sagen hast, damit ich die Kinder ins Bett bringen kann!«
»Mom!«, empört sich Max und stapft trotzig mit dem Fuß auf. »Ich bin fast sechzehn!«
Mein Kopf zuckt herum und ich werfe meiner Tochter einen warnenden Blick zu. Sie denkt, es sei wegen ihres Tonfalls, aber in Wahrheit fühle ich eine Woge Eiswasser über mir zusammenbrechen. Wenn Jaakko nur ein wenig nachrechnet, wird er die Wahrheit erkennen. Max und er … unsicher beobachte ich Jaakko, doch seine Züge wirken entspannt.
Er lacht in Max’ Richtung und scheint gar nichts zu begreifen. Zum Glück. Ich muss dennoch hier raus. Jaakko ist nicht auf den Kopf gefallen und wird bald eins und eins zusammenzählen.
»Ich würde mich gerne in Ruhe mit deiner Mutter unterhalten, Max. Vielleicht habt du und deine Freundin Lust, Sam auf unsere kleine Party zu begleiten?«
Die Gesichtszüge der Mädchen verändern sich schlagartig von Begeisterung zu inbrünstigem Flehen. Gleich fallen sie sicherlich vor mir auf die Knie und beginnen, den Saum meiner imaginären Robe zu küssen.
Doch bevor das passiert, drehe ich mich zu Jaakko und verfluche ihn ein weiteres Mal. Scheint zu einer Angewohnheit zu werden.
»Bitte, Mom. Bitte! Wir waren noch nie auf einer Aftershow!«
»Du bist so …«, beginne ich.
»… ein Arsch, ich weiß.« Jaakko winkt ab. »Aber offenbar muss ich die Mädels bestechen, damit ich ein paar ungestörte Minuten mit dir reden kann, ohne dass du gleich wegrennst. Nicht wahr, Ladies?«
Max und Eve nicken begeistert und hechten zu Sam.
»Aber kein Alkohol!«, werfe ich wenig überzeugend hinterher. Ich schaue den Kids panisch nach und fühle mich wie Theseus in der Höhle des Minotaurus. Irgendwer hat den roten Faden durchgeschnitten und ich würde nie wieder zurückfinden.
Jaakko schweigt lange. Auch nachdem die Mädchen schon eine ganze Weile verschwunden sind, hat er nichts gesagt. Früher konnten wir stundenlang gemeinsam schweigen, ohne dass sich einer unwohl gefühlt hat.
Aber heute hat er etwas zu sagen. Ich will nicht in seiner Nähe sein und halte es kaum aus. Deswegen ist das gemeinsame Schweigen diesmal umso unangenehmer.
Also kratze ich meinen ganzen Mut zusammen. »Sag endlich, was du sagen wolltest, damit ich verschwinden kann!«, blaffe ich und verschränke abweisend die Arme vor der Brust. Eine Geste, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen. Sinnlos.
Jaakko seufzt leise. »Ich wollte nicht, dass es so endet. Zwischen uns gab es noch so viele unausgesprochene Worte, aber du warst mit einem Mal weg.« Er schnipst mit den Fingern. »Von jetzt auf gleich, einfach weg. Und ich weiß nicht einmal, warum!« Er ringt um Beherrschung.
Ich schlucke. Natürlich war mir von Anfang an klar gewesen, in welchem Zustand ich ihn zurücklasse, wenn ich wortlos verschwinde. Aber wenn ich das Gespräch gesucht hätte, wäre ich bestimmt bei ihm geblieben. Ich stand ja praktisch mit dem positiven Test vor ihm, aber er war zu betrunken, um die Bedeutung des kleinen Stäbchens in meiner Hand zu begreifen. Dennoch kann ich nicht sagen, warum ich gegangen bin. Natürlich wegen dem Alkohol und weil ich fest davon überzeugt war, dass Abstinenz für ihn keine Option war, nicht einmal für ein Kind. »Ist dir wirklich nicht klar, warum ich gegangen bin?«
Jaakko atmet tief durch. »Wieso hast du es nie angesprochen? Ich hätte jederzeit mit dem Trinken aufhören können.«
»Pah! Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Du warst doch ständig besoffen. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, der nicht mit einem Bierchen hier und einem Bierchen da angefangen hat! Abends die harten Sachen, weil das Bier nicht mehr reichte!« Der Alkohol floss in Strömen. Damals glaubte ich, ganz am Anfang, dass es normal sei. Jeder trank mal einen über den Durst. Aber mit der Zeit wurde es anders. Die Pain Guys hatten das Maß verloren. Sie waren nicht nur manchmal betrunken, es wurde zum Dauerzustand. Sie gingen ja nicht einmal nüchtern auf die Bühne. Kaum zu glauben, dass sie überhaupt eine gerade Liedzeile herausbrachten. Aber offensichtlich gehörte ein gewisser Alkoholpegel zur normalen Konzertvorbereitung und das konnte ich so nicht akzeptieren. Alkohol und Verantwortung für ein Kind? Das passte nicht zusammen.
Das war kein Leben für mich und schon gar nicht für meine Tochter. Ich stellte meine Gefühle zurück und ging.
»Ich habe aufgehört«, gibt er kleinlaut zu.
»Schön für dich. Aber mittlerweile habe ich eine Familie und stehe nicht mehr für deine Eskapaden zur Verfügung!« Zornig schiebe ich den Sessel zurück und stehe auf, bevor ich von allein in die Luft gehe. »Wir hatten unsere Zeit. Und du hast es ordentlich vergeigt«, füge ich hinzu.
Ich bin nur halb so aufgebracht, wie es scheint. Ich habe bloß schreckliche Angst, dass er nachdenken könnte und von selbst zur Lösung kommt. Das wäre eine Katastrophe. Denn es würde unweigerlich bedeuten, dass er an unserem Leben teilhaben darf. Das muss ich um jeden Preis verhindern. Es ist schon schwer genug für mich. Innerlich brenne ich für ihn, nur für ihn. Und die mühevoll errichtete Eisschicht schmilzt, je länger ich mich in seiner Nähe aufhalte. Sobald er die Wahrheit kennt, wird er und die Hitze zwischen uns nie wieder aus meinem Leben verschwinden.
Er würde meine Illusion der glücklichen Familie zerstören. Ich würde alles zerstören. Und das kann ich nicht zulassen.
Jaakko erhebt sich seufzend. »Ich weiß. Komm, ich bring dich zu deinen Mädels.« Er reicht mir seine Hand und grinst spitzbübisch. »Damit du dich nicht verläufst.«
So ein Arsch! Ich fluche und schimpfe innerlich, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als mit Jaakko zu gehen. Wenn ich erst einmal meine Mädchen eingesammelt habe, werden wir uns schleunigst verziehen und dann ist Jaakko hoffentlich erneut aus meinem Leben verschwunden.
Aber mein Magen schwenkt vehement Protestschilder. Er krampft sich schmerzhaft zusammen und erinnert mich überdeutlich an meinen letzten Versuch, Jaakko aus meinem Leben zu drängen. Das Häufchen Elend von damals hat mein Mann mühsam zusammengekehrt und wiederaufgerichtet. Ich war zwar nie wieder dieselbe, aber Max zuliebe habe ich so getan, als ob. Ich war eine gute Schauspielerin und irgendwann wurde die Rolle zur Normalität. Doch jetzt in der Dunkelheit der Gänge, seine Finger mit meinen verflochten; wie Jaakko leise ein Liedchen summt, verliere ich mich. Lästige Tränen laufen mir über die Wangen und ich wische sie mit einer Handbewegung weg. Aber da meine Nase läuft, kann ich ein Schniefen nicht unterdrücken.
Jaakko dreht sich zu mir herum. In der Dunkelheit erkenne ich nur das weiße Blitzen seiner Zähne, er wirkt nachdenklich, scheint sich aber ehrlich über unser Treffen zu freuen.
Ich nicht. Okay, Moonstuck hat gerade eine erfolgreiche Tournee beendet und Jaakkos Kreislauf wird vermutlich mit Endorphinen überschüttet sein, die das Johlen und Kreischen der Fans bei ihm ausgelöst haben. Dennoch werde ich den Gedanken nicht los, dass seine überschwängliche Freude nicht nur mit den Fans zu tun hat. Und irgendwie komme ich mir schäbig vor, dass ich ihm das wieder nehmen muss.
Aber es hat keinen Zweck. Ich kann mich nicht auf ihn einlassen. Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder und mit Jaakkos Lebenswandel abgeschlossen. Daran ändert seine Alkoholabstinenz nicht das Geringste. Letztlich habe ich mich für eine andere Zukunft entschieden.
Ich seufze schwer und schniefe noch einmal, als er mich durch eine große Flügeltür in einen abgedunkelten Saal zieht.
»Ist das eure Aftershow-Party?«, erkundige ich mich mit einem gewollt grimmigen Unterton und versuche, in der Dunkelheit meine Mädels ausfindig zu machen. Der Saal ist nicht allzu groß und ich kann in der diffusen Diskobeleuchtung nur wenige Menschen erkennen. Eve und Max sehe ich nicht. Leise Musik wird gespielt und es haben sich einige Pärchen zusammengefunden. Doch das interessiert mich nicht, ich will nur noch hier weg. Ab ins Hotel, schlafen gehen und morgen in aller Herrgottsfrühe nach Hause fahren.
»Wo sind die Mädchen?«, murmele ich in die Dunkelheit und will mich schon zwischen den Pärchen hindurchschieben, als ich mit einem Ruck herumgewirbelt werde. Bevor ich reagieren kann, drückt Jaakko mich an sich und legt eine Hand an meinen Rücken.
»Hey!«, protestiere ich lautstark, klinge aber nicht besonders überzeugend.
»Tanz mit mir«, haucht er und legt meine Hand, deren Finger immer noch mit seinen verflochten sind, in seinen Nacken. Meine andere Hand folgt ganz automatisch, so als wüsste mein Körper, was zu tun sei, obwohl mein Verstand ganz eindeutig auf roten Alarm schaltet. Die Warnsignale heulen in meinen Kopf auf, allerdings kann ich mich nicht dagegen wehren und verschränke die Hände in seinem Nacken. Sein Lächeln nehme ich nur als halbmondförmiges Blitzen wahr.
»Ich will nicht tanzen«, versuche ich, ihm zu widerstehen, mache aber keinerlei Anstalten, Jaakko von mir zu stoßen. Die sanften Bewegungen fühlen sich zu gut an, dazu seine Hände in meinem Rücken, auf meiner Taille, überall. Gott, wie berauschend. Der Alkohol aus den zwei Gläsern Sekt macht mich dösig und ich lege den Kopf an seine Brust. Jaakko ist etwas größer als ich, gerade so viel, dass er sein Kinn auf meinen Scheitel legen kann.