Abseits des Imperiums - Martin Cordemann - E-Book

Abseits des Imperiums E-Book

Martin Cordemann

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Beschreibung

"Abseits des Imperiums" ist der dritte Band der Imperiums-Reihe. Es erstreckt sich über drei Zeitperioden... mit Ausflügen in andere. Das erste Buch deckt eine frühe Periode ab, in der das Imperium noch recht jung ist, das zweite spielt etwa 200 Jahre später und das dritte spielt wiederum rund 200 Jahre danach. Wobei im jeweils späteren Dinge aufgegriffen und ggf. weitergeführt werden, die in früheren passieren, alles hängt also miteinander zusammen, baut aufeinander auf und entwickelt sich weiter. Und hier und da gibt es einen Ausblick auf die Zukunft... die wir aus den "Legenden" kennen. Es füllt eine Zeit zwischen "Vor dem Imperium" und "Legenden des Imperiums" und wie bei letzterem ist es wieder eine fließende Mischung aus Geschichtensammlung und Roman, bei denen viele gleichermaßen für sich selbst stehen wie auch Teil eines größeren Ganzen sind, Puzzlestücke, die am Ende ein größeres Bild in einem umfangreicheren Universum ergeben. Es beantwortet vielleicht die eine oder andere Frage, die nach den anderen beiden Bänden noch offen ist. All das ist altmodische Science Fiction!

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Seitenzahl: 1089

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Martin Cordemann

Abseits des Imperiums

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Gute Gesellschaft

Ein Imperium zum Knuddeln

Erstes Buch

Herzlichen Glückwunsch zum Todestag

Die einsame Sonne

Irren, Haus

Verkehrte Welt

Ihr rationaler Mann

Rassismus nach Noten

Von Mäusen und Menschinen

Attentatsächlich erfolgreich

Gottes Planet

Das sündige Syndikat

Helden des Krieges

Notruf?

Zweites Buch

Die Zeitreise heilt alle Wunden

Die unbekannte Macht

Routineaufgaben

Geheimauftrag

Prophezeiungen des Todes

Der Unsterbliche

Die Invasion frisst ihre Kinder

Auf deinen Todestag

Moderner Krimi

Verschollene der Vergangenheit

Überlebende der Vergangenheit

Gefangene der Vergangenheit

Sklaven der Vergangenheit

Raumschiffe versenken

Opfer des Krieges

Über Macht und Übermacht

Die größte Liebesgeschichte aller Zeitreisen

Auf Konfrontationskurs

Drittes Buch

Galaktische Reisen

Der Rost alter Zeiten

Folgen des Krieges

Die Freiheiten des Imperiums

Kalt entwischt

Kalt erwischt

Kalt erfrischt

Unmögliche Möglichkeiten

Mögliche Unmöglichkeiten

Invasionsalarm

Krimi mit Telepath

Anschließende Diskussion

Willkommen in der Austausch Bar

Rebellion gegen das Imperium

Verschwörung gegen das Imperium

Verteidigung gegen das Imperium

Verdacht gegen das Imperium

Kampf gegen das Imperium

Das Bernikot Problem

Der Bernikot-Zwischenfall

Telepath und Psychopath

Die unsichtbaren Herrscher

Die verwunschene Provinz

Im Herzen des Imperiums

Kein Mensch ist wertvoller

Prolog zur Vernichtung

Impressum neobooks

Gute Gesellschaft

„Als die Menschheit die Erde verließ, verstreute sie sich über viele Planeten der Galaxis, aus denen später das Imperium wurde. Auf einer dieser Welten fand sich eine besondere Gruppe von Siedlern, die einen Plan hatten, wie ihre neue Gesellschaft aussehen sollte. Sie wollten die perfekte Gesellschaft schaffen, indem sie sich von all den Dingen trennten, die bei der Menschheit schon immer Auslöser für Streit und Kriege gewesen waren. Das, was sie als erstes abschafften, waren Religion und Geld, denn beides hatte im Laufe der Menschheit immer für Hass und Habgier, für Mord und Totschlag gesorgt. Die wesentlichsten Quellen waren also beseitigt. Aber es gab noch eine weitere: die Liebe!

Oder vielmehr die unerfüllte Liebe. Sie war der dritte, wichtige Faktor, der schon immer Streitigkeiten ausgelöst hatte. Man schaffte ihn dadurch ab, dass alle Menschen auf diesem Planeten eine natürliche Einstellung zueinander aufbauten, ohne jede Ausnahme. Niemand verwehrte sich dem anderen. Sex und Liebe waren frei, es gab keine Zurückweisungen mehr, keinen Liebeskummer… keinen Streit!“

„Klingt nach einer perfekten Welt. Wann lassen wir uns dort nieder?“

„Gar nicht. Die Bevölkerung wurde komplett ausgelöscht… durch eine Geschlechtskrankheit, deren Ausbreitung einfach nicht gestoppt werden konnte!“

Ein Imperium zum Knuddeln

Wissen Sie, was ich falsch gemacht habe? Ich hätte das ganze als Fortsetzungsreihe schreiben sollen, so, wie man das heute macht, damit man gezwungen ist, sich auch die anderen Bände zu kaufen, um überhaupt zu verstehen worum es geht und wie es ausgeht. Aber nein, ich musste ja fair zum Leser sein und ihm in jedem Band alle Informationen geben, die man braucht, um alles zu verstehen… blöd von mir!

Denn auch wenn dieses Buch das dritte ist, obwohl es chronologisch das zweite ist, kann man es lesen und verstehen, ohne die anderen beiden Bände oder die 13, die noch kommen werden, lesen zu müssen. Gut, man braucht den Almanach und die Enzyklopädie, die Webisodes, das Comic-Spin-off und die Hörbücher aus einer anderen Dimension, ohne die ist man aufgeschmissen, aber davon abgesehen…

Nein, seien Sie unbesorgt, man kann alle Geschichten in diesem Band verstehen, ohne auch nur bei einem der anderen Bücher das Cover angesehen zu haben. Oder sagen wir, das meiste. Einen großen Teil. Den Schluss vielleicht eher nicht.

Aber, und das ist der springende Punkt,es macht möglicherweise mehr Spaß, wenn man die Andeutungen und Anspielungen versteht, weil sie Teil eines größeren Zusammenhangs und Universums sind. Und das sind sie. Zumindest die meisten. Einige. Ein paar. Von dem Standpunkt also schadet es nicht… aber das ist natürlich ganz Ihnen überlassen.

Wenn Sie also wissen möchten, in welcher Reihenfolge Sie die Bücher lesen sollten, wenn Sie denn alle lesen wollen… ach, Gott, ich hätte das wirklich als Fortsetzung schreiben sollen, damit Sie alle Bücher kaufen müssen. Ja, mein Fehler! Also, überraschenderweise rate ich Ihnen in diesem Fall von einer chronologischen Herangehensweise ab. Die wäre:

„Vor dem Imperium“

„Abseits des Imperiums“

„Legenden des Imperiums“

Kann man natürlich mal ausprobieren, muss man aber nicht. Denn möglicherweise ist eine andere Reihenfolge einfach interessanter. Beginnen Sie also mit

„Legenden des Imperiums“

das Buch, mit dem alles anfing – und in dem alles aufhört. Es ist das Imperium in der Zeit, in der… Dinge passieren, die vieles verändern, höflich gesagt. Und es ist, wenn wir ehrlich sein wollen, das Ende der Geschichte. Sie wissen also, wo alles hinführt und wie alles ausgeht. Wenn Sie das denn wissen wollen. Dann kehren Sie mit

„Vor dem Imperium“

in eine Zeit zurück, als die Menschheit sich noch auf der Erde befand, kurz vor dem Exodus, und erfahren in etwa, was denn nun eigentlich wirklich passiert ist. Nebenbei werden dort aber auch Völker, Welten und Ereignisse eingeführt, die hier in

„Abseits des Imperiums“

wieder aufgegriffen werden. Und ein paar Dinge, die in diesem Buch vielleicht ein wenig vage bis unklar sind, zum Beispiel, was den Exodus von der Erde oder das Schicksal von Captain MacAllister angeht, werden hier noch einmal aufgegriffen und hoffentlich logisch erklärt. So greift also alles ineinander – wenn Sie es denn wollen (gut, tut’s auch, wenn Sie es nicht wollen, aber dann kriegen Sie’s halt nicht mit).

Dieses Buch nun spielt in drei Zeitperioden... mit Ausflügen in andere. Das erste Buch deckt eine frühe Zeit ab, in der das Imperium noch recht jung ist, das zweite spielt etwa 200 Jahre später und das dritte spielt wiederum rund 200 Jahre später. Wobei im jeweils späteren Dinge aufgegriffen und ggf. weitergeführt werden, die in früheren passieren, alles hängt also miteinander zusammen, baut aufeinander auf und entwickelt sich weiter. Und hier und da gibt es einen Ausblick auf die Zukunft... die wir aus den „Legenden“ kennen.

Tatsächlich hatte ich zwischenzeitlich überlegt, ob ich „Abseits“ nicht in drei Bänden herausbringen sollte, da das dritte Buch mehr und mehr gewachsen ist und wenn ich wüsste, wer meine Leser sind, hätte ich sie gefragt, in welcher Weise es ihnen lieber gewesen wäre, aaaaaber Sie können sich selbst denken, wie dieser Satz zuende geht. So enthält dieser Band also Geschichten, die in den Jahren 2016, 2017 und 2018 entstanden sind.

Abschließend noch kurz zu dem, was Sie erwartet. Die „Legenden“ sind eine Art fließender Übergang zwischen Geschichtensammlung und Roman. Manches steht für sich allein, vieles baut aufeinander auf, gegen Ende fließt alles zusammen – und die Chronologie müssen Sie sich hinterher selbst ausrechnen. Bei „Vor dem Imperium“ gibt es drei Romane, die lose und extrem lose miteinander verknüpft sind – aber wenigstens sind sie chronologisch. Hier nun, im „Abseits“, haben wir etwas, das ich als eine Art literarische „Concept Art“ bezeichnen würde, wieder eine fließende Mischung aus Geschichtensammlung und Roman, bei denen viele gleichermaßen für sich selbst stehen wie auch Teil eines größeren Ganzen sind, Puzzlestücke, die am Ende ein größeres Bild in einem umfangreicheren Universum ergeben. Und es fließt etwas mehr Satire ein, als bei den andere beiden Büchern. So ist denn jeder Band anders und wenn Ihnen keiner davon gefällt, frage ich mich, warum Sie immer noch dieses Vorwort lesen!

Der Autor

Köln, Zentralplanet, 2016/2018 (n.E.)

Erstes Buch

Kleine Provinzen

Herzlichen Glückwunsch zum Todestag

Marnie küsste ihn auf die Wange.

„Der wievielte ist es noch mal?“ fragte sie.

„Mein 17.“, murrte Frank. „Oder ist es mein 16.?“

„Nein, wir haben letztes Jahr deinen 18. gefeiert, also ist heute dein 17.!“ Sie strahlte. „Du hast also noch ein Jahr mehr auf dem Buckel!“

„Na, wie ich mich da freue“, murmelte er. Die Kerzen auf der Torte stimmten nicht mit der Zahl seines Jahrestags überein, aber das störte ihn nicht weiter. Was ihn vielmehr störte war… Ja, was eigentlich?

In seiner Kindheit hatte er von einem merkwürdigen Brauch gehört, der in vielen Teilen des Imperiums noch immer praktiziert wurde und der aus der Frühgeschichte der Menschheit zu stammen schien. Und der, streng genommen, für ihn nie wirklich Sinn ergeben hatte. Da feierte man nämlich seinen „Geburtstag“, also den Tag, an dem man geboren worden war. Völliger Quatsch, hatte er schon als Kind gedacht, als er davon gehört hatte. Wo lag denn da der Sinn? Und vor allen Dingen, was konnte man denn dafür? Als hätte man selbst einen Beitrag dazu geleistet, geboren zu werden. Gut, an dem, was sie hier auf Oxford feierten, hatte man eigentlich auch keinen großen Anteil, aber irgendwie schien es doch vernünftiger zu sein, da es sich dabei immerhin um die Person drehte, um die es auch ging. Anders als bei diesem merkwürdigen Geburtstagsritual, denn da sollte man doch streng genommen nicht das Kind feiern, sondern die Mutter, die dieses Kind zur Welt gebracht hatte.

Möglicherweise war das der Grund gewesen, dass man, als man sich auf Oxford niederließ und eine Kolonie gründete, mit der Tradition brach und eine neue einführte. Da Oxford nach irgendeiner Schulstadt oder etwas ähnlichem benannt war, die Meinungen dazu gingen ein bisschen auseinander, da das Wissen über die Erde im Laufe des Imperiums bestenfalls schwammig geworden war, handelte es sich also um einen kleinen Außenposten, auf dem sich eine Vielzahl Wissenschaftler niedergelassen hatte. Und eine der Hauptrichtungen, die man hier verfolgte, war die Genetik. Die komplette Biologie des Menschen. Medizin, Vererbung, das ganze Programm. Man hatte mehr Geheimnisse über den menschlichen Körper entschlüsselt, als einem lieb sein konnte – und man hatte einen Weg gefunden, bestimmte Entwicklungen vorauszusagen. Oder eher vorauszuberechnen. Mit haargenauen Ergebnissen. Es gab Völker, zum Beispiel die immer ein wenig aufdringlich erscheinenden Schto, die den Oxforderianern unterstellten, sie hätten statt Biologie die Zeit studiert und heimlich eine Zeitmaschine entwickelt, die es ihnen ermöglichte, ihre „genauen Berechnungen“ zu machen. Doch so war es, ein wenig zum Unmut der Oxforderianer, die gerne einen Weg gefunden hätten, die Zeitmauer zu durchbrechen oder vielmehr einzureißen und sich damit neue Felder zu eröffnen, leider nicht. Sie waren hervorragende Wissenschaftler, aber eben nur Biologen und Genetiker. Und so war alles, was sie vollbrachten, eine Art genaue Karte eines menschlichen Lebens zu zeichnen. Nicht, welche Berufslaufbahn die betreffende Person einschlagen oder wen sie heiraten würde, aber doch, wann genau sie welche Krankheiten bekommen – und wann exakt sie sterben würde!

Am Anfang war man sich noch nicht ganz sicher gewesen. Hatte man wirklich das genaue Todesdatum des ersten Patienten bestimmt? Es schien so… unwahrscheinlich. Als gäbe es da nicht noch eine Menge anderer Faktoren. Wie zum Beispiel Krieg oder Streitereien, Ansteckung mit außerirdischen Geschlechtskrankheiten. Es gab immer Dinge, die einem die Statistik versauten. Doch nicht so auf Oxford. Der Planet lag ein wenig abgelegen, so wie eigentlich fast jeder Planet ein wenig abgelegen lag. Rege Zentren des Lebens, wo sich innerhalb weniger Lichtjahre gleich mehrere Planeten, die Leben beherbergen konnten, anhäuften, gab es nur wenige in der Galaxis. So musste man also immer Zeit investieren, selbst um seinen nächsten Nachbarn zu besuchen, und wenn das so war, überlegte man es sich zweimal, ob man ihm diesen Besuch auch wirklich abstatten sollte. So lag Oxford in der Ganges Provinz des Universums, der nächstgelegene Nachbar war ein Landwirtschaftsplanet mit kleiner Bevölkerung und wenig Reisedrang, dann gab es noch einen Schürfplaneten, auf dem man Metalle abbaute, um sie in die riesigen Schiffswerften von Dol Gulmur zu verschiffen und bis zur Hauptstadt der Provinz war es etwa 40 Lichtjahre hin, also auch da bestand wenig Aussicht auf einen Regen Verkehr. Das ermöglichte es Oxford, im Laufe der Jahre zu einem relativ in sich geschlossenen System zu werden, mit einer übersichtlichen Bevölkerung und wenig Einflüssen von außen. Was es den Wissenschaftlern wiederum ermöglichte, ebendiese ausbleibenden Einflüsse auszuschließen und zu dem Ergebnis zu kommen, dass ihre Ergebnisse vielleicht gar nicht so falsch waren.

Natürlich war Geduld einer der Hauptfaktoren, die zur Untermauerung dieser Theorie notwendig war. Aber die hatte man, und so sollte Dr. Wladimir Heinlein-Chow nie erfahren, dass er recht gehabt hatte – oder, er erfuhr es gewissermaßen „zwischen den Zeilen“. Als er auf seinem Sterbebett lag, um genau zu sein. Und zwar an dem Tag, für den er seinen Tod berechnet hatte. „Man wird mir nachsagen, ich habe Selbstmord begangen, um meine Theorie zu beweisen“, war der letzte Satz, den er hauchte, bevor er mit einem befriedigten Lächeln aus dieser Welt schritt. Womit er nicht ganz unrecht hatte, aber ein Team von Gerichtsmedizinern konnte keine Hilfsmittel in seinem Körper finden, die für den Tod verantwortlich gewesen sein könnten. Heinlein-Chow war eines natürlichen Todes gestorben – an genau dem Tag, für den er diesen Tod vorausgesagt hatte.

Das sollte auch noch für eine ganze Menge anderer Leute zutreffen, deren Tod der Doktor berechnet hatte. Sie alle starben eines natürlichen Todes – und sie alle starben zu dem vorherberechneten Zeitpunkt. Es sollte noch drei Jahrzehnte dauern, bis man sich sicher war – aber dann war man sich auch wirklich sicher. Sie hatten ein System gefunden, den biologisch-medizinischen Verlauf eines menschlichen Lebens zu berechnen und den Tod eines jeden Menschen auf den Tag genau festzulegen. Die Korken knallten so lange, bis man sich nach einer kurzen Euphorie bewusst wurde, was das bedeutete. Oder sich vielmehr bewusst wurde, dass man sich nicht bewusst war, was das bedeutete. Also wurde, wie es sich gehörte, umgehend eine Art Ethikkommission ins Leben gerufen – deren Haltbarkeit aber genauso beschränkt war wie ein menschliches Leben. Nur eben weit kürzer. Bevor man sich lang und breit die Köpfe heiß oder leer diskutierte, kam man zu dem Punkt, dass es eigentlich nur zwei Wege gab: Ja oder Nein. Sollte man das Wissen, das man über die Laufzeit eines menschlichen Lebens hatte, mit dieser Person teilen oder nicht?

Man vertagte sich für ein paar Jahre, um eine Feldstudie durchzuführen, in der Freiwillige ihr Sterbedatum erfuhren. Denn, so sagte die Wissenschaft, oder sonst wer, man konnte nur dann etwas verändern, wenn man wusste, dass man etwas verändern musste – und besser noch, was man verändern musste. Streng genommen wusste man aber beides nicht ganz so genau. Die Todesursachen, die man vorherberechnet hatte, waren allesamt nicht heilbar – und die Krankheiten, die heilbar waren, waren von dem Programm von vornherein als Todesursachen ausgeschlossen worden. Trotzdem wollte man „der freien Entscheidung des Menschen“ eine Chance geben, sich durchzusetzen. Wenn man wusste, dass man sterben würde, so die Theorie, würde man wahrscheinlich etwas dagegen unternehmen wollen. Gesünder leben, zum Beispiel. Weniger trinken, weniger rauchen, weniger Geschlechtsverkehr, oder nur mit Arten, die man persönlich kannte. Man beobachtete… und wurde enttäuscht. Selbst die, die meinten, ihren Lebensstil ändern zu müssen, konnten dadurch keine Veränderung erreichen. Man hatte, so schien es, nicht nur eine Prädisposition zu sterben, man starb einfach, so oder so, was auch immer man dagegen zu tun versuchte.

Die Ethikkommission erwog noch kurz, an einem sonnigen Nachmittag, kurz bevor man ins Wochenende aufbrach, um genau zu sein, ob man den Menschen die Wahl lassen sollte, über den Zeitpunkt ihres Ablebens zu wissen oder nicht, aber das war der Zeitpunkt, an dem der Vertreter der Vermarktungsabteilung des Planeten in die Runde warf, dass durch den Wegfall eines „Geburtstags“ auf Oxford ein enormes Potential an marktwirtschaftlicher Nutzung ausgerottet worden war und er stellte ihnen die Wahl, entweder per Dekret den Valentinstag zum Nationalfeiertag zu machen oder mit dem neu erworbenen Wissen ein neues, marktwirtschaftlich vielversprechendes Fest einzuführen. Da man schnell ins Wochenende wollte und es niemandem daran gelegen war, seiner oder ihrer Angetrauten ständig irgendwelchen Firlefanz als „Beweis der Liebe“ kaufen zu müssen, entschied man sich kurzerhand für letzteres und so wurde Oxford der erste – und einzige! – Planet, auf dem sich die Leute „einen schönen Todestag“ wünschten.

„Du siehst so bedrückt aus“, meinte Marnie.

„Ich mag halt keine Feiern. Ich bin in einem Alter… wo mir das nicht mehr so bekommt.“ Was, streng genommen, nur die halbe Wahrheit war. Es hing auch ein wenig damit zusammen, wie er feierte.

„Niemand hat doch im hohen Alter mehr Lust, seinen Geburtstag zu feiern“, hatte damals der Leiter des Komitees für Irgendwas gesagt, das man ins Leben gerufen hatte, um Leuten wie ihm etwas zu sagen zu geben, auch wenn sie keinerlei wissenschaftliches Talent hatten und aus irgendwelchen Gründen nicht in den Senat geschickt werden konnten. Auch für solche Leute musste es Aufgaben geben, hatte man beschlossen, selbst – oder gerade – wenn diese absurd und nichtig waren. Das Komitee für Irgendwas war ins Leben gerufen worden und sein Name hätte kaum treffender gewählt sein können. Außer vielleicht mit „Komitee für Nichtigkeit“, aber das hätte dann wohl selbst der oberflächlichste Politiker durchschaut. Und doch hatte der Leiter des Komitees an diesem Tag ausnahmsweise mal recht, denn wie ein Besuch auf anderen Welten des Imperiums, auf denen man den traditionellen Geburtstag feierte, zeigte, ging die Lust am Feiern in der Tat mit dem Alter ein wenig verloren. Es war nur ein weiteres Jahr, das man hinter sich gebracht hatte und die Zeiten, in denen man an einem solchen Tag auf den Putz gehauen hatte, waren lange vorbei. Die Freude, die kindliche Freude, war verloren gegangen. Außerdem hatte man festgestellt, dass Frauen das Altern schwerer aufnahmen als Männer und wenn es ein Medikament gegeben hätte, das sie bei einem bestimmten Alter hätte stehen lassen können, viele hätten es genommen. Die Abschaffung des Alterns in dem Sinne war also durchaus etwas, das der Bevölkerung von Oxford entgegenkam. Für die Akten musste aber das Geburtsdatum aufgenommen werden, da die Zentrale Bürokratiestelle des Imperiums sicher erstaunt ihre metaphorische Braue gehoben hätte, wenn Oxford ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch avisierte Sterbedaten eingereicht hätte. Selbst mit einer Information, die gleichzeitig Geburts- und zukünftiges Sterbedatum enthielt, tat man sich schwer und so hielt man nach kurzem Zwiegespräch letzteres schlicht zurück.

Das System ließe sich nicht auf das ganze Imperium anwenden, hatte man, nach eingehender Untersuchung der durchaus interessanten Daten, gemeint. Und zu recht. Denn ein Pilot auf einem Jägerträger mochte bei einem Einsatz einen Tod finden, den seine biologische Uhr nicht angezeigt hatte. Es war, da war man sich einig, etwas, das nur in einem „überschaubar kleinen und geschlossenen Ökosystem“, wie es Oxford war, wirklich funktionieren konnte. Und das tat es erschreckend gut. Denn, was sich erst im Laufe der Zeit herauskristallisierte, war: Die Analyse um- und erfasste sogar psychische Veranlagungen. Darunter auch die Arten von Labilität, die zum Selbstmord führen konnten. Und das in manchen Fällen auch taten. Zum genau vorherberechneten Zeitpunkt. Spätestens ab da war klar, dass sich das System nicht irrte und dass man sich auf den Zeitpunkt seines Todes verlassen konnte. Der Tod war endlich ein zuverlässiger Begleiter geworden, der nicht überraschend zur Tür hereinschneite, sondern nach langer Vorankündigung pünktlich dann eintraf, wenn man ihn erwartete.

Natürlich gab es ein paar Leute, die anstrebten, mit diesem Wissen Schindluder zu treiben. Oder sie versuchten es zumindest. Aber wie kann man jemanden erschrecken, der sein genaues Todesdatum kennt? Indem man es vorverlegt? Kaum. Konnte man so jemanden erpressen? Auch das gestaltete sich schwierig. Man konnte ihm bestenfalls androhen, ihn vor seiner Zeit zu ermorden – doch auch das blieb aus, da die Kriminalität im Imperium im Allgemeinen und auf Oxford im Besonderen seit dem Verlassen der Erde doch sehr stark nachgelassen hatte. Die weitestmögliche Abschaffung von Geld tat ihren Beitrag dazu.

„Dein Alter?“ fragte Marnie. „Was für ein Alter?“

Das Alter spielte seit der Umkehrung der Feierlichkeiten eine weit untergeordnete Rolle. Man zählte nicht mehr in der Zeit, die man hinter sich hatte, sondern in der, die noch vor einem lag. Für Kleinkinder war das zunächst schwer verständlich – und tragisch für Kinder, die keine große Lebenserwartung hatten. Für die hatte man schnell einen anderen Weg gefunden. Kinder, von denen man wusste, dass sie nur 8 oder 12 Jahre alt werden würden, bekamen ein Phantasiedatum in weiter Zukunft, um sie vor der Angst vor dem eigenen Tod zu schützen. Man machte ihnen vor, dass sie älter werden würden. Es war eine Lüge, aber sie hatte sich für alle Beteiligten als vernünftig herausgestellt. Ein gesundes Kind dagegen, das seinen „83.“ feierte, freute sich einfach über Feier und Geschenke, bis es dann später, wenn es alt genug war, erfuhr, dass das die Anzahl der Jahre war, die ihm noch bleiben würden.

Frank dachte nach. Er wusste, wie er alt er war. Oder er konnte es zumindest ausrechnen. Er wusste, wann er geboren war, also… aber eigentlich spielte das keine Rolle. Wichtig war, wie lange ihm noch blieb. Und das waren 17 Jahre, auf den Tag genau. 17 Jahre, in denen er machen konnte, was er wollte.

Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Es hatte durchaus auch eine Menge Vorteile, wenn man wusste, wie viel Zeit einem noch blieb. Man konnte sein Leben völlig anders gestalten. Der Tod war keine Unbekannte mehr, er war fester Bestandteil des Lebens, ein Zielpunkt, auf den man hinarbeiten konnte. Es gab keinen Grund mehr, sich jahrelang mit irgendwas herumzuschlagen, in dem Unwissen, wann das alles endlich vorbei sein würde. Man wusste, wann es vorbei sein würde. Und wenn man den Rest seines Lebens in Saus und Braus verbringen wollte, dann konnte man das tun, denn man wusste, wie lange der Spaß noch anhalten würde.

Auch die Marktwirtschafstabteilung hatte die Veränderung auf Oxford mit Freude aufgenommen. Ihr Plan, wenn sie denn einen gehabt hatte, war aufgegangen. Die Menschen feierten wieder – und nicht zu knapp. Was früher „mit steigendem Alter“ geheißen hätte, war heute ein „mit nahendem Tod“, oder, wie es in einer alten, leider nicht vergessenen Sprachform hieß: „Je oller je doller.“ Was bedeutete, dass man als junger Mensch stark feierte, weil man eben ein junger Mensch war und die feierten halt gerne – aber auch, je näher das Ende rückte. Hatte man auf anderen Welten des Imperiums mit steigendem Alter keine Lust mehr, seinen Jahrestag zu feiern, so war das auf Oxford anders. Man wusste, wie wenig Zeit einem noch blieb, also wollte man die voll auskosten. Je älter man wurde, und je näher man seinem Abtrittstermin kam, umso wilder wurden die Feiern. Fast so, als gäbe es kein morgen – was ja nur bedingt richtig war. Man wollte das Leben in vollen Zügen genießen – oder in den letzten Zügen. Fast schien es so, als gingen die Menschen auf Oxford leichter in den Tod als auf anderen Planeten, denn nur wenige verbrachten ihre letzten Stunden auf dem Sterbebett oder in irgendeinem Krankenhaus, viele gingen mit einem guten Gefühl – und einem relativ hohen Blutalkoholspiegel. Das Leben, so sagte man, wurde dadurch wertvoll, dass es endlich war – aber es wurde für die meisten leichter dadurch, dass sie genau wussten, wann dieses Ende kam.

Frank war eine der wenigen Ausnahmen. Er hatte als Kind die falschen Bücher gelesen und empfand den Tod als eine Gefahr. Während sich die anderen an ihrem Todestag ihres Lebens freuten, sah er nur die wenige Zeit, die ihm noch blieb. Es war eine tickende Uhr, deren Ticken er nicht aufhalten konnte. Er steckte in einer Falle, ohne Ausweg. Der Sensenmann wusste, wann er ihn abholen sollte und er würde da sein, soviel stand fest. Nichts konnte ihn aufhalten, nichts würde ihn aufhalten. Worin andere eine Chance sahen, war für Frank ein Gefängnis, ein Weg des Unausweichlichen, ein Schicksal, dem er nicht entkommen konnte.

„Wollen wir nun feiern oder nicht?“ wollte Marnie wissen und wedelte mit der Flasche.

Er hätte eine Antwort auf diese Frage gehabt. Oder… eine darauf, wie es war, dem Schicksal eins auszuwischen. Denn es war nicht ganz ohne Grund, dass er der Sache mit dem sicheren Tod ein wenig kritisch gegenüberstand. Sie hatten einen guten Freund gehabt, Ingmar Pudelowski. Der war ein fröhlicher Knabe gewesen. Hatte das Leben geliebt. Und hatte sich einen Scheiß um sein Todesdatum geschert.

„Ist doch super“, hatte er gesagt und breit gegrinst, „das macht das Leben doch viel einfacher!“

„Wieso?“ hatte Frank gefragt.

„Weil dir doch alles egal sein kann“, kam es grinsend zurück. „Okay, du solltest kein Russisch Roulette spielen oder so was, denn es ist ja nicht so, dass das Ende des Lebens mit einer Zeitmaschine bestimmt wurde… oder?“

„Nein, wurde es nicht.“

„Na also“, hatte er fröhlich gerufen, „dann ist das einzige, was wir nicht tun dürfen, irgendwelchen Scheiß zu machen, den wir nicht kontrollieren können. Ich meine, wenn ich dank einer Zeitmaschine wüsste, dass ich erst in 43 Jahren sterben würde“, Ingmar hatte gerade seinen 43. gefeiert, er hatte also noch eine Menge vor sich, „dann könnte ich mir die Pistole an den Kopf setzen oder ohne Raumanzug aus dem Orbit springen, und wir alle würden wissen, dass mir das nichts anhaben könnte.“ Er tippte sich an die Stirn, eine Geste, die er mal in einem alten Film gesehen hatte. „Aber ich bin ja nicht blöd. Also mach ich son Scheiß natürlich nicht. Aber alles andere“, er griff nach einer Flasche, „kann mir nichts anhaben! Und darauf trink ich.“

Sie stießen miteinander an und Ingmar verbrachte drei Jahre in einem alkoholisierten Rausch, bis er unerwartet eine Treppe herunterfiel. Er fiel in ein Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Man hielt seinen Körper noch 40 Jahre bis zu seinem Todestag am Leben, so sah es das Gesetz vor.

„Ob er sein Leben so genießt?“ murmelte Frank.

Marnie seufzte nur. Immer an Franks Todestag kam dasselbe Thema auf. Geistig tot, aber künstlich am Leben erhalten. Ihr System war eben nicht perfekt. Obwohl es, wie sie fand, so manchen Vorteil bot. Besonders für Liebende. Es gab sogar die entsprechenden Kennenlernpartys dafür. Dort lernte man nicht Leute im gleichen Alter wie man selbst war kennen, sondern Leute mit dem gleichen Todesjahr. Und wenn man sich in einen davon verliebte, dann wusste man, dass man wahrscheinlich bis ans Ende zusammen sein würde, weil man im gleichen Jahr starb. Natürlich hatte das auch schon zu sehr merkwürdigen Paarungen geführt, wenn der Bräutigam 40 Jahre älter war als die Braut – aber andererseits konnte man ihr dann nicht vorwerfen, dass sie ihn nur wegen seines Geldes heiratete. Wenn Geld in dieser Gesellschaft noch eine Rolle gespielt hätte.

Sie schniefte. Dies war auch immer einer der beiden Tage im Jahr, wenn sie sich eingestand, dass sie Frank etwas vorgelogen hatte. Sie hatte ihm immer das Gefühl gegeben, dass er weniger Jahre vor sich hatte als sie. Doch das stimmte nicht. Sie hatte über ihr Todesdatum gelogen. Doch irgendwann würde ihn ein weiterer Schlag treffen, der noch mehr zu seiner Deprimiertheit beitragen würde. Sie hatte ihm gesagt, sie wäre 21, aber in Wirklichkeit war sie 5. Sie würde also 12 Jahre vor ihm sterben – und sie wusste, dass ihm das sehr zu schaffen machen würde. Aber noch mehr würde es ihm zu schaffen machen, wenn sie es ihm früher gestehen und er die nächsten fünf Jahre daran knabbern musste. Ach, dachte sie manchmal, wenn es doch eine Medizin dagegen geben würde. Aber die gab es nicht. Es gab keine Heilung für den Tod. Er war die eine Konstante im Universum, die für alle galt.

„Na gut, feiern wir“, sagte Frank leise. Warum auch nicht? Er hatte noch 17 Jahre, die der Tod nicht an seine Tür klopfen würde, und wenn er sich nicht so blöde anstellen würde wie Ingmar, dann konnte er diese Zeit vielleicht auch genießen. Immerhin… Er sah Marnie an. Ja, immerhin hatte er eine schöne Frau an seiner Seite. Und er würde sie bis ans Ende lieben. Bis an sein Ende. Er würde sie nie verlieren, musste sich nie mit ihrem Verlust auseinandersetzen, musste sie nie betrauern. Es würde ihn zerstören, sie zu verlieren, das wusste er, denn sie war das einzige, das ihm ein bisschen Freude in sein Leben brachte – und Motivation, zu leben. Ohne sie hätte das alles noch weniger Sinn, als es ohnehin zu haben schien. Ohne sie… gab es keinen Grund mehr, zu leben.

Sie tat ihm ein bisschen leid, dass er vor ihr sterben und sie diesen Gefühlen aussetzen musste, aber vielleicht konnte er sie ja in 15 Jahren so schlecht behandeln, dass sie ihn hasste und sich von ihm trennte und dann konnte er in dem guten Gefühl sterben, ihr nicht weh getan zu haben. Zumindest nicht mit seinem Tod. Ja, gestand er sich ein, das war eine gute Idee. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Das war es, das hatte er gebraucht: Ein Weg, wie er, einen Weg, warum er die nächsten 17 Jahre genießen konnte. Nun hatte er ihn gefunden. Das Lächeln wurde langsam breiter und Marnie sah ihn irritiert an. Ja, dachte er, das war der Knackpunkt gewesen, das Hindernis, aber jetzt hatte er das Problem gelöst. Er hatte einen Grund gefunden, warum er sein Leben von jetzt an wirklich genießen konnte, denn nun hatte er ein Ziel. Es war herrlich. Es war die Lösung. Es war perfekt. Kein Grund mehr, deprimiert zu sein.

Er hob sein Glas, lächelte sie an und sagte sanft: „Was würde ich nur ohne dich machen?“

Das schöne war: Er würde es nie erfahren.

„Auf uns. Das ist der beste Todestag meines Lebens!“

Die nächsten 17 Jahre würden großartig werden – und nichts konnte das verhindern!

Die einsame Sonne

„Also, was haben wir da?“ fragte Captain Lee und beugte sich zu dem Bildschirm herunter.

„Das ist… etwas merkwürdig“, meinte der Navigator.

„Sonst hätten Sie mich doch wohl nicht bei meinem verdienten Schlaf gestört, oder?“

„Sie haben geschlafen, Sir?“

„Wie spät ist es, Pispers?“

„Drei Uhr morgens?!“

„Ja, da hab ich geschlafen. Also was ist so wichtig, dass es mitten in der Nacht meine Aufmerksamkeit erfordert?“

Was eine, zugegebenermaßen, recht altertümliche Redewendung war. Zumindest, wenn man sich auf einem Raumschiff befand. Denn um sie herum herrschte eigentlich ewige Nacht und auch die Einhaltung einer Art traditionellen Tag-Nacht-Rhythmusses war im Weltraum nur bedingt sinnvoll. Auf einem Planeten spielte sich das Meiste am Tage ab, das war man so gewöhnt. Aber wenn man mit einem Schiff zwischen den Sternen herumschipperte, dann wurden feste Uhrzeiten schlichterdings unmöglich. Es war… kompliziert.

Was zum Beispiel, wenn man Londons Hauptstadt besuchte?

Dort war es 15 Uhr Ortszeit.

Die Uhrzeit an Bord mochte aber 1 Uhr nachts sein. Dann hatte man schon Probleme mit der Zeitumstellung.

Flog man um 15 Uhr von dort ab mit 1 Uhr Schiffszeit, traf man vielleicht auf Oxford um 4 Uhr in der Nacht ein.

Aber an Bord war es dann 17 Uhr.

Zeit war relativ und sie wurde durch das Herumreisen durch den Raum noch weit relativer. Und Unfälle oder, was jedoch sehr selten vorkam, Angriffe von anderen Schiffen, würden sich auch nicht daran halten, welche Uhrzeit gerade auf dem Schiff herrschte, auf dem sie passierten. Tag und Nacht waren also reine Tradition, für eine Arbeit im Weltraum waren sie aber in der Tat eher hinderlich. Doch der Körper brauchte sie.

„Tut mir leid, Sir.“

„Na macht ja nichts. Also was haben Sie für mich?“

„Eine Sonne.“

„Hab schon mal eine gesehen.“

„Es ist mehr ihre Position als ihre…“

„Farbe?“ versuchte der Captain zu helfen.

„Zum Beispiel.“ Pispers lächelte aufgeregt und deutete auf den Bildschirm. „Sehen Sie, wir sind hier.“ Er gab ein paar Dinge ein und schon entstand auf der Brücke des Schiffes ein schönes Hologramm. Ihr Schiff befand sich am äußersten Rand der Galaxis. Oder vielmehr an einem davon. Die Galaxie war eine Spirale mit vielen Armen und sie hatten einen kleinen Abstecher an den Rand eines dieser Arme gemacht, um herauszufinden, ob es dort irgendetwas Interessantes gab. Bisher waren sie leer ausgegangen, aber das hatte sich möglicherweise gerade geändert. „Und die Sonne ist… hier.“ Der Navigator gab etwas ein und die Ansicht des Spiralarms verkleinerte sich. Sie wurde kleiner und kleiner und dann endlich erschien ein kleiner Punkt, irgendwo im Nichts.

„Was?“ zischte der Captain.

„Die Sonne liegt weit außerhalb unserer Galaxis“, erläuterte Pispers. „Irgendwo in der Leere zwischen den Galaxien.“

Lee starrte das Hologramm fasziniert an.

„Mitten im Nichts?“

„Mitten im Nichts, Sir“, lächelte der Navigator.

„Ist sie Teil unserer Galaxie?“

„Ich glaube nicht, Captain. Ich habe noch zu wenige Daten, um das mit Sicherheit sagen zu können, aber ich würde vermuten, sie ist Teil keiner Galaxie. Sie ist ganz für sich allein und bewegt sich in ihrer eigenen Bahn. Möglich, dass sie mal zu einer der Galaxien gehört hat und im Laufe der Jahrmilliarden abgedriftet ist. Aber im Moment…“

„…ist sie einsam da draußen.“

„Ja, Sir.“

Captain Lee lächelte. Das war tatsächlich eine interessante Entdeckung.

Im Laufe der nächsten Tage versuchte die Besatzung, so viele Informationen über die einsame Sonne zusammenzutragen, wie das von ihrer Position möglich war. Das Ergebnis war ein wenig unzufriedenstellend.

„Also, was haben wir?“

Pispers seufzte enttäuscht.

„Mehr nicht?“

„Nicht viel mehr, Sir“, murmelte er müde. Seit er die Sonne entdeckt hatte, hatte er wenig Zeit mit Schlafen verschwendet. Umso enttäuschter war er, dass sich ihr Wissen sehr in Grenzen hielt. „Die Sonne liegt in der Leere zwischen unserer und ein paar anderen Galaxien. Aber…“

„Aber was, Pispers?“

„Aber das hilft uns auch nicht besonders.“ Der Navigator zuckte die Schultern. „Sehen Sie, wenn sie weiter weg läge, quasi in der Mitte des Leerraums, dann wäre sie ein phantastischer Zwischenstopp. Man könnte dort einen Außenposten errichten und ihn als Sprungbrett in andere Galaxien benutzen.“

„Aber?“

„Von unserer jetzigen Position brauchen wir etwas über zwei Jahre, um die Sonne zu erreichen. Wenn wir mit höchster Geschwindigkeit fliegen.“

Zwei Jahre war eine lange Zeit – aber nicht lang genug, da hatte Pispers recht. Und damit waren nicht Lichtjahre gemeint, sondern ein vielfaches davon. Man war in der Lage, sich mit recht hohen Geschwindigkeiten zu bewegen, die die Lichtgeschwindigkeit vergleichsweise langsam wirken ließen – was sie, in galaktischen Dimensionen, auch war. Entfernungen, die über bestimmte Weiten hinausgingen, gab man daher nicht mehr in Lichtjahren an, sondern man berechnete die Reisezeit bei Höchstgeschwindigkeit, damit man eine ungefähre Vorstellung davon hatte, ob sich die Reise lohnen würde oder nicht. Wenn die Sonne also nur zwei Jahre von ihrer Galaxie entfernt war, brauchten sie immer noch ein paar Jahrzehnte, um die nächstgelegene Galaxie zu erreichen, bestenfalls. Wäre sie zehn Jahre entfernt gewesen, oder 20, dann hätte sie vielleicht einen Wert für sie gehabt. Aber so?

„Ja, da haben Sie recht, von dem Standpunkt ist sie für uns wertlos“, stimmte Lee zu. „Hat sie denn Planeten?“

„Es ist sehr schwierig, auf diese Entfernung Daten zu bekommen. Das, was wir ausgewertet haben, deutet darauf hin, dass es einen Planeten gibt.“

Immerhin etwas.

„Ich arbeite daran, seine Größe und Umlaufbahn zu berechnen.“

„Gut, machen Sie weiter damit.“

„Und dann, Sir? Legen wir es zu den Akten?“

„Oh nein, Pispers, Sie haben eine Sonne entdeckt und die sollte doch wohl nach ihrem Entdecker benannt werden, oder?“

Der Navigator wurde rot.

„Und da es im Moment unsere Aufgabe ist, herauszufinden, ob es hier draußen irgendwas gibt, werden wir der Sonne einen kleinen Besuch abstatten.“

„Was, Sir?“

„Okay, nicht wir direkt, die Admiralität wäre sicher ein bisschen ungehalten, wenn wir uns für vier Jahre vom Dienst verabschieden und einen kleinen Abstecher in die unendlichen Weiten der unendlichen Weiten machen. Aber wir werden eine Sonde da rausschicken. Wenn es wirklich einen Planeten gibt, dann wird irgendjemand wissen wollen, ob man ihn ausbeuten kann.“

Die nächsten Schritte stellten sich als überraschend kompliziert heraus.

„Wir schicken eine Sonde?“

„Dafür sind die Dinger ja da.“

„Wo ist dann das Problem?“

„Wofür die Dinger nicht da sind. Und das sind derart hohe Geschwindigkeiten.“

Eine gewöhnliche Sonde würde weit länger als die zwei Jahre brauchen, die ihr Schiff zu der einsamen Sonne unterwegs wäre. Prinzipiell war das egal, weil sie sich dort eh keine großen Entdeckungen erhofften, aber andererseits wollte man auch wissen, womit man es zu tun hatte und wenn man da mehr als zehn Jahre auf erste Informationen warten musste, war das ein bisschen deprimierend.

„Aber ich habe eine Idee“, lächelte der Captain.

„Und die wäre?“

„Wir… machen es auf die altmodische Methode.“

Sie lebten in einem Zeitalter, in dem vieles altmodisch war, das half also nicht weiter.

„Wissen Sie, was eine Steinschleuder ist? Oder ein Katapult?“

Der Navigator dachte angestrengt nach. „Eigentlich nicht“, sagte er dann, „aber aus meinem Studium weiß ich, was ein Katapultmanöver ist, also… worauf wollen Sie hinaus, Captain?“

Lees Lächeln wurde breiter.

„Wir schieben die Sonde ein wenig an.“

„Wir… was?“

„Sie, mein lieber Pispers, berechnen die genaue Entfernung, Umlaufbahn, alles, was Sie über die einsame Sonne und ihren Planeten haben.“

„Ja, und dann?“

„Dann nutzen wir die Vorteile des Weltraums: Schwerelosigkeit.“ Lees Lächeln wurde breiter. „Auf einem Planeten könnten wir so was nicht machen, aber hier draußen, wo es keinen Luftwiderstand gibt, sollte das eigentlich ganz gut funktionieren. Wir bringen die Föhr auf Kurs, oder vielmehr auf einen Kurs, wo sich die Sonne in etwa zwei Jahren befinden wird. Und wenn ich etwa sage, meine ich exakt! Wir beschleunigen auf Hyper und setzen die Sonde auf Kurs ab…“

„…und die Sonde fliegt mit maximaler Hypergeschwindigkeit zur einsamen Sonne.“ Der Navigator nickte anerkennend. „Da ist nur ein kleines Problem.“

„Und das wäre?“

„Unsere Daten über Umlaufbahn und Gravitation des Systems sind, nun, ein wenig dürftig. Wenn wir selbst hinfliegen würden, wäre das kein Problem, da könnten wir beim Anflug korrigieren. Aber bei der Sonde wird das schwierig. Die hat zwar genügend Treibstoff, um auf der ganzen Strecke Kurskorrekturen vorzunehmen, aber wenn es zu Komplikationen kommt, haben wir bei der Ankunft der Sonde keinen Kontakt. Sie muss das Anflugmanöver also selbst durchführen.“

„Kann man sie darauf programmieren?“

„Wenn nichts Unvorhergesehenes eintrifft, eigentlich schon.“

„Und wann ist noch nie etwas Unvorhergesehenes eingetreten?“

„Eben das ist das Problem!“

Sie brachten die Sonde auf den Weg.

„Wann wird sie da sein?“

„In zwei Jahren vier Monaten und drei Tagen.“

„Wann werden wir ihre Daten empfangen können?“

„Etwa drei Wochen später.“

„Dann berechnen Sie, wann genau das sein wird und geben Sie die Daten an die Admiralität weiter, damit zu dem Zeitpunkt irgendein Schiff hier sein wird, um alles über ‚Pispers’ und ihren Planeten ‚Lee’ zu erfahren.“

„Und was machen wir in der Zeit?“

„Unser Ausflug an den Rand ist erstmal zu Ende, wir wurden zurück nach Rio de la Plata gerufen, um uns da um irgendeine Angelegenheit zu kümmern. Immerhin sind wir das einzige Schiff in der Provinz. Und die einsame Sonne… läuft uns nicht weg.“

Etwas mehr als zwei Jahre später kehrte die IF Föhr an den Rand der Galaxie zurück. In der Rio de la Plata Provinz war es derzeit ruhig und man hatte genug Zeit, einen kleinen Abstecher in die nahegelegenen Außenbereiche zu machen, um die Daten der Sonde aufzufangen. Wenn alles gut lief, wollte man auch Karls Ruhe in der Mekong Provinz einen Besuch abstatten, einen Besuch, der offensichtlich schon lange überfällig war, doch dann kamen die Daten rein und das Ergebnis war ein bisschen…

„Verdammt!“

„Was, Pispers?“

„Etwas… Unvorhergesehenes?!“

„Wie erwartet“, seufzte der Captain. „Was ist es?“

„Die Gravitation scheint sich irgendwie merkwürdig auf die Sonde ausgewirkt zu haben.“

„Inwiefern?“

„Es sieht so aus, als hätte die Sonde beim Anflug eine ganze Menge Kurskorrekturen ausführen müssen.“

„Hat sie das geschafft?“

„Ja“, nickte der Navigator, „das Problem ist nur, dass sie dabei mehr Treibstoff verbraucht hat, als sie zur Verfügung hat. Das Schöne war, dass eine Sonde, ist sie einmal unterwegs, eigentlich kaum noch Treibstoff verbraucht, da sie ja ohne Luftwiderstand weiterfliegen kann. Theoretisch hätte der vorhandene Treibstoff also reichen müssen, um sie am Ziel entsprechend abzubremsen. Nun war sie aber ein bisschen schneller als eine Sonde für gewöhnlich ist und musste ein paar mehr Korrekturen machen als erwartet.“

„Sie ist also am System vorbeigerast?“

„Nein, sie ist auf den Planeten geknallt.“ Pispers deutete auf den Bildschirm, auf dem die aktuellen Daten der Sonde eintrafen, wobei „aktuell“ bedeutete: „drei Wochen alt“. Anhand dieser Informationen hatte der Navigator bereits errechnet, dass die Sonde mit dem Planeten kollidieren würde, noch bevor die entsprechenden Daten bei ihnen angekommen waren. Er sollte recht behalten.

„Tja, schade“, meinte der Captain nur.

„Ich hoffe nur, dass sie bis zum Ende sendet.“

Das tat die kleine Sonde. Man konnte ein paar Daten der Sonne und ein paar über den Planeten erhaschen. Es ermöglichte ihnen, im Computer ein genaues Modell des Sonnensystems zu erstellen, das weit präziser war als das, das auf Pispers Berechnungen beruhte. Über den Planeten waren die Informationen leider ein wenig dürftig. Er hatte eine feste Masse, möglicherweise Gestein, das mit Eisen durchsetzt war, eine dünne Atmosphäre, tiefe Minusgrade, nichts, wo man als Mensch leben konnte oder wollte. Lees Begeisterung darüber, was nach ihm benannt worden war, hielt sich in Grenzen. Sie wollten sich gerade wieder auf den Weg in ihre Provinz machen, als Dr. Sanders, der Biologe, auf die Brücke gestürmt kam.

„Captain“, rief er aufgeregt, „wir haben etwas gefunden!“

Es war nicht viel, aber das musste nichts heißen. Die Daten der Sonde waren nicht gerade umfangreich gewesen.

Der Captain sah den Biologen fragend an.

„Also?“

„Wir haben etwas Biologisches gefunden.“

„Leben?“

„Eine Zivilisation?“ mischte sich Pispers aufgeregt ein.

„Zu wenig Informationen“, sagte Sanders nur und das war seine Antwort auf alle ihre Fragen.

„Sie wissen also nicht, ob es lebt oder tot ist, ob es groß ist oder klein, intelligent oder wild?“

„Nein.“

„Was wissen Sie dann?“

„Dass es da ist.“

„Und das wissen Sie mit Bestimmtheit?“

Der Doktor deutete auf die Daten, die er aus dem Strom der Sonde herausgelesen hatte. Sie besagten exakt das, was er gesagt hatte. Da war etwas Biologisches.

„Könnte es…“

„Es könnte alles sein, Captain“, unterbrach Sanders schnell. „Eine Zivilisation, eine Fauna, vielleicht auch nur Bakterien. Die Daten geben nicht mehr her. Vielleicht ist da mehr und die Biosensoren haben nur einen Hauch davon aufgeschnappt, vielleicht ist dieser Hauch aber auch alles, was da ist. Tatsache ist, dass die Biosensoren etwas aufgeschnappt haben.“

Captain Lee seufzte. Dann wurde ihm etwas bewusst. Er seufzte wieder, aber diesmal anders.

„Captain?“ fragte Pispers besorgt.

„Was, wenn da eine schöne, große, friedliche Zivilisation lebt?“

„Das wäre doch toll!“ meinte der Navigator.

„Ja? Und wie reagiert die wohl darauf, wenn eine unserer Sonden mit hoher Geschwindigkeit auf ihren Planeten knallt?“

„Oh!“

„Das bedeutet, wir könnten eine komplette Zivilisation ausgelöscht haben. Oder sie dazu bringen, einen Krieg gegen uns zu beginnen, nur, um sich für diesen Anschlag zu rächen.“

„Das… wäre…“

„Ja, so sehe ich das auch.“ Der Captain nickte. „Okay, Sanders, versuchen Sie, ob Sie aus den Daten noch irgendwas rausziehen können, das uns weiterhilft.“

Der Biologe schüttelte den Kopf. Mehr Informationen gab es nicht.

„Gut, dann werde ich mich mal mit der Admiralität in Verbindung setzen.“

„Warum?“

„Weil wir ein Schiff da raus schicken müssen. Denn wir sollten herausfinden, ob wir irgendeine fremde Zivilisation ausgelöscht haben!“

Die Admiralität war nicht sonderlich erbaut über die Situation. Weder darüber, dass man ein ganzes Volk vernichtet haben könnte, noch, dass man eine Fregatte aus der Provinz abziehen sollte, in der sie das Imperium vertrat, und das für mindestens vier Jahre.

„Wir haben keinen unermesslichen Vorrat an Schiffen“, hatte Admiral Yilmaz gesagt. „Noch nicht.“ Dann hatte er gelächelt. „Wie Sie vielleicht wissen, hat man vor langer Zeit ein System gefunden, dass man Dol Gulmur genannt hat. Ein Planet, der riesig ist und der, wie sich inzwischen herausgestellt hat, mehr Eisen hat, als wir jemals gesehen haben. Das ganze Sonnensystem ist so. Da muss vor Jahrmilliarden irgendwas schlimmes passiert sein, denn da gibt es ein riesiges Trümmerfeld, das so viel Eisen und Metalle enthält, dass wir davon eine Flotte bauen könnten, die die drei Zentralplaneten umschließen könnte… wenn wir so was wollten.“ Dann hatte er geseufzt. „Aber im Moment ist unsere Flotte recht übersichtlich und da können wir Sie nicht für mehr als vier Jahre entbehren.“

„Sowas hab ich mir schon gedacht“, hatte Lee geantwortet. „Und ich bin mal die Liste unserer Schiffe durchgegangen.“

„Haben Sie dabei was Interessantes gefunden?“

„Die Seepferdchen unter Captain Evanika.“

Der Admiral hatte die Daten aufgerufen.

„Ein Forschungsschiff.“

„Ja. Und eins, das sich mehrmals darüber beklagt hat, das sie mehr Informationen gesammelt haben, als sie jemals auswerten können.“

„Ja, und?“

„Warum geben wir ihnen nicht ein bisschen Zeit für die Auswertung?“

Bevor sich die IF Seepferdchen auf den Weg gemacht hatte, hatte sich Lee mit ihr am Rand der Galaxis getroffen.

„Wollen Sie mich loswerden?“ hatte Captain Evanika gelächelt.

„Aber Claudette, warum sollte ich?“

„Sie meinen also, bei dieser einsamen Sonne besteht keine Gefahr?“

„Das wissen wir nicht, ehrlich gesagt“, hatte er zugegeben. „Wir wissen so gut wie gar nichts. Ich dachte lediglich, Sie und Ihre Besatzung wollten ein bisschen Zeit haben, um all Ihre gesammelten Daten auszuwerten.“

„Vier Jahre?“ Die Kapitänin nickte. „Nein, uns wird unterwegs wohl nicht langweilig werden.“

„Das war der Gedanke dahinter.“

„Keine dumme Idee, Lee.“

„Aber seien Sie vorsichtig, wenn Sie sich dem Planeten nähern.“

„Wegen der Gravitation?“

„Wegen allem. Wir wissen nicht, was Sie da erwartet, und wenn es wirklich eine Zivilisation sein sollte, die uns aus verständlichen Gründen feindlich gesinnt wäre, dann machen Sie kehrt, bevor die Sie auch nur entdeckt haben.“

Evanika nickte. „Wir sind schon vorsichtig.“

„Gut. Und, Claudette… schreiben Sie mal ne Karte!“

Während sich die Föhr wieder auf den Weg in die Rio de la Plata Provinz machte, um dort ihren Patrouillendienst zu versehen, trat die Seepferdchen eine lange Reise an. Seit die Menschheit die Erde verlassen hatte, war man nicht so lange am Stück unterwegs gewesen – und genau wie damals mit einem ungewissen Ziel. Mehr als zwei Jahre pro Weg, das klang wie die Anfänge der menschlichen Raumfahrt, in der man offenbar Ewigkeiten gebraucht hatte, um überhaupt den Nachbarplaneten zu erreichen, in einer Zeit, in der die nächste Sonne ein unerreichbares Ziel war. Die Geschwindigkeiten waren größer, die Reisen kürzer geworden, aber es gab Ausnahmen. Andere Galaxien stellten neue Herausforderungen dar, die noch niemand in Angriff genommen hatte – und vielleicht auch niemals jemand in Angriff nehmen würde. Es gab genug in ihrer eigenen Galaxie, genug zum Leben, genug zu entdecken, also warum sollte man sich auf eine endlos lange Reise in Gebiete begeben, die einem möglicherweise auch keine neuen Informationen brachten?

Man hätte die einsame Sonne einsam sein lassen, wäre die Sonde nicht auf dem Planeten aufgeschlagen. Doch so stand die Möglichkeit im Raum, dass man für eine Katastrophe verantwortlich war – und man wollte die Verantwortung dafür übernehmen. Die Möglichkeit, dass man ein Volk dazu veranlassen sollte, einen Groll gegen die Menschheit oder gar gegen die ganze Galaxie zu hegen, weil man einen Fehler gemacht hatte, wollte man nicht eingehen. Also musste man sich vergewissern.

Wie sich herausstellte, hatte Captain Lee mit seiner Idee voll ins Schwarze getroffen. Die Besatzung der Seepferdchen war es leid, immer nur neue Daten zu sammeln, ohne überhaupt Kenntnisse aus den alten ziehen zu können. Vier Jahre lang waren sie von einem System zum anderen gereist und hatten die Schiffscomputer mit Daten gefüllt, über Planetenbewegungen, Sonnenaktivitäten, Flora und Fauna. Dinge, die ausgewertet werden wollten – und Dinge, die die Wissenschaftler auswerten wollten. Nun endlich hatten sie Gelegenheit dazu. Zwei Jahre Hinflug, in denen ihnen nicht einmal ein Asteroid begegnete. Sie stürzten sich auf die gesammelten Daten… und ehe man sich’s versah, näherten sie sich auch schon der einsamen Sonne.

„Geschwindigkeit langsam absenken“, befahl der Captain. Sie hatten die Daten der Sonde studiert. Es schien hier eine eigenwillige Gravitation zu geben. Zum Glück waren sie darauf vorbereitet. Ihr Anflug an den Planeten gestaltete sich ohne größere Schwierigkeiten. Alle Sensoren liefen auf Hochtouren. Wenn dort eine feindliche Flotte auf sie wartete, würden sie sie frühzeitig entdecken – und von hier verschwinden.

Doch da war nichts. Keine Flotte. Keine Begrüßung. Kein Lebenszeichen.

Vorsichtig näherten sie sich dem Planeten. Unter anderen Umständen hätten sie eine Sonde vorausgesandt, aber das schien bei der Vorgeschichte kein gangbarer Weg. Langsam kamen sie näher. Nichts.

Als sie in den Orbit einschwenkten, hatten sie den Planeten bereits dreimal umrundet. Ihre Sensoren sagten ihnen, dass da etwas mit großer Geschwindigkeit eingeschlagen war. Und, dass es kein Leben gab. Eine tödliche Strahlung hatte sich über den Planeten ausgebreitet. Man entdeckte die Biowerte, die Dr. Sanders gefunden hatte, aber sie zeigten nur an, dass es da etwas Biologisches gegeben hatte. Es waren die Reste von biologischen Substanzen. Und sie waren tot. Und da war noch etwas, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog…

„Was wollen Sie damit sagen?“ fragte Captain Lee seine Kollegin, als sie sich Jahre später am Rand der Galaxie trafen.

„Dieser Planet, den Sie ein wenig selbstherrlich nach sich benannt haben“, antwortete Evanika, „ist ein großer Klumpen Fels, mitten im Nichts.“

„Ja.“

„Und anders als viele andere Himmelskörper weist er keinerlei Krater auf.“

„Weil er so weit ab von allem ist, dass nichts auf ihn gestürzt ist?!“

„Ganz genau“, nickte die Kapitänin. „Wir haben den Einschlagsort der Sonde gefunden. Die hat einen großen Krater hinterlassen.“

„Das stand zu befürchten.“

„Aber, womit wir nicht gerechnet haben, da war noch ein anderer Krater.“

„Bitte?“ kam es überrascht von Navigator Pispers, der bei dem Gespräch anwesend sein durfte.

„Wir haben auf dem Planeten genau zwei Krater gefunden“, bestätigte Evanika. „Und die biologischen Reste, die Ihre Sonde gemeldet hat, die befanden sich in dem anderen Krater!“

Es stellte sich heraus, dass der Planet tot war. Es hatte dort nie Leben gegeben. Aber offenbar waren die Menschen nicht die ersten Lebewesen gewesen, die ihn entdeckt hatten. Ein anderes Raumschiff war vor ihnen dort gewesen. Offensichtlich hatte es die gleichen Schwierigkeiten mit der Gravitation gehabt wie die Sonne und offensichtlich war es ebenfalls mit unverminderter Geschwindigkeit auf der Oberfläche aufgeschlagen.

„Es hat einen riesigen Krater hinterlassen. Die biologischen Bestandteile, die die Sonde gefunden hat, sind die Besatzung und die Pflanzen, die das Schiff an Bord hatte.“

Niemand hatte den Aufschlag überlebt.

„Wir haben das, was von dem Wrack noch übrig geblieben ist, mit an Bord genommen. Es hat uns für den Rückweg gut zu tun gegeben.“ Sie lächelte. „Wir haben uns wieder nicht gelangweilt.“

„Haben Sie etwas herausgefunden?“

„Ja“, nickte die Kapitänin, „das haben wir.“

Leider stellte sich das als etwas übertrieben heraus. Tatsächlich hatten sie eher etwas gefunden als herausgefunden.

„Was ist das?“ fragte Lee irgendwo zwischen enttäuscht und irritiert.

„Das ist Keramik.“

„Und das bedeutet?“

„Das wissen wir nicht.“

„Und sonst?“

„Sonst… haben wir nicht viel“, gab seine Kollegin zu. „Das Schiff war zu stark zerstört. Die Leichen waren verbrannt. Keine Möglichkeit, ihre DNA zu untersuchen.“

„Also wissen wir nicht, wer sie waren oder woher sie kamen… oder warum sie überhaupt dort draußen waren?“

„Nein.“

„Konnten Sie wenigstens das Alter bestimmen?“

„Es ist lange her, dass sie dort heruntergekracht sind. Lange vor dem Imperium. Lange, bevor die Menschheit die Erde verlassen hat.“

Das war doch ein gewisser Anhaltspunkt. Lee dachte nach.

„Was war das mit der Keramik?“

„Das ist das einzige, was wir gefunden haben. Das Wrack war voll davon. Sagt Ihnen das was?“

„Nein“, lächelte der Captain, „aber vielleicht kenne ich da jemanden, bei dem das anders ist!“

„Ich begrüße Sie, alter Freund“, begrüßte Botschafter AndaaaNer seine beiden Gäste. „Gleich zwei Kapitäne des Imperiums? Was beschert mir denn diese Ehre? Oder befinden sich unsere Völker im Krieg miteinander und man hat vergessen, mich darüber zu unterrichten?“

„Nein“, lachte Captain Lee, „wir sind hier, weil wir eine Frage für Sie haben… oder ein Rätsel?“

„Das klingt weit angenehmer als Krieg“, meinte der Vierbeiner und bot den beiden Offizieren einen Platz an. AndaaaNer war ein Flegg, eins der ersten fremden Völker, das Kontakt mit den Menschen aufgenommen hatte, nachdem die sich über die Galaxie verstreut hatten. Die Flegg, hatte Lee das Gefühl, schienen ein merkwürdiges Interesse an den Menschen zu haben, aber er hatte nie herausgefunden, warum das so war. Sie waren aufgeschlossen und höflich, in manchen Dingen aber auch ausgesprochen verschlossen. Trotzdem waren die ersten Kontakte mit ihnen überraschend einfach verlaufen, weil sie offenbar ein Übersetzungsgerät entwickelt hatten, das sehr schnell lernte – und das sie den Menschen auch wenig später zur Verfügung stellten. Der Botschafter nickte den beiden zu, ließ sich auf seinen vier Beinen nieder und fragte: „Womit kann ich dienen?“

„Wir haben etwas gefunden“, begann Lee. „Eine Sonne, einen Planeten…“

„…und dann ein Schiffswrack“, ergänzte Evanika.

„Ich gratuliere Ihnen“, lächelte AndaaaNer.

Lee holte ein wenig weiter aus und erklärte ihm die Sache mit der einsamen Sonne. Dann erklärte Evanika die Sache mit dem abgestürzten Schiff.

„Das einzige, was wir bergen konnten, sind ein paar Trümmerteile und eine Menge Keramik“, endete sie und reichte dem Botschafter einen kleinen Beutel, in dem sich Bruchstücke von beidem fanden. AndaaaNer sah sie sich lange an, dann nickte er.

„Ich glaube, ich kann Ihnen da weiterhelfen“, sagte er langsam. „Ich nehme an, diese Bruchstücke sind sehr alt?“

Die Menschen nickten.

„Ich kann nur vermuten, aber ich habe eine Theorie, was sich damals abgespielt haben könnte. Diese Bruchstücke stammen von einem Volk namens Pres/Kavaer. Die waren immer große Künstler im Bereich der Keramik.“

„Was haben die da draußen gewollt?“

„Ich glaube, sie wollten sich verstecken.“

„Vor wem?“

„Nun, meine lieben Menschen, die Galaxis war nicht immer ein so friedlicher Ort wie… sie hoffentlich einmal werden wird“, lächelte er, was bei seinem wildkatzenähnlichen Gesicht ein bisschen merkwürdig wirkte. „Die Pres/Kavaer wurden von einem anderen Volk annektiert. Viele starben, einige flohen. Nicht alle kamen davon. Ich nehme an, eins ihrer Flüchtlingsschiffe hat die einsame Sonne entdeckt, genau wie Sie. Nur, dass die Pres/Kavaer eine stärkere Motivation hatten, dorthin zu fliegen, als Sie. Denn sie brauchten einen Ort, an dem sie der Feind nicht finden würde. Wie sehr müssen sie sich gefreut haben, als sie die einsame Sonne entdeckten? Ich nehme an, sie haben sich auf den Weg dorthin gemacht, damit man sie in Ruhe lässt und damit sie sich dort ungestört ein neues Leben aufbauen konnten. Hat man sie doch noch gefunden?“

„Nein“, widersprach Evanika, „die Gravitation ist in diesem System sehr merkwürdig. Wir nehmen an, sie haben zu Beginn ihrer Reise maximal beschleunigt und haben es an ihrem Ziel nicht geschafft, ihre Geschwindigkeit schnell genug zu verringern.“

„Traurig“, meinte der Botschafter. Er deutete auf die Fundstücke. „Darf ich das behalten?“

„Ja.“

„Danke. Ich werde es dem Botschafter der Pres/Kavaer zukommen lassen. Vielleicht können die anhand dieser Teile herausfinden, um welches Schiff es sich handelt. Vielleicht beantwortet das auch einige ihrer Fragen.“

Als das Shuttle mit den beiden Captains die Atmosphäre verließ und sich langsam auf ihre Schiffe zu bewegte, bemerkte Evanika, dass Lee gedankenverloren aus dem Fenster blickte.

„Worüber denken Sie nach?“

„Über die einsame Sonne.“

„Weil Ihr Name demnächst in allen Sternkarten auftauchen wird?“

„Nein, weil die Idee der Pres/Kavaer vielleicht gar nicht so schlecht war.“

„Finden Sie?“

„Ja. Wenn wir da draußen einen Stützpunkt hätten… dann wäre das doch eine sichere Zufluchtsstätte… falls mal etwas passiert.“

Wie sich herausstellte, sah die Admiralität das ein wenig anders. Der Aufwand war zu groß, der Planet zu weit weg, die Atmosphäre zu feindlich, der Sinn zu gering. Man begrub die Idee unter ein paar Akten, dann im Archiv und dann wusste irgendwann niemand mehr, dass es dort draußen, zwischen den Galaxien, ein kleines System gab. Und so blieb die einsame Sonne für immer einsam.

Irren, Haus

Die Sonne ging über dem Bernbaumwald auf und tauchte ihn in ein rötlich goldenes Licht. Es war die schönste Stunde auf Rieka, wenn der Planet langsam erwachte und das Licht in Farben spielte, wie sie sich nur ein Maler des 17. Jahrhunderts ausgedacht haben könnte. Jedenfalls sagte man das so, kaum jemand wusste wirklich etwas über Maler des 17. Jahrhunderts. Das war die alte Zeit, die Erde. Man wollte sie vergessen, aus gutem Grund. Man hatte sich weiterentwickelt. Den Weltraum erobert. Nein, das war falsch. Den Weltraum besiedelt. Ja, das klang besser. Und richtiger. Die Zeit, in der die Menschheit Eroberungen machte, war vorbei. Und, da war man sich einig, dies war eine bessere Zeit.

Sonja und Ken saßen am Ufer des kleinen Baches, der durch den Wald plätscherte und sahen der Sonne beim Aufgehen zu. Es würde ein herrlicher Tag werden, da waren sich die beiden sicher. Obwohl… war da ein Donnern in der Luft? Kündigte sich ein Gewitter an? Nein, es war kein Donner, es war ein lautes Brummen, das lauter und lauter wurde. Erschrocken sahen sie nach oben – dann pflügte sich das Raumschiff auch schon durch die Bäume. Es hinterließ eine kilometerlange Schneise, bevor es sich mit einem gewaltigen Knall in die Erde bohrte. Die beiden Jugendlichen sahen sich erschrocken an, dann liefen sie durch den Wald bis zu der Unglückstätte. Sie waren nicht die ersten, die dort eintrafen. Alle, die helfen konnten, kamen. Die Ärzte, die Mechaniker, die Ingenieure. Auf Rieka gab es nur einen kleinen Stützpunkt des Imperiums, und der befand sich auf der anderen Seite des Planeten. Es würde ein wenig dauern, bis die Soldaten hier waren.

Gemeinsam suchte man nach Verletzten, aber man fand niemanden. Das Schiff war rechtzeitig verlassen worden und zum Glück hatte sich zum Zeitpunkt des Unfalls niemand in dem kleinen Wäldchen aufgehalten. Als das Imperium eintraf, war man sich bereits sicher, dass niemand verletzt worden war. Alle Bewohner der Stadt hatten sich gemeldet. Niemand wurde vermisst. Allen ging es gut.

Das dachte man jedenfalls. Commander Hardawar vom Stützpunkt sagte, dass er die Föhr informieren würde. Man würde dafür sorgen, dass das Wrack geborgen werden würde, aber das könnte eine Zeit dauern. In der Rio de la Plata Provinz war man eben ein bisschen ab vom Schuss. So blieb das Wrack da wo es war und die Menschen gingen wieder ihrem Leben nach. Schon nach einer Woche hatte man vergessen, dass dieser Vorfall überhaupt stattgefunden hatte…

Doch dann zog Engelbert Kaminski ein Fleischermesser aus seinem Block und stürmte damit aus seiner Metzgerei. „Ich werde euch alle zerfleischen!“ schrie er und stürzte sich auf die Passanten. Es gelang ihm, drei zu töten, bevor er aufgehalten werden konnte. Er schrie und tobte und seine Schürze war besudelt von Blut, von menschlichem Blut. Es war der erste Vorfall dieser Art seit der Gründung des Imperiums. Und es sollte nicht der letzte bleiben.

Noch in derselben Nacht tötete eine Frau ihren Mann mit einem Küchenmesser. Dann lief sie hinaus auf die Straße und fiel über einen jungen Mann her. Es gelang ihm, sich zu verteidigen und die Frau zu überwältigen. Am nächsten Tag nahm ein Handwerker seinen Bohrer und lief damit durch die Hauptstraße. Commander Hardawar befand sich gerade in der Stadt, um die Vorkommnisse des Vortags zu untersuchen. Er sah noch rechtzeitig den blutigen Bohrer und schoss. Fünf Leute waren dem Handwerker zum Opfer gefallen, bevor er gestoppt worden war. Als Hardawar sich umdrehte, sah er zwei Teenager mit Spitzhacken in der Hand auf sich zukommen. Er schoss ihnen in die Beine, um sie aufzuhalten. Wie er später erfuhr, waren ihre Namen Sonja und Ken.

Bevor sich die Ereignisse weiter überschlagen konnten, fand jemand das eine Element, das alle der Betroffenen miteinander verband: sie waren alle an der Absturzstelle gewesen. Alle, die dort gewesen waren, wurden ins Krankenhaus gebracht und untersucht. Man fand nichts, außer ihrem seltsamen Benehmen. Sie murmelten die ganze Zeit vor sich hin. Wahnsinn. Geisteskrankheit. Verrücktheit. So etwas hatte man seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen.

Es war ein schrecklicher Tag für Rieka gewesen, als der Frachter in einem Waldstück nahe der Hauptstadt aufschlug. Die Untersuchung des Imperiums brachte ein wenig Licht in die Dunkelheit dieses Unfalls. Das Schiff war vom Kurs abgekommen, weil seine Triebwerke nicht mehr funktionierten. Eine Bruchlandung war nicht mehr möglich, die Mannschaft hatte das Schiff vorher verlassen. Es krachte in das Waldstück und hinterließ einen riesigen Krater. Und es hinterließ noch etwas anderes. Eine Strahlung, die aus dem lecken Antriebssystem freigesetzt wurde. Erst Jahre später bemerkte man sie – Jahre zu spät, wie sich herausstellte. Ihre Auswirkungen jedoch hatte man schon viel früher wahrgenommen. Die Strahlung hatte eine unangenehme Wirkung auf den menschlichen Geist. Tatsächlich stellte man später fest, dass sie Veränderungen im Gehirn bewirkte, die den Geist, die Persönlichkeit und das Handeln der betroffenen Personen veränderten. Etwas, das man besiegt zu haben, das man auf der Erde zurückgelassen zu haben glaubte, kehrte nun zurück: Wahnsinn!