10 philosophische Wege zum Glück in 60 Minuten - Walther Ziegler - E-Book

10 philosophische Wege zum Glück in 60 Minuten E-Book

Walther Ziegler

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Beschreibung

Was ist wahres Glück und wie kann der Mensch ein glückliches Leben führen? In der Philosophie wird seit der Antike über diese Frage nachgedacht. Die 10 bedeutendsten Antworten sind von eigentümlicher Vielfalt: 1. Kairos statt Chronos, gute Gelegenheiten ergreifen. 2. Existenzialistisch leben wie Sartre und Simone de Beauvoir. 3. Mit Kafka und Nietzsche die Amor Fati teilen. 4. Mit Heidegger nach der eigenen Bestimmung suchen. 5. Epiktet und das Glück der Stoiker. 6. Onkel Willy, Adorno und das Glück der Nicht-Identität. 7. Mit Goethe und Epikur das Glück des Augenblicks genießen. 8. Aristoteles, Marx und das dauerhafte Glück in der Polis. 9. Dank Schopenhauer die Unbeschwertheit erreichen. 10. Mit Konfuzius den rechten Weg finden - den eigenen! Erfahren Sie die Kerngedanken aus 2500 Jahren Nachdenken über das Glück - ergänzt um die Ergebnisse der modernen Glücksforschung.

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Dank an Melanie Tintera für ihre inhaltliche und redaktionelle Betreuung des Projektes, u.a. hinsichtlich der Ergebnisse der modernen Glücksforschung, Rudolf Aichner für seine unermüdliche und kritische Redigierung, Silke Ruthenberg für die feine Grafik, Christiane Hüttner und Dr. Martin Engler für das Lektorat. Und Dank an Prof. Guntram Knapp, der mich für die Philosophie begeistert hat.

Inhalt

Vorwort

1. Das Glück ist eine Halbglatze –

Kairos statt Chronos – Gelegenheiten ergreifen!

2. „Du bist, wozu du dich machst“ –

existenzialistisch leben wie Sartre und Simone de Beauvoir

3. Den Blues der Seele zulassen –

mit Kafka und Nietzsche die Amor Fati teilen

4. Das Glück der Selbstverwirklichung –

mit Heidegger nach der eigenen Bestimmung suchen

5. Let it go! Cool bleiben und loslassen –

das Glück der Stoiker

6. Widersprechen und aufbegehren –

Onkel Willy, Hegel, Adorno und das Glück der Nicht-Identität

7. „Augenblick verweile doch, du bist so schön“ –

mit Goethe und Epikur das Glück des Augenblicks genießen

8. „Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling“ –

Aristoteles, Marx und das dauerhafte Glück in der Polis

9. Die Befreiung vom Zwang, glücklich zu sein –

dank Schopenhauer die Unbeschwertheit erreichen

10. Das Glück des Dao –

mit Konfuzius den rechten Weg finden – den eigenen

Zitatverzeichnis

Vorwort

Wie kann ich ein glückliches Leben führen?

Zu dieser Frage gibt es in allen Ländern der Welt eine unübersehbare Zahl von psychologischen Ratgeberbüchern - allein im deutschsprachigen Raum über 50.000 Titel. Es werden positives Denken, praktische Übungen wie das Führen von Glückstagebüchern und die Anwendung von Selbstmotivations-Techniken empfohlen.

Auch in der Philosophie wird seit der Antike über die Möglichkeiten eines glücklichen Lebens nachgedacht. Doch, wie nicht anders zu erwarten, ist das Ergebnis von eigentümlicher Vielfalt. Die Philosophen kommen nämlich im Laufe der Jahrhunderte zu sehr unterschiedlichen und bisweilen sogar gegensätzlichen Antworten. Im Wesentlichen eröffnen sie uns 10 philosophische Wege zum Glück. Erfahren Sie die Kerngedanken aus 2500 Jahren Nachdenken über das gute Leben – ergänzt um die Ergebnisse der modernen Glücksforschung.

1.

Das Glück ist eine Halbglatze –

Kairos statt Chronos – Gelegenheiten ergreifen!

Der griechischen Mythologie verdanken wir die uralte Lebensweisheit: „Du musst das Glück beim Schopfe packen“. Damit ist gemeint, dass wir eine gute Gelegenheit unbedingt nutzen sollten, denn man weiß nie, ob sie sich nochmal ergibt. Oft denken wir aber zu lange nach, bevor wir eine sich auftuende Chance ergreifen. Doch dieses Zögern kann fatal sein.

Bekannt sind Erlebnisse von Menschen, die unverhofft ihren Traumpartner in der Tram- oder U-Bahn sehen, erste Blicke austauschen, sich anlächeln, aber nicht wagen, den anderen anzusprechen. Auf einmal ist die Haltestelle da, der andere steigt aus und der Traum ist für immer zerplatzt. Auch Schnäppchenjäger wissen, warum es ratsam ist, das Glück beim Schopfe zu packen. Sieht man etwas sehr Schönes und zögert zu lange mit dem Kauf, ist das begehrte Objekt später oft schon weg.

Sinnbildlich für dieses Dilemma stehen die griechischen Götter Chronos und sein Gegenspieler Kairos. Zusammen symbolisieren sie die Zwiespältigkeit der Zeit, beziehungsweise die Störung der vorhersehbar ablaufenden Chronologie durch den plötzlich auftretenden Zufall. Chronos ist der Gott der Zeit, also des beständigen Ablaufes von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er ist der Herr jeder Sanduhr und sorgt für das verlässliche Herunterrieseln der Körner – für den unverrückbaren Lauf der Zeit.

Er lässt jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr und unsere gesamte Lebenszeit vergehen von der Geburt, der Kindheit über die Jugend, das Alter bis zum Tod. Sein göttlicher Gegenspieler heißt Kairos. Er funkt ihm immer wieder dazwischen. Denn er ist der Gott des Augenblicks. Er taucht plötzlich und unvermutet auf, bringt alles durcheinander, um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Während Chronos für den verlässlichen Ablauf von Vorher und Nachher steht, ist Kairos dimensionslos. Anarchistisch fliegt er durch Raum und Zeit. Wo auch immer er gerade erscheint, ist seine Präsenz so ergreifend, dass die planbare Kette von Vergangenheit und Zukunft für einen Augenblick zerreißt. Alle Chancen liegen dann im aktuellen Moment, den wir ergreifen können oder nicht. Alles kann jetzt in eine ganz neue Richtung gehen oder eben nicht. In den antiken Darstellungen wird Kairos als Jüngling mit Flügeln an Rücken und Beinen sowie einer Halbglatze dargestellt, allerdings mit einer Halbglatze der besonderen Art.

Er hat auf der vorderen Hälfte des Kopfes einen langen wallenden Schopf, am Hinterkopf jedoch kein einziges Haar. Daher kommt der berühmte Satz „Du musst das Glück beim Schopfe packen“. Jeder von uns sollte die Begegnung mit Kairos nutzen, um ihn und die gute Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Doch Vorsicht, die Gelegenheit ist flüchtig. Wenn Kairos unseren Weg kreuzt und wir einen Moment zu lange überlegen, huscht er an uns vorbei. Versuchen wir ihn dann noch zu erwischen, greifen wir ins Leere oder rutschen ab, denn am Hinterkopf ist er kahl. In der obigen Darstellung von 400 vor Christus führt Kairos zudem die Waage der Gerechtigkeit mit sich. Man sieht deutlich, wie er sie aus dem Gleichgewicht bringt, auf einer Seite herunterzieht und somit manipuliert. Als Gott der Gelegenheit kann er nämlich die Waage der Gerechtigkeit und des Glücks jederzeit zu unseren Gunsten oder Ungunsten verändern. Der amerikanische Präsident Kennedy wusste offenbar um die Bedeutung der sich zufällig auftuenden Chancen, als er den vielzitierten Satz formulierte: „Das Leben ist ungerecht, aber nicht unbedingt zu deinen Ungunsten“.

Sportler sind seit jeher abergläubisch. Fußballer tragen gerne Schuhe, in denen sie schon große Siege errungen haben. Trainer bevorzugen ganz bestimmte Pullover oder andere Kleidungsstücke, in denen sie bereits erfolgreich waren. Manche Spieler bekreuzigen sich kurz vor dem Anpfiff. In der Antike hofften die Athleten auf den glückbringenden Beistand des Gottes Kairos. So gab es in Olympia, dem Austragungsort der sportlichen Wettkämpfe, direkt neben dem Hermes-Altar, der dem Gott der Gymnastik gewidmet war, auch einen Kairos-Altar. An diesem brachte man Kairos als der Gottheit des günstigen Augenblicks seine Opfer dar, um im Wettkampf das Momentum auf seiner Seite zu haben. Der makedonische Dichter Poseidippos von Pella hat im 3. Jahrhundert vor Christus den Altar in Olympia persönlich besucht und den folgenden poetischen Dialog mit dem Gott Kairos verfasst:

„Wer bist du?

Ich bin Kairos, der alles bezwingt!

Warum läufst du auf Zehenspitzen?

Ich, der Kairos, laufe unablässig.

Warum hast du Flügel am Fuß?

Ich fliege wie der Wind. […]

Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?

Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.

Warum bist du am Hinterkopf kahl?

Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal

vorbeigeglitten bin,

wird mich auch keiner von hinten erwischen

so sehr er sich auch bemüht.“ 1

Bis heute wird mit Kairos ein „günstiger Zeitpunkt“ oder „entscheidender Augenblick“ verbunden. Und tatsächlich gibt es wohl in jeder Biografie Momente und Augenblicke, die das Leben verändern oder in eine ganz neue Richtung bringen. Seien es zufällige Begegnungen, aus denen Eheschließungen, Kinder oder lebenslange Freundschaften hervorgehen, oder zufällige Ereignisse, die unsere Ausbildung, unsere berufliche Entfaltung und unseren gesamten Lebensweg beeinflussen. Kairos mischt immer mit. Umso mehr wir darüber nachdenken, werden wir feststellen, dass vieles in unserem Leben auf Zufällen sowie unverhofften Begegnungen und Konstellationen beruht.

Ein schillerndes historisches Beispiel dafür ist die Entdeckung des Penicillins. Der Bakteriologe Alexander Fleming fuhr 1928 in den Sommerurlaub und vergaß völlig, die Fenster seines Labors zu schließen. Zuvor hatte er in einer Petrischale mit Nährlösung noch eine Bakterienkultur angelegt. Als er zurückkam, bemerkte er, dass er das Fenster versehentlich offengelassen hatte, denn während seiner Abwesenheit wurden vom Wind offenbar Pilzsporen in sein Labor hineingeweht. In der Petrischale mit den Bakterien ist nämlich zusätzlich zur Bakterienkultur ein Schimmelpilz herangewachsen. Fleming warf die unbrauchbar gewordene Bakterienkultur aber nicht gleich weg, was naheliegend gewesen wäre, sondern sah sich das Ganze aus Neugierde vorher noch einmal unter dem Mikroskop an. Und siehe da, er machte eine sensationelle Entdeckung: In der Umgebung der Schimmelpilze war das Wachstum der Bakterien komplett zum Stillstand gekommen. So entdeckte er die antibiotische Wirkung dieses, ihm durchs Fenster zugeflogenen Pilzes, eines Schimmelpilzes namens „Penicillin“. Später bekam er für das zufällig entdeckte Medikament den Nobelpreis.

Zwar fliegt nicht jedem von uns ein Nobelpreis durch das offene Fenster zu, aber die allermeisten Menschen haben Momente in ihrem Leben, in denen sich neue Möglichkeiten auftun. Allerdings ist es nicht immer leicht, sich kurzentschlossen auf neue, in seinen Folgen oft unabsehbare, Möglichkeiten einzulassen. Sie können sich hinterher auch als falsch oder verhängnisvoll erweisen.

Die Glücksforschung ist aber in Studien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass Menschen, die etwas riskieren und ihrem Leben eine neue Richtung geben, sich subjektiv oft glücklicher fühlen als diejenigen, die aus Sorge um eine nicht genau absehbare Zukunft ein Leben lang in ihren gewohnten Strukturen verharren. Der tatsächliche Erfolg oder Misserfolg der Neuorientierung spielt nämlich im Vergleich zur Freude, etwas gewagt zu haben, eine erheblich geringere Rolle, als man zunächst denkt.

Denn selbst wenn die jeweiligen Unternehmungen, beispielsweise das Auswandern in ein anderes Land, eine neue Ausbildung, ein Jobwechsel, eine Geschäftsgründung, eine Trennung vom Lebenspartner oder eine neue Beziehung am Ende nicht funktionieren, wird die Erfahrung dieses Versuchs positiv bewertet und in den seltensten Fällen bereut. Mag man an der Verwirklichung einer Idee oder eines Projektes auch gescheitert sein, so bleibt doch die befriedigende Erkenntnis, es wenigstens versucht zu haben. Wir müssen dann unserem Wunschtraum oder was wir dafür gehalten haben, nicht weiter nachhängen, da er sich nicht als solcher erwiesen hat.2

Aus protokollierten Gesprächen im Rahmen der Palliativpflege wissen wir zudem, dass zu den Dingen, die Menschen am Ende des Lebens am meisten bedauern, ausgelassene Möglichkeiten und mangelnde Risikobereitschaft gehören. So gesehen empfiehlt es sich, bei aller sorgfältigen Lebensplanung, den Mut zu haben, auch Kairos, dem Gott des Zufalls, zu folgen:

2.

„Du bist, wozu du dich machst“ –

existenzialistisch leben wie Sartre und Simone de Beauvoir

Wenn wir nach philosophischen Wegen zum Glück fragen, darf der Existenzialismus nicht fehlen. Das Schriftsteller- und Philosophenpaar Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre haben in ihren Büchern ebenso wie ihrem Leben ein bis heute eindrucksvolles Zeugnis dafür abgelegt, wie wir glücklich werden können. Ihr einfaches Rezept: Der Mensch sollte versuchen, notfalls auch gegen alle Widerstände, frei und selbstbestimmt zu leben. Ihre existenzialistische Aufforderung, angesichts der Gewissheit des Todes nicht länger an ein jenseitiges Paradies zu glauben, sondern das Leben im Hier und Jetzt entschlossen zu gestalten, wurde zum Glaubensbekenntnis einer ganzen Generation:

In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Existenzialismus sogar zu einer Art Lebenshaltung. Schüler, Studenten, Künstler und andere vom Existenzialismus Begeisterte trafen sich in offenen Diskussionszirkeln, denen Frauen wie Männer gleichermaßen angehörten. Als Zeichen ihrer existenzialistischen Einstellung trugen sie dunkle Rollkragenpullover und – wie Sartre selbst - schwarze Hornbrillen. Ihr Motto lautete: Lass dir von nieman