Year of Passion (4-6) - J. Kenner - E-Book

Year of Passion (4-6) E-Book

J. Kenner

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Beschreibung

Sexy Sixpacks, breite Schultern und verführerische Blicke – in der Bar The Fix geht es heiß her. Ein attraktiver Mann nach dem anderen liefert auf dem Laufsteg eine atemberaubende Show. Und die Damen in der Jury haben die Qual der Wahl: Welche zwölf Kandidaten werden gewinnen und am Fotoshooting für den heißesten Kalender aller Zeiten teilnehmen?

Mit dieser genialen Publicity-Aktion will eine Gruppe von Freunden ihre Lieblingsbar vor dem Aus retten. Schnell wird klar, dass es um noch viel mehr geht als den Kalender: Während sich die Atmosphäre immer weiter aufheizt, entflammen die Gefühle – und für jeden der zwölf Männer führt eine aufregende Begegnung zu ungeahnten Konsequenzen ...

Drei leidenschaftliche und gefühlvolle Romane in einem Band - J. Kenner-Lesevergnügen pur!

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J. KENNER

YEAR of PASSION

APRIL

MAI

JUNI

Drei Romane in einem Band

Aus dem Amerikanischen

von Anu Katariina Lindemann, Nicole Hölsken

und Emma Ohlsen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Copyright © 2018 by Julie KennerDie Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Man of the Month. Start Me Up. Get It On. In Your Eyes bei Martini & Olive.Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by Diana Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenÜbersetzung: Anu Katariina Lindemann (April), Nicole Hölsken (Mai), Emma Ohlsen (Juni)Redaktion: Anita Hirtreiter (April, Mai) und Antje Steinhäuser (Juni)Covergestaltung: t. mutzenbach design, München Covermotiv: © Dan Kamminga, Per Winbladh/ Gettyimages; Sergiophoto, Surachet Khamsuk, Christopher Hall, MrVander/ ShutterstockSatz: Christine Roithner Verlagsservice, BreitenaichAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-641-23714-1V002www.diana-verlag.dewww.penguinrandomhouse.de

Die Serie

»Mit dieser Serie trifft J. Kenner mitten ins Herz!« Carly Phillips

Sexy Sixpacks, breite Schultern und verführerische Blicke – in der Bar The Fix geht es heiß her. Ein attraktiver Mann nach dem anderen liefert auf dem Laufsteg eine atemberaubende Show. Und die Damen in der Jury haben die Qual der Wahl: Welche zwölf Kandidaten werden gewinnen und am Fotoshooting für den heißesten Kalender aller Zeiten teilnehmen?

Mit dieser genialen Publicity-Aktion will eine Gruppe von Freunden ihre Lieblingsbar vor dem Aus retten. Schnell wird klar, dass es um noch viel mehr geht als den Kalender: Während sich die Atmosphäre immer weiter aufheizt, entflammen die Gefühle – und für jeden der zwölf Männer führt eine aufregende Begegnung zu ungeahnten Konsequenzen ...

Entdecken Sie zwölf leidenschaftliche Liebesgeschichten:

Year of Passion – Januar

Year of Passion – Februar

Year of Passion – März

Year of Passion – Sammelband Januar/Februar/März

Year of Passion – April

Year of Passion – Mai

Year of Passion – Juni

Year of Passion – Sammelband April/Mai/Juni

Year of Passion – Juli

Year of Passion – August

Year of Passion – September

Year of Passion – Sammelband Juli/August/September

Year of Passion – Oktober

Year of Passion – November

Year of Passion – Dezember

Year of Passion – Sammelband Oktober/November/Dezember

Die Autorin

Die Bestsellerautorin J. Kenner arbeitete als Anwältin, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, widmete. Ihre Bücher haben sich weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft und erscheinen in über zwanzig Sprachen. J. Kenner lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Texas, USA. Ihre lieferbaren Romane und Erzählungen finden Sie unter J. Kenner im Diana Verlag. Wenn Sie mehr über J. Kenner erfahren wollen, entdecken Sie Das große J. Kenner Fanbuch.

YEARofPASSION

APRIL

Alle lieben meinen anzüglichen Humor, doch niemand weiß, wie viel Schmerz sich dahinter verbirgt. Vor allem nicht die Frauen, die mein Bett teilen, denn ich lasse sie niemals an mich heran. Ich lasse sie niemals hinter die Fassade meiner Celebrity-Persönlichkeit blicken.

Dann traf ich sie. Shelby Drake.

Eine ehrgeizige, konservative, schüchterne Wirtschaftsprüferin, nicht der Typ Frau, der mir normalerweise auffällt. Doch ihr weicher Mund, die Andeutung ihrer Kurven, ihre tiefe Sinnlichkeit, das alles raubt mir den Verstand. Und nach einem betrunkenen One-Night-Stand bin ich mir sicher, dass ich mehr will. Viel mehr.

Nun bin ich auf sinnlicher Mission. Denn ich werde alles tun, um Shelby zu beweisen, dass sich Gegensätze anziehen.

1

»Guuuuuuuten Morgen, Austin!«, schmetterte Nolan in bester Robin-Williams-Manier ins Mikrofon. »Es ist sechs Uhr am Mittwochmorgen, und wenn ihr geglaubt habt, früh genug aufgestanden zu sein, um dem Berufsverkehr zu entgehen, dann seid ihr noch durchgeknallter als ich. Da draußen herrscht das totale Chaos, aber das ist schon okay, weil’s hier drin auch ganz schön verrückt zugeht. Allerdings werde ich hier sein, um eure Autofahrt noch ein bisschen abgefahrener zu machen. Ganz egal, ob ihr gerade einfach nur die Straße entlangfahrt oder durch die ganze Stadt düst.«

Er drückte auf die Taste an seinem Bedienpult, um die Titelmelodie von Twilight Zone abzuspielen, dann lehnte er sich näher an das Mikro, senkte die Stimme und ahmte Rod Serling nach. »Es liegt zwischen Comedy und Dummheit, zwischen Humor und Schwachsinn. Ganz recht, liebe Leute. Ich bin euer Moderator – Nolan Wood! Und das hier ist …« Er legte eine Kunstpause ein, während der Sendeleiter Connor den Hall bei den Soundeffekten erhöhte, und beendete das Ganze schließlich mit dem Titel der Sendung Mornings with Wood.

Seine kleine Showeinlage hatte er im Stehen gemacht – es mochte zwar erst sechs Uhr in der Früh sein, doch vor einer Sendung war Nolan immer aufgekratzt und gab gut gelaunt sein Bestes –, aber jetzt ließ er sich auf seinen Stuhl plumpsen. Er rollte gerade etwas zurück in Richtung Rückwand des kleinen verglasten Studios, als Connor das Zeichen gab, den Satisfaction-Soundeffekt abzuspielen. Das war ein kleiner Clip, den Nolan zusammengeschnitten hatte, der zu steigendem Applaus anschwoll und mit dem befriedigten »O Nolan!«-Schnurren einer Frau seinen Höhepunkt fand.

Dann wurde die Titelmusik der Show, die zur Hauptsendezeit lief, abgespielt. Sie endete mit dem Slogan, der von einem der Sprecher des Senders aufgezeichnet worden war: »Ihr hört Mornings with Wood bei KIKX Austin auf 96.3. Zeitlose Musik und klassenloses Gequatsche mit eurem Moderator – Nolan Wood!«

Ganz im Rhythmus – so natürlich wie Sex – war Nolan wie aufs Stichwort wieder zurück am Mikro, sein ganzer Körper summte vor Energie, als er in seine Rolle verfiel. »Ganz recht, Camper! Es ist ein wundervoller Maimorgen. Die Sonne scheint. Das Gras ist grün. Die Vögel zwitschern. Südlich von Mo-Pac in der Nähe der Far-West-Ausfahrt kommt es zu einem verdammt großen Verkehrsaufkommen. Haut ab, solange ihr noch könnt, weil das alles andere als schön ist. Und falls ihr keine alternative Route haben solltet … na ja, dann hoffe ich, dass euch der Anblick von eurem Armaturenbrett gefällt, weil das – mit Ausnahme von dem Heck des Wagens vor euch – euer einziger Anblick sein wird, bis ihr von dem Highway zur Hölle wieder runterkommt. Und wenn das mal kein guter Übergang ist, dann fällt mir auch nichts mehr ein. Hier gibt’s jetzt gleich AC/DC, um euch ein bisschen wachzurütteln und um euren Schmerz zu lindern.«

Als Nolan aufhörte zu reden, spielte Connor Highway to Hell ab, und Nolan blickte grinsend auf. »Verdammt, ich liebe diesen Job!«

»Gut«, erwiderte Connor. »Weil ich ihn nämlich mit Sicherheit nicht wollen würde.« Er schaute runter auf den gelben Notizblock, den er immer dabeihatte. »Als Nächstes kommt ein Werbespot, und womit willst du danach weitermachen? Musikwünsche? Naked News? Super-Dating-Event?«

Das war einer der Gründe, warum Nolan es liebte, mit Connor zu arbeiten. Nolans letzter Sendeleiter hatte darauf bestanden, dass er das Programm immer im Voraus plante. Aber als Connor vor neun Monaten bei ihnen eingestiegen war, hatte Nolan gesagt, dass die Show mehr Energie haben würde, wenn er mehr Spielraum hätte. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sein Wunsch auf Widerstand stoßen würde, doch der dünne ehemalige Surfer aus Kalifornien hatte lediglich mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass, solange Nolan wusste, was er tat, er mit seiner vollen Unterstützung rechnen könnte.

Und um mal ganz ehrlich zu sein – wenn Connor Titten gehabt hätte, wäre Nolan in dem Moment auf die Knie gegangen und hätte ihm einen Heiratsantrag gemacht. Aber unter den gegebenen Umständen hatte er seinen neuen Sendeleiter anschließend nur auf einen Drink in seiner Lieblingsbar – The Fix on Sixth – eingeladen. Dann hatten sie sich gegenseitig ihre Lebensgeschichten erzählt, während sie bei diesem althergebrachten Männerfreundschaftsritual dermaßen viel tranken, bis sie sternhagelvoll waren.

Und was diese Heiratssache anging, wäre daraus sowieso nichts geworden. Gail, mit der Connor seit fünf Jahren verheiratet war, hätte dieser Idee niemals zugestimmt. Andererseits vielleicht ja doch. Schließlich hatte Gail – im Gegensatz zu Nolans Ex – durchaus Sinn für Humor.

Frustriert schüttelte Nolan den Kopf, um die unwillkommenen Gedanken an Lauren zu verscheuchen. »Machen wir mal weiter mit Come With Me«, schlug er vor und bezog sich damit auf einen neuen Beitrag, den er sich erst vor Kurzem ausgedacht hatte.

Connor räusperte sich. »Was das angeht: nein. Jedenfalls nicht, solange uns Manny noch nicht sein Okay gegeben hat. Er glaubt, dass du es noch mit zu vielen Orgasmus-Witzen übertreiben wirst.«

Die meiste Zeit über ließ der Geschäftsführer des Senders, Manuel Ortega, Nolan relativ freie Hand. Aber ab und zu wurde er stinksauer wegen einer bestimmten Idee.

»Es ist doch nur ein Beitrag, in dem es ums Reisen geht«, protestierte Nolan. Was ja mehr oder weniger auch stimmte. In diesem Falle dann allerdings wohl eher weniger als mehr.

»Du wirst also nicht den Gewinner auswählen, der zuerst durch-kommt? Und ich meine damit nicht im übertragenen Sinn.«

»Wie wär’s, wenn wir einfach Naked News machen«, schlug Nolan vor und schenkte seinem Freund sein charmantestes Lächeln, um dessen Frage aus dem Weg zu gehen. »Ich hab jetzt Lust, sichtbar zu werden.«

Connor grinste und schüttelte den Kopf in vorgetäuschter Verzweiflung, während er nach seinem Telefon griff. Als Nolan das erste Mal das Live-Video-Streaming einiger Beiträge auf den Social-Media-Plattformen des Senders vorgeschlagen hatte, war Connor sich noch unsicher gewesen. Aber bei ihrem ersten Versuch – mit nichts weiter als Nolan hinter dem Mikro, der gerade irgendetwas auf die Schippe nahm – waren die Einschaltquoten in die Höhe geschossen, und Anrufer hatten stundenlang die Telefonleitungen blockiert.

Connor, der nie ein schlechter Verlierer war, war am nächsten Tag mit einer Liste von Beiträgen, die sie in Nolans Programm einarbeiten könnten, zur Arbeit gekommen. Als er Naked News vorschlug, hatte Nolan seinem Kumpel auf die Schulter geklopft, sich eine Pseudo-Träne aus dem Augenwinkel gewischt und Connor gesagt, dass er so stolz wie ein frischgebackener Vater sei.

Jetzt rollte Nolan die Hauptrequisite für den Beitrag vor seinen Stuhl – es war ein Bild einer mit Schaumblasen gefüllten Badewanne, das auf einer Sperrholzplatte aufgemalt war. Daraufhin riss er sich sein T-Shirt vom Leib und setzte sich, während Connor das Smartphone auf einem Stativ in einem 90-Grad-Winkel zu der Requisite positionierte.

An diesem Morgen trug Nolan eine Jogginghose. Für einen zusätzlichen Effekt zog er das linke Hosenbein hoch und enthüllte sein Bein, schleuderte den Schuh weg und ließ dann seinen Fuß über den hölzernen Rand der Fake-Wanne baumeln. Dadurch war er von seinem normalen Mikro zu weit entfernt, aber sie hatten noch andere Mikros, die man von oben herunterziehen konnte und die an vier zentralen Stellen im Studio installiert waren. Er schnappte sich das Mikrofon über ihm, zog es bis zum richtigen Level herunter und griff schließlich nach der Zeitung.

In den drei Sekunden, die der Werbespot noch dauerte, lehnte sich Nolan auf seinem Platz zurück. Sobald sich der Spot dem Ende zuneigte, legte er los. Er erzählte seinem Publikum, dass mit Naked News die Stunde der Wahrheit gekommen war. »Wir waschen den Dreck ab und übergeben euch nichts als die harte, saubere Wahrheit hinter der Story. Und all das machen wir live!« Begleitet wurde das Ganze von dem Beifall und Jubel von einem der vielen einprogrammierten Soundeffekte der Sendung.

Er drehte den Kopf in die Richtung der Kamera, als das Streaming begann. Die Folge war, dass jeder Zuhörer, der gerade nicht hinter dem Lenkrad saß – und traurigerweise wahrscheinlich auch ein paar, die gerade durchaus hinter dem Steuer saßen –, zu den Social-Media-Accounts des Senders wechseln und sich dort dann etwas ansehen konnte, was so aussah wie ein nackter Nolan, der in einer Wanne voller Schaumblasen hockte, sein Bein über den Badewannenrand hängen ließ und eine aufgeschlagene Zeitung vor sich hatte. Die Zeitung blieb natürlich auf wundersame Weise trocken.

Eine der Aufgaben des Senders war es, die Zuhörer über lokale Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten. Auch wenn die Nachrichtenabteilung das schon komplett übernahm, sah sich Connor dennoch jeden Morgen die Austin American-Statesman durch und lieferte Nolan anschließend einen mündlichen Bericht als Teil für dessen Vorbereitung auf die bevorstehende Sendung. Er fand immer irgendetwas in den Nachrichten, was er in Comedy-Gold verwandeln konnte.

Der heutige Tag war da keine Ausnahme. Er hatte etwas über die vor Kurzem stattgefundene Beauftragung eines Beratungsunternehmens von der Stadt gefunden, um die Vor- und Nachteile besser abwägen zu können, ob die Stadt innerstädtische historische Gebäude und Grundstücke erwerben sollte, um diese dann als Museen und andere Treffpunkte zu erhalten. »Wissen die denn nicht, dass Alkohol ein Konservierungsmittel ist? Das macht aus der Sixth Street eine der am besten erhaltenen historischen Straßen des ganzen Landes. Was zur Hölle wollen die denn noch? Und wenn wir schon mal dabei sind – lasst uns doch mal ein paar Tickets für das bevorstehende Pink-Chameleon-Konzert in San Antonio verschenken. Nur noch etwas über einen Monat – und dann ist es schon so weit!«

Er hielt sich an den Armlehnen seines Stuhls fest, was die Zuschauer jedoch nicht sehen konnten. Danach drückte er sich hoch, sodass es aussah, als ob sein Oberkörper aus den Fake-Schaumblasen emportauchen würde. Im selben Augenblick drückte Connor auf die Taste für die tiefe, rauchige Frauenstimme. »Ooooh, Nolan! Du bist ja so groß und stark! Erzähl mir mehr!«

»Stets zu Ihren Diensten«, sagte er grinsend in die Kamera, während er zurück auf seinen Stuhl und somit in die falschen Schaumblasen rutschte. Normalerweise ging Connor immer auf Nummer sicher, dass Nolan über mindestens fünf Nachrichtenthemen informiert worden war. Heute hatte das zweite Thema auf Connors Liste Nolan jedoch einen Schock versetzt, sodass er bei den letzten drei Themen mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen war. Weshalb Nolan seinen Sendeleiter nun auch damit verwirrte, dass er die Konzerttickets schon viel früher weggab als normalerweise.

Verdammt! Jetzt brauchte Nolan etwas, womit er die freie Zeit überbrücken konnte.

»Pink Chameleon hat einen glänzenden, funkelnden Grammy bekommen, und die Performance verspricht, allererste Sahne zu sein. Die Leadsängerin Kiki King ist ein Mädel aus Austin, und ich bin mir sicher, dass sie sich freut, zurück in Texas zu sein – für diese zwei zusätzlichen Auftritte in Dallas und San Antonio. Also wie gewinnt ihr? Der erste Anrufer, der den ursprünglichen Namen von Austins historischer Sixth Street kennt, ist unser glücklicher Gewinner.«

Daraufhin begann er, die Anrufe entgegenzunehmen – und war überrascht, wie viele Hörer keine Ahnung hatten. »Müssen alle während der großen kalifornischen Migration hierhergezogen sein«, sagte er in die Kamera. Aber dann rief der sechste Anrufer an und wusste die richtige Antwort – Pecan Street –, und Nolan holte eine altmodische Autohupe aus seiner Requisitenkiste heraus, hielt sie über die Badewanne und hupte siegreich.

»Und das war’s, Leute …«, schloss er und gab Connor damit zu verstehen, dass der Beitrag nun vorbei war. Doch Connor – verflucht sollte er sein – gab ihm ein Zeichen, er solle mit der Naked-News-Nummer weitermachen. Offensichtlich hatte er gerade irgendeine kleine Panne am Bedienungspult.

Na ja, Scheiße! Denn während Nolan normalerweise kein Problem damit hatte, sich mit Müllreden seinen Weg durchs Leben zu bahnen, und jegliche Nachrichten oder Tratsch auf die Schippe nahm, waren die Neuigkeiten, die er im Briefing gehört hatte, absolut nichts, über das er nachdenken wollte, und noch weniger wollte er darüber reden.

Doch es gab keine anderen Nachrichten mehr. Es sei denn, dass Nolan selbst die Zeitung überfliegen und eine Geschichte auf Sendung auseinanderpflücken wollte. Aber da so etwas nicht passieren würde, musste er sich entweder auf die Neuigkeiten über seine Exfrau Lauren und ihren wunderbaren neuen Ehemann stürzen … oder er müsste einfach die Zeit absitzen, ohne einen Mucks zu sagen.

Und in Nolans Sendung gab es so etwas nie.

Scheiß drauf, dachte er. Und dann gab er sich ganz seiner Erniedrigung hin.

»Die nächste Neuigkeit ist zum Teil eine öffentliche Bekanntmachung. Bloß eine freundliche Erinnerung an euch arglose Leute da draußen, gewissenhaft mit Zeitungen umzugehen. Ihr wisst nie, wann die Worte ihre Hand ausstrecken und zuschnappen. So wie an diesem Morgen. Seht ihr das?« Er zeigte auf seinen Hals. »Bissspuren. Große, heftige, spitze Bissspuren. Solche, die nur von wilden Tieren und von Exfrauen zurückgelassen werden.«

Connor hob den Kopf und runzelte die Stirn, was Nolan nicht überraschte. Er war zweiundzwanzig gewesen, als Lauren und er sich nach nicht so schönen sechs Monaten getrennt hatten. Heute war er neunundzwanzig und dachte kaum noch an sie. Und neigte auch ganz bestimmt nicht dazu, sie mal beiläufig zu erwähnen – nicht einmal bei ausschweifenden Trinkgelagen mit seinen Kumpels.

»Sie und ihr Senatoren-Ehemann – und ja, ich meine damit einen unserer Senatoren aus Texas – sind allem Anschein nach anlässlich ein paar Veranstaltungen in der Stadt. Unter anderem waren sie gestern Abend bei einem Empfang in der Villa des Gouverneurs. Ich hoffe, es gab dort Eisskulpturen. Es wäre schade, diese frostigen Exfrau-Vibes ungenutzt zu lassen.«

Eigentlich wollte er an diesem Punkt aufhören, doch sein Mund quasselte einfach immer weiter. »Aber jetzt mal ganz im Ernst, Leute. Ich wünsche den beiden nur das Beste. Natürlich hat sie immer gesagt, dass mein Bestes nicht besonders gut war. Aber wisst ihr was? Ich denke, da irrt sie sich ganz gewaltig. Schaut mich jetzt doch mal an!«

Mit einer Handbewegung zeigte er auf die Fake-Badewanne, dann drückte er sich wieder hoch und wies mit einer Hand auf seinen Oberkörper, von dem er verdammt genau wusste, wie gut der bei Frauen ankam. »Nackt und im Radio. Ich meine, kommt schon. Kann es denn überhaupt noch besser werden als das? Also, weißt du was, Baby? Hier ist alles, was ich dir zu sagen habe.«

Er drehte seine Hand, um den Stinkefinger in die Kamera zu halten, und bekam noch mit, dass Connor – nur wenige Sekunden bevor dieses Bild live übertragen wurde – die Kamera ausschaltete. Aber – und da war sich Nolan ziemlich sicher – nicht schnell genug, um Manny zu beruhigen.

Und dann bediente Connor wie ein echtes Programmierungsgenie die Regler und schaltete Nolans Mikro aus, während er die wilden Klänge von Toby Keiths How Do You Like Me Now?! einspielte.

»Verdammt perfekt«, sagte Nolan.

»Was zur Hölle?«, entgegnete Connor. »Ich informiere dich darüber, was in dem Artikel steht, und du erwähnst nicht mal, dass die Frau des Senators deine Ex ist?«

»Das war auch nicht besonders erwähnenswert, das kannst du mir ruhig glauben.«

Connor kniff die Augen zusammen. Er sah aus, als ob er gerade überlegen würde, ob Nolan das auch wirklich ernst meinte.

Er glaubte ihm.

»Sie ist sehr hübsch, und ich war jung und dumm. Aber wir haben nie wirklich zusammengepasst. Sie war ein kleines reiches Mädchen, und es ging ihr einzig und allein um ihr Image. Und darum, dass ihr ganzes Leben – und jede Person, die darin eine Rolle spielte – wie aus dem Bilderbuch war. Als wir damals zusammen waren, dachte ich, sie wäre eine Prinzessin. Es hat eine Weile gedauert, bis ich kapiert hab, dass sie mich für einen Frosch hielt.«

Bevor sie ihn verließ, hatte sie ihm noch gesagt, dass sie heißen Sex und multiple Orgasmen mit Liebe verwechselt hätte. Dass er für sie ein aufregendes Abenteuer gewesen wäre und sie Spaß mit ihm gehabt hätte, aber sie letztendlich einen Mann wollte, der es irgendwann mal zu etwas bringen würde, und sie ihn hätte niemals heiraten sollen. Allem Anschein nach war ihre Vorstellung von Prince Charming wohl kein Highschool-Abbrecher, der nur ein bescheidenes Gehalt als Angestellter und Teilzeit-Tontechniker bei einem winzigen Radiosender vierzig Meilen außerhalb von Austin hatte.

Er schüttelte den Kopf und versuchte, die Überbleibsel der Gedanken an Lauren aus seinem Hirn zu verscheuchen. »Heute ist es besser. Hauptsächlich hänge ich mit anderen Fröschen ab. Und was Prinzessinnen angeht …«

Mit einem Achselzucken verstummte er allmählich, dachte an all die hübschen Frauen, die ihm heute hinterherliefen, da er eine lokale Berühmtheit war. »Ich lasse sie in mein Bett«, gab er zu, weil Connor das sowieso schon wusste. Nolan ging jedes Mal sicher, dass keine Frau, die er flachlegte, jemals unbefriedigt sein Bett verließ oder sich über seinen mangelnden sexuellen Ehrgeiz beschwerte. »Aber ich suche nach nichts Festem.«

Er hatte sich schon mal zum Deppen gemacht. Das würde ihm nie wieder passieren – auf gar keinen Fall.

2

»Das hier ist eine richtig schlechte Idee«, murmelte Shelby, als sie aus Hannahs Mercedes stieg und versuchte, auf den ungewohnten zehn Zentimeter hohen Absätzen aufrecht zu stehen.

»Blödsinn«, erwiderte Hannah und blickte über das Autodach zu Shelby. Die kupferfarbenen Highlights in ihren blonden Locken schimmerten in der späten Nachmittagssonne und schienen mit Hannahs verschmitztem Grinsen um die Wette zu strahlen. »Junggesellinnenabschiede verlangen nun mal nach einem passenden Geschenk. Vertrau mir – was Flitterwochen-Zubehör angeht, ist kein Ort in Austin besser geeignet als Forbidden Fruit.«

Shelby blickte auf die rosarote Ladenfront in der Schickimicki-Shoppingmeile North Loop. In großen Buchstaben stand der Name des Geschäfts auf einem Panoramafenster, was Shelby erschaudern ließ, weil einfach jeder, der an dem Laden vorbeilief, sie da drin sehen würde. Shelby gehörte jetzt wirklich nicht zu dieser Sorte Frau, die in einen Sexshop ging. Ja, sie besaß einen Vibrator, aber den hatte sie auf ordnungsgemäße Weise besorgt – still und heimlich bei einem Versandhaus bestellt, das eine diskrete Verpackung versprach. Und selbst da hatte sie ganze zwei Tage abgewartet, bis sie die Schachtel öffnete. Danach hatte sie sich in ihrem Schlafzimmer verbarrikadiert, bevor sie mit der Nagelschere das Klebeband durchschnitt.

All das hatte sie getan, obwohl sie alleine lebte und gerade kein anderer Mensch bei ihr zu Hause gewesen war. Doch was ein paar Dinge anging, konnte man gar nicht vorsichtig genug sein.

Hannah lachte nur und schüttelte den Kopf, als sie um den Wagen herumkam und nach Shelbys Ellenbogen griff. »Du schaffst das. Komm schon. Sieh es als Meilenstein in deinem Leben. Eine verrückte Sache, die du auf deiner Liste mit Dingen, die du vor deinem Tod gemacht haben willst, abhaken kannst.«

»Verrückt ist genau das richtige Wort«, murmelte Shelby, während sie neben ihrer Freundin zum Eingang stöckelte und sich wünschte, ihre bequemen Pumps und ihr gewohntes Leinenkostüm mit dem Rock, der ihr bis unter das Knie reichte, zu tragen. Aber nein. Sie stand gerade kurz davor, einen Sexshop zu betreten, während sie Pornotreter und ein hautenges, kurzes schwarzes Kleid anhatte, das sie sich von Hannah ausgeliehen und das einen Schlitz hatte, der von dem Kleidersaum in Knielänge bis zur Mitte ihres Oberschenkels reichte. Beide Frauen waren gleich groß, während Hannah allerdings schlank und athletisch war, hatte Shelby deutliche Kurven, an die sich die Elasthan-Baumwoll-Mischung wie Frischhaltefolie anschmiegte.

Damit sich kein Slip abzeichnen konnte, trug sie einen Tanga, und ihre Beine waren nackt. Was in Anbetracht dessen, dass Shelby normalerweise immer eine Strumpfhose anhatte, ziemlich befremdlich war, weil sie einen deutlichen Luftzug an Stellen spürte, wo sie so etwas normalerweise nicht fühlte.

Aber jetzt mal ganz im Ernst – warum hatte sie überhaupt auf Hannah gehört? Denn nun stand Shelby kurz davor, in einen Sexshop hineinzuspazieren, und war auch noch so angezogen, als ob sie dort sei, um sich mit einem Vorrat an Arbeitsutensilien einzudecken.

»Du schuldest mir was«, sagte sie zu Hannah.

»Na schön. Und jetzt komm schon. Es ist fast sieben, und um acht müssen wir schon wieder zurück in der Innenstadt sein, um die Mädels zu treffen.«

Der Junggesellinnenabschied war für Celia James, eine der Sekretärinnen bei Brandywine Financial Consulting – die Firma, bei der Shelby als Wirtschaftsprüferin und Hannah als Unternehmensjuristin arbeitete. Die Feier fand mitten in der Woche statt und war eine zwanglose Angelegenheit, da Celia ihre offizielle Party bereits mit ihren Collegefreundinnen in Cancún gehabt hatte. Als Shelby Hannah darauf hingewiesen hatte, um ihrem Argument Nachdruck zu verleihen, dass Arbeitskleidung – oder selbst Jeans und ein Blazer – doch völlig in Ordnung wären, hatte Hannah ihr Beste-Freundinnen-Vetorecht aus dem Ärmel geschüttelt.

»Na schön«, erwiderte Shelby. »Aber ich will nach wie vor nicht lange bleiben. Schließlich muss ich morgen arbeiten.«

»Wir müssen morgen alle arbeiten«, konterte Hannah und hielt dann die Glastür auf. »Komm schon.«

Mit einem Seufzer gab Shelby nach, und ihre Augen wurden immer größer, als sie in der Mitte eines höhlenartigen Raums stand und die Auslagen eingehend inspizierte. Wände voller Vibratoren und Dildos. Behälter mit Gleitgel. Es gab Bereiche in dem Laden mit Handschellen und Augenbinden und anderen BDSM-Sextoys. Und Leder. Viel Leder.

Eine freundlich lächelnde Frau begrüßte die beiden Freundinnen und fragte, ob sie ihnen behilflich sein könnte, aber Hannah versicherte ihr, dass bei ihnen alles in Ordnung sei. Shelby sagte überhaupt nichts dazu, doch vor lauter Schreck entfuhr ihr ein leises Quieken. Es war nicht so, dass sie prüde war. Natürlich hatte sie durchaus schon mal Sex gehabt – und auch nicht nur in der Missionarsstellung.

Aber das hier war ja so dermaßen öffentlich.

Anfangs klebte sie noch förmlich an Hannah. Als ihre Freundin allerdings die Verkäuferin herbeirief, um sich von ihr die Vor- und Nachteile von verschiedenen Vibratoren erklären zu lassen, schlenderte Shelby weg und fand sich schließlich in der Nähe einer Vitrine wieder, in der Leder-Handfesseln, eine Augenbinde aus Pelz und eine Rolle von irgendetwas, was wie Isolierband aussah, lagen.

Sie biss sich auf die Unterlippe, als ihr Blick über die Auslage schweifte. Ein angenehmes Kribbeln begann sich unterhalb ihres Bauchnabels auszubreiten, und sie versuchte sich vorzustellen, wie sie nackt in einem Bett lag – mit der Maske über ihren Augen und ihre Arme ans Kopfende gefesselt.

Fast schon konnte sie den Druck der rauen und starken Hände eines Mannes spüren, die ihren Körper herunterwanderten und sich schließlich um ihre Hüften legten. Und dann die Hitze seines Mundes an ihrer Brust, als er …

»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

Shelby kreischte tatsächlich auf und geriet auf ihren hohen Absätzen ins Wanken, während sie versuchte, wieder festen Halt zu finden. »Ich … hm … nein. Ich warte bloß auf meine Freundin.«

»Sehen Sie sich ruhig um«, sagte die Verkäuferin. »Und wenn Sie Hilfe brauchen, einfach Bescheid sagen!«

»Oh. Natürlich. Unbedingt.«

Die Frau drehte sich bereits um, als Shelby ihr – zu ihrer eigenen Überraschung – dann doch eine Frage stellte. »Was ist das hier eigentlich?« Sie zeigte auf die Rolle Isolierband. »Tut das nicht weh?«

Die Frau schüttelte den Kopf, sie wirkte freundlich und sehr professionell. »Nein, das Bondage-Tape haftet nur an sich selbst. Deshalb wird es nicht an Ihrer Haut ziepen oder irgendwelche Rückstände hinterlassen«, erklärte sie. »Viel unauffälliger als Handschellen und unendlich vielseitiger einsetzbar.«

»Ohhhh!«, sagte Hannah, die gerade hinter ihnen auftauchte.

»Für mich dann bitte auch eine Rolle davon.« Sie zwinkerte Shelby zu. »Wir werden dafür sorgen, dass Celia die besten Flitterwochen aller Zeiten haben wird. Ich denke, das war dann alles«, sagte sie zu der Verkäuferin.

»Wunderbar. Kommen Sie einfach zur Kasse, wenn Sie fertig sind.«

Hannah nickte und gab Shelby einen kleinen Schubs. »Schaust du auch noch nach einer Kleinigkeit für dich? Ich meine, da gibt’s ja schließlich immer Alan, oder …«

Shelby runzelte die Stirn, als sie an Alan Lowe dachte, einen Assistenzprofessor, den sie datete, seitdem ihre Mutter sie vor drei Monaten einander vorgestellt hatte. Sie hatte ihrer Tochter versichert, dass die beiden perfekt zueinanderpassen würden. Was tatsächlich so war. Alan war lieb, höflich und aufmerksam. Und die beiden Male, die sie miteinander geschlafen hatten, waren auch ganz nett gewesen. Aber …

Sie schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass Bondage-Tape Alans Ding ist.«

Hannahs Lippen wurden dünner, als sie sich ganz offensichtlich das Lachen verkniff.

»Was?«

»Ich finde nur deine Wortwahl äußerst interessant. Nicht Alans Ding? Heißt das, dass es dein Ding ist?«

Shelby rollte mit den Augen. »Oh, ich bitte dich. Geh zahlen, und dann nichts wie raus hier.«

Hannah schaute auf die Uhr. »Scheiße. Wir müssen tatsächlich los.« Als sie in Richtung Kasse eilte, warf Shelby noch einen letzten Blick auf die Handschellen und das Bondage-Tape.

Definitiv nicht Alans Ding, aber auch wenn sie nie richtig darüber geredet hatten, fest zusammen zu sein, so war Alan im Moment doch der einzige Kerl, der in Shelbys Leben eine Rolle spielte.

Also wer war dieser fremde Mann in ihrer heißen kleinen Fantasie? Und warum hatte sie überhaupt irgendwelche Fantasien? Sie war schließlich mit Alan und ihrer zwanglosen Nicht-Beziehung vollkommen glücklich und zufrieden. Vielleicht lief zwischen ihnen alles ein bisschen langsamer, als es heutzutage üblich war, aber daran war doch auch nichts verkehrt.

»Um auf Alan zurückzukommen …«, fing Hannah an, als sie wieder in ihrem Auto saßen und in Richtung Innenstadt fuhren. »Ganz offensichtlich fesselt er dich nicht, und um den Verstand vögelt er dich wohl auch nicht …«

»Hannah!«

»Also was ist da zwischen euch beiden eigentlich los?«

»O mein Gott«, sagte Shelby ein bisschen verwirrt, weil Hannahs Frage ihre eigene so genau wiedergab, wenn auch auf eine total demütigende Weise. »Du bist echt unmöglich.«

»Ich weiß. Das bin ich wirklich. Es ist einfach nur so leicht, dich zu ärgern. Aber die Frage ist völlig legitim. Wir beide haben schließlich schon seit Wochen nicht mehr die Möglichkeit gehabt, mal in Ruhe zu quatschen. Und ich will doch wissen, was bei dir los ist!«

Shelby zog eine Schulter hoch, war wieder ein bisschen besänftigt. »Alan ist toll. Er ist der perfekte Mann. Klug. Attraktiv. Und er hat eine Stelle an der Uni.« Alan war Assistenzprofessor an der UT im selben Institut, in dem auch ihre Mutter arbeitete. Diese hatte einen Posten auf Lebenszeit als Professorin in dem Institut für Statistik und Data Science. Und Shelbys Vater – ein hochrangiger Statistiker bei der State of Texas – war der Meinung, dass Alan ein toller Kerl war.

»Mom sagt, dass er eines Tages wahrscheinlich der Dekan des Instituts sein wird«, fügte Shelby noch hinzu.

»Und?«

»Und was?«

»Ach, komm schon, Shel. Vergiss mal das Bondage-Tape … Bringt er deinen Motor auf Hochtouren?«

Shelby grinste. »Meinem Motor geht’s ausgezeichnet. Außerdem geht es in einer Beziehung doch um weitaus mehr als nur um Sex.« Alan war nett, klug, belesen, und sie interessierten sich beide für dieselben Dinge, wie zum Beispiel Konzerte, Filmklassiker und ruhige Abende zu Hause.

Alles in allem machten Shelby und Alan Sinn. Genauso wie eine Reaktionsgleichung einen Sinn ergab. Und genauso wie in der Mathematik konnte Shelby bereits sehen, wie sich die Formel umsetzte. Noch zwei weitere Monate der gelegentlichen Treffen, und dann würden sie über eine feste Beziehung reden. Sechs Monate später würden sie sich verloben. Im Sommer darauf würden sie heiraten, und vor dem nächsten Winter wäre sie schon Mrs. Alan Lowe.

Hannah warf Shelby einen flüchtigen Blick zu, bevor sie in den Spiegel schaute und die Spur wechselte. »Ich … ach, vergiss es.«

»Was?«

»Ach, nichts. Ich schwör’s. Es ist bloß so, dass … na ja, ich will nicht mit ansehen, dass du dich nur mit ihm zufriedengibst.«

»Alan zu daten bedeutet nicht, sich mit etwas zufriedengeben. Er ist dieser Typ Mann, der der perfekte Ehemann und Vater wäre.«

»Du wirst ihn heiraten?«

»Na ja, natürlich nicht sofort. Aber ich glaube, Alan erfüllt definitiv alle wichtigen Kriterien.«

Hannah zog die Augenbrauen hoch. »Auch, was die ehelichen Pflichten angeht?«

»Was soll das denn jetzt heißen?«

»Ich will doch bloß, dass du auch deinen Spaß hast.«

Shelby setzte sich aufrechter hin. »Ich habe Spaß. Nur weil ich nicht durch die Gegend vögele, heißt das noch lange nicht, dass ich keinen Spaß habe.«

»Oh, verdammt«, erwiderte Hannah. »Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe.«

Shelby sank auf ihrem Platz in sich zusammen. »Ich weiß«, sagte sie. Und das tat sie auch. Ihr ganzes Leben hatte sie wohlmeinende Freunde gehabt, die sie für schüchtern oder ruhig oder langweilig oder für eine zu große Intelligenzbestie hielten, als dass sie ihr irgendwelche sozialen Kompetenzen zugetraut hätten. Und vielleicht stimmte das ja auch. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie nicht glücklich war. Das war sie nämlich sehr wohl! Schließlich hatte sie ihr Ehrgeiz sehr erfolgreich gemacht.

Und außerdem wusste Shelby auch ganz genau, was sie wollte – sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht.

Was ihre Karriere betraf, war Shelby bereits von Zahlen besessen gewesen, seitdem ihr Vater ihr das Einmaleins beigebracht hatte. Die Art, wie es funktionierte, was es darstellte, die stromlinienförmige Schönheit der Wahrheit, die es repräsentierte.

Wirtschaftsprüfung passte perfekt zu ihr. Sie half nicht nur anderen Leuten und Firmen, sondern konnte auch in dieser festgelegten Welt mitspielen, die einfach immer einen Sinn ergab. Weil letztendlich – zumindest in der Welt der Wirtschaftsprüfung – zwei plus zwei immer vier ergab.

Sie wünschte sich ein Zuhause wie dasjenige, in dem sie aufgewachsen war – ein Zuhause, in dem es Respekt und Sicherheit gab und einen Partner, der sowohl ambitioniert als auch loyal seiner Familie gegenüber war. Ein Mensch, der das Leben und Beziehungen ernst nahm.

Shelby wusste nur allzu gut, was alles schieflaufen konnte, wenn man sich nicht an die Regeln hielt. Der Bruder ihrer Mutter hatte in seinem Leben nie wirklich Ehrgeiz besessen, und das Ende vom Lied waren eine Scheidung und eine Entziehungskur, nachdem sich seine Band aufgelöst hatte.

Und ihre Cousine Violet – väterlicherseits – hatte einen Stand-up-Comedian geheiratet, der sie davon überzeugt hatte, dass er der nächste große Sitcom-Star werden würde. Jetzt stritten sie sich die ganze Zeit und lebten zusammen mit ihren drei Kindern in einem winzigen Apartment in Los Angeles. Ein Star war er nie geworden, stattdessen leitete er heute ein Fast-Food-Restaurant.

Aber Shelby war anders als ihre Verwandtschaft. Was ihr Leben betraf, würde sie sich nicht so dumm verhalten und auch nicht dem unterliegen, was ihr schon ein bisschen wie ein Familienfluch vorkam. Ihre Eltern hatten es geschafft, den richtigen Weg einzuschlagen, und Shelby beabsichtigte, es ihnen gleichzutun.

Vielleicht klang das alles nicht besonders sexy, doch für Shelby waren finanzielle Sicherheit, ein geordnetes Leben und eine familiäre Zuneigung, die ihr ihre Eltern vorgelebt hatten, genau das, was für sie ein gutes Leben ausmachte. So ein Leben wollte sie auch irgendwann mal führen.

Die Art von Leben, in die ein Mann wie Alan perfekt hineinpassen würde.

Also warum in aller Welt hatte sie Fantasien über Bondage-Tape? Besonders, wenn dieser anonyme Mann in ihrer Fantasie absolut, total und zu einhundert Prozent nicht Alan Lowe war?

3

»O mein Gott! Ihr seid echt schrecklich!« Celia zog den lila Vibrator und das schwarze Bondage-Tape aus der rosaroten Geschenktüte, auf der Bride-To-Be prangte, und hielt die Sachen dann hoch, damit jeder sie sehen konnte. Und zwar nicht nur die Gäste der Junggesellinnenabschiedsfeier. Nein, zu Shelbys absoluter Demütigung drehte sich so gut wie jeder Gast, Kellner und Barkeeper im The Fix on Sixth zu ihnen um.

»Brian wird unsere Hochzeitsnacht lieben. Vielen Dank euch beiden«, sagte Celia und grinste Hannah und Shelby etwas schief an. Sie war schon ziemlich betrunken.

»Ähm, Celia?« Shelby zupfte ihre Kollegin am Ärmel. »Wirklich jeder in dieser Bar starrt uns gerade an.«

Aber Celia lachte bloß, riss sich mit einem Ruck los und fuchtelte jetzt mit dem lila Gerät sogar noch wilder über ihrem Kopf herum.

»Komm schon, Shel«, lallte Celia. »Ich werde heiraten! Keiner interessiert sich für das hier.« Mit der Silikonspitze des Vibrators stupste sie Shel in die Brust. »Die freuen sich einfach nur alle für mich. Sogar die da«, fügte sie hinzu und benutzte das Sextoy wie einen Zeigestock, während sie mit dem Arm eine ausladende Bewegung durch den Raum machte und auf alle Tische in dem Hauptbereich des The Fix on Sixth wies.

Ein paar der Gäste lachten unverhohlen, aber die meisten besaßen dann doch den Anstand, sich von der verrückten, angeheiterten zukünftigen Braut wegzudrehen. Shelby, für die die Situation bereits dermaßen peinlich war, dass sie aus dieser Bar niemals erhobenen Hauptes herauskommen würde, fasste den Entschluss, dass es nun an der Zeit war, entweder die Party sofort zu verlassen oder jeglichen angeblichen Anstand zu vergessen.

Bloß ganz kurz dachte sie über beide Möglichkeiten nach und traf dann ihre Entscheidung. »Reich mir mal die Karaffe rüber, okay?«, bat sie Hannah, was ein allgemeines zustimmendes Freudengejohle auslöste. »Ich brauche gerade sooo dringend noch einen Drink.«

Die Gruppe, die aus sechs Frauen bestand, hatte den Junggesellinnenabschied an einem langen Tisch am Fenster im vorderen Bereich des The Fix arrangiert, direkt neben dem farbenfrohen Wandgemälde, das Austin darstellte. Sie hatten eine fantastische Aussicht auf die Passanten auf der Sixth Street, von denen viele langsamer wurden, um die hübsche Braut mit ihrem kitschigen, mit Edelsteinen besetzten Brautkrönchen zu begaffen. Ganz zu schweigen von der gemischten Auswahl an anatomisch korrekten Süßigkeiten und Kuchen, die auf dem Tisch verteilt herumlagen – eine Aufmerksamkeit der lokalen Bäckerei Naughty Cakes.

Als Celia alle Geschenke ausgepackt und die Frauen eine ganze Platte voller Penis-Cupcakes verdrückt hatten, hatten sie auch bereits drei ganze Karaffen Pinot Punch geleert – eine Mischung aus Wein, Schnaps und Frozen Peach –, von dem ihnen der süße Barkeeper garantiert hatte, dass sie dieses Getränk lieben würden. Er hatte nicht zu viel versprochen, und während die Karaffe immer leerer wurde, stieg der Geräuschpegel immer mehr an – in einem fast schon mathematisch vorhersehbaren Verhältnis.

Mittlerweile war der Lärm in der Ecke des The Fix auf Alarmstufe Rot angestiegen.

»Ich meine es todernst«, versicherte Shelby ihrem entzückten und beschwipsten weiblichen Publikum. Sie rückte die Brille auf ihrer Nase zurecht, nahm noch einen Schluck von ihrem vierten – nein, fünften – Glas Punsch und fuhr dann mit ihrer Geschichte über einen lokalen Country- und Westernsänger fort, der sie mal um Rat gefragt hatte – kurz nachdem sie ihr CPA-Examen bestanden hatte. »Er hat mir erzählt, das wären Betriebsausgaben. Er meinte, sie würden ihn entspannen, sodass er die Musik in seinem Kopf förmlich hören konnte.«

»Analstöpsel?«, fragte Celia mit weit aufgerissenen Augen. »Vibrierende Analstöpsel waren seine Muse?«

»Möchtest du das nicht vielleicht noch ein bisschen lauter sagen?«, fragte Leslie aus der Gehaltsabteilung. »Ich glaube, der Tisch auf der anderen Seite des Raums hat dich noch nicht gehört.«

»Wie hast du dann reagiert?«, erkundigte sich Celia.

»Überhaupt nicht. Ich hab dir ja erzählt, dass er mich auf einer Party angequatscht hat. Aber ich kann mir seine Musik nicht mehr anhören. Zumindest nicht, ohne darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen er sie geschrieben hat.«

Hannah lachte so laut, dass sie fast schon schnaubte. »Ich fass es nicht, dass du mir diese Geschichte nicht schon früher erzählt hast.«

Shelby zuckte mit den Achseln. Um ehrlich zu sein, konnte sie es nicht glauben, dass sie das überhaupt erzählt hatte. Aber ihre Zunge schien auf angenehme Weise gelöst zu sein, wobei sie wusste, dass das von dem Punch kam. Wenn sie sonst ausging, trank sie normalerweise nichts, was stärker als Perrier mit Limette war. Sie hasste es nicht nur, von jemand anderem abhängig zu sein, um wieder nach Hause zu kommen – ob es nun ein Freund oder ein Taxi oder eine Fahrgemeinschaft-App war –, sondern mochte es auch nicht, die Kontrolle zu verlieren.

Aber heute gab es schließlich einen besonderen Anlass, und es fühlte sich gut an, zu lachen und zu trinken und mit den Freundinnen einen schönen Abend zu verbringen.

»Ich freu mich ja so für dich«, sagte sie und nahm Celia in die Arme.

»Danke! Und ich weiß …«

Plötzlich hörte Celia auf zu reden, ihre Augen wurden ganz groß, während sie nach Shelbys Handgelenk griff. »Schau jetzt nicht zur Bar«, flüsterte sie. »Aber dieser Typ da hinten sieht dich schon wieder an.«

»Wirklich?« Shelby sah in die Richtung des Fensters und drehte sich nun zu der langen Bar aus Eichenholz um, die parallel zur Zwischenwand des Hauptraums verlief.

Mit einem Ruck zog Celia sie wieder zurück. »Ich hab doch gesagt, du sollst nicht gucken!«

»Oh, stimmt«, erwiderte Shelby, doch sie spürte bereits, wie ihre Wangen rot anliefen, weil sie nämlich mehr als bloß einen flüchtigen Blick erhascht hatte. Der süße Typ mit den kurzen dunklen Haaren schaute tatsächlich in ihre Richtung. »Er guckt mich überhaupt nicht an«, protestierte sie.

»Ach, ich bitte dich«, sagte Hannah, die jetzt näher kam. »Das tut er total. Und warum sollte er auch nicht? Du siehst megaheiß aus. Das Outfit ist super. Und das Gleiche gilt für deine Haare und das Make-up, wenn ich das mal so anmerken darf.«

Hannah lebte in einer der vielen innerstädtischen Eigentumswohnungen, die im Laufe des letzten Jahrzehnts in Austin wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Anstatt nach dem Forbidden-Fruit-Besuch direkt zum The Fix zu fahren, hatte Hannah auf einen kurzen Zwischenstopp bei sich zu Hause bestanden, bei dem sie ihr kurzes Kleid gegen eine hautenge Jeans und ein rückenfreies seidenes Bustier getauscht hatte. Anschließend hatte sie Shelbys Make-up aufgefrischt und ein kleines Wunder mit ihren Haaren vollbracht. »Könnte sein, dass wir uns vielleicht um zehn Minuten verspäten«, hatte sie gesagt. »Aber dafür werden wir dann auch einen richtig tollen Auftritt hinlegen!«

Vorher hatte Shelby sich ihre Haare hochgesteckt, ein paar Locken hatten ihr Gesicht umrahmt. Mit der Wirkung war sie eigentlich ganz zufrieden gewesen und hatte gedacht, dass Hannah derselben Meinung wäre.

»Es ist toll«, hatte ihr Hannah versichert, während sie die Haarnadeln herausgezogen und ihren Lockenstab angeschaltet hatte. »Aber das hier wird noch besser.«

Und das wurde es dann auch. Hannah hatte Shelbys schulterlanges dunkles Haar heruntergelassen und jede einzelne Haarsträhne mit einem großen Lockenstab gestylt. Das Resultat war ein Haufen Locken, die ihr Gesicht einrahmten und hin und her hüpften, wenn sie sich bewegte.

»Sogar deine Brille sieht richtig toll aus«, hatte Hannah noch gesagt, als sie den Kopf schief legte und Shelby kritisch musterte. »Das Türkis ist wirklich witzig und betont das Blau in deinen Augen.« Shelbys Augen waren haselnussbraun und tendierten dazu, die Farbe von dem anzunehmen, was sie gerade trug. Jetzt – im The Fix – musterte Hannah sie noch einmal anerkennend. »Ich glaube, es ist die Brille in Verbindung mit diesem Killer-Outfit, was ihn auf dich aufmerksam gemacht hat. Übrigens – gern geschehen. Es verleiht dir einen lernbegierigen Luder-Look.«

»Du merkst ja selbst, dass du dich so anhörst, als ob du ein Casting für einen Porno machen würdest, oder?«, protestierte Shelby und brachte mit ihrem Spruch alle Frauen, die an ihrem Tisch saßen, zum Lachen.

»Wie auch immer«, erwiderte Celia. »Aber Hannah hat total recht. Tatsache ist jedenfalls, dass es Mr. Hottie gefällt. Hast du gesehen, wie er dich vorhin beobachtet hat? So als ob er dich am liebsten verschlingen würde.«

Shelbys Gesicht fühlte sich plötzlich ganz warm an, als sie zum wiederholten Mal rot anlief. »Doch nur, weil du mir diesen dämlichen Vibrator zugeworfen hast. Er hat gerade zu uns rübergeschaut, als ich das verdammte Ding aufgefangen habe.« Sie hatte genau in dem Moment das lila Gerät in beiden Händen gehalten und aufgeschaut, als sie sah, dass Mr. Hotties Augen auf sie gerichtet waren. Hellgrau und tief liegend mit langen Wimpern, für die so manche Frau viel Geld hinblätterte. Schlafzimmerblick, dachte Shelby und verscheuchte danach ganz schnell diesen lächerlichen Gedanken.

Sie erinnerte sich an die Art, wie er seinen Mundwinkel hochgezogen hatte, als er sie ansah – mal ganz zu schweigen von diesem Ziehen, das sie tief in ihrem Inneren gespürt hatte. Dann hatte sie schnell wieder weggeschaut, denn plötzlich zitterte sie, hatte einen trockenen Mund und war ganz unsicher.

»Er hat über mich gelacht«, sagte sie, »und ist überhaupt nicht scharf auf mich.« Aber ihr Protest klang total unaufrichtig, selbst in ihren eigenen Ohren. Ganz eindeutig hatte es zwischen ihnen geknistert. Was allerdings noch lange nicht bedeutete, dass Shelby jetzt etwas unternehmen würde. Und auch wenn sie nicht abgeneigt war, so wusste sie doch ehrlich gesagt auch nicht, was sie als Nächstes tun sollte oder wie.

»Na ja, jetzt lacht er jedenfalls gerade nicht«, erzählte Celia. »Und das Verlangen in seinen Augen sieht meiner Meinung nach auch ziemlich ernst zu nehmend aus.«

»Du solltest hingehen und mit ihm reden«, meinte Hannah.

Shelby war geschockt. »Bist du völlig wahnsinnig geworden?«

»Hannah hat recht«, stimmte Celia ihrer Freundin zu. »Das solltest du wirklich tun.«

Shelby versuchte den Kopf zu schütteln, aber das Ganze sah dann eher so aus, als ob ihr Kinn zucken würde. »Auf gar keinen Fall. Wirklich! Auf. Gar. Keinen. Fall!«

»Oh, komm schon, Shelby. Er ist ganz offensichtlich interessiert.« Hannah stupste sie gegen die Schulter. »Ich geh mit dir, wenn du willst. Er ist an der Bar. Wir könnten hingehen und einen Drink bestellen. Ein Gespräch mit ihm beginnen.«

»Einen Drink? Noch einen und ich bin völlig hinüber. Und eigentlich muss ich sowieso mal auf die Toilette.« Die Kombination aus Alkohol und Aufregung machte dieses Bedürfnis gerade sogar ziemlich dringend, schlug ihr auf den Magen. »O Gott«, sagte sie und schlug sich eine Hand vor den Mund, als sie bereits in die Richtung des hinteren Barbereichs stolperte.

»Oh, verdammt«, hörte sie Hannah hinter sich sagen, gefolgt von dem Schrammen eines Stuhlbeins über den Fußboden. Dann war ihre Freundin auch schon neben ihr, und sie eilten gemeinsam zu den Toiletten. Shelby kämpfte gegen das lächerliche Bedürfnis an, laut loszulachen, weil ihr so etwas wie das hier normalerweise nie passierte. Obwohl das Ganze auch irgendwie dermaßen erniedrigend war, so hatte sie doch gerade wirklich eine verdammt gute Zeit.

Sie erreichten die Toiletten, und Shelby drückte die Tür auf. Drin war es heller als erwartet, und die Tür knallte auf und gegen die Rückwand, was Shelby vor lauter Schreck einen Satz machen und irgendjemanden in dem Raum aufkreischen ließ. Shelbys und Hannahs Blicke trafen sich, und dann brachen sie wie zwei Irre in Gelächter aus.

»Komm schon«, sagte Hannah, schlang einen Arm um Shelbys Taille und führte sie in den Raum. Shelby stolperte, drehte den Kopf und sah zu Hannah auf. »Der Boden bewegt sich«, verkündete sie, und auf einmal erkannte sie, wie viel sie eigentlich getrunken hatte. Das war ihr vorher, als sie noch am Tisch gesessen hatte, gar nicht so bewusst gewesen. Aber jetzt, da sie stand und sich bewegte … Whoa, jetzt aber mal ganz langsam!

Sie holte tief Luft, doch die Extraportion Sauerstoff brachte auch nicht wirklich was. Sie hob den Kopf, starrte Hannah an, die sie doppelt sah, und sagte schließlich so langsam und deutlich wie sie konnte: »Das ist alles nur deine Schuld.«

Von der anderen Seite des Raums hörte sie, wie jemand leicht nach Luft schnappte, gefolgt von einem »Shelby?«.

Shelby blinzelte und versuchte danach, sich auf die hübsche Blondine zu konzentrieren, die gerade am Waschbecken stand. Es dauerte einen kurzen Moment, aber dann erkannte sie sie wieder. Shelby grinste so breit, dass es fast schon wehtat. »Brooke Hamlin!« Sie stolperte auf die andere Frau zu, streckte die Arme aus und umarmte sie.

Shelby hatte sich um die Steuern der Hamlins gekümmert – bereits vor ihrem CPA-Examen. Eigentlich war ihr ehemaliger Boss der Buchhalter von Richter Hamlin gewesen, aber Shel hatte den größten Anteil der Arbeit erledigt und jedes Familienmitglied bei der einen oder anderen Gelegenheit getroffen.

Brooke und sie waren fast gleich alt und hatten sich ein- oder zweimal zum Mittagessen getroffen, nachdem die Steuersaison vorbei war.

Jetzt drückte Shelby sie noch einmal ganz fest, trotz ihrer ohnehin schon stürmischen Umarmung. »Ist das hier nicht die beste Party überhaupt?«, fragte sie und dachte überhaupt nicht daran, dass Brooke gar kein Gast bei dem Junggesellinnenabschied war, bis diese mit einem unsicheren »Hm, ja?« antwortete.

Neben ihnen fing Hannah an zu lachen, dann streckte sie ihre Hand aus, um die von Brooke zu schütteln. »Hannah«, stellte sie sich vor. »Auch bekannt als Shelbys Babysitterin.«

»Und wie!«, entgegnete Shelby, die aber noch unbedingt erklären wollte, warum sie überhaupt keinen Babysitter brauchte. Leider kam ihr bei diesem Versuch auch etwas Pinot Punch hoch, und schnell hielt sie sich eine Hand vor den Mund. Sie stolperte auf die offene Kabine zu, schloss die Tür hinter sich ab und ging dann in die Hocke, als ihr Magen sie auch schon im Stich ließ.

So blieb sie danach noch eine Weile sitzen und atmete durch den Mund – nur für den Fall, dass sich ihr Magen dazu entschließen sollte, noch eine zweite Runde einzulegen. Sie hörte, wie sich Brooke und Hannah vor der Kabine unterhielten, und rollte bei Brookes Bemerkung mit den Augen, dass es wohl eine Alien-Invasion gegeben haben musste, denn: »Das ist nicht Shelby.«

»Ist es nicht toll?«, fragte Hannah. Ihre Stimme klang aufgeregt. »Wir sind hier heute bei dem Junggesellinnenabschied einer Freundin, und ich hab Shelby gesagt, dass sie ihre Haare offen tragen soll.«

»Du bist böse!«, rief Shelby aus der Kabine, musste dann allerdings kichern, als Hannah wie aus der Pistole geschossen antwortete: »Aber du liebst mich!«

Während Hannah und Brooke sich weiter unterhielten, riss Shelby sich zusammen und tauchte schließlich wieder bei den beiden anderen auf, als sie sich sicher war, dass sie und der Punch, der noch in ihrem Magen zurückgeblieben war, zu einer Einigung gekommen waren. »Oha«, sagte sie und steuerte geradewegs auf das Waschbecken und den Spender mit dem kostenlosen Mundwasser zu. »Mir geht’s jetzt schon besser.«

Und das war auch wirklich so. Der Raum drehte sich mittlerweile weniger, und ihr Kopf fühlte sich viel klarer an. Als sie das Mundwasser einmal gegurgelt und dann gleich ausgespuckt hatte, fühlte sie sich schon wieder wie ein menschliches Wesen.

Hannahs Lippen zuckten, und Shelby zeigte anklagend mit dem Zeigefinger auf sie, aber Hannah versteckte ihr Lachen lediglich hinter einem vorgetäuschten Husten, bevor sie sich erneut zu Brooke umdrehte und sie fragte, ob sie sich ihnen anschließen wollte.

»Nein, danke. Ich muss heim.«

»Bist du dir sicher?«, fragte Shelby und legte einen Arm um sie. »Es ist nämlich echt toll, dich zu sehen.«

»Geht mir genauso«, erwiderte Brooke, und aufgrund der Art, wie sie lachte, war sich Shelby ziemlich sicher, dass die andere Frau sie immer noch für total betrunken hielt. Was sie ja vielleicht auch war. Ein bisschen jedenfalls.

»Komm«, sagte Brooke. »Zumindest werden wir zusammen rausgehen.«

Sie verließen gemeinsam die Damentoiletten und bewegten sich durch die Menschenmenge in Richtung der vorderen Ecke, in der sich die lachende, trinkende Gruppe des Junggesellinnenabschieds aufhielt. Die Frauen winkten Shelby und Hannah zu und gaben ihnen zu verstehen, sie sollten sich beeilen, weil der Barkeeper Cam ihnen zwei weitere Karaffen von dem sowohl köstlichen als auch gefährlichen Punch gebracht hatte.

Natürlich verlief der kürzeste Weg zurück an der Bar entlang, wodurch Shelby allerdings direkt vor der Männergruppe landete, in der auch Mr. Hottie gewesen war.

Shelby versuchte, nicht hinzugucken, aber sie konnte einfach nicht anders. Das Nächste, was sie wusste, war, dass sie Brooke anrempelte, als sie nach Hannahs Arm griff und diese zum Anhalten brachte. »Er ist immer noch da«, flüsterte sie und warf Mr. Hottie einen verstohlenen Blick zu. »Glaubst du, dass er … oh, Scheiße. Er schaut gerade her.«

Diese Augen. Er hatte sie mit seinem Blick, mit diesen traumhaft schönen Augen, förmlich ausgezogen. Und ja, Shelby war immer noch ein bisschen betrunken, aber sie spürte die Wirkung seines Blicks bis tief in die Zehenspitzen. Sie war sich ziemlich sicher, dass das nichts mit dem Alkohol zu tun hatte.

»Geh einfach rüber und rede mit ihm.« Hannah gab ihr einen leichten Schubs, doch Shelby hatte überhaupt nicht vor, sich in Bewegung zu setzen. »Ganz offensichtlich bist du ihm aufgefallen. Und umgekehrt ja sowieso.«

»Wer?«, fragte Brooke, und Shelby drehte sich zu ihr um. Es war ihr ein bisschen peinlich, dass jetzt auch noch jemand anderes als Hannah Zeuge ihres Moments der Lust geworden war.

»Der da«, sagte Hannah, aber bevor sie überhaupt noch richtig ihre Hand heben konnte, um mit dem Finger auf ihn zu zeigen, riss Shelby auch schon ihren Arm herunter, wobei sie fast das Gleichgewicht verlor. Zehn Zentimeter hohe Absätze und Pinot Punch waren nicht gerade die sicherste Kombination.

»Zeig nicht auf ihn! Der süße Typ da vorne«, erzählte sie Brooke. »Der mit den kurzen Haaren und dem The best mornings have Wood-Shirt.«

Und dann tat Brooke das Unvorstellbare. Sie hob ihre Hand und winkte dem Typen tatsächlich zu!

»Oh. Mein. Gott!« Shelby wäre am liebsten im Erdboden versunken. War Brooke jetzt völlig verrückt geworden? »Warum winkst du ihm zu?«

Völlig verblüfft zuckte Brooke mit den Schultern. »Er ist ein Freund. Sein Name ist Nolan Wood. Und auf diesem geschmacklosen T-Shirt steht der Name seiner Radiosendung. Mornings with Wood. Er arbeitet bei einem der lokalen Radiosender und lässt in seiner Show ziemlich verrückte Kommentare vom Stapel.«

»Du kennst ihn?«

»Flüchtig. Er ist mal mit einer Freundin von mir ausgegangen.«

»Oh.« Eine unangenehme Welle der Enttäuschung brach über Shelby zusammen. Total lächerlich – schließlich hatte sie doch noch nicht einmal vorgehabt, den Typen zu daten. Zufälligerweise sah er nun mal ganz nett aus, und das war’s dann auch schon.

»Ich glaube, er ist gerade Single«, fuhr Brooke fort. Ihr klitzekleines Lächeln verriet, dass sie Shelbys Enttäuschung bemerkt hatte. Auch wenn Shelby natürlich überhaupt nicht enttäuscht gewesen war!

Wirklich nicht.

»Geh einfach rüber«, drängte Hannah ihre Freundin, ehe sie sich zu Brooke umdrehte. »Ich sage ihr schon den ganzen Abend, dass sie endlich mal hingehen und sich vorstellen soll.«

Brooke schaute von Hannah zu Shelby. »Ich kann dich ihm auch vorstellen.«

Danach sagte sie noch mehr, doch diese sechs Worte hatten Shelbys Hirn komplett in Beschlag genommen, und sie hörte überhaupt nichts mehr, bis Hannah sie leicht in die Richtung des Mannes schubste.

»Ja. Perfekt. Geh!«

»Aber …«

»Geh einfach«, wiederholte Hannah, als die Band auf der Bühne auf der anderen Seite des Raums ihr Programm beendete und die Leute begannen, sich in die Richtung der Bar zu drängen.

»Wir gehen alle«, sagte Brooke, die jetzt anfing, sich ihren Weg durch die wachsende Menschenmenge zu bahnen. Shelby folgte ihr zuerst noch, aber dann siegte doch ihre Nervosität, und sie hielt an, trotz Hannahs hartnäckigem Drängen.

Nach einem Moment blieb auch Brooke stehen, drehte sich um und ging mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen wieder zu Shelby und Hannah zurück.

»Ich fass es nicht, dass du wirklich zu ihm hingehen wolltest«, sagte Shelby.

»Na ja, ich dachte, wir gehen zusammen«, entgegnete Brooke. Dann sagte sie noch etwas anderes, aber ein Typ, der seinem Freund irgendetwas zubrüllte, übertönte alles, außer ihre letzten Worte. »Er beißt nicht.«

»Außer wenn du ihn ganz lieb darum bittest«, scherzte Hannah.

»Ich kann wirklich nicht«, sagte Shelby erneut. »Ich meine, ist das nicht …« Sie schüttelte den Kopf und holte einmal tief Luft. »Ich bin normalerweise nicht so mutig. Bist du das?«, fragte sie und wünschte sich, sie wüsste, was gerade in Brookes Kopf vor sich ging. Sie machte immer so einen selbstbewussten Eindruck.

»Ich?«

Shelby nickte. »Ja. Würdest du in so einer Situation einfach alle Bedenken in den Wind schlagen?«

Brookes Gesicht nahm einen sehnsüchtigen Ausdruck an. Und vielleicht war er auch ein bisschen traurig. »Das habe ich früher gemacht«, sagte sie. »Ich war mal so ein Typ.«

»Oh.« Shelby und Hannah tauschten Blicke miteinander aus. »Was ist passiert?«

Brooke blinzelte. »Ich hab mich verliebt«, antwortete sie schließlich mit bewegter Stimme.

»Vorsicht«, neckte Hannah sie. »Es könnte sein, dass du Shelby verschreckst.«

Brooke schüttelte den Kopf, so als ob sie ihre Gedanken wieder klären würde, und lächelte Shel daraufhin an. »Geh und rede mit ihm.« Sie wollte Mr. Hottie schon ein Zeichen geben, aber dann erstarrte sie plötzlich. Für einen Moment stand sie einfach nur da, und Shelby begriff schließlich, dass Brooke einen gut aussehenden Mann mit Bart anstarrte, der einen Longdrink in der Hand hielt.

Danach drehte sie sich wieder zu Shelby und Hannah um. Ihr Gesichtsausdruck wirkte etwas verstört. »Ich … ich hab etwas in der Damentoilette vergessen. Geht ihr ruhig schon mal vor. Nolan ist ein wirklich netter Kerl. Stell dich ihm einfach vor.«

»Was …«, fing Shelby an, aber Brooke eilte bereits davon, bevor sie ihre Frage überhaupt noch beenden konnte. Brooke ließ die beiden Frauen einfach stehen, und Shelby war nun mehr als lediglich ein bisschen verwirrt.

»Was sollte das denn?«, fragte Hannah, doch Shelby konnte darauf nur mit den Schultern zucken.

»Komm schon. Celia wundert sich bestimmt schon, was wir so lange machen.«

»O nein«, erwiderte Hannah und ergriff Shelby am Handgelenk. »Nur weil du deine Gehilfin verloren hast, heißt das noch lange nicht, dass du deine Mission jetzt aufgeben musst.«

Shelby blinzelte. Sie fühlte sich einfach noch zu benommen, als dass sie aus Hannahs Worten hätte schlau werden können.

»Ich meine damit geh!«, sagte Hannah. »Du bist eine wunderschöne, kluge und interessante Frau – vollgetankt mit flüssigem Mut. Es gibt keinen Grund, warum du nicht auf den Typen zugehen, ihn anlächeln und fragen kannst, ob er dir einen Drink ausgeben will.«

»Aber …«

Hannah stemmte ihre Hand in die Hüfte und starrte Shelby so lange an, bis diese wegsah. »Aber was?«

Shelby hatte ihre Freundin eigentlich darauf hinweisen wollen, dass sie wirklich keinen weiteren Drink mehr gebrauchen konnte. Doch stattdessen schüttelte sie nun bloß den Kopf. »Ach, nichts.«

Sie schluckte und blickte dann wieder zu dem Typen rüber. Nolan. Brooke hatte gesagt, dass er Nolan hieß. Er hatte den Neuankömmlingen Platz an der Bar gemacht, deshalb schaute er jetzt nicht mehr in ihre Richtung. Aber als ob er ihren Blick auf sich gespürt hätte, neigte er den Kopf ein bisschen zur Seite. Und dann warf er ganz langsam einen Blick über seine Schulter.

Und da war schon wieder dieses Knistern zwischen ihnen!

Sofort fanden seine Augen ihre, und in jenem Moment vergaß sie zu atmen. Ihre Brust schnürte sich zusammen, und ihre Haut kribbelte von der Luft, die elektrisch aufgeladen zu sein schien. Und für einen atemlosen, wundervollen Augenblick verlor sie sich in der Fantasie, wie er sie berührte. Seine Hände an ihrer Taille. Sein Atem an ihrem Hals. Seine Lippen auf ihrem Mund.

O Gott, sie war ja wirklich betrunken!

Der Gedanke traf sie mit voller Wucht, und unbeabsichtigt machte sie einen Schritt zurück. Und erst in dem Moment, als sie auf diesen verdammten zehn Zentimeter hohen Absätzen ins Stolpern geriet, merkte sie, dass er von seinem Platz an der Bar zu ihr herübergekommen war. Er streckte die Hände nach ihr aus, mit einer griff er nach ihrem Ellenbogen, seinen anderen Arm schlang er um ihre Taille, damit sie nicht hinfiel. Als ob sie nicht schon längst ganz hart gefallen wäre.

»Ich hab dich«, sagte er. Seine volle, tiefe Stimme war innig wie eine Liebkosung.

Eine winzige nüchterne Ecke in ihrem Hirn wies sie darauf hin, dass Hannah schon wieder zurück zu den anderen Partygästen gegangen war. Und dass Shelby mit Nolan ganz allein war. Dass Nolan sie festhielt und wahrscheinlich gerade ihren Herzschlag spürte.

Dass das hier ihre Chance war … und sie mit Sicherheit nicht noch eine bekommen würde.

Zitternd holte sie tief Luft, als sie all ihren Mut zusammenkratzte und nach den perfekten Worten für diesen perfekten Moment suchte.

»Tut mir leid«, platzte es schließlich aus ihr heraus, als sowohl ihr Verstand als auch ihr Mut aussetzten. »Aber du musst mich jetzt wirklich loslassen.«

4

Nolan lehnte an der Bar, hielt eine Flasche in der Hand und beobachtete sein dunkelhaariges Paradox.

Er war Stammgast im The Fix und heute Abend hergekommen, um den schlechten Nachgeschmack wegzuspülen, der zurückgeblieben war, seitdem Connor ihn darüber informiert hatte, dass Lauren in der Stadt war. Das Bier hatte gar keine Wirkung gezeigt, aber dieses Mädel … wow!

Es passierte nicht alle Tage, dass eine Frau Nolans ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.

Und es passierte auch wirklich nicht alle Tage, dass eine Frau vor ihm weglief. Andererseits verging ebenfalls kein Tag, an dem er nicht angebaggert wurde – seitdem der Radiosender sein Gesicht auf ein paar Plakatwände gesetzt und Connor das Live-Streaming auf den Social-Media-Accounts veranlasst hatte.

Für sein Ego war das ja ganz nett, aber dann wiederum auch gar nicht. Weil sich Nolan nämlich absolut darüber im Klaren war, dass diese Frauen lediglich an seinem Ruhm teilhaben wollten – so klein und regional dieser auch sein mochte.

Das und seinen Schwanz.

Aber nicht diese Frau …

Scheinbar wollte sie ihn überhaupt nicht. Obwohl sie einen Großteil des Abends damit verbracht hatte, ihm verstohlene Blicke zuzuwerfen und dabei in einem hübschen Rotton anzulaufen.

Diese Frau war ein Paradox, so viel stand zumindest schon mal fest. Und eines, das er unbedingt lösen wollte.

»Erde an Nolan. Bist du noch bei uns, Kumpel?«

Nolan blickte zu Reece Walker hinüber, der sich an ihn herangeschlichen hatte und jetzt plötzlich mit einem Bier in der Hand neben ihm stand. »Kennst du die Frau?«, fragte Nolan und nickte in die Richtung der Dunkelhaarigen. Da Reece die Bar führte, war es ziemlich wahrscheinlich, dass – wenn sie jemand kannte – er derjenige war.