Weiße Sonne, schwarzer Tod - Martin Cordemann - E-Book

Weiße Sonne, schwarzer Tod E-Book

Martin Cordemann

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Beschreibung

Die Finsternis der Sterne – Heft 1: "Weiße Sonne, schwarzer Tod" Meine sehr verehrten Damen, Herren und Wesenheiten mit keinem oder mehreren Geschlechtern, das größte Kriegsschiff, das die Menschheit je gebaut hat – und das mit einer leider sehr unrühmlichen Vergangenheit behaftet ist – nimmt heute wieder Fahrt auf, um in den Fernen der Galaxis... Teile dieser Vergangenheit wieder gut zu machen, wie man nur hoffen kann. Erleben Sie in unserer farbenfrohen und nicht ganz jugendfreien Doku noch einmal all die Momente, erhaschen Sie einen Blick auf diese unsere Vergangenheit, die wir alle lieber vergessen würden und werfen Sie einen ersten Blick in die jungen Jahre des Kapitäns dieses Schiffes, Captain Maximilian Shaw und seiner Steuerfrau Rashida Ebert...

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Seitenzahl: 264

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Martin Cordemann

Weiße Sonne, schwarzer Tod

Die Finsternis der Sterne – Heft 1

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

LOG I/01

LOG I/02

LOG I/03

LOG I/04

LOG I/05

LOG I/06

LOG I/07

LOG I/08

LOG I/09

LOG I/10

LOG I/11

LOG I/12

LOG I/13

LOG I/14

LOG I/15

LOG I/16

LOG I/17

LOG I/18

LOG I/19

LOG I/20

LOG I/21

LOG I/22

LOG I/23

LOG I/24

LOG I/25

LOG I/26

LOG I/27

LOG I/28

LOG I/29

LOG I/30

LOG I/31

LOG I/32

LOG I/33

LOG I/34

LOG I/35

LOG I/36

LOG I/37

LOG I/38

LOG I/39

LOG I/40

LOG I/41

LOG I/42

LOG I/43

LOG I/44

LOG I/45

LOG I/46

LOG I/47

Fortsetzung folgt...

Impressum neobooks

LOG I/01

Seine Schritte verhallten in den Metallwänden der Korridore. Irgendwo von weither schien ein Echo zu kommen, das leise an seine Ohren klopfte, aber nicht wirklich eintreten wollte. Dass es die Schritte von anderen waren, von Mitgliedern seiner Besatzung, wagte er zu bezweifeln. Das Schiff, sein Schiff, war zu groß – und es befanden sich zu wenig Personen darauf. Jedenfalls im Vergleich zu seiner Hochzeit... die für die Menschheit eher ein Tiefpunkt gewesen war.

Es war das größte Schiff, das je von Menschen erbaut worden war und eigentlich sollte ihn der Gedanke erbauen, dass ausgerechnet ihm die Ehre zufiel, dieses gigantische Ungetüm zu kommandieren, doch da war, wie gesagt, die Geschichte – und die Geschichte dieses Schiffes. Und seiner Zeit. Und der Menschen dieser Zeit. Und all ihrer Gräueltaten, an die man sich besser nicht erinnern wollte, an die man sich aber besser erinnern sollte, um ihnen in keinem Fall nachzueifern, sondern es wirklich besser zu machen. Weit besser.

Nur zwei riesige Schiffe waren im Laufe der Zeit von der Menschheit gebaut worden. Das andere hatte recht schnell eine lange Reise angetreten und, so konnte man nur hoffen, keine so unangenehme Vergangenheit angesammelt. Vor vielen, vielen Jahren gab es auf der Erde das Gerücht, dass es in einer fernen Galaxis ein Paradies geben solle. Fremde Spezies mit phantastischem Wissen, von denen man viel lernen konnte.

Es war noch nicht lange her, dass eine einschneidende Periode für die Menschheit, in der sie von einer fremden Macht beherrscht worden war, zuende gegangen war und nun schien es ein Gerücht zu geben, dass sich am Horizont etwas auftat, das sich zu einem galaktischen Krieg auswachsen konnte, also beschloss man, eine kleine Flotte hinaus ins All zu schicken, um zu dieser fernen Galaxie zu reisen, das Paradies zu finden, phantastische technische Entwicklungen kennenzulernen und allgemein ein tolles Leben zu haben.

Man besaß Raumschiffe, die schneller waren, als es sich die Wissenschaftler jemals hatten träumen lassen... und doch dauerte die Reise letztlich mehr als 10 Jahre. Was den späteren Kontakt zur Heimat Erde ein wenig sporadisch werden ließ. In diesem einen riesigen Schiff, das tausende Menschen tragen konnte, dem zweitgrößten, das die Menschheit je gebaut hatte, raste man durch die Öde zwischen den Milchstraßen...

Kommandant auf diesem Schiff, dachte er, musste eine größere Ehre sein als auf dem, auf dem er sich gerade befand. Und mit dem er sich gerade vertraut machte. Sein Wissenschaftsoffizier, wenn er denn einen gehabt hätte, hätte ihm ausrechnen können, wieviele Jahre er brauchen würde, bis er jeden Winkel dieses Raumschiffs gesehen, jedes Schott durchschritten, jede Luke passiert hätte. Es war gigantisch, hatte zehntausende von Soldaten beherbergt, Geschwader von Raumjägern, Werkstätten, Produktionsstätten für Sauerstoff, Nahrung, Kleidung, alles was man brauchte, wenn man von zu Hause weg war und tief in den Weiten des Alls einen Krieg führen wollte. Denn es war ein Kriegsschiff, das man Captain Maximilian Shaw gegeben hatte.

Nein, korrigierte er sich, es war das Kriegsschiff. Sein Name war bekannt, seine Spitznamen berüchtigt, sein Anblick gefürchtet, sein Kontakt meist tödlich.

„Der schwarze Tod“

hatten es viele genannt... die meisten davon hatten die Begegnung nicht überlebt. Viele hatten diese Zeit und diesen Krieg nicht überlebt. Bis auf „Die Pest“ selbst, denn die schien man für die Ewigkeit geschaffen zu haben. Mehrere Kilometer lang und aus besonderem Stahl, der so viele Meter dick war, dass das Schiff noch nichtmal Schutzschilde benötigte. Keins der Geschosse, die es getroffen hatten – und es waren eine Unmenge gewesen – war in der Lage gewesen, einen wirklichen Eindruck zu hinterlassen. „Die Unbesiegbare“ war immerhin ein Name, der nicht ganz so tödlich klang... oder nicht ganz so mörderisch.

Und nun war sie sein.

Der Captain blieb stehen und seufzte.

Nein, so hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. Eher so ganz und gar nicht. Er hatte unter anderem hinaus ins All reisen wollen, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen, den Völkern, die anders von ihnen dachten, zu zeigen, dass nicht alle Menschen so waren, wie sie das glaubten... Das würde schwierig werden, wenn der erste Eindruck, den sie von ihm bekamen, die größte Tötungsmaschine in der Geschichte der Menschheit war. Und das war ein weiterer Name, den sie sich wirklich verdient hatte.

Shaw blieb stehen und lugte durch den Torbogen. Ja, genau, das war genau das, was diesen Gedanken perfekt illustrierte. Ein Deck, das man ausschließlich für diesen Zweck geschaffen hatte. Zu töten. Es war groß, es war dunkel und an seinem anderen Ende gab es eine Art Bühne. Auf der Bühne etwas, das von weitem wie Kräne aussah. Doch es waren keine Kräne. Es waren Galgen! Und eine Menge davon. Auf diesem Galgendeck hatte man Hinrichtungen abgehalten...

Max atmete langsam aus. Und ausgerechnet dieses Schiff hatte man ihm geben müssen! Er schüttelte sich und den Kopf und trat langsam durch den Bogen. Die Kühle des Decks umfing ihn. Es war riesig. Nicht das größte Deck, denn es gab ja noch eine Unmenge an Hangars für die Jäger. Aber es war beeindruckend wie es bedrückend war.

„Botschafter?“ fragte er leise. Er musste hier irgendwo sein... ausgerechnet hier. Hätte er sich nicht einen besseren Ort aussuchen können? Aber nein, er hatte unbedingt das hier sehen wollen, die wirklich unangenehmen Elemente ihrer Vergangenheit, auch wenn die ein gutes Stück vor seiner Gegenwart gewesen war, ein gutes Stück vor seiner Geburt sogar. Aber manche Dinge vergingen eben nie – und grausame Kriegsverbrechen schienen auf dieser Liste ganz weit oben zu stehen.

Er ließ seinen Blick noch einmal durch die riesige Halle schweifen – und es erschauderte ihn einmal mehr.

Vielleicht hätte er sich das für einen anderen Tag aufsparen sollen, dachte er. Vielleicht hätte er sich den schlimmsten Teil seines neuen Zuhauses nicht in der ersten Kennenlernphase mit seinem neuen uralten Schiff ansehen sollen! Dafür wäre immernoch Zeit gewesen, wenn sie erst einmal unterwegs waren. Dann konnte er tagelang durch die vielen Kilometer der Korridore laufen und sich alles ansehen... Aber dann hätte es ihn nicht weniger deprimiert als jetzt.

„Ausgerechnet Der Schwarze Tod“, murmelte er für sich, während er nach dem Botschafter Ausschau hielt, der hier irgendwo herumschwirren musste. Sie hätten... wer weiß was mit diesem Kahn machen sollen. Auseinandernehmen, am besten. Aber dazu hatte man nicht den Mut. Es war ein Kriegsschiff und man konnte sich nie sicher sein, ob man das nicht nochmal irgendwann brauchen würde. Wegen Krieg und so. Und sowas schmiss man ja nicht einfach weg, nicht die Menschen! Außerdem... das Leben im Universum war unstet und gefährlich, da konnte immer jemand vorbeikommen, der einem was wollte. Also hätte man das Schiff im Orbit der Erde parken können, oder besser noch des Mars, wo es sich lange Zeit befunden hatte, damit es nicht jeder Besucher direkt zu Gesicht bekam, und hätte es zur Verfügung gehabt, wenn man es doch mal gebraucht hätte... um Tod und Terror in der Galaxis zu verbreiten, wie es das Schiff so gekonnt getan hatte.

Doch Pläne hatten sich geändert.

Sein Kommando hatte sich geändert.

Sein Leben hatte sich geändert.

Der Krieg, in dem die „Schwarzer Tod“ ihrem Namen so treffliche Ehre gemacht hatte, war mehr als ein Vierteljahrhundert vor seiner Geburt beendet gewesen, aber nichts hielt sich im Universum so gut wie die Erinnerung, besonders die, an unangenehme Dinge, die andere getan hatten. Die eigenen vergaß man gerne und leicht, aber die von anderen behielt man hübsch im Gedächtnis und rieb sie ihnen zu gegebener Zeit unter die Nasen oder andere Riechorgane. Und auch wenn die Menschheit seitdem ein nahezu vorbildliches Leben geführt hatte, gab es noch genügend Völker, die ihr vergangene Taten vorwarfen und sie mit Abscheu, Misstrauen und vor allem Verachtung betrachteten. Sie waren die Rasse der Mörder, das „Mördervolk“, und für viele würde sich das auch niemals ändern.

Leider waren sie aber auch eine Rasse, die in manchen Dingen sehr gut war, Dingen, die andere Völker vielleicht nicht so gut beherrschten und so hatten sich im Laufe der Jahrzehnte doch zarte Bande geknüpft. Es gab dort draußen eine Art Galaktischen Bund, dem mehrere Völker angehörten. Dieser Bund war in seinem Einflussbereich mit einer kleinen Flotte von Schiffen tätig, die verschiedene Aufgaben übernahmen, meist friedlich, oft diplomatisch, ab und an aber auch polizeilich/militärisch. Als Mitglied des Bundes war die Menschheit gefordert, ihren Beitrag zu leisten und eigene Schiffe beizutragen und da war noch eine andere Sache, die es zu klären galt, zumindest für manche, und sie war mit einer der Hauptgründe, warum er sich auf dieser Mission und jetzt auf diesem unangenehmen Schiff befand.

„Botschafter?“ versuchte er es noch einmal. So weit konnte der doch gar nicht entfernt sein. Also zumindest rein praktisch. Theoretisch war das Schiff groß genug, um ihn niemals wiederzufinden... was Shaw gerne vermeiden würde, aus unterschiedlichen Gründen.

Streng genommen hatte man die Mitgliedsurkunde der Erde oder der Menschheit für den Bund noch nicht unterschrieben, um es mal so lax zu formulieren, da auch dieses schwammige Gebilde in Sachen Bürokratie nicht ganz unbeleckt war und deshalb in einigen Dingen sehr langsam arbeitete, aber im Prinzip stand dem Beitritt nichts mehr im Wege und man nahm die Pflicht, sich mit Schiffen und Besatzungen an einer gemeinsamen Bundesflotte zu beteiligen, gerne an.

So waren ein paar Schiffe, auch mit gemischten Besatzungen, seit vielen Jahren dort draußen im Einsatz. Doch viele davon waren alt, nicht mehr auf dem neusten Stand. Also hatte man ein neues Projekt ins Leben gerufen und extra drei kleine Raumschiffe gebaut, die ein wenig an Seepferdchen erinnern mochten und ihnen den Namen „Raumpferdchen“ eingebracht hatten, aus leichtem Metall, wendig, schnell, mit rund 100 Mann Besatzung. Sie hätten den Völkern der Galaxie zeigen können, dass die Menschen mehr konnten, als Gewalt und Krieg.

Natürlich würden sie das nicht.

Weil es einen Anschlag gab.

Und es war keiner dieser Alienhasser, der dahinter steckte.

Es war ein außerirdisches Volk, das dazu stand, was es von der Erde und seinen stinkigen Bewohnern hielt.

Ihre Worte, nicht seine.

Die Wulingtumar.

Sehr aggressiv.

Sehr unfreundlich.

Sehr gewalttätig.

Es hatte die Werft angegriffen und alle drei Schiffe zerstört.

Hatte sich zu dem Anschlag bekannt.

Und war davongeflattert.

Wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

„Was wollt ihr dagegen tun, Mördervolk?“ hatten sie in ihrer späteren Bekanntmachung hämisch gefragt. „Euch an uns rächen – und damit beweisen, dass ihr euch kein bisschen weiterentwickelt habt?“

Das... war leider ein phantastischer Punkt, musste sich Shaw eingestehen. Oder zumindest ein sehr guter.

Vielleicht war es mehr eine gewisse Ironie als die einzig verbleibende Möglichkeit, dass die Entscheidung auf den „Schwarzen Tod“ gefallen war. Man hatte dem Bund neue Schiffe für bundesliche Aufgaben, aber auch für ferne Regionen versprochen, die herausfinden sollten, was hinter dem bekannten Territorium lag, die die noch unerforschten – oder gemiedenen? dachte Shaw – Regionen der Galaxie erforschen und detaillierte Sternkarten erstellen sollten, doch nun konnte man leider nur eins schicken.

Unterdessen klagte man vor dem Rat des Bundes gegen die Wulingtumar, die den Anschlag verübt hatten, denn so ganz darüber hinwegblicken konnte man natürlich nicht, zumal das auch nicht der erste Vorfall dieser Art war. Und, auch dieses Gefühl hatte der Captain, man sandte die „Tod“ hinaus ins ferne All, um zu verhindern, dass irgendjemand auf die Idee kam, sie auf eine Rachemission zu entsenden.... was, wie er sich bei einem verhaltenen Schmunzeln eingestehen musste, nicht der Grund war, warum man Max Shaw das Kommando gab.

Er blieb stehen.

Falsch! Das war einer der Gründe. Nur eben nicht so, wie man es erwarten würde. Einer der Gründe war, dass die Großadmiralin wusste, dass er sich kaum zum Instrument von jemand anders machen lassen würde, so dass diese Gefahr tatsächlich nicht im Raum stand, nichtmal im Weltraum.

„Bot-?“ Ach, was solls?

So kam er, nachdem man die drei Weltraum-Seepferdchen, die Raumpferdchen, die die Vorreiter einer neuen Klasse von Schiffen hatten sein sollen, zerstörte, wobei auch der Großteil ihrer Besatzungen ums Leben kam, doch noch zu dem Kommando, für das er sich so sehr als Kind begeistert hatte, bevor er hatte feststellen müssen, dass der Weltraum vielleicht doch ein wenig anders war, als man sich das in einer hübschen Utopie ausgemalt hatte.

Er ließ das Galgendeck hinter sich und ging weiter durchs Schiff. Keine Rache zu üben war eine seiner Aufgaben – es gab aber noch eine andere...

LOG I/02

„Ah, Botschafter.“

Endlich hatte er ihn gefunden. Er war vor dem dunklen Hintergrund in den dunklen Korridoren aber auch fast nicht zu erkennen.

<captain-shaw>

„Alles in Ordnung?“

<ich-brauchte-ein-wenig-zeit>

„Ja, das geht mir hier nicht anders.“

Shaw sah sich um – und ein kalter Schauer durchlief ihn.

<mir-ist-soetwas-sehr-fremd>

„Mir zum Glück auch. Ich würde gerne sagen, wir hätten das schlimmste schon hinter uns“, er lächelte verschmitzt, „aber sicher bin ich mir da nicht. Wenn Sie die Führung abbrechen wollen...?“

<nein-aber-danke-für-das-angebot>

„Gut, dann... Hmmmm...“

<bitte-?>

„Hm? Oh, Verzeihung. Ich wollte nicht... ich habe nur nachgedacht. Ich glaube, wir sollten da lang gehen...“

Sie machten sich wieder auf den Weg und kamen durch die riesigen Werkstätten. Raumjäger waren hier repariert und konstruiert worden. Es war eine Kriegsmaschinerie gewesen, wie sie effektiver nicht sein konnte. Mit genügend Rohstoffen hätte man Planeten nach Planeten angreifen und einnehmen können, doch der Krieg hatte andere Gründe und andere Ziele gehabt. Und er war nicht der Grund, weswegen man irgendwann begonnen hatte, verstärkt in den Weltraum zurückzukehren. Da war nämlich noch ein anderes dunkles Kapitel in der Geschichte der Menschheit.

Bis zu einem gewissen Punkt gab es jede Menge Aufzeichnungen. Fernsehen, Filme, Bücher. Sowohl als physische Medien als auch digital. All diese Dinge zeigten auf, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die gesamte Menschheit durchgehend in einem Taumel aus Krieg und Krankheiten gefangen war...

„Das mag uns so vorkommen, Jungchen“, hatte Dr. Chen an dieser Stelle einmal gesagt... und hatte sich nachgeschenkt.

„Bitte?“

„Für den Außenstehenden muss es tatsächlich so wirken, als hätte mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eine durchgehende Periode des Krieges begonnen“, meinte der Arzt und leerte sein Glas genauso schnell, wie er es dann wieder nachfüllte, vielleicht schneller. „Da war der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, jede Menge andere Kriege und Bürgerkriege, dann waren da die Epidemien und Pandemien, der Terrorismus, Nachmittalstalksshows...“

„Ja“, hatte Shaw genickt, „ohne jede Unterbrechung.“

„Das stimmt, streng genommen, nicht ganz“, unterdrückte der Doktor ein Aufstoßen, überlegte es sich, und ließ es dann doch geschehen. „Also abgesehen von den Talkshows, die haben, glaube ich, nie geendet. Aber ja“, gestand er dann ein, „es gab schon durchgehend Konflikte in verschiedenen Regionen der Erde, ein paar Gebiete, in denen ständig gekämpft wurde, aber in all den Jahren gab es auch immer wieder längere Phasen, z.B. in Europa, in denen viele der Länder völlig ohne kriegerischen Konflikt ausgekommen sind. Mehrere...“

„Jahrhunderte?“

Chen lachte.

„So weit würde ich nicht gehen. Nein“, lachte er, „so gut war die Menschheit nie. Aber ein paar Jahrzehnte hat sie es schon geschafft... regional begrenzt, das muss ich zugeben.“

Für den angehenden Captain hatte das allerdings anders ausgesehen, die Erde, ein einziger großer Krieg- und Seuchensumpf. Doch dann, eines Tages, sollte sich alles ändern. Und an diesem Tag stoppten die Aufzeichnungen. Ganz abrupt. Für viele Jahre. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, für wie lange. Man wusste nur, wann es angefangen hatte... und das war auch so ziemlich das einzige, was man wusste.

„Das stimmt nicht ganz, wie Sie wissen“, wies ihn der Doktor zurecht.

Und er hatte recht.

„Ja“, nickte Max nachdenklich, „das stimmt.“ Es gab eine Spur. Eine vage Spur. „Das Ministerium für Innere und Äußere Sicherheit“, sagte er leise.

„Ganz genau!“

Mehr wussten sie nicht. Es schien nur in einem Zusammenhang zu dem zu stehen, was passiert war. Was auch immer passiert war?

Sie wussten lediglich, dass an jenem Tag, als die Aufzeichnungen stoppten, ein Angriff stattgefunden haben mussten. Eine Invasion. Aus dem Weltraum. Von einem fremden Volk. Das erwähnte Ministerium schien in irgendeinem Zusammenhang zu dieser Invasion zu stehen, aber sie wussten nicht, in welchem. Denn es gab so gut wie keine Aufzeichnungen. Da waren Hinweise darauf, dass dieses Ministerium Vorschriften oder Handlungswege erstellt hatte, eine Art Plan, wie sich in einer bestimmten Situation zu verhalten war. Doch sie wussten nicht, ob diese Maßnahmen bereits von Spionen der Invasoren veranlasst oder, als die Invasion begann, schlicht nicht durchgesetzt worden waren. Man konnte fast die genaue Uhrzeit bestimmen, ab wann nichts mehr aufgezeichnet worden war, und das weltweit.

„Die waren sehr gründlich, was das anging“, säuselte Chen.

Mit „die“ meinte er die Invasoren. Und er hatte recht. Sie hatten es geschafft, dass es weder Aufzeichnungen über ihre Ankunft, noch über die Zeit ihrer Herrschaft gab. Weshalb auch niemand mit Sicherheit sagen konnte, wie lange sie tatsächlich gedauert hatte. Was auch ein bisschen an den Menschen selbst lag, wie man zugeben musste. Irgendwann hatte das Internet und die elektronische Selbstaufzeichnung und -präsentation so sehr Überhand genommen, dass niemand mehr auf die Idee zu kommen schien, dass es auch andere Möglichkeiten gab, Ereignisse festzuhalten oder auch nur den Ablauf von Zeit zu bestimmen. Mit Stift und Papier zum Beispiel. Wenn jemand sich die Mühe gemacht hatte, die Zeit der Invasion bzw. der Okkupation auf diese Weise festzuhalten, dann hatten die Besatzer diese Unterlagen gefunden und entfernt.

„Es gibt so viele Geheimnisse!“

Sie hatten sich nie vorgestellt, die Invasoren. Hatten dem Volk, das sie unterwarfen, nie gesagt, wer sie waren oder warum sie gekommen waren. Sie waren plötzlich einfach da. Hatte es Widerstand gegeben? Hatte sich die Menschheit gewehrt?

Wenn, war nichts davon verzeichnet. Alles, was sie heute darüber wussten, waren Berichte, die mündlich überliefert worden waren. Die Fremden hatten die Nutzung elektronischer Geräte komplett blockiert. Es gab keine Fotos von ihnen, keine Filme, keine Tonbänder. Man wusste im Nachhinein nichtmal mit Sicherheit, ob sie sich hatten blicken lassen oder ob sie ihre Herrschaft aus dem Schatten betrieben hatten. Ein paar Zeichnungen waren aufgetaucht. Handgemalte Bilder. Sehr vage. Sehr unscharf. Sehr untalentiert.

„DNA?“

Sie hatten es sogar irgendwie geschafft, fast alle Spuren ihrer DNA zu entfernen... oder zumindest kaum welche da zu lassen. Und selbst die mussten nichtmal von ihnen sein. Vielleicht hatten sie die DNA eines anderen Volkes hinterlassen, um eine falsche Spur zu legen. Oder...

„Verschwörungstheorie?“

„Dass es sie nie gegeben hat?“

„Hm-mh!“ nickte der Arzt.

Ja, die Theorie hatte es auch gegeben – und gab es noch immer bei manchen. Selbst bei außerirdischen Völkern. Vor allem denjenigen, die der Erde ihre Vergangenheit vorwarfen. Dass es die Invasion nie gegeben hätte und dass die Menschen sie nur als eine Ausrede für die Gräueltaten anbrachten, die sie später selbst begangen hatten.

„Oder...“

Oder dass sie in dieser Zeit selbst so grauenvolle Dinge getan hatten, dass sie lieber alle Aufzeichnungen und alle Erinnerungen daran löschten und die Legende von einer Invasion durch eine fremde Macht erfanden, für die es nur wenig handfeste Beweise gab.

Was es allerdings in großer Zahl gab, waren Fragen.

Warum waren die Fremden gekommen?

Was waren ihre Ziele?

Hatten sie sie erreicht?

Warum waren sie wieder verschwunden?

Auch hierzu gab es jede Menge Theorien. Zumindest, was die letzte Frage anging. Da gaben sich viele der heroischen Idee hin, dass die Menschheit sich selbst befreit und den Feind in die Flucht geschlagen hatte. Das könnte ein bisschen die Aggression der Menschen erklären, die schon kurze Zeit später zutage getreten war und deren „Früchte“ sie noch heute spüren konnten. Es erklärte aber nicht, warum man keine einzige Leiche der Fremden gefunden hatte. Oder ihre Technik. Oder hatten sie selbst bei ihrer Flucht auf Nummer Sicher gehen wollen, dass die Menschheit sie niemals finden und für das zur Rechenschaft ziehen konnte, was sie ihr angetan hatten?

„Womit wir bei einem anderen spannenden Punkt sind.“

Was hatten sie ihr angetan?

Zu dem Zeitpunkt, als die Invasion stattfand, war die Erde auf der einen Seite gebeutelt durch durchgehende... durch eine Periode, die zu einem Großteil durch Kriege und Pandemien bestimmt war, in der man aber auch von Überbevölkerung, Umweltverschmutzung, Hunger, Mangel an Ressourcen und derlei Dingen sprechen konnte. Kurz gesagt: Es gab zu viele Menschen, die beuteten den Planeten aus und zerstörten sich konsequent ihre eigene Lebensgrundlage, sich dessen völlig bewusst, aber geleitet durch Gier ohne davon abzulassen.

Das änderte sich. Jedenfalls musste man davon ausgehen, als wieder Aufzeichnungen begannen und man sich mit den Folgen der Invasion und der Okkupation auseinandersetzen konnte. Die Bevölkerung der Erde war von den Fremden signifikant verkleinert worden. So, dass es genug für alle gab, Luft, Nahrung, Raum. Die Natur wurde nicht mehr ausgebeutet und bekam eine Chance, sich zu erholen. Die Menschheit selbst war in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts, als die erste große Pandemie des Digitalzeitalters den ganzen Planeten zum Stillstand brachte, an einem Punkt gewesen, wo sie eine Veränderung hätte herbeiführen können. An diesem Punkt, als etwas stattfand, das dank der inzwischen erreichten Globalität die gesamte Menschheit gleichermaßen betraf und ihre Existenz und Wirtschaft gleichermaßen gefährdete, hätte man verstehen können, dass dies der Zeitpunkt für eine globale Veränderung wäre. Weg von Geld und Wirtschaft, hin zu einem neuen System. Das sich auch positiv auf die Natur ausgewirkt hätte, die man zu diesem Zeitpunkt bereits durch starke Eingriffe verändert hatte. Hier hätte man umdenken und umhandeln können... doch das war nicht geschehen.

„Idioten!“ murmelte Chen und Shaw konnte ihm nur beipflichten.

Die Invasoren führten Änderungen ein, zu denen die von Gier angetriebenen Menschen nie fähig gewesen waren. So richtig wusste man allerdings nicht, was sie mit den Menschen gemacht hatten. In solchen Fällen ging man immer davon aus, dass die neuen Unterdrücker die Unterdrückten wie Sklaven behandelten, ihre Naturschätze ausbeuteten und sich wie die schlimmsten Tiere verhielten. Der Mangel an Aufzeichnungen trug keine Antwort auf diese Frage bei, die mündlichen Überlieferungen zeichneten die verschiedensten Bilder, doch die mussten nicht glaubwürdig sein, war man doch das Volk, das besiegt worden war und da stellte man den Feind, geschlagen und gekränkt wie man wahrscheinlich war, vielleicht grausamer und gemeiner dar, als er tatsächlich gewesen war. Wie dem auch war, Geld wurde abgeschafft und eine Art Belohnungssystem eingeführt. Und die Bevölkerung wurde reduziert...

„Und da sind wir wieder bei einer dieser Fragen!“

Einer der Fragen, die nicht nur im Raum standen, sondern auf die man doch gerne eine Antwort finden würde. Denn auch wenn viele Menschen verschwanden, so hatte man doch nie herausgefunden, was mit ihnen geschehen war. Man hatte die gesamte Erde abgesucht, fand aber keine Massengräber oder andere Indizien, die darauf schließen lassen würden, dass man sie schlicht ausgerottet hatte.

Es gab viele Möglichkeiten. Die, die am wahrscheinlichsten erschien, war, dass man sie von der Erde weggebracht hatte. Aber wohin? Und warum? Hatte man sie auf einem fernen Planeten angesiedelt und ihnen ein neues Zuhause gegeben? Hatte man sie schlicht deshalb aufgeteilt, weil es auf der Erde zu viele von ihnen gegeben hatte und nun, auf verschiedene Welten verteilt, was das Problem der Überbevölkerung löste?

„Nun, das ist eine Theorie.“

Möglich war natürlich auch, dass man sie als Sklaven verkauft hatte. Oder als Soldaten.

„Oder gegessen.“

„Aber nicht auf der Erde!“

„Nein, denn man hat ja keine abgenagten Knochen gefunden!“

Was nicht heißen musste, dass die Invasoren nicht doch welche der vielen verschwundenen Menschen verspeist hatten, nur, wenn sie es hatten, hatten sie auch da ihre Spuren ziemlich gut verwischt.

„Der springende Punkt ist...“

...dass niemand wusste, was aus den vielen verschwundenen Menschen geworden war. Vielleicht lebten ihre Nachkommen glücklich und zufrieden irgendwo auf anderen Planeten? Niemand wusste es. Und es gab keine Beweise für gegenteiliges.

Das bedeutete also, dass die Invasoren... dafür gesorgt hatten

dass es keine Überbevölkerung mehr gab,

die Natur sich erholen konnte,

die Umwelt wieder sauberer wurde

und Geld nicht mehr die Motivation für das Handeln der Menschen war.

Es gab eine Menge Leute, die sich nicht sicher waren, ob jene Invasion wirklich etwas so negatives gewesen war. Im Gegenteil, ob die Invasoren nicht nur das Beste der Menschheit im Sinn gehabt hatten?! Dass sie gekommen waren, um die Menschheit zu verbessern und wieder auf den richtigen Weg zu bringen, denn genau das war es, was unterm Strich dabei herausgekommen war.

Bis zu dem Krieg und den Gräueltaten und all dem, versteht sich.

Es erklärte auf der anderen Seite aber auch nicht, wohin so viele verschwunden waren. Und warum die Fremden selbst so sang- und klanglos verschwunden waren. Warum sie so erpicht darauf gewesen waren, ihre Identität geheim zu halten, wenn sie doch eigentlich nur Wohltäter waren.

Captain Maximilian Shaw ließ seinen Blick durch den riesigen Hangar schweifen, einst voller tödlicher Raumjäger, jetzt nur gefüllt mit 15 Kampffliegern, die den Raum um sie nur noch größer wirken ließen, und seufzte.

<alles-in-ordnung-?>

Wenn es das gewesen wäre, wäre er jetzt nicht hier. Auf dieser Kriegsmaschine, dieser Tötungsmaschine! Mit einem sehr ungewissen Ziel, und das in vielfacher Hinsicht. Ob es so ein Ziel überhaupt gab? Ob man es erreichen konnte? Ob man es finden konnte? Ob man es finden... sollte?

Er konnte nichts davon beantworten. Und das konnte, streng genommen, niemand. Jedenfalls nicht im Moment.

Sie hatten ein paar DNA-Proben, sie hatten ein paar ungenaue Zeichnungen... und sie hatten eine Aufgabe vor sich, die eigentlich nicht zu bewältigen war. Zum einen wurde sein Schiff also ausgesandt, um in die unerforschten Gebiete der Galaxis vorzudringen – zum anderen bestand seine Mission aber auch darin, nach jenem Volk zu suchen, das dereinst die Erde überfallen und große Teile ihrer Bevölkerung verschleppt hatte...

LOG I/03

Es gab riesige Speisesäle auf der Schwarzer Tod, aber es gab nur ein paar wenige Küchen. Die Soldaten waren mit Nahrungsmittelkonzentraten versorgt worden. Das leibliche Wohl der Krieger, der Genuss von Mahlzeiten, diese Dinge hatten zu Kriegszeiten keine große Bedeutung gehabt.

<ah>, kommentierte sein Gast.

„Ich würde Ihnen gern etwas anbieten...“

<nicht-nötig-aber-danke-wo-sind-wir-hier-?>

„Gute Frage!“

Shaw blieb stehen und sah sich um.

„Ausgesprochen gute Frage!“

Er musste einen Moment nachdenken.

Ah, ja, da.

„Ich weiß es...“

Sie waren hier, dann mussten sie jetzt...

Im Kopf ging er den Weg durch, den sie nehmen mussten, wenn sie zur Brücke wollten. Selbstverständlich hätten sie auch einfach einen der Lifte benutzen können, aber Sinn der Übung war es ja, das Schiff, sein Schiff besser kennenzulernen, indem er es sich erlief, wenn auch in Begleitung eines außerirdischen Diplomaten. Es war ja auch der beste Weg, eine neue Stadt kennenzulernen, indem man durch sie hindurch spazierte, nicht, indem man mit der U-Bahn von A nach B fuhr.

„Möchten Sie die Krankenstation sehen... oder sagen wir, eine davon? Ist ganz in der Nähe.“

<nein-danke>

Viel zu sehen gab es da ohnehin nicht... obwohl sie dort wahrscheinlich zum ersten Mal auf ihrem Rundgang auf Menschen treffen würden, wenn auch nicht auf viele. Man hatte eine der vielen Krankenstationen in Betrieb gelassen, die anderen hatte man alle geschlossen.

„Das sind auch eher Metzgereien“, hatte Dr. Chen einmal gesagt, nachdem er die Ehre gehabt hatte, eine Führung durch den Schwarzen Tod zu machen, auch wenn das Schiff zu dieser Zeit niemand mehr so nannte, jedenfalls nicht, solange das Schiff ihn hören konnte. Es war eine Menge Aberglauben damit verbunden, manche glaubten gar, das Schiff habe in den Tagen des Krieges und des Mordens ein eigenes Bewusstsein entwickelt... und vielleicht sogar selbst einen Gefallen am Töten gefunden. Oder eine Abscheu vor Menschen. Oder beides. Verdenken konnte man es ihm nicht. Da es allerdings noch nichtmal einen Bordcomputer mit künstlicher Intelligenz hatte, war das jedoch eher etwas, das in den Bereich der Mythen und Lagerfeuergeschichten fiel... oder etwas, das sich Roboter am Lagerfeuer erzählten, die Mär von der riesigen Maschine, die ein Bewusstsein und einen Hass auf alles Leben erworben hatte. Robotermärchen, das war ein Kapitel für sich. „Oder vielmehr Schlachtereien. Das hatte mit Heilung nicht viel zu tun. Es waren Ersatzteillager für menschliche Körperteile. Die beschädigten wurden abgehackt und durch neue ersetzt und bevor das alles anständig wieder verheilen konnte, hat man die Soldaten wieder in die Schlacht geschickt.“

Shaw wusste, dass das den Tatsachen entsprach. Und eine Krankenstation reichte vollkommen. Denn es befanden sich keine Tausendschaften mehr auf diesem einstigen Kriegsschiff, es waren nur noch knapp 72 Leute, die die Besatzung ausmachten. Mehr brauchte es auch nicht, da viele der Systeme automatisch liefen – und einige davon auch nahezu unzerstörbar wirkten. Der größte Anteil fiel auf den Maschinenraum und den Ingenieursbereich, um die gigantischen Maschinen des gigantischen Schiffes am Laufen zu halten, aber auch die Lebenserhaltung und Shuttle wie Jäger. Ein kleines Heer von Androiden, Maschinen, die die Maschinen beaufsichtigten, jedenfalls hatte es so in dem letzten Bericht gestanden, den er erhalten hatte... wenn auch nicht so poetisch formuliert. Offenbar wieder ein Weg, die unliebsamen Geschöpfe, denn das waren sie zweifelsohne, loszuwerden. Es gab ein medizinisches Team, ein überschaubares Einsatzkommando, falls doch mal kriegerische Aktivitäten vonnöten sein würden, sowie Piloten für Navigation und Steuerung. Also eine in dem Fall. Und dann war da die Gruppe, die es zuvor auf diesem Schiff gar nicht gegeben hatte: Wissenschaftler!

Interessant war die Unterbringung all dieser, im Vergleich wenigen, Menschen. Eigentlich hatte man vorgehabt, den Bereich der Unterkünfte eines angemessenen Umbaus zu unterziehen, Teppiche zu verlegen, aus den großen Schlafräumen kleine und luxuriöse Kabinen zu machen, in denen man sich wohlfühlen und wo man sich ein bisschen von dem Gedanken lösen konnte, dass man in einem Berg aus Stahl lebte, doch ihr Abflug war kurzfristig vorverlegt worden und die Zeit dazu war nicht mehr vorhanden. Shaw hatte dafür gesorgt, dass wenigstens die Materialien, die man für diese Umbauten brauchte, an Bord gebracht wurden und so konnten die Ingenieure, die ja nun keine Zeit in den Werkstätten verbringen mussten, um Raumjäger zu flicken, diese Arbeiten unterwegs angehen.

Überstürzter Aufbruch, dachte Shaw, während sie langsam weiter gingen. Auch das passte ins Bild. Nein, man hatte ihn nicht mit einer kompletten Besatzung losschicken können, die vielleicht noch eine kurze Phase hatte, um sich kennenzulernen. Das wäre ja auch zu einfach gewesen. Einige Schlüsselpositionen waren auch noch nicht besetzt und er würde die entsprechenden Leute unterwegs an Bord nehmen... wenn denn alles klappte. Was unwahrscheinlich war. Da es nicht in der Natur des Universums lag.

Max blieb stehen. War es hier gewesen? Oder an einer anderen Stelle? Er kniff die Augen zusammen und lauschte angestrengt in die Stille. Nein, da war nichts. Nur die Geräusche, die ein Raumschiff so von sich gab. Aber nicht die Schreie der Verurteilten, die auf dem Schafott ihr Leben ließen.

Der Botschafter bemerkte, dass der Kapitän stehengeblieben war.

<etwas-interessantes-?>

„Eher etwas furchtbares.“

<erschrecken-sie-mich>

Shaw seufzte.

„Ich habe gelesen, dass es einen Ort gibt, eine Kreuzung, wo mehrere Gänge aufeinandertreffen und auch die Lüftung einen eigenwilligen Bogen schlägt, an der man die Todesschreie all derer hören konnte, die man hier hingerichtet hat. Und das, obwohl wir hier viele viele Decks davon entfernt sind.“

Eine schreckliche Vorstellung... aber eine, die ein zartbesaitetes Raumschiff in den Wahnsinn treiben konnte.

<mich-erschaudert-es>

„Mich auch“, fröstelte Shaw. „Und angeblich hört man sie immernoch...“

Sie lauschten... und waren froh, nichts zu hören.