Wir gehen auf Zeitreise Band 2 - Martina Meier - E-Book

Wir gehen auf Zeitreise Band 2 E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Dreh dich, dreh dich Rad der Zeit, dreh dich alle Ewigkeit. Lass mich längst vergangene Welten sehen, lass sie noch mal neu entstehen. Ja, so dreh dich Rad der Zeit. Dreh dich bis in Ewigkeit. Nur ein paar Mal hat sie den Spruch, den sie auf einem Zettel in einem alten Buch in der Schulbibliothek fand, vor sich hin gemurmelt – schon befindet sie sich in einem fremden Land in einer ganz anderen Zeit wieder. Und als ob das nicht schon reichen würde ... lädt sie ein echter Prinz gleich auch noch auf sein Schloss ein. Das Papierfresserchen lädt zu einer Zeitreise ein – in längst vergangene Zeiten oder aber in die Zukunft. Reist mit uns und lasst den Alltag für ein paar Stunden hinter euch!

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Wir gehen auf Zeitreise Band 2

Ein kecker Koffer voller Kindergeschichten

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - www.papierfresserchen.de

© 2023 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Bearbeitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2012.

Titelbild: Jana Victoria Willemsen

ISBN: 978-3-86196-111-6 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-182-4- E-Book

*

Inhalt

Der Ring

Tränen der Vergangenheit

Eine wahre Freundschaft

Der Bund der Ritter

Der Blitz

Eine unerwartete Begegnung

London Nights

Das Geheimnis um den rätselhaften Ritter

Azurblau

Der Zeitspiegel

Das Rätsel

Die Geschichte des Baumes

Lilly und Ben auf Zeitreise

Engel brauchen keine Flügel

Mein geheimnisvolles Zimmer

Regen

Das vergessene Jahrhundert

Man kann nicht in die Vergangenheit reisen

Begegnung mit Dinos

Die Zeitmaschine im Schulkeller

Der letzte Sprung ins Mittelalter

Die Zeitmaschine

Geheimnisvoller Klassenausflug

Grausame Zeit

Birbam sucht die Zukunft

Zu weit weg

Auf den Spuren Sitting Bulls

Die Erscheinung der Menschen

Der Virus

Die Reise nach Romizia

Lass mich auch ein Engel sein

Die kluge Katze

Lukas und das Dinoland

Der Zukunftskuchen

Ein toller Ausflug

Der Vortrag

Als ich von der Garage fiel

Wolle in der Steinzeit

Weltenwechsel

Die Uhr des Alchemisten

Ein Junge und ein Drache

Dino mino

Meine Reise durch die Zeit

Der Ausflug zur Insel

Die Steinzeitfreundin

*

Der Ring

An einem sehr kalten Tag ging ich in die Stadt, um Wurst zu holen. Eine lange Schlange hatte sich am Würstchenstand gebildet. „Wäre die Schlange doch schon weg“, sagte ich zu mir.

Da kam ein alter Mann auf mich zu und sprach: „Hier ist ein Ring für dich. Berühre den Stein und es ist gemacht“. Nun gab er mir den Ring.

Auf einmal war er weg! Ich war so überrumpelt, dass ich im nächsten Moment gar nichts sagen konnte. Ich betrachtete den Ring in meiner Hand noch eine Weile. Er bestand aus Gold und einem großen, rot schimmernden Rubin. Dieser war aber schon etwas locker. Ich steckte ihn in meine Hosentasche. Danach kaufte ich noch die Würstchen und begab mich auf den Heimweg.

Zu Hause überlegte ich, was es mit dem Ring auf sich hatte. Ich holte tief Luft und berührte dann den Rubin auf dem Ring, genauso, wie es der Mann gesagt hatte. Nach einer langen Reise befand ich mich in einer anderen Zeit. Mir wurde klar, dass es ein Zauberring war, mit dem man Zeitreisen machen konnte.

Auf einmal kam mir ein Gedanke, dass ich vielleicht in die Zukunft reise. Ich überlegte mir, dass es dort möglicherweise einen ferngesteuerten Computer oder einen Roboterhund geben könnte. Vor Aufregung war ich ganz nervös.

Ein letzter Gedanke schoss mir durch den Kopf: „Aber wie komme ich denn zurück?“ Ich konnte gar nicht weiter denken, denn um mich herum zischte und fauchte es plötzlich. schschsch …, und ich landete. „Wow!“, sagte ich.

Ich schaute mich um und erblickte drei Kinder und ein Baby. Zögernd ging ich zu ihnen hin und fragte: „Wie heißt ihr denn?“

Der Junge antwortete: „Ich heiße Valentin und das sind Tina und Ingrid. Das Baby heißt Tom. Und wie heißt du?“

„Mein Name ist Liwiata“, antwortete ich.

Auf einmal flogen über unsere Köpfe Robotervögel hinweg. Sie sahen wie die Vögel aus, die ich aus meiner Zeit kannte, aber sie gaben metallische Laute von sich. Auch die Menschen, die ich hinter den Kindern erblickte, waren Roboter. Fragend sah ich Ingrid an. „Wie kann es sein, dass ihr Menschen seid, aber die Erwachsenen Roboter?“

Das Mädchen erwiderte: „Das ist ganz einfach. Wenn wir Kinder sind, sind wir ganz normale Menschen. Aber wenn wir erwachsen werden, entwickeln wir uns zu Robotern.“

In diesem Augenblick schrie ich aus vollem Hals: „Achtung!“ Valentin fragte mich ganz cool, was denn los sei. Ich antwortete, dass eine Herde von Roboterwildschweinen hinter ihnen sei und dass sie so schnell wie möglich weglaufen sollten.

Die Kinder drehten sich um und hatten Angst. Schnell musste etwas passieren! Ich überlegte eine Sekunde und dann drehte ich den Ring nach links, doch es passierte nichts. Die Tiere kamen immer näher! Sie waren furchtbar schnell! Nun versuchte ich es, mit einer Drehung nach rechts, aber wieder geschah nichts. Dann fiel mir ein, dass ich ja den Rubin berühren musste. Ohne zu überlegen nahm ich die Kinder bei der Hand und rannte so schnell ich konnte in die andere Richtung.

Gott sei Dank fiel gleich darauf ein starker Sonnenstrahl auf die wilde Roboterbande. Auf der Stelle zerfielen sie zu Staub. Durch den Luftzug rutschte mir der Ring vom Finger, denn er war etwas zu groß.

„Der Ring“, schrie ich.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte Tina besorgt.

„Der Ring“, wiederholte ich. „Ich bin mit ihm hergekommen in die Zukunft! Wie komme ich denn nun wieder zurück?“

Ingrid nahm mich bei der Hand und sagte: „Wir helfen dir bei der Suche.“

Gleich darauf machten wir uns auf den Weg. Die Kinder brachten mich zu einem Mann. Ich erkannte ihn sofort wieder. Es war der Mann, welcher mir den Ring in der Stadt gegeben hatte. Er sah mich finster an und ich traute mich kaum zu fragen: „Wissen sie denn, wo der Ring ist?“

Der Alte nahm mich fest bei der Hand und brachte mich zu seinem Haus. Dort war es sehr dunkel. Im Kerzenschein öffnete er seine Hand und dort lag der Ring!

Er sprach: „Du hast jemanden gerettet und deswegen darfst du wieder in deine Zeit zurück“.

Ich verabschiedete mich von meinen Freunden und steckte mir den Ring an den Daumen. Ich wollte ihn nicht noch einmal verlieren. Jetzt drehte ich am Rubin und im gleichen Augenblick war ich weg. Auf meiner Heimreise flog ich an Hawaii vorbei und hörte dabei Musik aufsteigen: „Schubidua Schubidua“

Dann erklang wieder das vertraute Geräusch: schschsch und ich landete in meiner Wohnung.

War das ein Abenteuer!

Leah Rikanovic (9)aus Nördlingen / Deutschland

*

Tränen der Vergangenheit

Paige Meyer lebte in London, in einem Waisenheim. Seit Jahren verbrachte sie hier ihre Zeit und wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht, als wäre sie eine Puppe. Paige war ein sehr temperamentvolles und starkes Mädchen, daher ließ sie niemanden an sich heran und wirkte sehr abweisend. Keine Familie hatte es bisher mit ihr aufnehmen können, geschweige denn, ihre Launen ertragen. Sie wollte mehr als nur eine Pflegefamilie, sie wollte die Vergangenheit und die Wahrheit. Sie sagte sich immer, sie müsse zuerst über diese bescheid wissen, bevor sie sich mit der Zukunft befassen könnte.

Die Jahre verstrichen und Paige isolierte sich mehr und mehr von der Außenwelt. Eines Tages beschloss sie, zu verschwinden. Sie besaß nicht viel – das heißt, eigentlich besaß sie gar nichts – und daher fiel es ihr nicht schwer, zu gehen.

Nachts öffnete sie das Fenster, unter welchem sie schlief, und krabbelte aufs Dach. Sie war sehr vorsichtig und ruhig gewesen, um niemanden zu wecken. Die Nacht war frisch und kühl, wie sie feststellte. Sie schlang ihre Strickweste eng um ihren Körper und suchte eine Möglichkeit, um das Dach zu verlassen. Dabei sollte ihr möglichst nichts geschehen.

Sie erblickte eine Regenrinne und zögerte nicht. Noch während des Hinabkletterns wurde ihr bewusst, wie blöd ihr Einfall war. Die Regenrinne war nicht nur instabil, sondern auch alt und rostig, sie knarrte und gab gedämpfte Töne von sich. Paige bat innerlich darum, heil anzukommen, und niemanden auf sich aufmerksam zu machen.

Als sie gerade mit den Füßen auf dem Boden kam, schalteten sich sämtliche Lichter im Haus ein. „Verflucht!“, murmelte sie und rannte sogleich los. Sie wusste nicht, wohin sie rannte, doch sie musste sich beeilen, denn die anderen würden ganz sicher bemerken, dass ihr Bett leer stand und sie entkommen sein musste.

Nach mehreren Straßen und Gassen machte sie halt. Sie stand vor einem großen und altertümlichen Haus, welches völlig wüst und baufällig war. „Unbewohnt … Das Haus steht völlig leer“, rief sie schon fast euphorisch und suchte bereits nach einer Möglichkeit, dort einzubrechen. Nicht alle Fenster besaßen eine Glasscheibe, manche waren einfach mit Holzbrettern zugenagelt. Die Bretter waren morsch und alt, Paige konnte sie ohne Problem eintreten. Sie schleuderte ihren Fuß zwei Mal mit gewaltiger Kraft gegen die Bretter und diese gaben nach.

Ohne Mühe konnte Paige ihren dünnen und zierlichen Körper durch das kleine Fenster zwängen und stand nun inmitten eines großen, kahlen Raums. „Es muss das Wohnzimmer gewesen sein“, dachte sie und entdeckte sogar ein altes, staubiges Sofa. Nicht besonders bequem, aber immerhin eine Schlafmöglichkeit. Ein Blick nach oben zeigte ihr, dass die ganze obere Etage eingerissen war und somit nicht existierte. Ansonsten gab es, neben dem Wohnzimmer, also nur noch Küche und Bad. Beides war nicht luxuriös, doch für Paige ausreichend. Der Keller war klein und verstaubt. Doch je tiefer sie ging, desto weiter wollte sie gehen. Der Keller hatte etwas Magisches.

Am Ende des Ganges stand eine Maschine, die ziemlich dreckig und kaputt aussah. Doch Paige betrachtete sie sehr eindringlich und voller Neugier. Hebel, Knöpfe, Schalter, Lampen und ein integrierter Sessel. Auf dem Armaturenbrett standen Zahlen und Daten. Bei näherem Betrachten erkannte sie diese, als einen Zahlenstrahl. „Was zum Teufel … was ist das?“ Paige war verwundert und wollte unbedingt eine Antwort. Auf einmal schrie alles in ihr und sie rief: „Wahnsinn, das ist eine Zeitmaschine!“

Noch immer war ihr Wissensdurst nicht gestillt und sie setzte sich auf den Sessel, hinter ihrem Rücken war eine riesige Schüssel, drehbar wie ein Ventilator. Der Zeiger des Zahlenstrahls stand auf 1998.

„Das Jahr haben wir im Moment“, dachte Paige. Ihr kamen wilde und aufbrausende Gedanken, sie wusste, sie könnte alles herausfinden, was sie wollte, und sie würde jede Frage, die sie beschäftigte, beantworten können. Paige erkannte, dass der Zeiger durch ein Rad entweder in die Zukunft oder in die Vergangenheit bewegt werden konnte, und dass dieses Jahr wahrscheinlich durch Knopfdruck zu erreichen war.

„Ich bin jetzt 15 und wurde mit drei Jahren im Waisenheim aufgenommen. Das heißt, ich muss zwölf Jahre zurück. In das Jahr 1986“, rechnete sie sich aus. „Okay, ich werde es wagen.“ Sie stellte den Zeiger ein und drückte den Knopf. Sogleich drehte sich das Rad. Die Welt um sie herum verschwamm.

Paige öffnete die Augen und war immer noch im Keller, der auf einmal viel heller wirkte. Sie drehte sich um und beschloss unwillkürlich, aufzustehen. Sie ging hinauf, öffnete die Tür ... und stand mitten in einem wunderschön eingerichteten Wohnzimmer. Eine junge Familie saß am Esstisch und aß zu Abend. Eine Frau, vielleicht Mitte 20, hatte ein zierliches und wunderschönes Kleinkind auf dem Schoß und fütterte es mit Kartoffelpüree.

„Möchtest du noch einen Löffel, Butterblume?“ Sie sah fragend das Kind an, welches gluckste und in die Hände klatschte. Beim Klang ihrer Stimme wurde Paiges Beine wacklig und sie musste sich setzten. Die Familie schien sie nicht sehen zu können und beschäftigte sich weiterhin mit dem Essen. „Liebling“, sagte der Mann und wand sich an die Frau, „gib mir doch mal die kleine Paige, du sollst schließlich auch etwas essen.“

Paige? In ihrem Kopf drehte sich alles und sie konnte es nicht begreifen. Das war ihr Haus? Das waren ihre Eltern? Vor allem, das kleine Mädchen ... war sie? Sie hatte einen Kloß im Hals und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Mum, Dad!“, schrie sie, doch keiner bemerkte sie. Ich bin es! Paige!“ Sie weinte und schluchzte.

Auf einmal änderte sich die Atmosphäre und es wurde irgendwie dunkler. Sie sah, wie ihre Mutter blass wurde und ins Bad stürmte. Paige und ihr Vater folgten ihr besorgt und erblickten eine schlimme Szene. Mutter übergab sich heftig. Ihr Mann rannte auf sie zu und brachte sie samt Kind zum Arzt. Dieser sagte ihm, es sei nichts mehr zu machen, sie würde sterben. Er sagte, dass sie vielleicht nicht heute sterben würde, jedoch spätestens in einer Woche nicht mehr unter ihnen weilen würde.

Paiges Vater weinte bittere Tränen und betrachtete das kleine Kind. „Wie sollte ich es jemals aufziehen?“, fragte er sich bestimmt.

Paige sah, wie ihr Vater sie in einen Korb legte und vor das Heim stellte. Er gab der kleinen Paige einen letzten Kuss und ließ sie alleine zurück.

Da wurde sie aus der Vergangenheit zurückgerissen und stand wieder im alten, verstaubten Keller. Ihr Atem war schwer und ihr Herz raste. Sie wusste nun, was zu tun war, sie würde ihren Vater finden und ihm verzeihen. Sie wusste, es würde schwer werden, doch sie war sehr dickköpfig und eigenwillig.

Sie setzte sich auf und verließ ihr altes Haus und machte sich auf den Weg, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Doreen Kolonko (14)aus Birkenheide / Deutschland

*

Eine wahre Freundschaft

Es war einmal ein Junge namens Deniz. Er langweilte sich jeden Tag. Deniz hatte keine Freunde und in der Schule wurde er nur geärgert. Deniz hatte auch keine Geschwister und seine Mutter hatte keine Zeit für ihn. Deniz wohnte in der Türkei, er war elf Jahre alt.

Eines Tages ging er ins Bett und seine Mutter Eva ging zur Arbeit. Um 00.00 Uhr Mitternacht kam ein helles Licht durchs Fenster. Deniz wachte auf und guckte in Richtung Fenster. Er bekam große Angst, aber er packte all seinen Mut und ging runter, um zu schauen, woher dieses helle Licht kam. Dann sah er hinter einem Busch das helle Licht hervorkommen. Deniz ging ganz langsam zum Busch und plötzlich erblickte er einen kleinen Roboter. Deniz sah ihn erstaunt an und fragte stotternd: „Wie heißt du?“

Der Roboter antwortete: „Ich heiße Cem.“

Deniz fragte weiter: „Woher kommst du?“

Der Roboter Cem antwortete mechanisch: „Ich komme aus der Zukunft.“

Deniz staunte: „Wow, aus der Zukunft! Kannst du mich dort hinbringen?“

„Ja, klar“, antwortete der Roboter und zehn Sekunden später waren sie dort. Deniz sah fliegende Autos, fahrende Boote, gläserne Flugzeuge und Roboter und staunte. Cem, der kleinen Roboter, brachte Deniz zu sich nach Hause und stellte Deniz seinen Eltern vor.

Die Mutter sagte: „Ihr kommt genau rechtzeitig zum Mittagessen.“

Cem fragte neugierig: „Was gibt’s denn?“

Die Mutter antwortete: „Schrauben! Willst du auch welche, Deniz?“

Deniz sagte: „Nein, danke!“

Die Mutter sprach enttäuscht: „Oh, wie schade!“

Kurz darauf erinnerte Deniz Cem: „Cem, wir müssen wieder zurück zu mir nach Hause.“ Also reisten sie los.

Cem reiste aber aus Versehen zuerst in die Dinosaurierzeit. Plötzlich kam ein Dinosaurus Rex auf sie zu. Cem schaffte es noch, in letzter Sekunde zurück zu Deniz zu reisen. Als sie ankamen, kam auch Eva, Deniz’ Mutter, nach Hause und fragte: „Wo warst du und wer ist das?“

Deniz entgegnete: „Das ist Cem und er kann mich in die Zukunft bringen.“

Eva guckte verblüfft: „In die Zukunft?“

„Ja“, sagte Deniz.

„Oh, wie spannend, kann ich auch mal mit?“, fragte Eva.

„Ja“, sagte Cem sofort und zehn Sekunden später waren sie wieder in der Zukunft. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben und reisen sie noch heute.

Deniz Bauer (11)aus Izmir / Türkei

*

Der Bund der Ritter

Der Marktplatz ist leer, völlig verlassen. Der Wind fegt Blätter über die Steine. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Mädchen mit braunen, gelockten Haaren und smaragdgrünen Augen auf. Doch genauso schnell, wie es gekommen ist, verschwindet es. Wohl nur eine Erscheinung ...

Doch auf einmal erscheint das Mädchen wieder. Es waren nur Sekunden vergangen, seit sie das letzte Mal aufgetaucht ist. Nun bewegt sie sich auf uns zu.

Hey, hast du mich etwa gesehen? Ja, hast du? Dann muss ich dich wohl oder übel einweihen. Erstmal muss ich zweierlei Dinge klarstellen: Erstens kann es gar nicht sein, dass du mich gesehen hast! (Aber dazu kommen wir später!) Zweitens war es nur eine Erscheinung und ich stand schon die ganze Zeit da! (Ha! Ich merke schon, ich kann dich nicht austricksen, du hast es genau gesehen.)

Okay. Hier, falls du es genauer wissen möchtest: Ehrlich gesagt hat mich noch niemand gesehen ... Und niemand kann mit mir sprechen! Aber das hat auch seinen Grund: Ich bin nämlich ein Geist! Ich bin Gwendolyn, das Mädchen, das ihr vorher gesehen habt. Und warum ich ganz plötzlich aufgetaucht bin, das hat auch eine simple Erklärung: Ich bin ein Geist, der zeitreisen kann. Und jetzt, jetzt möchte ich euch erzählen, wieso ich ein Geist bin, und wie es dazu kam, dass ich zeitreisen kann. (Aber du hast dich doch auch gewundert, dass ich schon gestorben und ein Geist bin, denn so alt sehe ich doch gar nicht aus, oder?)

Es war im 18. Jahrhundert. Ich lebte mit meinem Vater und meiner kleinen Schwester Miriam in einer Hütte nahe dem Dorf. Meine Mutter starb, nachdem Miriam geboren worden war. Damals war ich drei Jahre alt, Miriam hat unsere Mutter nicht einmal kennengelernt.

Jede Nacht ritten vier Ritter in einer schweren, silbernen Rüstung an unserer Hütte vorbei. Ich bekam es immer mit, weil ich nachts manchmal nicht einschlafen konnte und verloren den Mond anstarrte. Ihr Blick war starr und leer, und sie beachteten ihre Umgebung nicht, würdigten mich nicht eines Blickes. Auch ich beachtete die Ritter einfach nicht und ignorierte sie Tag für Tag. So kam es, dass ich sie irgendwann sogar ganz vergaß.

Eines Tages wurde mein Vater schwer krank. Ich saß an seinem Bett und wusste, dass er es nicht mehr schaffen würde. Den Arzt aus dem Dorf konnten wir uns nicht leisten, auch wenn ich alles dafür gegeben hätte.

Miriam kniete schluchzend vor seinem Bett, sie hielt seine Hand fest umklammert. Auch mir kullerte eine Träne nach der anderen über das Gesicht. Ich umarmte meinen Vater, als es schon Abend wurde, und dann schloss er die Augen, und zwar für immer. Miriam und ich weinten immer mehr und konnten nicht aufhören, bis in die Nacht hinein, bis ich plötzlich wieder Pferdegetrappel hörte, wie jede Nacht. Ich schluchzte noch ein letztes Mal, dann stand ich auf.

Miriam hielt mich am Arm fest. „Wo willst du hin?“

„Siehst du die Reiter, die dort hinten näher kommen? Sie galoppieren jede Nacht an unserem Haus vorbei, und nun will ich endlich wissen, was da los ist! Mein Leben ist jetzt sowieso nichts mehr wert, nachdem Vater gestorben ist!“

„So was darfst du nicht sagen“, flüsterte Miriam. „Ich komme auf jeden Fall mit dir mit.“

Ich schlich mit Miriam nach draußen. Die Reiter waren einige Meter vor uns auf einem holprigen Weg. Wir liefen ihnen auf der mondbeschienen Straße nach und noch ahnte ich nicht, dass ich es später bereuen würde. Mein Herz war in dieser Nacht voller Sorgen, Aufregung und Angst. Meine Knie waren weich, mein Atem hastig und schnell. Wir folgten den, durch die Nacht gleitenden, Reitern in einen Wald hinein.

Ich weiß nicht, wie viele Meter wir gelaufen waren, als die Reiter sich endlich verlangsamten und in einer Lichtung anhielten. Das Mondlicht erhellte die Bäume und färbte sie in ein schummriges dunkelgrün. In der Mitte der Lichtung befand sich ein blutroter Stein, der merkwürdig leuchtete. Die Reiter versammelten sich in einem Quadrat um den Stein, der ungefähr so groß war, wie ein Kaninchen. Miriam und ich versteckten uns, hinter einem Baum, und beobachteten sie.

Als der Mond den höchsten Punkt über der Lichtung erreicht hatte, wurde sie in ein so helles Licht getaucht, das unsere Augen für einen Moment geblendet waren. Aber als es vorbei war, sahen wir die dunkelroten Umrisse einer in einen Umhang gehüllten Gestalt. Sie schwebte wie ein Geist über dem roten Stein und war aus dem Nichts aufgetaucht.

Mit einer tiefen, fürchterlichen Stimme sagte sie: „Die Stunde der Wahrheit ist gekommen! Das Opfer muss gebracht werden, um die Gabe weiterzugeben. Wer den Stein berührt, wird die Gabe bekommen, und wer die blaue Feder berührt, wird zum Opfer fallen!“ Neben dem Stein lag eine blaue Feder, die ich bis eben nicht bemerkt hatte.

Miriam flüsterte unruhig: „Lass uns lieber schnell gehen!“

Aber es war zu spät, um zu gehen. Ich war wie gelähmt, konnte meine Glieder nicht bewegen. Die Ritter zogen ihre Helme vom Kopf, und jeder von ihnen hatte eine andere Haarfarbe. Rot, braun, schwarz, blond. Der Blonde meldete sich zu Wort: „Ich bin der Älteste der vier Prinzen der Nacht! Diese Nacht werde ich die Gabe bekommen, wo ich doch so lange gewartet habe!“

„Was ist mit dem Opfer?“, fragte der schwarzhaarige Mann.

„Es ist schon hier. Wir müssen nur noch wenige Augenblicke warten!“, erwiderte der mit den roten Haaren. Der Braunhaarige sagte gar nichts. Ich verspürte das merkwürdige Bedürfnis, die Lichtung zu betreten, aber es kostete mich einige Augenblicke Überwindung, bis ich einen Schritt wagte. Ich war wie in Trance versetzt.

„Gwendolyn, nein!“, flüsterte Miriam beinahe zu laut.

„Das Opfer ist eingetroffen!“, sagte die rote Gestalt und trat zur Seite, sodass der Stein und die Feder offen auf dem Boden lagen.

Wie automatisch bewegte ich mich weiter nach vorne. Auch der blonde Prinz bewegte sich auf den roten Stein zu. Miriam sah verstört aus, aber ich beachtete sie nicht. Ich wollte nicht. Ich konnte nicht. Der blonde Prinz bückte sich. Ich ebenfalls. Aber dann berührte ich die Feder sachte, bis mir bewusst wurde, was ich getan hatte, dann reagierte ich blitzschnell. Meine Hand glitt noch in derselben Sekunde auf den Stein, noch bevor der Prinz ihn berührt hatte.

In Sekundenschnelle war ich verschwunden. Was hatte ich getan? Miriam rannen Tränen über die Wange, dann rannte sie weg. Ich war für die anderen Leute nicht mehr sichtbar. Ich verwandelte mich in einen Geist. Das war also die Wirkung der Feder. Aber die Wirkung des Steins sollte ich noch früh genug erfahren.

Plötzlich wurde vor meinen Augen alles schwarz, und als es wieder hell wurde, hatte sich alles verändert. Zum einen war es nicht mehr Nacht, sondern Tag, zum anderen war die Lichtung größer geworden und das Gras auf der Erde war verschwunden. Es war eine kahle, trostlose Umgebung. Nirgendwo sah ich Leben. Die Bäume sahen abgestorben aus. Die Ritter waren verschwunden.

Mir wurde klar, dass ich in der Zeit gereist war. Mindestens hundert Jahre zurück. Mein Vater hatte mir davon erzählt, wie es früher hier war. Kahl und leer.

Ich war in dieser Zeit nur wenige Sekunden, dann reiste ich wieder zurück. Es war Nacht, ich sah die Reiter, den roten Stein, die Feder ... Nur die roten Umrisse der Gestalt waren verschwunden. Von nun an reiste ich nur durch die Zeiten, war mal hier, mal dort.

Nun bin ich hier. Bei dir. Auf dem Marktplatz. Ich werde wohl nie wieder zu meiner kleinen Schwester zurückfinden können. Oder kannst du mir helfen? Was sagst du? Ich soll in die Vergangenheit reisen, in die Nacht, bevor ich zum Geist wurde? Ich soll wieder zu der Lichtung gehen, an der die Feder und der Stein gelegen haben? Du meinst, ich werde, wenn ich die Feder und den Stein noch einmal gleichzeitig berühre, wieder zum Menschen und verliere die Zeitreise-Gabe? Meinst du? Na gut! Eine Chance, meine Schwester wiederzufinden ... und von vorne zu beginnen!

Jana Stetter (11) aus Markgröningen / Deutschland

*

Der Blitz

An einen stürmischen Tag ging auf einem kleinen Bauernhof abseits von London etwas ganz Seltsames vor. Auf dem Hof wohnten eine Frau, ein Mann und ein Kind. Es war bereits spät, deshalb musste das Kind, Fridolin, ins Bett. In der Nacht donnerte es ohrenbetäubend laut und ein bunter Blitz schoss auf die Erde hinab.

Dass etwas Merkwürdiges geschehen war, bemerkte Fridolin erst, als er am nächsten Morgen an der Schule ankam. Anstatt des Pausenhofs fand er eine Wiese mit einer kleinen Hütte darauf vor und die Schule hatte sich zu einer Mauer verwandelt.

Auf einmal schrillte eine Glocke und kleine bärtige Menschen mit Waffen riefen: „Alarm! Ein Mensch! Alarm!“

Da kam eine kleine Frau und zog Fridolin in eine Hütte. Sofort zog sie die Vorhänge zu. Sie schrie Fridolin an: „Bist du wahnsinnig? Menschen sind hier verboten!“

Darauf antwortete Fridolin: „Du bist doch auch ein Mensch. Ein sehr kleiner Mensch.“

Die Frau beschwerte sich: „Bist du blind? Ich bin eine Zwergin! Was machst du hier?“

„Ich weiß nicht, wie ich hier hergekommen bin. Ich war urplötzlich da. Wo bin ich denn gelandet?“

„Weißt du das denn nicht? Du bist auf dem Planeten Aran.“

Fridolin schaute sie verdutzt an: „Ich komme von der Erde.“

Daraufhin fragte die Zwergin: „Was ist die Erde?“

„Na ja, es ist der Planet, auf dem ich geboren worden bin, und wo ich lebe. Ich denke, ich bin irgendwie durch die Zeit gereist.“

„Wie denn das?“

„Ich weiß es leider selbst nicht. Hilfst du mir, zurückzukommen?“

„Na gut unter einer Bedingung. Du hörst auf mich!“ Die Zwergin packte einen Korb und befahl: „Trag den Korb und komm mit“ Sie führte Fridolin aus der Stadt zu einem Berg. „Wir müssen da hoch“

Verwundert fragte Fridolin: „Da hoch?“

„Ja denkst du, ich scherze? Hast Angst, was? Mach mir einfach nach.“ Und schon begann der Aufstieg. Die Zwergin trieb Fridolin an, sich zu beeilen: „Wir haben nicht viel Zeit“ Als sie an einer großen Felsnische ankamen, befahl die Zwergin: „Im Korb ist ein Zelt, bau es auf!“

„So, wir sind hier in Sicherheit“, sagte sie schließlich. „Denke darüber nach, wie du nach Hause kommst“

Zwei Tage später sagte Fridolin: „Ich komme genauso zurück, wie ich hier hergekommen bin. Nach einer Unwetternacht bin ich aufgewacht und war kurz darauf hier. Es muss etwas mit dem bunten Blitz zu tun haben“

Die Zwergin beschloss: „Dann warten wir eben auf das nächste Unwetter“

Tage, Wochen und sogar ein Monat waren verstrichen, bis es endlich anfing zu gewittern. Fridolin schlief ein und träumte von zu Hause. Als er aufwachte, war er auf dem Pausenhof der Schule. „Ein Traum“, dachte er, „nur ein Traum.“ Doch als er nach Hause kam, wurde er gefragt, wo er einen Monat lang gesteckt habe.

„Das behalte ich lieber für mich“, dachte er. Inzwischen hatten die Sommerferien bereits angefangen. Viel Zeit, um den Schulstoff nachzuholen ...

Merlin Nico Kegel (9) aus Eschollbrücken / Deutschland

*

Eine unerwartete Begegnung

Plötzlich geschieht es. Von der einen Sekunde auf die andere werde ich aus meiner Welt herausgerissen und schlage auf einer Wiese auf. Ich bin zu erschrocken, um etwas zu sagen, als sich ein Junge in ungefähr meinem Alter über mich beugt. Seine braunen Haare stehen wirr in alle Richtungen ab und um seine grün-braunen Augen, die nun von Sorge zusammengezogen sind, sieht man Lachfältchen.

„Sind sie in Ordnung, Mylady?“, fragt er mit einem komischen Akzent. „Welch eigenartigen Klamotten Ihr tragt … stammt Ihr aus England?“

Erstaunt sehe ich ihn an. „Nein ... ich meine ja, aber …“ Ich verstumme, als ich seine Klamotten sehe. Eine Stoffhose, Lederstiefel, ein im Wind flatterndes braunes Hemd. Keine Klamotten, die ein normaler Mensch heutzutage tragen würde.

„Wo bin ich hier?“, frage ich langsam und sehe mich um. Ich liege auf einer Wiese. In der Ferne hört man das Meer rauschen und in einiger Entfernung sehe ich eine Ansammlung von Steinhäusern. Das ist definitiv nicht Londons Innenstadt.

Er runzelt die Stirn. „Wie toll habt Ihr euch den Kopf angestoßen?“

Empört sehe ich ihn an. „Was glaubst du, wer du bist? Und wo zum Teufel bin ich hier?“ Wütend schlage ich die ausgestreckte Hand von ihm weg und rappel mich auf.

„Ihr solltet nicht Satan beschwören“, murmelt er leise. „Ihr seid hier in Glendalough … du bist nicht Charlottes Cousine aus Southampton?“, fragt er verwirrter denn je.

„Ganz bestimmt nicht“, schnaube ich.

„Wer sind Sie dann, wenn ich fragen darf?“

„Ich bin Jessamine Brown.“ Noch immer verwirrt sehe ich ihn an. „Wo sagtest du sind wir?“

„In Glendalough, dem Tal der zwei Seen. Mein Name ist Darak. Kommt, ich bringe Euch zu Charlotte, damit sie Euch eins ihrer Kleider geben kann, vielleicht fallt Ihr dann nicht unangenehm auf. Woher sagtet Ihr, stammet Ihr?“, fragt er wie zufällig.

„London“, sage ich knapp, während ich versuche, meine wirren, blonden Locken zu ordnen.

„London“, wiederholt er überrascht und hilft mir bei den Locken. „Was für weiches Haar ihr habt …“

„Haarspülung“, sage ich trocken.

„Haar…Was redet ihr da?“

Langsam bin ich genervt. „Bekommt man in jedem Supermarkt ...“ Ich breche ab, als ich eine erschreckende aber gleichzeitig interessante Theorie entwickle. Sein Name, die Klamotten, seine Sprache. Das alles passt nicht ins Jahr 2011. Es passt in eine frühere Zeit. Schockiert bleibe ich stehen. „Darak, welches Jahr schreiben wir?“

„1609.“ Er wirft mir einen fragenden Blick zu. „Warum fragt Ihr? Wisst Ihr nicht einmal, in welcher Zeit Ihr Euch befindet?“

„Ich …“ Ich verstumme. Was soll ich sagen? Dass ich aus der fernen Zukunft stamme? Dass ich eigentlich erst im Jahre 1995 geboren werde. Unlogisch. Unglaubwürdig. Verrückt. Jeder würde denken, dass ich in die Klapse gehöre. „Darak, wenn ich sage, dass ich aus der Zukunft stamme, würdet Ihr mir glauben?“

Seit zwei Monaten sitze ich nun in Glendalough und verzweifelt versuche ich, mich daran zu klammern, dass ich aus London komme, im Jahre 2011 lebe und Hosen tragen darf. Darak hatte mir geglaubt und versucht, mir zu helfen. Vergebens. Was immer mich hergebracht hatte, will mich nicht zurückholen.

Darak beugt sich zu mir. „Jessy, ich weiß nicht, was dich hier hergebracht hat, aber ich bin froh, dass du hier bist.“

Ich nicke nur. Mal wieder stehe ich auf der Wiese, auf der ich angekommen bin. Er fasst mir mit einem Finger unter das Kinn und hebt es sanft an. Ich ringe mir ein Lächeln ab, als er sich zu mir runterbeugt und mir eines klar wird: Er will mich küssen. Noch nie wollte ein Junge mich küssen. Ich schließe die Augen, als ich es spüre.

Das Gefühl, dass ich hochgerissen werde und mich etwas mit sich zieht. Schnell öffne ich die Augen. Darak ist verschwunden. Dafür stehe ich mit in Londons Verkehr. Erst als die Autos hupen, renne ich weiter.

Kim Lottermoser (14) aus Bielefeld-Senne / Deutschland

*

London Nights

Eine Holztür war das Erste, was mir auffiel, als ich hinter meinem besten Freund Allen das Wohnzimmer betrat. Ich hätte meine rechte Hand darauf verwettet, dass sich dort bei unserem letzten Besuch keine Tür befunden hatte, nur dieselbe scheußliche, ausgebleichte Blumentapete, mit der auch die Wände im restlichen Raum beklebt waren.

„Drey?“ Allen drehte sich zu mir um. In seinen karamellbraunen Augen standen Unsicherheit und sogar etwas Angst, als er mich fragte: „Diese Tür, … die war vor einer Woche nicht da, oder?“

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mir Schauer über den Rücken liefen. Stattdessen zog ich meinen Pferdeschwanz enger, um das Zittern meiner Finger zu unterdrücken. „Du hast das fotografische Gedächtnis, sag du’s mir!“, sagte ich.

Er drehte sich wieder um und starrte die Tür an. Ich sah, wie er sich durch seine blonden Haare fuhr und etwas Unverständliches murmelte, ein klares Anzeichen für seine Nervosität.

„Ich kann dich nicht verstehen, Al!“, bemerkte ich etwas genervt.

Er wandte mir sein Gesicht zu und sagte: „Audrey Miller, wenn du das nächste Mal so einen Blödsinn planst, dann erinnere mich daran, zuhause zu bleiben!“

Vielleicht sollte ich zum allgemeinen Verständnis erst einmal erklären, was Allen mit Blödsinn meinte. Wahrscheinlich, dass wir mitten in der Nacht in einem unbewohnten, einsturzgefährdeten Londoner Haus standen, in dem es noch dazu spuken sollte.

Tja. Fast hätte mir Allen leidgetan. Er hatte wirklich viele gute Eigenschaften. Er war nett, ehrlich, musikalisch, humorvoll – aber er war alles andere als mutig. Er hatte sogar Angst gehabt, als wir uns den sechsten Harry Potter Teil im Kino angesehen hatten.

Warum er trotzdem mitgekommen war, war schnell erklärt: Ich weiß ganz genau, wie ich meinen besten Freund zu Sachen überreden kann, die er nicht tun will. Um ehrlich zu sein, war das bei Weitem nicht das erste Mal, dass wir mitten in der Nacht zu irgendwelchen, nicht gerade gastfreundlichen Plätzen in London gingen, nur weil es dort angeblich irgendetwas Übernatürliches gab. Was soll ich sagen – ich bin verrückt nach solchen Sachen. Nach Geistern oder anderen Sagengestalten zu suchen ist eines meiner Hobbys. Zugegebenermaßen, es ist eine etwas unkonventionelle Beschäftigung für ein fünfzehnjähriges Mädchen, doch für mich ist es ein Traum. Ich fühle mich dabei in längst vergangene Zeiten zurückversetzt, als die Menschen noch an Fabelwesen und Magie glaubten.

Auf die Idee, diese Bruchbude zu besuchen, hatte mich meine Tante gebracht. Vor zwei Wochen hatte sie mir von den Gerüchten erzählt, die in diesem Viertel Londons die Runde machten: Angeblich war in diesem Haus ein Selbstmord geschehen. Der Verlobte einer jungen Frau, die hier einmal gewohnt hatte, war im Zweiten Weltkrieg gefallen, woraufhin sie sich erhängt hatte. Seit diesem tragischen Vorfall war sie dazu verdammt, in ihrer damaligen Wohnstätte herumzuspuken.

Als ich davon gehört hatte, war ich sofort zu Allen gelaufen und hatte ihm die Geschichte erzählt. Wir – okay, er erst nach gutem Zureden meinerseits – waren uns einig gewesen: Wir mussten diesen Geist sehen! Also hatten wir uns mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen und waren mit der U-Bahn hierher gefahren. Beim ersten Mal war uns nichts Seltsames aufgefallen, bis auf meterdicke Staubschichten auf allen Möbeln und fetten Spinnen in jeder Ecke, doch anscheinend sollte unsere Geisterjagd beim zweiten Mal mehr Erfolg haben.

„Okay Drey, jetzt hast du alles gesehen!“, meinte Allen und seine Stimme schwankte nervös. „Die Tür ist sicher komplett uninteressant! Also los, gehen wir wieder heim!“

„Du bist ein Angsthase, Al, und wir werden nicht gehen, bevor ... sieh dir das Mal an!“ Ich zeigte auf die seltsame Tür.

Der Junge drehte sich wieder um und keuchte. Aus dem kleinen Spalt zwischen Tür und Rahmen kam ein gleißend helles, weißes Licht. Außerdem hatte sich der Geruch im Haus verändert. Es roch nicht mehr nach Staub und alten Möbeln, sondern nach Rosen und Lavendel.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Allen auf seine Armbanduhr schaute. „Genau Mitternacht!“, flüsterte er und ein bisschen Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. „Bitte, Drey, lass uns abhauen!“

Ich antwortete nicht, packte seinen Arm und zog den Jungen in Richtung des Lichtscheins. Dass er dabei fortwährend „Warum? Warum bin ausgerechnet ich mit der Verrückten befreundet?“, murmelte, beeindruckte mich herzlich wenig.

Als wir das Zimmer betraten, sah ich überhaupt nichts. Die Helligkeit blendete mich. Ich hielt mir die Hände vors Gesicht, meine Augen brannten und tränten, so hell war es geworden. Das Strahlen schien von der anderen Seite des Raumes zu kommen, ich war mir aber nicht sicher.

Plötzlich wurde das Licht sanfter und der Duft klang ein wenig ab. Jetzt erkannte ich die Gestalt eines Mädchens, das mit dem Rücken zu uns am Fenster stand. Es trug ein altmodisches Kleid und sein glattes Haar reichte bis zur Hüfte. Die Gestalt schien nicht aus Fleisch und Blut zu sein, ihr Körper war, wie aus gebündeltem Mondlicht. Jetzt konnte ich auch das Zimmer besser erkennen, anscheinend ein Schlafzimmer, denn an einer Wand stand ein Bett, mit einer Staubschicht so dick wie eine Daunendecke. In der Mitte des Raumes hing etwas, das mir ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verschaffte: ein Strick. Er sah aus, als hätte ihn jemand abgeschnitten, vielleicht um etwas wegzunehmen, das daran gehangen hatte. Eine Leiche zum Beispiel.

Allen neben mir gab ein verängstigtes Geräusch von sich, das sich anhörte, als wäre er auf eine Gummiente getreten.

„Gut gemacht!“, flüsterte ich ihm verärgert zu, denn die Erscheinung am Fenster hatte uns bemerkt. Sie drehte sich langsam um und ich stockte.

Die Frau am Fenster war vielleicht zwanzig Jahre alt. Sie hatte das schönste und traurigste Gesicht, das ich jemals gesehen hatte. Silberne Tränenbäche rannen aus ihren schneeweißen Augen über ihre Wangen, die durchsichtig wie Glas waren. Sie war schön, wie eine Fee. Ohne hinzusehen, wusste ich, dass Allen das Mädchen wie verzaubert anstarrte.

„Mund zu, Al! Die ist ’ne Stufe zu hoch für dich!“, zischte ich meinem besten Freund zu.

„Ich weiß nicht, wovon du redest“, gab er etwas verärgert, aber mit einem Lachen in der Stimme, zurück.

---ENDE DER LESEPROBE---