Wenn der Zufall Schicksal spielt - Toni Waidacher - E-Book

Wenn der Zufall Schicksal spielt E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. »Guten Morgen, Susanne«, grüßte Sophie Tappert, als sie die älteste Tochter Sepp Reisingers vor der Bäckerei Terzing traf. Die Pfarrhaushälterin wies nach Osten, wo die Sonne wie ein leuchtender Glutball am fast wolkenlosen Himmel über den Bergen stand. »Wenn das so weitergeht mit dem Wetter, dann ist der Schnee in ein paar Tagen weggetaut und die ersten Wander-Touristen werden ins Tal kommen.« »Ja, Frau Tappert, heuer kommt der Frühling bald. Schließlich haben wir es noch net mal Mitte April.« Susanne lächelte. »Aber gut so, denn für dieses Wochenende haben sich schon die ersten Wander-Urlauber angesagt.« »Das freut mich für euch, Susi.« »Ja, 's wird auch Zeit, dass wieder mehr los ist, Frau Tappert.« »Und sonst ist alles in Ordnung bei euch?«, fragte Sophie. »Hat sich die Fiedler-Celine schon ein bissel eingelebt? Hat ja einige Probleme gehabt, das Madel. Aber dank der Hilfe deiner Mutter und unseres Pfarrers hat sich aller Streit mit den Eltern in Wohlgefallen aufgelöst.« »Es ist alles in Ordnung. Die Celine ist glücklich, und das ist das Wichtigste.« Sophie Tappert seufzte. »Jetzt gibt's für Hochwürden nur noch das Problem mit der Biogasanlage. Aber deswegen wird er Dienstag mit den Bürgermeistern von Waldeck und Engelsbach verhandeln, und wer unseren Pfarrer kennt, der weiß, dass er sehr überzeugend sein kann.

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Der Bergpfarrer Extra – 6 –

Wenn der Zufall Schicksal spielt

Toni Waidacher

»Guten Morgen, Susanne«, grüßte Sophie Tappert, als sie die älteste Tochter Sepp Reisingers vor der Bäckerei Terzing traf. Die Pfarrhaushälterin wies nach Osten, wo die Sonne wie ein leuchtender Glutball am fast wolkenlosen Himmel über den Bergen stand. »Wenn das so weitergeht mit dem Wetter, dann ist der Schnee in ein paar Tagen weggetaut und die ersten Wander-Touristen werden ins Tal kommen.«

»Ja, Frau Tappert, heuer kommt der Frühling bald. Schließlich haben wir es noch net mal Mitte April.« Susanne lächelte. »Aber gut so, denn für dieses Wochenende haben sich schon die ersten Wander-Urlauber angesagt.«

»Das freut mich für euch, Susi.«

»Ja, ’s wird auch Zeit, dass wieder mehr los ist, Frau Tappert.«

»Und sonst ist alles in Ordnung bei euch?«, fragte Sophie. »Hat sich die Fiedler-Celine schon ein bissel eingelebt? Hat ja einige Probleme gehabt, das Madel. Aber dank der Hilfe deiner Mutter und unseres Pfarrers hat sich aller Streit mit den Eltern in Wohlgefallen aufgelöst.«

»Es ist alles in Ordnung. Die Celine ist glücklich, und das ist das Wichtigste.«

Sophie Tappert seufzte. »Jetzt gibt’s für Hochwürden nur noch das Problem mit der Biogasanlage. Aber deswegen wird er Dienstag mit den Bürgermeistern von Waldeck und Engelsbach verhandeln, und wer unseren Pfarrer kennt, der weiß, dass er sehr überzeugend sein kann. Er hat auch dem Gregg Powell die Wohnung auf dem Lauterbachhof schmackhaft gemacht. Wir hoffen, dass er sich in den Lauterbachhof einkauft und so den Hof vor der Versteigerung rettet.«

»Das hat sich im Ort herumgesprochen«, sagte Susanne. »Der Benny ... «, sie schüttelte missbilligend den Kopf. »So einen unverantwortlichen Leichtsinn hat ihm niemand zugetraut. Aber nun dürfte er von seiner Spielsucht geheilt sein. Man kann’s nur hoffen. Ein zweites Mal wird er keine solche Chance mehr bekommen. Am meisten hat mir seine Schwester leid getan. Simone ist ja auch aus allen Wolken gefallen, als das mit Benjamins Spielsucht rauskam.«

Sophie winkte ab. »Vorbei und vergessen. Übermorgen kommt der Gregg Powell mit seiner Gattin. Die beiden schauen sich die schöne Wohnung auf dem Lauterbachhof an, und wie ich den Powell einschätz’, wird er zugreifen. Der träumt doch schon lange davon, im Wachnertal seine Urlaube und später seinen Lebensabend zu verbringen. Der Pfarrer meint, er und die Corinna wären ein Gewinn für St. Johann.«

»Das wird dann wohl so auch sein. Zunächst einmal hat er sich vom Saulus zum Paulus verwandelt, dann hat er sich als ausgesprochen großzügig erwiesen, als er die Renovierung der Kirche gesponsert hat. Er hat ein gutes Herz, und solche Leut’ kann man immer als Nachbar gebrauchen.«

»Besser hätt’ das wahrscheinlich net mal unser Bergpfarrer beschreiben können, Susi«, erklärte Sophie lachend. »Jetzt müsst’ man bloß noch jemand finden, der dem Bundscherer-Xaver seinen Hof abkauft oder auf Rentenbasis übernimmt. Der Hochwürden hat’s dem Xaver und der Maria in die Hand versprochen, dass er sich drum bemüht, für sie eine gute Lösung zu finden. Und er wird net eher ruhen, bis er eine gefunden hat. Dafür leg’ ich meine Hand ins Feuer.«

»Das ist wahr«, versetzte Susi nickend. »Er verspricht nix, was er am End’ net auch halten würd’. Wie sagt man so schön: Er reißt sich die Haxen aus, wenn’s gilt, ein Versprechen einzulösen.«

Sophie lachte auf. »Das tut er in der Tat. Und er wird auch was finden, was dem Xaver zusagt.«

»Bestellen S’ dem Herrn Pfarrer einen schönen Gruß von mir, Frau Tappert. Ich muss jetzt weiter. Heut’ kommen schon die ersten drei Gäste. Eine junge Frau aus dem Rheinland und ein älteres Ehepaar aus Thüringen. Pfüat Ihnen, Frau Tappert. Einen schönen Tag noch.«

»Pfüat di, Susi. Grüß mir deine Eltern und die Schwestern.«

Während Susi Reisinger die Bäckerei betrat, machte sich Sophie auf den Heimweg zum Pfarrhaus.

Ja, das Wachnertal erwachte langsam aus dem Winterschlaf. Die Laubbäume und die Sträucher schimmerten im ersten zarten Grün, überall blühten Schneeglöckchen und Krokusse. Tulpen, Narzissen sowie einige andere Frühlingsboten standen ebenfalls in Blüte, die Wiesen und Berghänge ergrünten. Ein erster Hauch von Frühlingsduft lag in der Luft …

Es war Samstagfrüh und Sophie hatte frische Semmeln für das Frühstück Pfarrer Trenkers besorgt. Sebastian war noch drüben in der Kirche und las die Morgenandacht.

Summend machte sich die Haushälterin daran, Kaffee zu kochen und den Frühstückstisch für den Bergpfarrer zu decken.

Als wenig später Sebastian ins Pfarrhaus kam, war der Tisch fertig gedeckt. Der Duft des frisch gebrühten Kaffees mischte sich mit dem der reschen Semmeln.

»Ich hab’ mich um neun Uhr mit dem Bürgermeister verabredet, Frau Tappert«, erklärte Sebastian. »Wir wollen unser Vorgehen am Dienstag, wenn wir das Gespräch mit dem Greitlinger-Sepp und dem Herzog-Peter führen, besprechen.«

»Kommt der Bruckner her, oder besuchen Sie ihn auf seinem Hof?«, fragte Sophie. »Ins Rathaus wird er heut’ am Samstag ja wohl kaum gehen.«

»Nein, wir treffen uns auf seinem Hof. Ein kleiner Spaziergang nach diesem üppigen Frühstück wird mir gut tun.«

»Sie wissen doch, was der Volksmund sagt«, erwiderte Sophie lächelnd. »Iss morgens wie ein König, mittags wie ein Bauer, und abends wie ein Bettelmann.«

»Sagen S’ das mal meinem Bruder. Der isst morgens wie ein König, mittags wie ein König, und abends weicht er wahrscheinlich auch net davon ab.« Sebastian grinste verschmitzt.

»Und trotzdem bleibt nix an ihm kleben. Ich wenn so viel essen würd’, wär’ ich schon längst geplatzt.«

»Er ist halt der größte Fan Ihrer exzellenten Kochkunst, Frau Tappert. Und von Claudia wird er auch bestens verpflegt«, Sebastian setzte sich an den Tisch. Es gab Wurst, Käse, Honig und Marmelade. Außerdem hatte Sophie ein Ei weich gekocht.

»Lassen Sie’s sich schmecken, Hochwürden«, sagte die Haushälterin, die Sebastian wie eine Mutter umsorgte.

»Danke.« Sebastian griff nach einem der appetitlichen Brötchen …

*

Der kleine Spaziergang zum Hof des Bürgermeisters tat Sebastian wirklich gut. Die Luft war kühl und frisch, doch im Licht der Morgensonne spürte man schon die Wärme, die den Tau auf den kahlen Zweigen der Bäume und Büsche trocknete.

Abgesehen von kleinen Schneeresten waren Wiesen, Äcker und Felder abgetaut und es war sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis überall das üppige Gelb des Löwenzahns erstrahlte.

Markus Bruckner bewirtschaftete, neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister der Gemeinde St. Johann, einen großen Bauernhof. Da er selbst nicht die Zeit dazu hatte, die Felder und Äcker zu bestellen sowie die Ernten einzufahren, beschäftigte er einige landwirtschaftliche Helfer. Den eigentlichen Überblick über Haus und Hof und alle Ländereien behielt aber seine tüchtige Gattin.

Es war ein sauberer Hof. Alles war adrett gepflegt und gut in Schuss. An den Balkonen des Wohnhauses und auf den Fensterbänken standen schon die Blumenkästen. Anpflanzen würde sie die Bürgermeistergattin aber erst nach den Eisheiligen im Mai. Bis dahin konnte es noch Frost geben und die jungen Geranien, Petunien und der Weihrauch würden vielleicht erfrieren.

Nachdem Sebastian an der Haustür geläutet hatte, dauerte es keine fünf Sekunden, dann wurde ihm geöffnet und Markus Bruckner sagte grinsend: »Guten Morgen, Hochwürden. Heut’ kommen S’ zur Abwechslung net zu mir ins Rathaus, und Sie haben sogar einen Termin.«

»Servus, Markus. Ich war schon einige Zeit nimmer bei euch auf dem Hof. Alle Achtung. Hier ist alles tiptop in Ordnung. Na ja, wie der Herr, so’s Gescherr. Kompliment an deine werte Gattin.«

»Ja, ja, es ist schon auf Draht, mein Weibl«, schmunzelte Bruckner. »Aber kommen S’ doch herein, Hochwürden. Sind S’ gar den ganzen Weg gelaufen?«

»Natürlich, was denkst du denn? Wer rastet, der rostet.«

Bruckner trat zur Seite und ließ Sebastian an sich vorbei ins Haus. Die Gattin Bruckners kam aus der Küche und begrüßte den Pfarrer, dann dirigierte ihn der Bürgermeister ins Wohnzimmer und bot ihm einen Platz zum Sitzen an. »Möchten S’ was trinken, Hochwürden? Ein Tasserl Kaffee vielleicht? Dann sag ich meiner Frau Bescheid.«

»Nein danke, Markus. Ich hab’ gefrühstückt und ausreichend Kaffee getrunken.«

»Ich hab’ gehört, dass sich der Powell auf dem Lauterbachhof einkaufen will«, sagte der Bürgermeister. »Was Genaues weiß ich zwar net, nur, dass der Benjamin einen Berg Schulden angehäuft haben soll und ihm jetzt die Sparkasse im Nacken sitzt. Ich schätz’ mal, dass Sie wieder die Hände im Spiel haben, Hochwürden.«

»Ich konnt’ doch net zuschauen, wie der Hof in die Versteigerung kommt. Da ist der Sophie Gregg Powells Suche nach einer Ferienwohnung in den Sinn gekommen. Sie hätt’ auch eine gute Idee, um dem Xaver und seiner Maria zu helfen. An der Umsetzung arbeit’ ich, bis jetzt, allerdings erfolglos.«

»Was ist denn das für eine Idee?«, erkundigte sich Bruckner interessiert.

»Dass sich jemand findet, der den Bundschererhof auf Rentenbasis übernimmt. Er müsst eine Anzahlung leisten, die es dem Xaver und der Maria ermöglicht, sich ins Betreute Wohnen einzukaufen, und den beiden dann bis an ihr Lebensende, oder bis der Kaufpreis abgegolten ist, eine monatliche Rente zahlen.«

»Eine gute Idee«, lobte der Bürgermeister. »Ich werd’ mich auch umhören. Ich würd’s dem Xaver und der Maria gönnen, dass sie sich einen Lebensabend in finanzieller Unabhängigkeit und damit in Zufriedenheit leisten können.«

»Ja, das wär’ zu wünschen. Ich bin den beiden gegenüber in der Pflicht, nachdem ich versprochen hab’, auf jeden Fall eine Lösung zu finden. Es tät mir bis in die Seele weh, wenn ich die beiden alten Leut’ enttäuschen müsst.’«

In den Augen Bruckners blitzte es auf. »Vielleicht weiß ich sogar jemand, der auf dem Bundschererhof einsteigen würd’, Hochwürden.«

»An wen denkst du, Markus?«

»An meinen Neffen, den Willi. Nachdem er wieder nach Haus’ zurückgekehrt ist, arbeitet er auf dem Hof seiner Eltern in der Landwirtschaft. Aber den Hof kriegt mal sein Bruder, der Jakob. Der Willi möcht doch bald die Pfisterer-Debby heiraten. Die beiden sind bis über beide Ohren ineinander verliebt. Mein Bruder, der Karl, und seine Frau, die Kreszenz, mögen das Madel sehr gern, denn die Debby ist ein wahrer Sonnenschein. Irgendwann wird der Jakob allerdings auch heiraten und eine Familie gründen. Dann muss Willi wohl das Feld räumen, denn zwei Familien sowie der Karl und die Kreszenz haben auf dem Hof keinen Platz.«

»Das wär’ natürlich was!«, rief Sebastian begeistert. »Der Willi sucht ja schon länger was. Leider ist alles, was er in Angriff genommen hat, gescheitert. Ja, der Bundschererhof wär’ was für ihn. Würdest du mit ihm darüber reden? Du wirst auch deinen Bruder und die Kreszenz einbeziehen müssen, denn sie werden dem Willi einen großen Teil des Geldes geben müssen, das er als Anzahlung für den Hof aufbringen müsst’.«

»Natürlich. Aber der Willi hat ja einen Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Jakob den Hof überschrieben erhält. Und ob der Karl ihm das Geld jetzt auszahlt oder erst in ein paar Jahren, dürft’ keine große Rolle spielen.«

»Ja, der Willi könnt’ für sich und die Debby mit dem Bundschererhof eine gesicherte Existenz aufbauen«, erklärte Sebastian. »Bitte, Markus, red’ mit ihm und sag’ mir Bescheid, wie er dazu steht. Er würd’ sich eine gute Zukunft aufbauen, und obendrein ein gutes Werk tun.«

»Ich red’ heut’ noch mit ihm. Doch jetzt sollten wir unser Vorgehen am Dienstag besprechen. Wie haben Sie’s sich denn vorgestellt? Vor allem in dem Greitlinger-Sepp werden wir eine harte Nuss zu knacken haben.«

»Wir werden es sehen, Markus. Also, pass auf …«

*

Es war um die Mitte des Nachmittags, als ein silbergrauer Kleinwagen auf den Parkplatz des Hotels ›Zum Löwen‹ rollte. Gleich darauf stieg eine etwa dreißigjährige Frau aus, schaute sich um und nickte mehrere Male anerkennend.

Sie hatte halblange, dunkle Haare, war mittelgroß und schlank. Bekleidet war sie mit einer grünen Jeans und einem weißen Pullover. Ihre Füße steckten in rot-weißen Sportschuhen.

Es war eine ausgesprochen attraktive und sympathische Erscheinung, die vor wenigen Minuten in St. Johann angekommen war. Die Frau ging ins Hotel.

Heidi Reisinger saß an der Rezeption und löste ein Kreuzworträtsel.

»Guten Tag«, grüßte die dunkelhaarige Frau lächelnd, aber ihre Augen blieben dabei ernst. »Ich habe bei Ihnen für zwei Wochen ein Zimmer gebucht. Mein Name ist Marie Berger.«

Heidi nickte. »Grüß Gott! Richtig, meine Schwester hat mir gesagt, dass Sie heut’ im Lauf’ des Nachmittags ankommen.« Sie lächelte strahlend. »Ich bin die Heidi, meinen Eltern gehört das Hotel. Ich darf Sie bei uns herzlich willkommen heißen, Frau Berger.«

»Danke.« Marie Berger lächelte etwas gezwungen.

»Ich hoffe, sie haben eine problemlose Fahrt hinter sich«, fuhr Heidi fort. »Im Moment ist halt noch kaum was los hier im Tal. In der Hauptsaison schaut das anders aus – ganz anders. Aber wenn S’ Ruhe suchen, dann sind S’ zu dieser Zeit genau richtig bei uns.«

»Ja, Ruhe suche ich«, versetzte Marie und der schwermütige Ausdruck in ihren dunklen Augen schien sich zu intensivieren. »Ich hole mein Gepäck herein. Ich vermute, dass ich das Zimmer gleich beziehen kann.«

»Gewiss. Soll ich Ihnen beim Gepäck helfen?«

»Danke, aber ich schaffe das schon. Es ist nur ein Koffer.«

Marie machte kehrt und verließ das Hotel wieder. Als sie gleich darauf mit ihrem Koffer zurückkehrte, hatte Heidi an der Rezeption alles vorbereitet. »Sie müssen noch das Anmeldeformular ausfüllen, Frau Berger, und dann zeig’ ich Ihnen das Zimmer.«

Das Blatt Papier und ein Kugelschreiber lagen bereits auf dem Tresen. Marie stellte den Koffer ab und füllte das Formular aus. Dann folgte sie Heidi zum Aufzug.

Sie fuhren in die zweite Etage, wo die Hoteliertochter eines der Zimmer aufschloss und die Tür aufstieß. »Ich hoff’, Sie fühlen sich in den kommenden zwei Wochen wohl hier, Frau Berger. In der Mappe auf dem Schreibtisch finden S’ alles, was Sie wissen müssen. Frühstück gibt’s ab sieben Uhr, frühstücken können S’ bis zehn Uhr. Sollten S’ irgendeinen Wunsch haben, wenden S’ sich bitte an mich oder eine von meinen Schwestern.«

»Danke, Heidi … Ich darf doch Heidi sagen, nachdem Sie sich so vorgestellt haben?«

»Natürlich, Frau Berger. Wenn S’ einen Kaffee möchten, brauchen S’ nur in die Gaststube runterkommen. Wir haben auch verschiedene Kuchensorten zu bieten. Aber wir haben natürlich auch Zimmerservice.«

»Danke, sehr freundlich«, sagte Marie, und wieder zeigte sie dieses etwas traurige Lächeln.

Heidi fragte sich unwillkürlich, was diese ausgesprochen hübsche Frau bewogen haben mochte, ihren Urlaub hier in der Einsamkeit zu verbringen. Sie schien unglücklich zu sein.

Heidi spürte Mitgefühl in sich aufsteigen und war nahe daran, Marie Berger zu fragen, ob sie Probleme habe, aber dann sagte sie sich, dass das aufdringlich wäre, und so schwieg sie. »Wie gesagt«, murmelte sie, »wenn S’ Lust auf ein Tasserl Kaffee haben, wissen S’ Bescheid.« Heidi ließ den Gast allein.